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Kein Besuch beim Bruder

In seinem Buch „Der Fluch von Maralinga“ erzählt Walter Kaufmann aus Australien

Damals, 1958, als das Buch „Der Fluch des Maralinga“ erstmals in deutscher Sprache im Verlag Neues Leben erschien, müssen diese Erzählungen von Walter Kaufmann noch einen ganz besonderen Reiz gehabt haben, erzählten sie doch von Australien. Aber auch fast sechs Jahrzehnte späte bestechen diese Erzählungen durch die Art und Weise der literarischen Herangehensweise, durch ihre Farbigkeit und Lebendigkeit und – durch die eigene Anschauung ihres Verfassers.

Eine dieser australischen Erzählungen ist „Begegnung auf der Landstraße“: „Ich stehe auf der Landstraße und warte, dass mich ein Auto ein Stück Wegs mitnimmt. Hell scheint die Sonne über das weite Land, und die Luft ist frisch. Es ist ein schöner Tag. Ich höre Motorenlärm, noch bevor ich ein Auto sehen kann. Über die Hügel kreuzt ein neuer amerikanischer Sedan auf; als er sich nähert, scheint er das Tempo zu verlangsamen. Ein vierschrötiger Mann am Steuer winkt und zeigt an der Straßenseite voraus, wo er halten wird. Ich höre ihn rufen, nehme mein Bündel auf und renne, „Wo wollen Sie hin?“, fragte er mich, und ich sage ihm, dass ich nach Sydney will.“

Der Erzähler aus „Begegnung auf der Landstraße“ trifft zwei Menschen, Mann und Frau, beide fünf Jahre miteinander verheiratet, und schnell findet er heraus, wie es ihnen geht. Die beiden sind auf dem Wege zur Farm des Bruders des Mannes, den er seit Jahren nicht gesehen hat. Bei einer kurzen Rast brechen die Konflikte zwischen den beiden heftig auf. Und dann fahren alle drei zur Farm des Bruders, die beiden und der Erzähler. Dort treffen sie auf die Farmersfrau, die offenbar in einer besonderen Beziehung zu dem Mann steht. Aber schon bald fahren sie wieder los, den Bruder sehen sie nur von Weitem, und der Erzähler will am liebsten aussteigen …

 

Die Leser aber steigen nicht aus, aus den Erzählungen von Walter Kaufmann, sondern sie fahren weiter mit. Schließlich wollen sie wissen, wie es weitergeht. Ein Meister der Erzählkunst

 

Walter Kaufmann, der eigentlich Jizchak Schmeidler heißt und am 19. Januar 1924 in Berlin geboren wurde, ist ein deutsch-australischer Schriftsteller. Der in Duisburg aufgewachsene Adoptivsohn eines jüdischen Anwaltsehepaars hatte als 14-Jähriger mit einem Kindertransport über die Niederlande nach Großbritannien fliehen können und wurde so vom Schicksal seiner im KZ Auschwitz ermordeten Adoptiveltern verschont. Mit 15 als „feindlicher Ausländer“ nach Australien deportiert, musste er sich dort ganz auf sich allein gestellt seinen Lebensunterhalt verdienen – als Obstpflücker, Landarbeiter, Straßenfotograf, Werftarbeiter sowie als Arbeiter im Schlachthof, als Freiwilliger in der Australischen Armee und als Seemann. 1953 erschien in Melbourne sein erster Roman „Voices in the storm“. Ihm folgten seit seiner Übersiedlung in die DDR 1957 mehr als 30 Bücher. Deren Mehrzahl hat Kaufmann, der noch immer die australische Staatsbürgerschaft besitzt, in englischer Sprache geschrieben, anschließend selbst übersetzt oder übersetzen lassen. Sein bewegtes Leben als jüdischer Emigrant, seine Reisen als Seemann, sein Leben in Australien und die Ereignisse im faschistischen Deutschland thematisierte der Autor in vielen seiner Romane, Erzählungen in der Tradition der amerikanischen Short Story und Reportagen.

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