Ein Plädoyer für die Bienen, Heimat und Herz und eine blonde Frau in der Flasche – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
(Pinnow 05.10. 2018) Höchst beunruhigende Nachrichten erreichten uns derzeit über die Bienen. Sie sind in Gefahr und könnten vielleicht gänzlich aussterben, sagen Wissenschaftler und Naturschützer. Und das wäre ein schlimmes Zeichen. Haben doch die Bienen große Bedeutung für die Flora und Fauna, für die Natur und damit letztlich auch für das Natur-Wesen Mensch. Es geht also nicht nur um Honig, sondern zugegeben etwas übertrieben, aber deutlich formuliert – um das Überleben der Menschheit und um das Überleben der Bienen. Da ist es gut, wenn sich jemand Gedanken macht, wie man schon den Kindern etwas von den Bienen erzählen und sie für den Schutz dieser Tiere sensibilisieren kann. Genau das hat Annegret Templin mit ihrem zweiten Bienen-Buch „Jakob und sein Bienen-Opa“ (oder up Platt: „Jakob un sien Immenopa“ ) getan, das der erste von fünf Deals der Woche ist, die im E-Book-Shop www.edition-digital.de jeweils eine Woche lang (Freitag, 05.10.18 – Freitag, 12.10.18) zum Sonderpreis zu haben sind.
Mit einem großen und vielfach tragischen europäischen Thema befasst sich Liselotte Pottetz in ihrem Buch „Welcher Heimat gehört unser Herz?“.
Kennen Sie eigentlich schon Aphrodite, die Zeitreisende, aus den phantastischen Romanen von Hardy Manthey? Dieser Newsletter präsentiert den 5. Teil – „Der Sklavenaufstand“.
Die letzten beiden Angebote stammen von dem Leipziger Schriftsteller Jan Flieger. Da wird zunächst von einer blonden Frau in einer Flasche erzählt - „Die ungewöhnliche Brautfahrt und andere Geschichten“. Und dann gibt es vom selben Autor noch einen ganz neuen Titel zum Super-Sonderpreis. Mehr dazu am Ende dieses Newsletters. Und jetzt zurück zu den Bienen oder Immen.
Erst vor wenigen Tagen hat die EDITION digital eine Fortsetzung von „Jakob und die Bienen“ / „Jakob un de Immen“ herausgebracht – „Jakob und sein Bienenopa“ von Annegret Templin mit Illustrationen von Dominik Peters (auch zum Ausmalen). Das Kinderbuch für junge Leserinnen und Leser von sechs bis neun Jahren ist sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book erschienen und wie schon sein Vorgänger zweisprachig – auf Hoch und Platt, wo es „Jakob un sien Immenopa“ heißt. Und „De Biller het Dominik Peters maakt.“ Über ihre Schreib-Motivation sagte Autorin Annegret Templin: Ich habe diese Geschichte für Kinder ab sechs Jahre geschrieben, um euer Interesse an Bienen zu wecken. Sie sind wichtige Nutztiere und brauchen unsere Hilfe. Jeder sollte etwas dazu beitragen, dass es den Bienen gut geht. Traut euch, seid neugierig, besucht einen Imker und erfahrt so mehr über das Leben der Bienen!
Ik heff disse lütt Geschicht schräben, wieldat ji wat oewer de Immen liern künnt, denn de sünd de wichtigsten ünner de Tiere un de bruken uns‘ Hülp. Jedwerein kann wat daun, dat dat de Immen gaut geiht.
Und jetzt stellen Sie sich einen schönen Frühlingstag vor:
„Wärmend scheint die große, gelbe Sonne vom strahlend blauen Himmel. Sie ist heute besonders früh aufgestanden, denn bald ist es Sommer. Alles taucht sie in blendendes Licht. Kriecht mit ihren Strahlen durch jede noch so kleine Ritze, und wenn man genau hinsieht, kann man darin sogar kleine Staubkörnchen tanzen sehen. Jakob, der kleine Junge mit den blonden Haaren und den blauen Augen, ist wieder aus der großen Stadt gekommen, um seinen Großvater, den Bienenopa, zu besuchen. Er war öfter bei ihm und hat jedes Mal etwas Interessantes über die Bienen erfahren.
Opas Hof liegt aber auch einfach zu schön. Gleich hinter dem Haus sieht man die große Wiese, auf der viele Blumen und Kräuter wachsen. Ab und zu kann man einen Schmetterling beobachten, wenn er von Blüte zu Blüte fliegt. Um die Wiese herum breiten sich riesige Felder aus, auf denen sich das Getreide leicht im Wind hin und her wiegt. Ein Stückchen weiter liegt ein Feld, das strahlt so gelb wie die Sonne, ein Rapsfeld.“
Erstmals 2003 erschien im MS-Verlag Oppeln „Welcher Heimat gehört unser Herz?“ von Liselotte Pottetz. Dem E-Book liegt die dritte, erweiterte Auflage von 2015 aus dem Verlag „Mirwal ART“, Walbrzych, zugrunde. Liselotte Pottetz schreibt: Am 5.5.1939 wurde ich in Bessarabien geboren. 1939 Ausbruch des 2. Weltkrieges! 1940 mussten wir unsere Heimat verlassen. Nach einem Jahr Lagerleben im Sudetenland übersiedelten wir in den Warthegau. Im bitterkalten Januar 1945, beim Heranrücken der sowjetischen Front, flüchteten wir, meine Mutter mit uns fünf Kindern, das jüngste erst fünf Monate alt, mit dem Pferdewagen nach Deutschland. Solch oder ein ähnliches Schicksal durchlitten mehr als 14 Millionen Deutsche; deshalb verarbeitete ich in meinem Buch persönliche Erlebnisse, Zeitzeugenberichte oder Tagebuchaufzeichnungen aus Bessarabien, Ungarn, Sudetenland, Siebenbürgen, Pommern, Ostpreußen, Galizien, Banat und Schlesien. Nach der Wiedervereinigung konnte ich meine alte Heimat am Schwarzen Meer besuchen. Jedoch mein lang ersehnter Traum ging jäh zu Ende!“ Dem Buch vorangestellt ist ein einleitender Text des 2003 verstorbenen polnischen Verlegers Wieslaw Lesiuk:
„Einige Bemerkungen zum humanen Wert der Heimat und zum Drama ihres Verlustes
Die Frage, die Liselotte Pottetz zum Titel ihres autobiografischen Erinnerungs- und Reflexionsbuches machte, ist nur scheinbar rhetorisch und poetisch. In Wirklichkeit ist sie nicht einfach zu beantworten: weder für sie selbst noch für viele Millionen Menschen verschiedener Nationalitäten, die zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen ihr Heim und ihre Heimat verlassen mussten. Menschen, die das Drama der Flucht - Umsiedlung oder Vertreibung, zielloses Umherirren, Suche nach den Angehörigen, Hunger, Kälte, Verfolgung, Verschleppung, Ertrinken, Heimweh, Raub der Habseligkeiten, Vergewaltigung, Erschießung, Krankheit und Tod - ein bitteres Schicksal - erlitten. Umsiedler und Flüchtlinge, die in der Fremde eine neue Heimat suchten.
Noch Generationen danach fühlen sie sich mit der verlorenen Heimat verbunden - eine emotionale Kraft, die durch eigene Erlebnisse oder die Traditionen der nahe stehenden Menschen geformt wurde. Dabei prägen sich die negativen Erlebnisse, besonders die tragischen, tiefer als die positiven in der Erinnerung ein. Deshalb erscheint der Verlust der Heimat, also eines Teils der Tradition, die über die Identität der Menschen entscheidet, auf verschiedene Weise und mit unterschiedlicher Stärke - von der Nostalgie bis zum traumatischen Schmerz - für den Rest des Lebens. Die Schicksale einzelner Menschen und ganzer Nationen, in deren Geschichte der Verlust der Heimat eingeschrieben wurde, finden in der schöngeistigen Literatur vieler Völker ihren Niederschlag.
Adam Mickiewicz, der bedeutendste polnische Dichter der Romantik, ein politischer Emigrant und Wanderer, schrieb mit großer Sehnsucht in den ersten Zeilen seines zum ersten Mal 1834 in Paris verlegten (In dieser Zeit existierte das geteilt besetzte Polen auf der politischen Karte Europas nicht.) Poems „Pan Tadeusz“:
„Lithauen! Wie die Gesundheit bist du, mein Vaterland!
Wer dich noch nie verloren, der hat dich nicht erkannt.
In deiner ganzen Schönheit prangst du heut’ vor mir,
So will ich von dir singen, - denn mich verlangt nach dir!“
Wie kaum ein anderer litt der große Dichter Heinrich Heine (1797 - 1856), der ab 1831 in der Emigration in Paris lebte, unter der Sehnsucht nach seiner Heimat Deutschland:
In der Fremde
„Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum wuchs dort so hoch,
Die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.“
Nachtgedanken
„Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht.
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.“
Das Buch von Liselotte Pottetz beinhaltet also eine wichtige Problematik, denn sie ist weiter lebendig in der Erinnerung und im Bewusstsein von Millionen von Menschen, auch Deutschen und Polen. Wenn man in der Geschichtsschreibung das 19. Jahrhundert als die Zeitperiode der Emigranten bezeichnet, so ist das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Flucht und Vertreibung. Entscheidend dafür waren zwei Weltkriege, vor allem der 2. Weltkrieg mit seinen Folgen. Der junge deutsche Historiker Ther aus Berlin stellt in seinem äußerst interessanten Buch „Deutsche und polnische Vertriebene. Gesellschaft und Vertriebenenpolitik in der SBZ/DDR und in Polen 1945 - 1956“ (Göttingen 1998) fest: „Es war das Zeitalter, das Auschwitz, den Gulag und zwei Weltkriege hervorgebracht hat. Ein weiteres trauriges Kennzeichen des 20.Jahrhunderts waren massenhafte Vertreibungen. Vorsichtig geschätzt wurden seit dem Balkankrieg 1912/13 bis zum Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien zu Beginn der neunziger Jahre allein in Europa 50 Millionen Menschen ihrer Heimat beraubt ... Zwischen 1939 und 1949 mussten etwa ein Fünftel aller Deutschen und Polen, aber auch insgesamt mehrere Millionen Ukrainer, Ungarn, Tschechen, Finnen, Balten und Weißrussen ihre Heimat verlassen. Auslöser und Urheber der beispiellosen Völkerwanderung war Adolf Hitler ...
Zum Ende des 2. Weltkrieges fielen die von Hitler initiierten Änderungen der staatlichen und ethnischen Grenzen auf Deutschland zurück. Stalin behielt einen Großteil der von der Sowjetunion annektierten polnischen Ostgebiete, was eine Entschädigung Polens auf Kosten Deutschlands zur Folge hatte.“
Den Preis für wahnsinnige Ambitionen des Hitlerregimes, die Welt zu beherrschen und das „Tausendjährige Reich“ zu schaffen, verbunden mit den schrecklichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, musste auch das deutsche Volk zahlen. Nach dem Propheten Hosea: „Wer Wind säet, wird Sturm ernten.“ Aus dem im Jahre 1995 von der Evangelischen Akademie Mülheim/Ruhr und dem Schlesischen Institut Oppeln in beiden Sprachen verlegten Buch „Ich sah in das Gesicht eines Menschen. Deutsch-polnische Begegnungen vor und nach 1945“ (Wuppertal 1995): „Die bisherigen Herren und Sieger wurden dem Kriegselend ausgesetzt. Hunger, Kälte, Armut, ungewisses Morgen, Not, Ausbeutung, Prügel, Brutalität, Gewalt, Habgier, Rachegefühle, Hass, Einsamkeit, Abhängigkeit, Flucht ins Ungewisse und Unbekannte, Angst und Schrecken mussten sie jetzt ertragen. Konnte man Nächstenliebe, Menschlichkeit, Erbarmen, Mitleid erwarten? Dazu noch in der Fremde und unter den Fremden oder in der unerwartet fremd gewordenen Heimat, im Elternhaus, das die anderen bewohnten und von dem sie behaupteten, jetzt gehöre es ihnen.“
Jedoch sogar in den am meisten belasteten Jahren der polnisch-deutschen Beziehungen der neuesten Geschichte passierten auf beiden Seiten, und dabei gar nicht so selten, Fälle einer positiven Einstellung der Deutschen Polen gegenüber und der Polen Deutschen gegenüber, Fälle von Mitgefühl, Hilfe und Unterstützung. Beweise dafür kann man auch in dem Buch von Liselotte Pottetz finden. Die Autorin ergreift mit der Art der Erzählung und vielen Erinnerungen, die das Bild ihrer drei folgenden lokalen Heimaten skizzieren, wobei die erste - die Heimat der Geburt und der frühen Kindheit - eindeutig als die Heimat ihres Herzens bezeichnet werden kann, trotz der Schönheiten und langjährigen Bindung zu ihrem jetzigen Zuhause in Sachsen. Sehr menschlich ist das beschriebene Heimweh nach Bessarabien, die eigenen und fremden Erinnerungen, die Besuche im Geburtsland nach Jahren, die Begegnung mit den Menschen dort.
Die Autorin weist an vielen Stellen auf das Böse des Krieges hin, auf dessen katastrophale, vernichtende Folgen für einfache Menschen, auf menschliche Tragödien. Ihre Reflexionen in diesem Maße, als einem Menschen, der als Kind die tragischen Folgen des Wahnsinns und des Fluchs des Krieges miterlebt hat, tragen zur Versöhnung der Völker bei. Das Buch müssten nicht nur Deutsche lesen, sondern auch Polen, deshalb sollte man sich bemühen, es ins Polnische zu übersetzen und auf dem polnischen Lesermarkt zu präsentieren.
Wieslaw Lesiuk, Verleger des Buches (Übersetzung aus dem Polnischen: Marta Sekula)
Prof. Dr. der humanistischen Wissenschaften Wieslaw Lesiuk (geb.1943 in Boryslaw bei Lemberg, wohnhaft seit 1945 in Oppeln, plötzlicher Tod am 01.11.2003 nach einem Symposium in Breslau) ist ein polnischer Historiker und Politologe. Akademischer Lehrer und Leiter der Lehrstühle an der Uni in Oppeln und der Hochschule für Management und Verwaltung in Oppeln. Forschungsarbeiter des Schlesischen Instituts in Oppeln. Doktor honoris causa der Schlesischen Universität in Troppau (Tschechische Republik). Ein hervorragender Kenner der neuesten Geschichte Schlesiens, besonders der polnisch-deutschen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert und der sozialen und nationalen Problematik der Grenzgebiete. Autor von ca. 600 wissenschaftlichen Publikationen und Träger von vielen Prestigepreisen für Verdienste in der Schlesienforschung.“
Zu den Bestsellern der EDITION digital gehört die nur als E-Books erscheinende, insgesamt 16 Teile umfassende „Zeitreisenden“-Reihe mit den phantastischen Romanen von Hardy Manthey. 2012 war erstmals Teil 5 „Der Sklavenaufstand“ erschienen. Eine 2., stark überarbeitete Auflage dieses E-Books folgte 2017: In den ersten vier Teilen erlebten wir, wie unsere Heldin an einem Flug zum Pluto teilnahm und dann in ein Raum- und Zeitloch stürzte. Nur sie überlebte und musste sich in der Welt um 150 vor Christus behaupten. Nach vielen Abenteuern als Sklavin und Hure erhielt sie die Freiheit. Der Preis dafür war die Ehe mit einem verarmten Adligen, aber auch ihre Tochter Mira und der Sohn Alexander. Nach gefährlichen Abenteuern in der Wüste konnte sie die Schätze aus der Landefähre bergen. Ihr Tempel, das Ziel all ihrer Pläne als Botschaft an die Menschen des 22. Jahrhunderts, wurde errichtet. War ihr Glück nun vollkommen? Die Archäologen des 22.Jahrhunderts konnten im dritten Teil nach vielen Rückschlägen endlich ihre Botschaften entschlüsseln. Doch die daraus gewonnenen neuen Erkenntnisse stellen das Weltbild der anerkannten Wissenschaften in Frage. Allein die Vorstellung, dass diese Frau den Lauf der Geschichte verändert haben könnte, ist für die Welt der Männer Grund genug, den Mantel des Schweigens für immer über ihre Botschaften zu decken. Wie geht es aber mit Aphrodite weiter? In dieser Fortsetzung erfahren Sie, dass Glück und Reichtum nicht ewig währen. Knapp zwanzig Jahre später tobt auf Sizilien ein Sklavenaufstand unter der Führung von Eunus, einem Sklaven aus Syrien. Sein Sklavenheer bedroht auch die Macht und den Reichtum unserer Zeitreisenden Aphrodite. Werden sie und ihre Kinder das Chaos dieses Aufstandes überstehen? Kann sie mit ihre Schönheit und Klugheit diesen Mann bezirzen? Was tatsächlich geschieht, erfahren Sie in diesem Teil! Hier der Anfang der zweiten, sehr stark überarbeiteten zweiten Auflage des 5. Teils, für die Autor Hardy Manthey die kritischen, trotzdem begeisterten Hinweise von Leserinnen und Leser berücksichtigt hat:
„15 Jahre später
Die riesige Morgensonne hat sich gerade feuerrot aus dem Meer erhoben. Es ist ein grandioses Schauspiel, ein Feuerwerk der Farben und des Lichts. Die Bühne sind das Meer und der strahlend blaue Himmel. Die tanzenden Wolken und die alles überstrahlende Sonne sind die ewigen Protagonisten dieses immer währenden Aktes vom Werden und Vergehen auch an diesem neuen Tag. Dieses faszinierende Naturschauspiel lässt den naiven Betrachter glauben, dass der Feuerball direkt aus dem Meer entstiegen sei. Ein Wunder, das Aphrodite jedes Mal in den Bann zieht. Mit Wehmut im Herzen verbindet Aphrodite dieses tägliche Schauspiel der Natur mit ihrer fernen Vergangenheit.
Es ist ein unsichtbares Band in eine Zeit, die für sie unerreichbare Zukunft ist. Sie verbindet diese ferne Zeit mit guten und schlechten Erinnerungen. Eine Zeit, aus der sie hierher wohl von unbekannten Kräften, vielleicht gar Göttern, verbannt wurde. Eine Strafe vielleicht für frühere Sünden? Verbannt in die antike Welt, die jetzt ihre Welt geworden ist. Das von ihr so sehr geliebte Meer und die Sonne sind für sie ein Gleichnis über alle Zeiten hinweg. Sie war schon als junges Mädchen in ihrer Heimat Schweden der Faszination dieses Naturschauspiels erlegen. So ist für Aphrodite auch der frühe Morgen die Zeit, in der sie Kraft für den neuen Tag von den ersten Strahlen der Sonne aufnimmt. Für sie sind es auch stille Momente der Besinnung und der Entscheidungen.
Aphrodite spricht in Gedanken: „Schon morgen wird meine Tochter Mira zur Priesterin geweiht. Ich möchte, dass es ein großes und vor allem schönes Fest wird. Alle Freunde sollen mit uns feiern. Auch wenn ich diesen Tag noch gerne hinausgezögert hätte. Nun ist der Tag der Tage für eine Frau, die Priesterin werden will, für ihre geliebte Tochter, gekommen. Ich musste dem Drängen der geliebten Tochter leider nachgeben. Ihr Verlangen nach dem Unbekannten war zu groß. So unstillbar groß, dass sie einfach nicht mehr warten konnte, versicherte ihr die Tochter schon seit vielen Monaten. Sie will um jeden Preis endlich auch Priesterin werden. Alle meine Mahnungen und Warnung vor möglichen Enttäuschungen schreckten die Tochter nicht mehr ab. So gerne hätte ich ihr den Dienst als Priesterin, der eigentlich ein Hurendienst für zahlungskräftige Männer ist, für immer erspart. Schuld an diesem Dilemma habe ich natürlich selbst. Die Tochter hat bei mir nicht die leidende Hure gesehen, die nach dem Liebesdienst vor Scham von einem Turm in den Freitod springen wollte. Ich als ihr Vorbild leide eben nicht und quäle mich auch nicht mit Schuldgefühlen. In den Augen der Tochter war ich, die leibliche Mutter, immer nur die übermächtige Oberpriesterin des Tempels. Für die Tochter war ich die mächtigste Frau im römischen Imperium. Eben die Hure, die nach jedem verkauften Liebesakt mit einem Freier lachend die verdienten Münzen in den Händen hielt. Eine Mutter, die dabei laut Witze über die oft dummen und stets betrogenen Männer machte.“
Denn längst sieht sie selbst den Tempeldienst wie einen kleinen privaten Krieg gegen die Männer. Vor allem ist es ihre ganz persönliche Rache. Rache für alles, was die Männer ihr in den Jahren zuvor an unendlich viel Leid und Erniedrigung angetan haben. Sie schröpft und erniedrigt die Männer, wo sie es als Priesterin nur kann. Die Männer in ihrer verblendeten Arroganz merken nicht einmal, wie dumm es für sie läuft. Selbst wenn sie hasserfüllt den Männern ins Gesicht urinierte, bedankten sich die Schwachköpfe noch dafür und drückten ihr glücklich Goldmünzen in die Hand.
Ihrer Tochter ist das alles natürlich nicht entgangen. Sie konnte es auch schlecht vor der Tochter verbergen. Die Zukunft einer Ehe mit einem reichen jungen Mann lockte die Tochter dagegen überhaupt nicht. Die Rolle als gefügige und willige Ehefrau liege ihr nicht, behauptet sie immer wieder. Aphrodite kann es sehr gut verstehen. Denn die Rechte einer Ehefrau sind in Wahrheit nur Pflichten. Mira ist von der Macht einer von den Göttern privilegierten Priesterin über die Männer fasziniert. Zu oft konnte ihre Tochter Mira heimlich mitbeobachten, was sie und ihre Priesterinnen mit den Männern anstellten. Auch der perfide Umstand, dass die Weihe einer Priesterin nur ein besonders obszöner frauenfeindlicher öffentlicher Geschlechtsakt mit einem Mann ist, schreckt ihre Tochter nicht von ihrem Vorhaben ab. Eher freut sich Mira auf diese fragwürdige Schauveranstaltung. Schuld daran hat natürlich wieder nur sie selbst, denn leider hat sie es als Mutter versäumt, ihrer Tochter ein gesundes Maß an Moral, Ethik und Schamgefühl zu vermitteln. Ethische Werte für eine Frau, die der Tochter deutlich gemacht hätten, dass der öffentliche Akt eine Sünde, dass die Liebe einer Frau zu einem Mann etwas höchst Intimes sein soll.
Aber wie hätte sie das in ihrer Lage und ihrem Stand in dieser Welt vermitteln sollen? Hier in dieser antiken Welt ist das schier unmöglich! Sie hätte vielleicht nur als Hausfrau und fromme Mutter ihr Denken anders lenken können. Ganz anders wäre es in ihrer fernen Welt, der Zukunft gelaufen. Dort hätte die Tochter Moral und Keuschheit als höchste Tugend von allen Seiten zu hören bekommen. Doch sie hat hier schon in jungen Jahren mit ansehen müssen, wie die billigen Huren am Hafen sich für etwas Kupfer an Ort und Stelle verkauften. Das gemeine Volk nimmt daran keinen Anstoß. Das Christentum schwenkt hier noch nicht Kreuz und Schwert. Angebliche Hexen und Ketzerinnen brennen hier noch nicht auf Scheiterhaufen.
Ausgerechnet der Sohn des verstorbenen Machon, der junge Phalaris, hat schon vor Wochen den Kaufpreis in Gold für den Cupido mit Mira bei ihr entrichtet. Als sie versuchte, Mira mit Phalaris als Cupido zu drohen, gab sie sich überraschend gleichgültig. Zugegeben, der junge Mann sieht verdammt gut aus. Ein kurzes Aufblitzen in ihren Augen verriet ihr sogar, dass zwischen beiden schon mehr geschehen sein muss als nur guten Tag und guten Weg. Was zwischen beiden wirklich schon gelaufen ist, wird sie noch erfahren. Sie, die mächtige Priesterin, erfährt alles. Aber vielleicht will sie es auch gar nicht wissen! Er, der Primus, wird nur einer der vielen hundert Männer sein, die ihre Tochter als Priesterin später melken wird. Auf jeden Fall wird sie der Tochter alle Macht mitgeben, die sie für eine gesicherte Zukunft hier braucht. Sie wird Aphrodites Werk fortsetzen, wenn sie längst in ihrem Grab die lange Reise in die Zukunft antreten wird. Es ist schon verrückt, dass Professor Marotti vielleicht ihren Schädel in seinen Händen halten wird, lange bevor sie den Flug zum Pluto angetreten hat. Wenn die Zeit aus ihrer Bahn geworfen wird, steht auch alles andere Kopf.“
Erstmals 1983 veröffentlichte Jan Flieger im Mitteldeutschen Verlag Halle – Leipzig sein Buch „Die ungewöhnliche Brautfahrt und andere Geschichten“: Das ist ein sympathisches Buch mit 34 sympathischen Kurzgeschichten. Schon bei der allerersten Geschichte liest man sich fest und denkt „Mann!“. Es lohnt sich auf jeden Fall, Dzimbulla kennenzulernen und wie er zu seiner Flaschenpost gekommen ist, der einzigen seit Langem, was darin steckt, was dann passiert und wie es überhaupt weitergeht – in diesem Buch voller literarischer Einfälle. Und vergessen Sie Dzimbulla nicht! Und hier sind sie auch schon – die allererste, nahezu märchenhafte Geschichte des Buches und - Dzimbulla:
„Flaschenpost für Dzimbulla
Denken Sie nicht, ich hätte sie mir ausgedacht, diese Geschichte, weil es keine Märchen gäbe in unserer Zeit. Sie ist wahr, von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende. Ich beginne also mit der Flasche ...
Die Flasche treibt im Strom, mit einem Tuch, einem weißen, das jemand um ihren Hals geschlungen hat. Immer wenn ein Boot vorbeigleitet, schaukelt die Flasche, und es sieht aus, als winke sie mit dem Tuch. Das Winken sieht man erst, wenn die Wellen kommen, aber dann gleitet das Boot schon vorbei.
Dzimbulla sieht das weiße Tuch und auch die Flasche, als ihn ein Motorboot überholt und er dem Winken nun entgegenstampft auf seinem Schubschiff, das gekoppelt fährt mit zwei Prahmen voller Kohle. Dzimbulla ist Bootsmann und seit zwanzig Jahren auf den Planken. Im Ruderhaus steht Karl-Heinz, der Schiffsführer, und auf der Brücke der Lehrling Bodo. Bächler, der Maschinist, hockt in seiner Kajüte. Es ist ein sonniger Märztag und Hochwasser. An manchen Stellen ist der Strom doppelt so breit wie bei normalem Wasser, Buhnen und Dämme, die ihn regulieren, sind überflutet durch die Schneeschmelze im Gebirge und die Niederschläge der letzten Wochen.
Es ist eine kurze Fahrt. Mit der Strömung geht es immer zügig. In umgekehrter Richtung, bergwärts, wie Dzimbulla sagen würde, brauchen sie die dreifache Zeit. Nach Hause, zu den Familien, geht es nie schnell genug. Dzimbulla ist es gleich, er ist geschieden, hat von der letzten Ehe genug, will nur anlegen bei einer ruhigen, geduldigen Frau, aber die bäckt ihm keiner.
„Karl-Heinz“, ruft er, „eine Flasche.“
Der Schiffsführer winkt ab, Hochwasser fordert sein ganzes navigatorisches Können, verlangt volle Konzentration, und er muss ansetzen zu einem Ausweichmanöver, weil ein Schiff entgegenkommt, sein Verband kann auflaufen auf überflutete Buhnen, kann festsitzen, kann beschädigt werden. Zeitverzug haben sie mehr als genug: diese verdammte Schiffsschraube, die sich löste beim Auskuppeln der Steuerbordmaschine. Lange hatten sie gebraucht mit Stangen und Haken, bis sie sie fanden auf dem Grund.
Die Flasche treibt näher, und wie gebannt starrt Dzimbulla auf sie. Eine Flaschenpost, denkt Dzimbulla, die einzige seit Langem. Es ist nicht einfach, sie zu angeln. Dann hält er die Flasche in der Hand, eine dunkelbraune mit langem Hals. Dzimbulla geht in die Kajüte, und mit einem Stück Draht fischt er den Inhalt heraus: ein Röhrchen aus Papier mit einem Text und ein Foto. Eine Frau lehnt an einem Zaun. Es ist nur ein Teil von einem Foto, die anderen Personen wurden weggeschnitten. Die Frau wird wohl blond sein, vielleicht dreißig, sie lächelt und hat ein hübsches Gesicht. Dzimbulla liest nun den Zettel: ein fröhlicher Schiffer gesucht, der Anker werfen möchte. Ein Dorf wird genannt, eine Straße, und am günstigsten sei es sonnabends. Wäre die Absenderin nicht da, solle man warten.
Dzimbulla schmunzelt. Das ist eine Art, einen Mann zu angeln, die ist ihm neu. Aber das Gesicht sagt ihm zu, und wenn sie in Magdeburg anlegen, hat er drei Tage Zeit, und sein Motorrad steht bereit. Dzimbulla steht wieder an Deck. Bäume ziehen vorbei, Felder und Wiesen, einmal ein anderer Schuber. Rhythmisch stampfen die zwei Dieselmotoren. Als die Ruderhäuser in gleicher Höhe sind, hebt Dzimbulla die Hand zum Gruß. Es ist ein Freitag, und am Nachmittag geht er in Magdeburg von Deck.
Der Sonnabend kommt mit Sonne. Dzimbulla steigt auf das Motorrad gleich früh, aber das Dorf liegt weit entfernt, und vom Strom aus wäre es besser zu erreichen gewesen. Dzimbulla braucht fast zwei Stunden, verfährt sich, und eine Umleitung hält ihn auch noch auf. Endlich steht er vor einem Haus mit dem Namen der Frau auf dem Türschild.
„Bitte?“, fragt eine Frau, die aussieht wie auf dem Foto, nur ein wenig molliger.
„Sind Sie Frau Zapf?“
Die Frau nickt erstaunt: sie kennt Dzimbulla nicht.
„Ich komme wegen der Flaschenpost“, sagt Dzimbulla und wird verlegen, ausgerechnet jetzt, da alles ins Lot kommen könnte. Die Frau lächelt unsicher.
„Na ja“, sagt Dzimbulla, „ich habe sie herausgefischt.“ Er kramt in seiner Brusttasche, aber seine Finger zittern, und so zieht er den ganzen Inhalt heraus: Ausweise, die Brieftasche und auch das Foto und den Zettel.
Ein Schatten gleitet über das Gesicht der Frau, als sie den Zettel liest, aber es ist wohl die Wolke, die die Sonne verdeckt. Das Lächeln der Frau verfliegt. „Der Zettel ist nicht von mir.“
„Nicht von Ihnen?“
Die Frau hebt die Schultern, senkt sie und schüttelt den Kopf. „Na dann“, sagt sie, „ich muss ins andere Dorf.“ Am Zaun lehnt ihr Rad.
„Ich fahr Sie“, sagt Dzimbulla, der nun nichts mehr verstehen will, aber so bricht er die Geschichte nicht ab, eine Ladung wird gelöscht, im Hafen. Er kann nicht schnell fahren auf dem Feldweg, und Dzimbulla erzählt alles noch einmal, nur mit mehr Worten, und hilft nach mit der linken Hand.
„Da sucht mir das Dorf einen Mann“, sagt die Frau, runzelt die Stirn und schweigt.
Dzimbulla schweigt auch und muss achtgeben, weil ein Weg kommt mit vielen Löchern und Pfützen. Er sieht ein einzelnes Haus, dahinter noch zwei, dann nur Wiesen, ganz fern ein paar Weiden.
„Da ist es“, sagt die Frau. „Wissen Sie, ich bin Gemeindeschwester.“
Dzimbulla hält vor dem Haus. Die Frau steigt ab. „Ich gebe nur eine Spritze und massiere.“
„Ich warte“, sagt Dzimbulla und raucht einen Stumpen, den Rest wirft er weg, als die Frau aus dem Haus tritt. Dzimbulla atmet tief, er reckt sich und riecht den Strom, der hinter den Weiden fließt. Er spürt den Blick der Frau, länger als es ihm lieb ist.
„Einundsiebzig Jahre“, sagt die Frau, als sie schon fahren, „und rechtsseitig gelähmt, aber erledigt noch links Schriftkram für die Genossenschaft.“
Sie kommen wieder an im Dorf der Frau, aber zurück nach Magdeburg will Dzimbulla nicht. Er geht in die Hocke, als ob es was zu tun gäbe am Motor seiner Maschine, er weiß nicht, was er tun soll. Vor ihm, zum Greifen nah, steht die Frau. Dzimbulla blickt sie an, und der Schweiß bricht ihm aus allen Poren. So einen Hafen nach jeder Fahrt, so ein paar Augen, die einen warm machen wie ein Wodka, so eine Frau, die einen nicht wandeln will, die einen auch auszieht ohne Murren, wenn es im Dorfkrug mal besser schmeckt, als es gut ist, und der Boden unter einem weg will. So etwas liest man aus einem Gesicht.
„Nun muss ich Sie wohl reinbitten“, sagt die Frau, „wenn ich schon eine Flasche in den Fluss werfe mit einer Nachricht und hier ein Mann ist und ein Schiffer dazu.“
Dzimbulla folgt ihr in das Haus. Dass sie die Flasche nicht treiben ließ, glaubt er ihr auch später nie.“
Und damit sind wir bei dem eingangs erwähnten zweiten Titel von Jan Flieger, der eine Woche lang von nur 99 Cents zu haben ist. Es ist der eben erst bei der EDITION digital sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book erschienene spannende Krimi „Der Serienmörder, den man nicht stellte“: Über die Dunkelziffer der nicht entdeckten Serienmörder in Deutschland gibt es nur Vermutungen. So auch über die Zeit unmittelbar vor der Wende und in der danach. Ein Mann fährt mit seinem Brummi herum in den neuen Bundesländern, ein Mann, der als Serienkiller junge Tramperinnen tötet und dann tief in den Wäldern vergräbt. So gelten die Toten nur als vermisst. Und die Herren der Mordkommission sind sowieso ausgelastet, sie haben Tote genug, so auch ein Opfer im Wagen der Geisterbahn eines Rummels. Bis hoch an die Ostsee treibt sie die Jagd nach dem Mörder. Aber das Morden des Serienkillers geht weiter, nur die Abstände zwischen seinen Taten werden kürzer. Der Chef der Mörderjäger hat zwar eine dunkle Ahnung von seiner Existenz, aber keine Opfer. Doch ausgerechnet er muss seinen Hut nehmen. Was aber geschieht, wenn das Monster nie gefasst wird? Wahrheit und Fiktion in einem „underground crime“ der besonderen Art, mit einem Ende, das gewiss schockt, weil die Leserin oder der Leser es so nicht erwarten. Achtung, schon der Beginn des Buches von Jan Flieger zieht einen kräftig hinein in die Handlung …
„Prolog
Der Mann vernahm hinter dem geblümten Vorhang ihr angstvolles Schluchzen, dort, wo sie auf der Schlafliege lag, hinter den Sitzen seines Brummis, und er war erfüllt von einer wilden Vorfreude auf das, was bald geschehen würde mit diesem gefesselten und geknebelten jungen, so aufreizenden Ding, das im normalen Leben mit ihm spielen, ihn demütigen und ihren Fuß in seinen Nacken pressen würde.
Nun aber war er es, der sie beherrschte, nun hatte sich sein Leben verändert, nun gab es die Jagd nach jungen Frauen, am liebsten Kindfrauen, die er sich einfach nahm, wann immer es ging. Und er wollte es wieder und wieder spüren, dieses Gefühl der Macht, der Dominanz und Kontrolle über sie, das immer stärker wurde von Mal zu Mal. Heute ist es die Sechste, dachte er, und nun die Dritte in diesem Land, das sich DDR nannte und so stolz war auf seine guten Mordkommissionen. Ihm aber waren auch diese Polizisten nicht gewachsen, in ihm hatten sie ihren Meister gefunden!
Zwei junge Frauen hatte er schon in ihrem Land getötet und immer an anderen Orten vergraben, wo nie einer ihre Leichen finden würde. Eine hatte er sich zuvor in Bochum gegriffen, eine in Hamburg, eine in Essen; der Spaten und der Sauzahn zum raschen Auflockern des Waldbodens lagen im Wagen, sehr gut gereinigt nach jedem Gebrauch. Er war ein Jäger geworden, denn das Vergewaltigen und Töten war ein Vergnügen, ein einmaliges, und er tat es immer wieder, er, ein scheinbar ganz normaler Mensch, ein unbescholtener Bürger, der in einer festen, ehelichen Beziehung mit Hilde lebte und sonntags in die Kirche ging. Nie würde jemand ihm das zutrauen, was er nun tat und wie aus einem inneren, nicht löschbaren Zwang heraus.
Er vernahm ihr Wimmern stärker. Das gefiel ihm. Er erlaubte es ihr. Es erhöhte seinen Reiz. Kaiserwetter, dachte er. Immer gebrauchte er dieses Wort vor einer Tat, ohne es auszusprechen. Sie würde verschwunden sein, von einer Stunde zur anderen, und sie würden in diesem Land denken, sie hätte in Ungarn gewiss die grüne Grenze überschritten. Es war einfach eine wirklich gute Zeit für ihn.
Winsele du nur hinter dem Vorhang, dachte er, wenn wir halten, komme ich über dich, danach wirst du tot sein. Mausetot, frohlockte er. Und auch die so eifrige Polizei dieses kleinen Staates DDR wird mich nicht finden, denn die Leichen entdeckt sie nie. Mich gibt es für sie als Mörder ja nicht, wird es nie geben, denn ich bin der unsichtbare Tod, und meine Opfer gelten nur als vermisst, belasten nicht ihre Statistik der Morde.
Sein Brummi mit dem grauen Fahrerhaus jagte weiter, ein Brummi, der ein wenig kleiner, dafür aber wendiger war als seine großen, plumpen Kollegen, und der sich gut für Fahrten in kleine Orte eignete und das Abstellen in Parkbuchten an Waldrändern. Er war sein eigenes Unternehmen, sein eigener Chef, und Hilde organisierte die Frachten wie ein echter Dispatcher, und sie war gut, sie war im Beschaffen von Fahrten sozusagen ein Genie, in dieser Hinsicht bewunderte er sie, denn Arbeit hatte er immer.
Der fünfunddreißigjährige, ein wenig stämmige, mittelgroße Mann hatte ein volles, pickliges Gesicht mit hellen blauen Augen, und er war ein Kraftpaket, ein Mann, der fest zupacken und schwere Lasten ohne Mühe schleppen konnte. Als gutaussehend aber würde man ihn nicht bezeichnen können, eher das Gegenteil wohl, da war er ehrlich zu sich selbst. Seine Jeansjacke war in die Jahre gekommen, aber bei seinen Fahrten trug er sie immer, seit eh und je, als ob sie an seinem Körper einmal zerfallen sollte. Was er beruflich tat, war recht geheimnisvoll, fuhr er doch mit seinem Brummi verplombte Kisten mit Bauteilen im Auftrag verschiedener Firmen in diese DDR, die dort wohl in spezieller Einzelfertigung zusammengebaut wurden, da sie nicht am Fließband und für viele sichtbar entstehen sollten. Er brachte verplombte Kisten in kleinere DDR-Betriebe, mehr musste er nicht wissen und wollte es auch nicht, nur dass dieses so gefürchtete MfS in diesem Handel mitspielte. So besaß er einen Sonderausweis, der ihn vor Kontrollen in dieser DDR schützte. Sein Job war ein toller Job, einen besseren hatte er vorher nie gehabt. Was wollte er mehr?
Jede Dienstreise in diesen kleinen Staat wollte er aber nun auch nutzen, um seine Lust zu stillen, und der Nervenkitzel war noch größer als in seinem eigenen Land. Sein Trieb, der nach neuen jungen Frauen rief, war nahezu unstillbar geworden. Er würde sich sozusagen durch das Leben töten, doch er tat es nur, wenn er es mit absoluter Sicherheit tun konnte und sie ihn nicht stellen würden, nur dann. Er erzwang das Töten nicht, er wartete einfach ab, bis sich die perfekte Gelegenheit ergab, und nutzte sie, mal tötete er so in dem einen deutschen Staat, mal in dem anderen.
Er war, wenn man es genau besah, praktisch unsichtbar, denn er kam aus dem Nichts und er verschwand im Nichts. Weit hinter Plauen fand er, abseits von der Straße, eine gute Parkbucht. Das Adrenalin jagte durch seine Adern, und er zog alle Vorhänge hinter den Scheiben zu, dann nahm er sie. Sie ließ alles mit sich geschehen, diese kleine, aufreizend freche Schlampe, die als Tramperin ein wenig naserümpfend zu ihm in den Laster gestiegen war. Sicher hatte sie an sein Westgeld gedacht und dafür über sein Gesicht hinweggesehen.
Später packte er ihren Hals mit beiden Händen, wobei seine Daumen mit aller Gewalt auf ihren Kehlkopf drückten. Ihre Augen traten hervor, und ein Zucken fuhr durch ihren Körper, so, als ob sie eine Delinquentin wäre auf dem Elektrischen Stuhl. Er spürte das heftige Strampeln ihrer Beine, und bei allem genoss er die Macht, die er besaß, die unumschränkte, die einmalige Macht über Leben und Tod, es war ein Gefühl, nach dem er wohl immer einen heftigen Drang verspüren würde. Tief beugte er sich zu ihr herab, sehr tief, um ihrem Gesicht sehr nahe zu sein. Ihre Augen standen offen, als sie tot war.
Später hob er ihr „Grab“ aus, tief genug, dass selbst größere Tiere die Tote nicht erreichen würden. Endlich konnte er sein „Werk“, wie er es nannte, beenden, erschöpft, aber froh, unendlich froh. Und zugleich stolz, war er doch die Allmacht in Person, der lustvoll Strafende, ein Gott. Vielleicht würde er bald wieder ein weiteres von diesen jungen Dingern aufgabeln, aber er wollte nichts über das Knie brechen, er hatte alle Zeit der Welt, und sein Jagdrevier war das ganze Land. Er durfte nur nicht auffallen, nie zu schnell fahren, keinen Streit haben, sich nirgendwo einmischen, dann würde alles gut sein, immer.“
Und so spannend, wie es begonnen hat, geht es auch weiter. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Autor Jan Flieger die Geschichte aus zwei Sichten erzählt – aus der des Serienmörders und aus der Sicht Leipziger Kriminalisten, die zunächst noch nicht einmal ahnen, dass sie es mit einem Serienmörder zu tun haben …
Interessant sind auch die Beschreibungen der damaligen Zeit, als sich das kleinere Deutschland langsam aus der Weltgeschichte zu verabschieden begann, und welche unterschiedlichen Auswirkungen das für die Menschen damals hatte. Gelegenheit, kurz innezuhalten, zurückzuschauen und vielleicht mit heute zu vergleichen.
Viel Spaß beim Lesen, weiter einen schönen Herbst und bis demnächst.