Christian und Caroline, eine strafversetzte Kriminalkommissarin und die Erfindung der Bescheidenheit – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
(Pinnow 14. 07. 2017) Wenn das kein Beispiel weiblicher Lösungskompetenz und weiblicher Aufopferungsbereitschaft ist, von der Jan Flieger da im ersten der fünf Deals der Woche schreibt, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de eine Woche lang (Freitag, 14.07. 17 – Freitag, 21.07. 17) zu jeweils stark reduzierten Preisen zu haben sind! Im Interesse des Großen und Ganzen springt Caroline für ihren malaidierten Zwillingsbruder Christian in die Bresche und trennt sich zwecks noch besserer Ähnlichkeit und Ununterscheidbarkeit schweren Herzens von ihrem langen feuerroten Pferdeschwanz. So ist sie nun kaum noch von ihrem Zwillingsbruder zu unterscheiden. Denn das Große und Ganze ist im Falle des vertauschten Mittelstürmers nichts weniger als das entscheidende Spiel um die Fußball-Kreismeisterschaft der F-Klasse, also wenn die Spieler und Spielerinnen sieben oder acht Jahre alt sind. Und so stürmt Caroline als Christian auf dem Platz. Ob es am Ende tatsächlich zum Sieg reicht?
Auch in drei der anderen vier Angebote der aktuellen Woche spielen Frauen keine geringe Rolle. So löst eine nach dem Willen von Autorin Christiane Baumann von Berlin in ihre Geburtsstadt Schwerin strafversetzte Kriminalkommissarin nicht nur schwierige Fälle, sondern auch eigene Schwierigkeiten. Einer der wichtigsten Gründe für den Überlebenswillen des sowjetischen Kriegsgefangenen, der in „Die Nacht der Schnee-Eule“ von Jan Flieger gemeinsam mit einem Kameraden flieht, ist der Glaube an seine Frau Vera und an ihre gegenseitige Liebe. In der Erzählung „Begegnung auf der Landstraße“ aus der Sammlung „Der Fluch von Maralinga“ von Walter Kaufmann quittiert eine Frau die Bemerkung ihres Mannes über ein Ehejubiläum zwar ohne Worte, aber immerhin mit einem spöttischen Lächeln. Und nicht zuletzt geht es um eine Jahrhundertelang dem weiblichen Geschlecht zugeschriebene oder sogar verordnete Tugend – die Tugend der Bescheidenheit. Gerhard Branstner hat sich dazu in seinen Fantastischen Geschichten „Der negative Erfolg“ auf ebenso originelle wie dialektisch-heitere Weise seine Gedanken gemacht und lässt eine sterbende Frage zu Wort kommen, zu ihrem beinahe letzten Wort. Allerdings …
1998 war ein Fußball-Jahr. In diesem Jahr fand die Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich statt. Und in diesem Jahr brachte Jan Flieger – eher Zufall, eher Absicht – im Arena Verlag Würzburg sein Kinderbuch „Der vertauschte Mittelstürmer. Elf Kicker im Fußballfieber“ heraus: Das ist ein Fußballbuch, jedenfalls ein Buch mit Fußballgeschichten, mit vier Fußballgeschichten. Da geht es zum Beispiel um eine Mannschaft, der ausgerechnet vor dem entscheidenden Spiel um die Kreismeisterschaft Christian, der Mittelstürmer, der in jedem Spiel ein Tor schießt, abhandenkommt. Zum Glück für die Mannschaft hat Christian eine Zwillingsschwester, Caroline. Caroline kann auch Fußballspielen, und sie hat eine tolle Idee. Ob sie die Kreismeisterschaft auch ohne Christian gewinnen können? Auch in den drei anderen Fußballgeschichten geht es um das runde Leder, allerdings ganz anders als erwartet - aber trotzdem spannend zu lesen. Schauen wir uns also gleich mal die Titelgeschichte „Der vertauschte Mittelstürmer“ an, zumindest ein Stück davon. Aber Vorsicht! Es wird heiß:
„Die Sonne brennt heiß auf den Sportplatz. Die Kinder der F-Jugend des Post Sportvereins lassen die Köpfe hängen. Nicht etwa, weil sie die Hitze quält. Nein. Ihr Trainer ist krank geworden. Und die Grippe hat auch einen Jungen der Mannschaft gepackt. Christian hustet und schnieft. Er liegt zu Hause schwitzend im Bett. Ausgerechnet beim letzten Training vor dem entscheidenden Spiel gegen den TSV Blau-Weiß. Wenn sie die schlagen, sind sie Kreismeister.
Aber nun ist Christian krank. Christian, der Mittelstürmer. Christian, der in jedem Spiel ein Tor schießt. Immer. Doch plötzlich erhebt Caroline ihre Stimme. Sie ist Christians Schwester. Genauer gesagt: seine Zwillingsschwester. Sie hat feuerrote Haare, wie er. Aber sie trägt einen langen Pferdeschwanz. Christians Haare dagegen sind rappelkurz. Natürlich gehen die beiden in dieselbe Klasse, die 2 a. „Ich spiele für Christian“, schlägt Caroline vor. „Ich sehe so aus wie er. Außerdem habe ich schon mal beim VfB trainiert. Einige Monate lang. Aber wir haben nicht genug Mädchen für eine Mannschaft zusammenbekommen.“ „Du darfst doch nur bei den Mädchen spielen“, sagt René und tippt sich an die Stirn. „Und außerdem siehst du Christian gar nicht ähnlich, mit deinen langen Haaren“, wirft Johannes, der Torwart, skeptisch ein.
Aber Caroline weiß schon, was sie macht. Auch wenn Mama und Papa unglücklich sind. Der schöne rote Pferdeschwanz - am nächsten Tag ist er ab. Jetzt sieht sie wirklich wie ein Junge aus! Wie Christian! Als Caroline beim Fußballplatz im Mariannenpark auftaucht, ist sie fix und fertig angezogen. „Christian?“, fragt Oliver ungläubig. „Quatsch, ich bin’s, Caroline. Aber ich hab euch ja gesagt, dass es klappt!“ „Wahnsinn“, staunt nun auch Johannes. „Also, was ist?“, fragt Caroline keck. „Wollt ihr, dass ich mitspiele, oder wollt ihr, dass ich nicht mitspiele?“ „Na klar“, platzt René heraus. „Aber der Trainer darf kein Sterbenswörtchen erfahren. Das ist unser Geheimnis.“ „Logo“, meint Caroline und beginnt sich warm zu machen.
Der Trainer ist nämlich doch noch gekommen. In der letzten Minute! Alle Spieler sind schon auf dem Platz. Er hat einen dicken Schal um den Hals gewickelt, hustet und verbraucht eine Unmenge an Papiertaschentüchern. Toll, dass Christian so schnell wieder auf den Beinen ist, denkt er. Jetzt haben die Jungs wenigstens eine Chance.
Da - der Anpfiff. Caroline ist heute also wirklich der Mittelstürmer des Post SV. Aber kann sie auch wie Christian spielen? Dribbeln kann sie gut. Sehr gut sogar. Wie ein Brasilianer. Sie trickst die Abwehr des TSV Blau-Weiß aus. Immer wieder. Der Post SV hat zwar eine Reihe von Torchancen, doch als Oliver endlich einmal ganz frei vor dem gegnerischen Tor steht, spielt Caroline nicht zu ihm, sondern schlägt noch einen Haken. Und stolpert.
Der Trainer rauft sich die wenigen Haare auf seinem Kopf. Wieder kein Tor. Zum Glück geht es den Jungen des TSV Blau-Weiß ebenso. Zur Halbzeit steht es null zu null. In der Kabine schimpft der Trainer: „Christian, Fußball ist ein Mannschaftsspiel. Wenn ein Spieler frei vor dem Tor steht, gibt man ab!“
Dass die Jungen kichern und glucksen, kann der Trainer nicht verstehen und schaut mit seinen tränenden Augen verständnislos in die Runde. Was ist bloß los?, denkt er. Die Kinder können sich ja überhaupt nicht beruhigen. So kenn ich sie gar nicht. Dabei haben sie keinen Grund für ihr Gelächter. Und so redet er seinen Jungs tief ins Gewissen, bevor er sie wieder auf den Rasen schickt.
In der zweiten Halbzeit gibt Caroline den Ball nun immer ab. Aber ein Tor schießt der Post SV trotzdem nicht. Es ist wie verhext. Da! Oliver hat eine tolle Chance. Doch er trifft nur den Pfosten des gegnerischen Tors. Der Ball kracht gegen das weiße Holz, prallt zurück. Nur noch eine Minute ist zu spielen.“
Auch der nächste Titel stammt von Jan Flieger. Es geht jedoch um eine ganz andere Thematik und um eine ganz andere, ziemlich schreckliche Zeit in Europa. „Die Nacht der Schnee-Eule“ war erstmals 1986 als Nummer 298 der Erzählerreihe des Militärverlag der DDR Berlin erschienen: November 1944 in der Slowakei. Zwei sowjetische Kriegsgefangene, denen die Flucht aus dem Werk gelungen ist, wollen zu den Partisanen, die gegen die Faschisten kämpfen. Schwer ist der Weg für Tschangow und Tischin. Aber sie müssen zu den Partisanen. Und vielleicht treffen sie dort auch auf die sowjetische Ärztin Vera, Tschangows Frau …
Und dann stoßen Tschangow und Tischin auf Männer in sowjetischen Uniformen, insgesamt zwölf Leute. Endlich Partisanen! Aber sind es auch wirklich sowjetische Soldaten? Noch aber liegen die beiden Kriegsgefangenen in einem Versteck, als plötzlich Gefahr droht:
„Tschangow und Tischin lagen im Dunkeln und warteten. Am Anfang hatten sie die Stunden gezählt, die ersten Stunden nach der Flucht. Ernst Röhrig hatte sie in diesem Raum versteckt, der Mann, der für diese Flucht den Posten des erkrankten Pförtners übernommen hatte. Drei Tage und drei Nächte waren Tschangow und Tischin fieberhaft gesucht worden. Aber wer sollte sie noch im Werk vermuten und in diesem Raum? Wer? Viele sowjetische Kriegsgefangene hatten versucht, aus diesem Lager zu fliehen, das so nahe der Fabrik lag. Kaum einem war es gelungen, die Berge der Niederen Tatra zu erreichen. Wasserfässer hatten sie an den zweieinhalb Meter hohen Zaun geschoben, den Stacheldraht mit Lappen umwickelt und überstiegen, um in die nahen Wälder zu fliehen. Wie viele waren erschossen worden? Niemand würde es je erfahren. Wie war es Iwanow ergangen? Oder Galenkow? Wie Ostrowerschow? Oder Benranjuk?
Aber Tschangow und Tischin hatten ihre Flucht gut vorbereitet, und Ernst Röhrig, Mitglied einer Widerstandsgruppe, hatte ihnen dabei geholfen. Fasste man sie beide nicht in diesem Werk, würden sie in Zivilkleidung weiter fliehen können, mit Proviant und einer Karte der Slowakei. Aber in den Bergen lag hoher Schnee, wartete der Frost, der Hunger. In den Bergen, dachte Tschangow, lebt dort nicht Vera? Hatte nicht Röhrig von einer sowjetischen Ärztin gesprochen und diesen Berg genannt, in dessen Nähe sie Verwundete operieren sollte? Ob es wirklich Vera war? Vera ... Seine Frau Vera ... Oder war es nur ein Gerücht? Aber die Hoffnung, dass er Vera finden würde, hatte ihm Kraft gegeben, und der Name des Berges war wie ein Lockruf geworden.
Bevor sie in die Wälder tauchen konnten, mussten sie die Verfolger abschütteln, die SS und die Hlinkagardisten, diese slowakischen Faschisten, die gefährlich waren, weil sie das Land kannten, in dem sie lebten, auch die Wälder, auch die Berge. Es war ein grauer Novembertag des Jahres 1944. Tschangow erschrak, als er die dröhnenden Stiefel hörte. „Hier ist schon alles durchsucht worden.“ Sie erkannten Röhrigs Stimme. Tschangow hielt den Atem an. Einen Augenblick lang vernahm er keinen Laut. „Und dieser Raum?“, fragte ein Mann. „Eine Abstellkammer“, erklärte Röhrig. „Sie ist immer verschlossen. Der Schlüssel hängt gesondert im Pförtnerhaus. Ich hab’ ihn deshalb nicht am Bund. Wenn ich ihn holen soll ...“ Jetzt geht es um unsere Köpfe, dachte Tschangow, um meinen, um Tischins, um Röhrigs. Jetzt! Wenn Röhrig den Schlüssel holen muss, sind wir verloren. „Na gut“, hörte er die Stimme wieder. „Noch die andere Halle und den Kohlenkeller! Dann gleich weiter! Abrücken!“ Tschangow stand an der Tür und presste das Ohr gegen das Holz. Sie gingen weiter! In dieser Nacht würden sie ihr Versteck verlassen können! Und in den Bergen würde er vielleicht Vera treffen, seine schwarzhaarige Vera, die so zärtlich sein konnte und so hart. Vera ... „Wann wird er uns holen, Boris?“, flüsterte Tischin. „Vielleicht lässt er noch einen Tag verstreichen“, antwortete Tschangow. „Er weiß, dass dieser Raum sicher ist.“´
…
Und dann ging alles so schnell. Nachts zogen sie los. Röhrig hatte ihnen Kleidung gegeben, Proviant und eine Karte. Ihre verschlissenen Uniformen hatte er verbrannt. Als es Tag wurde, sahen sie die Berge, die Kämme, zwischen denen die Täler lagen. Und irgendwo mussten sie Partisanen finden. Beide kannten das Risiko. Die deutschen und die slowakischen Faschisten, die Hlinkagardisten, werden sie suchen. Sie hatten keine Waffen und für die Partisanen keine Legitimation. Was war, wenn sie auf eine Abteilung stießen, die ihnen nicht glauben würde?
Der Tod war ihr Begleiter. Aber das hatten sie gewusst. Beide. Und wer würde ihnen in den Dörfern trauen? Ganze Ortschaften hatte die SS ausgelöscht. Tschangow und Tischin mieden die Straßen, aber so kamen sie schwer voran im Schnee. Sie folgten Holzfällerpfaden und Wildspuren. Nach einem Tal kam ein Kamm, nach einem Kamm ein Tal. Wenn sie Straßen überquerten, verwischten sie ihre Spuren mit Tannenzweigen. Tschangow sah das Motorrad als erster, eine deutsche Maschine mit Seitenwagen, die den Hang hinabgestürzt war. Der Fahrer, ein SS- Mann, lag im Schnee, offenbar tot. Der zweite hockte benommen da. Die Waffen, dachte Tschangow. Ihre Waffen. Sturmgewehre!“
Ganz aktuell ist bei der EDITION digital sowohl als E-Book wie auch als gedruckte Ausgabe der Schwerin-Krimi „Die Tote im Pfaffenteich“ von Christiane Baumann erschienen: Kommissarin Nora Graf ist die Hauptperson des im August 2016 spielenden Kriminalromans. Sie wird aus Berlin in ihren Geburtsort Schwerin strafversetzt. An ihrem ersten Abend entdeckt sie beim Spazierengehen die Leiche einer älteren Frau im Pfaffenteich. Tage später führt ihr untrüglicher Geruchssinn Nora in einer leer stehenden Wohnung zum Leichnam eines jungen Mannes. Besteht eine Verbindung zwischen beiden Morden? Oder zur Serie von Vergewaltigungen, von der die Stadt seit Monaten in Atem gehalten wird? Plötzlich taucht ein traumatisches Erlebnis aus Noras Schweriner Kindheit wieder auf. Ein Klassenkamerad starb. Wurde die Frau aus dem Pfaffenteich Opfer einer späten Rache? Nora sucht Kontakt zu ihrer früheren Schulfreundin Tamara und beginnt, sich in Schwerin einzuleben. Einen weiteren Mord kann Nora nicht verhindern. Sie muss ihre Angst vor offenem Wasser überwinden, um das Leben ihrer Tochter zu retten. Im Übrigen hat Autorin Christiane Baumann ihren Schwerin-Krimi eine wichtige Vorbemerkung vorangestellt: „Alle handelnden Personen und ihre Namen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.“ Verfolgen wir die Rückkehr der Kommissarin nach Schwerin. Ihr erstes Ziel ist die Schweriner Binnenalster, der Pfaffenteich:
„Sonntag, 31. 7. Ankunft
Nora Graf fuhr von der Autobahn ab. Auf einem Schild stand ‚Schwerin, 8 Kilometer‘. Ihr wurde etwas mulmig zumute. Die Würfel waren gefallen; es wurde wahr, was sie vor Wochen noch für unmöglich gehalten hätte: irgendwo anders als in Berlin leben und arbeiten. Sie hatte die Wahl gehabt: entweder ab ersten August die Stelle in Schwerin oder das war’s erst mal mit ihrem Job bei der Kripo. Wenig später passierte Nora das Ortseingangsschild. Nur einzelne Fahrzeuge waren an diesem frühen Sonntagabend Richtung Zentrum unterwegs. Robert hatte ihr die Strecke vorgebetet, weil er wusste, dass sie aufs Navi verzichten würde. Der Gedanke an ihn war tröstlich. Wie rührend ihr Mann sie in den letzten Tagen betuttelt hatte; als träte sie eine Reise in die mongolische Steppe an. Dabei ging ihre Fahrt in die Stadt, in der sie vor siebenundvierzig Jahren zur Welt gekommen war und ihre ersten acht Lebensjahre verbracht hatte. Nach dem Umzug ihrer Familie nach Berlin war der Kontakt zu den Schweriner Familienangehörigen bald eingeschlafen. Nora hatte längst aufgehört, sich und ihre Geburtsstadt in irgendeiner Weise miteinander zu verbinden. Auch als feststand, dass sie hierhin strafversetzt werden würde, hatte sie nicht nach Kindheitserinnerungen gekramt. Nora registrierte die vielen Wahlplakate am Straßenrand. Ah ja, sie hatte irgendwas von Landtagswahlen in Meck-Pomm gehört. An Laternenmasten hingen bis zu fünf Plakate übereinander. Wer sollte die denn beim Vorbeifahren lesen können! Dann ein Umleitungsschild. Noch eins. Betraf sie das etwa? Das hätte Robert wissen müssen! Nora beschloss, die Schilder zu ignorieren. Weil auf einmal der Wunsch in ihr aufkam, das Schloss zu sehen. Und da war es schon. Eingetaucht in die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Ein Märchenschloss! Na ja, bis auf den Baukran. Der trübte den Schlossblick und half Nora, ein aufsteigendes Tränchen der Rührung zu unterdrücken.
Aber irgendwas stimmte nicht. Offensichtlich hatten die Umleitungsschilder einen Sinn gehabt. Sackgasse war angezeigt. Sie war falsch. Nora bog nach links ab und hielt. Wieso denn Sackgasse! Sie nahm den Stadtplan zur Hand und suchte ihr Ziel, den Pfaffenteich. Der würde wohl immer noch an seinem Platz sein. Nun gut, das müsste zu packen sein, umkehren, immer den Obotritenring lang, dann rechts halten … okay. Nora folgte den Hinweisen und landete schließlich in der Alexandrinenstraße. Links lag der Pfaffenteich. Es war fast geschafft, den Teich einmal umkurven, und sie wäre am Ziel. Nein, unmöglich. Was war das denn für eine Verkehrsführung! Sie wollte unbedingt im Hellen ankommen; viel Zeit blieb nicht mehr. Rechts von ihr ein mächtiges, ocker angestrichenes Gebäude mit Zinnen und Türmchen. Das erkannte sie, aber der Name war weg. Nora wendete das Auto. Die Alexandrinenstraße zurück und rechts rum. In die Schelfstraße. Auch gesperrt. Mann oh Mann! Halt weiter geradeaus bis zur Werderstraße. Die durfte befahren werden. In der Ferne erschien der große Turm des Schlosses. Nora konzentrierte sich auf die rechts liegenden Seitenstraßen. Sie fuhr die Amtstraße runter, an einer Kirche vorbei, und Nora war endgültig überzeugt, verkehrt zu sein. Sie konnte nur noch abwärts fahren. Gott sei Dank, am Ende einer abschüssigen Straße schimmerte der Pfaffenteich.“
1985 machte sich Gerhard Branstner Gedanken zum Thema „Der negative Erfolg“ und veröffentlichte unter diesem Titel im Mitteldeutschen Verlag Halle „Fantastische Geschichten“: Nicht wenigen Lesern ist die von Gerhard Branstner wiederholt formulierte originelle und sympathische Idee bekannt, dass sich die Freiheit in einer zukünftigen klassenlosen Gesellschaft immer mehr im spielerischen Umgang des Menschen mit sich und seiner Umwelt realisieren wird. Heutige Kunst, so meint Branstner, habe bereits die Möglichkeit, dafür nötige Haltungen vorwegnehmend zu erkunden und vorzuspielen. So bietet er in fünf Geschichten Zukunftsbilder gesellschaftlichen Zusammenlebens, die vom Spaß an der Dialektik von vorhersehbarem Wesen und von unvorhersehbarer Erscheinung leben. All den Aufregungen und Turbulenzen, die der Existenz der „Bescheidenheit“ erwachsen oder in einem Institut für Gedächtnisforschung entstehen, ist der seltene Vorzug gemeinsam, durch und durch heiter erzählt zu sein. Und das ist auch eine Einladung zu einer eher ungewöhnlichen Ansprache, oder hätten Sie gedacht, dass eine Frage reden und schreiben und aus ihrem Leben berichtet kann? Naja, es ist ja auch das erste Mal überhaupt. Soweit Frage weiß …
„Erinnerungen einer sterbenden Frage
Meines Wissens hat es vor mir noch keine Frage unternommen, aus ihrem Leben zu berichten. Dabei gibt es gewiss eine Menge Fragen, die ein interessanteres oder dramatischeres Schicksal hinter sich haben als ich, denn ich bin bloß die Frage der Bescheidenheit. Und eigentlich sollte ich mich, um mir nicht selber ins Gesicht zu schlagen, bescheiden zurückhalten. Wenn ich trotzdem als erste die Feder in die Hand nehme, dann nur. um das Geheimnis meines Lebens nicht mit ins Grab zu nehmen. Das Geheimnis meines Lebens aber ist das Geheimnis meiner Geburt. Den nahen Tod vor Augen erinnere ich mich an die Umstände, unter denen ich ins Leben getreten bin, und diese Umstände sind der Erinnerung wert. Es war in der Zeit, in der die Menschheit sich in zwei Teile aufspaltete und die Angehörigen des unteren Teils ihre Unzufriedenheit über das ihnen zugefallene Los äußerten. Der obere Teil erkannte in dieser Unzufriedenheit eine Gefahr und erfand als Gegenmittel die Bescheidenheit. Zahllose Theorien und Dogmen wurden erdacht, die Unzufriedenheit, das Trachten nach irdischem Wohl, das Sicheinmischen in öffentliche Angelegenheiten als den Ausgang aller Übel zu verdammen, hingegen das Sichbegnügen, die Bedürfnislosigkeit, die Demut, das Maulhalten, kurzum: die Bescheidenheit als die höchste Tugend zu preisen. Die unteren Klassen konnten mit dieser Auffassung von der Sache natürlich nicht einverstanden sein und stellten sie infrage. Die Frage der Bescheidenheit ist also ursprünglich im direkten Sinne des Wortes eine Klassenfrage. Und ich gestehe, dass ich mich besser befunden hätte und mich heute nicht mehr am Üben befände, wenn ich ausschließlich in diesem Sinne gestellt worden wäre. Doch leider unterfingen sich in der Folge auch die Angehörigen der unteren Klassen, sich gegenseitig zur Bescheidenheit anzuhalten, sodass es ihnen immer schwerer wurde zu erkennen, dass ihnen diese Tugend ursprünglich nur von ihren ärgsten Feinden zugemutet worden war. Es lässt sich denken, dass ich dadurch ziemlich verworren wurde, was meine Lösung erheblich erschwerte. Aber ich konnte mich nicht darüber freuen.
Die meisten Fragen freuen sich ja diebisch, wenn sie recht verworren sind, denn die verworrensten Fragen leben bekanntlich am längsten. Ich hingegen darf, ohne unbescheiden zu sein, von mir sagen, dass ich lieber mein Leben lang eine klare Frage gewesen wäre, auch wenn das mein Leben ungemein verkürzt hätte, denn klare Fragen werden schneller gelöst, die Lösung aber ist unser Tod. Doch zurück zu meiner Verworrenheit. Mit der war ich leider noch nicht am Ende, oder, anders gesagt, noch nicht auf dem Höhepunkt angelangt. Den Höhepunkt meiner Verworrenheit erreichte ich erst, als die unteren Klassen die Welt von unterst zu oberst kehrten und sich anschickten die Spaltung der Menschheit aufzuheben. Da sie damit auch den Ursprung meiner Existenz aufhoben, hätte man denken sollen, dass es mit mir Hals über Kopf aus und zu Ende gewesen wäre. Aber nichts dergleichen, im Gegenteil. Ich wurde geradezu neu belebt, und das auf die schrecklichste Art. Ich wurde aufgeworfen, hart in den Raum gestellt für hinfällig erklärt, als erledigt angesehen, um im nächsten Augenblick wieder auf- und in die Debatte geworfen zu werden, mit einem Wort: ich war in aller Munde, und wenn ich auch nicht gerade angebissen wurde, so wurde ich doch angeschnitten, aufgerissen, an den Haaren herbeigezogen und sogar überschlafen. Was letzteres betrifft, so habe ich da einen äußerst unangenehmen Fall in Erinnerung. In einer Gewerkschaftsversammlung wurde der Betriebsleiter kritisiert, da er, so sagte man. die Initiative der Werktätigen missachtet habe. Nachdem ein Weilchen hin und her gerätselt worden war, worin die Ursache dieses kritikwürdigen Verhaltens zu suchen sei, rief endlich einer, das sei eine Frage der Bescheidenheit. Da der Betriebsleiter das jedoch nicht sogleich wahrhaben wollte, riet man ihm, mich mal zu überschlafen. Nun war der Mann aber wohlbeleibt, um nicht zu sagen, übermäßig dick, und er schwitzte unter den Armen.
Ich gestehe, auch wenn mich dies hart ankommt, denn es berührt den peinlichsten Punkt in meinem Leben, ich gestehe, dass ich in der Nacht, in der ich von dem Manne überschlafen wurde, ums Leben gern Selbstmord verübt hätte. Doch leider ist uns Fragen dieser letzte Ausweg verwehrt. Eine Frage endet allein durch ihre Lösung. Also war ich gezwungen, mich von dem Dicken beschlafen. Verzeihung, ich gerate noch jetzt ganz durcheinander, wenn ich nur an diese Nacht denke, wollte sagen, ich musste mich, ob ich wollte oder nicht, von dem schwitzenden Leiter überschlafen lassen, ohne auch nur den Trost zu haben, dass er wenigstens ein Stück mit mir vorangekommen wäre, denn als ich, noch völlig zerknautscht, am nächsten Tag wieder aufgeworfen wurde, zeigte mein Dicker noch immer keine Einsicht. Ich fürchtete schon, dass man ihm anraten würde, noch einmal mit mir zu Bett zu gehen, doch eben da verband man mich mit der Frage der kollektiven Leitung. Das war eine nette Abwechslung für mich, denn ich war lange nicht im Zusammenhang gestellt worden. Wer weiß, dass es unserer Natur entspricht, mit unseresgleichen verbunden zu werden, kann sich denken, dass wir nur auf derartige Gelegenheiten warten, um uns gegenseitig mitzuteilen, was wir seit der letzten Verbindung an Freud und Leid erfahren haben, wobei ich immer wieder feststellen muss. Dass es uns im Grunde genommen allen gleich ergeht. Auch die Frage der kollektiven Leitung machte da keine Ausnahme.
Nachdem sie, wie sie mir klagte, lange Zeit unterdrückt oder sogar totgeschwiegen worden war, hatte man sie wieder aufgefrischt, erneut gestellt, hingeworfen, aufgetischt und, was man gewöhnlich nur mit Tieren macht, aufgezäumt, meistens allerdings verkehrt, nämlich von hinten. Das ist mir nebenbei auch einige Male widerfahren. Ein scheußliches Gefühl, kann ich nur sagen. Kurzum: Wir Fragen leiden, wie alle Geschöpfe des menschlichen Geistes, unter dessen Gebrechen, nicht zuletzt unter der Sprachverschandlung. Am schmerzlichsten aber leiden wir darunter, dass wir verkehrt gestellt werden, nicht sachlich, sondern als Gretchenfrage. Sozusagen als das Bein, über das einer stolpern soll. Dagegen ist das richtige Stellen einer Frage geradezu eine Kunst. Daher sollte uns mehr öffentliche Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Frage ist nun einmal das edelste Produkt des Menschengeistes, weil das produktivste. Ich sage das ohne alle Überhebung. Am Anfang stand nun einmal nicht das Wort und auch nicht die Tat, am Anfang stand die Frage. Doch jetzt wieder zu meinem Dicken. Die Verbindung meiner Wenigkeit mit der Frage der kollektiven Leitung hatte den Mann endlich zur Einsicht gebracht, und man ließ mich fallen. Bevor ich wieder aufgegriffen wurde, machte ich mich schleunigst davon, um unversehens in eine philosophische Diskussion zu geraten. Das hatte mir noch gefehlt. Doch ich wurde angenehm enttäuscht. Ich war noch gar nicht richtig Thema, da stand einer auf und nannte die Frage der Bescheidenheit einen elenden Wechselbalg. Mich einen Wechselbalg! Das tat mir ungemein wohl, denn ich ahnte, dass es mir jetzt an den Kragen ging. Und ich hatte mich nicht geirrt. Eine Klasse, fuhr der Philosoph fort, die angetreten ist, eine Welt zu gewinnen, ist alles andere als bescheiden. Wie kann man da von den Angehörigen dieser Klasse Bescheidenheit fordern. Das ist geradezu schizophren und überdies unerfüllbar. Bescheidene Weltveränderer sind ein Unding. Wer sich bescheidet, will heißen: schön brav ist, der ist für die Welt verloren: der Weltmensch hingegen ist nicht brav zu kriegen. Womit die Frage der Bescheidenheit ein für alle Mal abgetan ist.
Mit diesen Worten hätte ich eigentlich meine Seele aushauchen müssen, denn der respektlose Bursche hatte mich gelöst. Aber leider nur er, alle übrigen hingegen plädierten jetzt nur noch eifriger für die Bescheidenheit und machten sie. wohl um den respektlosen Burschen einzuschüchtern, zu einer grundsätzlichen Frage, um diese, also mich, auf die nächste Sitzung zu verschieben. Nun, da ich, im Grunde eigentlich gelöst, eine grundsätzliche Frage geworden bin — und ich werde den Verdacht nicht los, dass Fragen vorzüglich dann zu grundsätzlichen Fragen erhoben werden, wenn sie im Grunde gelöst sind, aber als ungelöste benötigt werden —. nun also, da ich auf meine alten Tage noch diese Ehrung erfahren habe, werde ich wohl noch ein Weilchen auf dieser Welt verbleiben müssen. Der respektlose Bursche aber hat mir Mut gemacht. Der Weltmensch ist unaufhaltsam. Und so sehe ich meinem sicheren Ende mit freudiger Erwartung entgegen, oder soll ich sagen: mit dialektischer Geduld?“
Erstmals 1958 veröffentlichte Walter Kaufmann im Verlag Neues Leben Berlin seine Erzählungen „Der Fluch von Maralinga in deutscher Sprache: Es sind nicht nur Erzählungen aus Australien, wo der Autor, dem als 15-jährigen jüdischen Jungen mit viel Glück die Flucht aus Nazi-Deutschland geglückt war, 17 Jahre seines Lebens verbracht hatte, sondern auch an seine Kindheit und Jugend in Deutschland vor 1939. Erinnerungen an Hass und wenig Hoffnung, an schreckliche Dinge, aber auch an Zeichen der Solidarität. In vielen anderen Erzählungen verarbeitet Walter Kaufmann seine Erfahrungen und Erlebnisse in Australien, seine Begegnungen mit Eingeborenen und mit Seeleuten und – mit der Liebe: „Mir nach!“, rief sie. „Beeil dich!“ Bevor ich sie eingeholt hatte, sah ich sie die Schuhe abwerfen und in den weichen, trügerischen Sumpf waten, wo sie erst bis zu den Knöcheln, dann tiefer einsank. Ich wurde unruhig. „Eva! Komm zurück!“ „Zieh die Stiefel aus, komm her!“ „Nein! Komm zurück!“ Als sie merkte, dass ich nicht daran dachte, ihr zu folgen, kehrte sie schließlich um, die nackten Beine bis zu den Knien hinauf schlammbedeckt, den Rock bis zu den Oberschenkeln geschürzt. „Hättest du versucht, mich zu retten?“, wollte sie wissen.
Hier ein Ausschnitt aus der Erzählung „Begegnung auf der Landstraße“:
„Ich stehe auf der Landstraße und warte, dass mich ein Auto ein Stück Wegs mitnimmt. Hell scheint die Sonne über das weite Land, und die Luft ist frisch. Es ist ein schöner Tag. Ich höre Motorenlärm, noch bevor ich ein Auto sehen kann. Über die Hügel kreuzt ein neuer amerikanischer Sedan auf; als er sich nähert, scheint er das Tempo zu verlangsamen. Ein vierschrötiger Mann am Steuer winkt und zeigt an der Straßenseite voraus, wo er halten wird. Ich höre ihn rufen, nehme mein Bündel auf und renne, „Wo wollen Sie hin?“, fragte er mich, und ich sage ihm, dass ich nach Sydney will. „In die Großstadt!“ Er lacht, dann sagt er etwas zu der Frau neben sich, worauf sie nickt. Danach macht er mir ein Zeichen, in den Rücksitz zu steigen. Er öffnet die hintere Tür mit fahrigen Bewegungen, als ob er getrunken hätte. „Wir können Sie ein Stück mitnehmen“, sagt er. Ich schiebe mein Bündel durch die Tür, werfe sie hinter mir zu und werde bei dem raschen Start in den Rücksitz gestaucht. „Herrlicher Tag, was?“, ruft er. „So ist’s.“ Nach einer Weile stellt er sich und die Frau vor. „Das ist Nell, meine Frau“, sagt er. „Ich heiße Moran, Jack Moran. Heute seit genau fünf Jahren verheiratet.“ Worauf die Frau spöttisch auflacht, aber nichts sagt. Ich nenne meinen Namen und füge hinzu, wie froh ich sei, mitgenommen zu werden. „Nicht der Rede wert“, sagt Jack Moran. „Auf Urlaub, nicht wahr?“ „Richtig“, bestätige ich. „Nun, wir auch. Nicht wahr, Nell? Hart gearbeitet, und nun lassen wir die Zügel schleifen.“ „Wir wissen nicht, wohin wir fahren, aber wir fahren“, stellt Nell fest, und es ist klar, dass auch sie getrunken hat. „Ich weiß, wohin wir fahren“, sagt Jack. „Wir fahren zu meinem Bruder, der auf seiner Farm versauert, arbeitet immer wie ein Pferd.“ „Dorthin?“, fragt Nell. „Sicher. Warum denn nicht? Er hat doch nicht zu viel Abwechslung, was?“ „Ich weiß nicht, ob wir dort hinfahren sollen“, sagt Nell. „Es liegt am Wege“, wendet Jack ein. „Sollen sich mal den Straßenkreuzer ansehen, er und Dawn. Wird ihnen was zu denken geben. Funkelnagelneuer Wagen, direkt aus dem Schaufenster.“ „Ich weiß nicht“, sagt Nell. Ich bin zufrieden über die Fahrt, und so mache ich mir nichts aus Jacks Prahlerei, obwohl sie mir den Mund verschließt. Aber bald wendet sich die Frau um und lächelt mir zu; sie bemüht sich, jung und sorglos zu erscheinen, „Trinken Sie?“, fragt sie. „Manchmal“, sage ich. „Gut“, meint Jack. „Du sei still“, schilt sie ihn, „du wirst erst was essen, bevor du wieder trinkst.“ „Ich esse, wenn es mir passt.“ „Und das ist jetzt“, beharrt sie. Vor dem nächsten Gasthof hält Jack an, und wir gehen alle in das Gastzimmer, wo er mit lärmender Stimme Bier bestellt. Als Nell entdeckt, dass wir für das Mittagessen zu spät kommen, sagt sie: „Du wirst nicht trinken, ehe ich nicht ein paar Sandwiches besorgt habe.“ „Also bitte, hol welche“, erwidert Jade. „Und womit soll ich bezahlen?“, gibt Nell zurück. Ich krame etwas Kleingeld hervor, aber Jack hält mich zurück, beinahe feindselig. „Geht alles auf meine Kappe“, erklärt er und sucht mit seinen verarbeiteten Händen in den Taschen nach einem Bündel Geldscheine, aus dem er jetzt einen für Nell herausklaubt. Sie steckt ihn in ihre Handtasche und geht etwas unsicher auf ihren hohen Absätzen hinaus. Von der Tür winkt sie uns; ihre gekünstelte Heiterkeit bestätigt meinen Eindruck, dass sie eine unglückliche Frau ist, die viel gelitten hat. Nachdem sie gegangen ist, trinkt Jack das Bier, das er für sie bringen ließ, und stellt die anderen zwei Gläser vor uns hin. „Das wird Ihnen gut tun wie sonst nichts“, sagt er, wobei seine grauen Augen freudlos aus dem geröteten Gesicht starren. „Beseitigt auf der Stelle alle Sorgen.“ „Sie sind auf Urlaub“, erinnere ich ihn. „Sicher“, sagt er, „sicher bin ich auf Urlaub. Trinken Sie noch eins.“ Damit scheuert er sein leeres Glas auf der Tischplatte und hält dem Schankkellner zwei Finger hoch. Er sieht ihn prüfend an und fragt: „Sind Sie von hier?“ Der Schankkellner nickt. „Kennen Sie einen Kerl namens Tom Moran hier in der Nähe?“ „Ja. Hat eine Farm, zwanzig Meilen von hier. Ist er das?“ „Das ist mein Bruder“, sagt Jade. „Wie geht es ihm?“´ „Wie den anderen“, antwortet der Schankkellner und setzt die gefüllten Gläser vor uns hin.
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