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Wetterleuchten über Isenheim. Ein Grünewald-Roman von Ingrid Möller
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Preis E-Book:
8.99 €
Veröffentl.:
22.09.2014
ISBN:
978-3-95655-068-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 306 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Biografisch, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Biografie & Autobiografie / Künstler, Architekten, Fotografen
Biografien: allgemein, einzelne Künstler, Künstlermonografien, Historischer Roman, Kriegsromane, Biografischer Roman
Grünewald, Isenheimer Altar, Mathis Neithart-Gothart, Maler, Bauernkrieg, Aschaffenburg, Halle/Saale, Frankfurt
12 - 99 Jahre
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Im Kaminzimmer hat der Qualm einen beißenden Geruch hinterlassen, aber es lässt sich atmen. Meister Mathis breitet die Pläne auf einem Tisch aus und weist Meister Baltz an, die einzelnen Mauerteile und Winkel nachzumessen. Es geht lakonisch zu. Zahlen werden angesagt, verglichen, bestätigt. Weiter hinein in den verrußten Abzug muss der Geselle kriechen. Bisher decken sich alle Angaben.

Plötzlich aber gibt es eine Abweichung. Meister Mathis wird hellwach. »Noch mal! Sagtet Ihr sechsundvierzig? Bei mir steht sechsundsiebzig!«

»Wo?« Im Nu steht Baltz von Martenstein neben Meister Mathis. »Die Zahl soll eine Sieben sein? Wo habt Ihr denn das Zahlenschreiben gelernt? Ihr habt statt dessen wohl Männchen gemalt!«

Ein üblicher Vorwurf! Vielen Leuten will es nicht in den Schädel, dass ein und derselbe Mensch ein exakter Rechner und gleichzeitig ein fantasiebegabter Künstler sein kann. Als ob andere das nicht wären! Leonardo da Vinci zum Beispiel oder Albrecht Dürer. Immer dieser Argwohn: Eines kann er nur vernünftig machen. Entweder - oder. Ein wunder Punkt für Meister Mathis. Folglich geht er jetzt hoch: »Und Ihr! Habt Ihr in Eurer Lehre nichts vom maßstabgerechten Zeichnen gehört?! Selbst wenn Euch die Zahl nicht eindeutig war, so brauchtet Ihr doch wohl nur die Längen zu vergleichen! Und außerdem hättet Ihr mich im Zweifelsfall jederzeit fragen können. Das ist eine verdammt faule Ausrede!«

»Euch oblag die Oberaufsicht! Also hättet Ihr aufpassen müssen!«

»Wie soll ich ahnen, dass ich es mit fachlichen Analphabeten zu tun habe!«

Die Wut schaukelt sich hoch, droht in unsinnige Feindschaft auszuarten. Meister Mathis erschrickt selbst. Das ging zu weit. Das hätte er besser nicht sagen sollen! Er sucht zu beschwichtigen: »Jedenfalls wissen wir jetzt, wo der Fehler liegt. Wir müssen eine Überschlagsrechnung machen, wie viel zusätzliche Arbeitsstunden der Umbau bedeutet. Wie viel muss abgerissen werden?«

Der Maurermeister schluckt. Eigentlich wollte er’s dem Maler geben, der sich hier als Ingenieur aufspielt, aber vor eine so konkrete Frage gestellt unterdrückt er seinen Zorn. Er guckt in den Kaminabzug, bedenkt die Mauerdicke. Ihm wird siedend heiß. »Ich fürchte, fast alles!«

Meister Mathis wird starr vor Schreck. »Das bedeutet - sieben Wochen Arbeit umsonst? Ist der Mörtel denn schon so hart, dass die Steine nicht wieder verwendet werden können?«

»Ein Teil der Steine geht sicher dabei zu Bruch.«

 

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