DDR-Autoren
DDR, CSSR, Sowjetunion, Polen ... E-Books, Bücher, Hörbücher, Filme
Sie sind hier: DDR-Autoren: Newsletter 27.06.2025 - Eine schlaflose Nacht, ein sensationeller Fund sowie eine fluchtartige

Eine schlaflose Nacht, ein sensationeller Fund sowie eine fluchtartige Ermittlungsfahrt - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(Pinnow 27.06.2025) – „Ach, ich kann nicht einschlafen, ich bin zu aufgewühlt. Schon einige Zeit liege ich nun im Bett. Eigentlich ist alles so beschaffen, dass ich schnell einschlafen könnte. In den hohen Räumen des Palastes herrscht eine angenehme Kühle, alles ist dunkel und still. Ich kann mich hier sicher fühlen wie in Abrahams Schoß. Zwar quälen mich immer noch die Folgen der Verletzungen, die man mir im Oktober 1609 bei dem Überfall vor dem Cerriglio beigebracht hat. Aber daran habe ich mich ja mittlerweile so gewöhnt, dass mir dadurch nicht der Schlaf geraubt wird. Gedanken an längst vergangene Zeiten stürmen auf mich ein, wühlen mich auf. Die Unruhe kommt mit der Freude – der Freude, bald vielleicht wieder in Rom zu sein, meiner Stadt der Städte. Wenn ich dorthin zurückkehre, komme ich nicht als ein unbekannter oder vergessener Mann zurück, sondern als ein in ganz Italien bekannter und berühmter Maler. Denn wie ich auf meiner Flucht durch verschiedene Städte und Regionen Italiens feststellen konnte, war mir mein Ruf offenbar fast überall schon vorausgeeilt.“

Mit diesen schlaflosen Erinnerungen, mit Aufregung und Vorfreude beginnt das zweite der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 27.06. 2025 bis Freitag, 04.07. 2025) zu haben sind. In seiner Romanbiografie „Caravaggio - Ein außergewöhnliches Malerleben“ lässt Siegfried Stang den Künstler selbst zu Wort kommen, sein durchaus abenteuerliches Leben Revue passieren und sich an Ereignisse und an das Entstehen seiner berühmten Werke erinnern.

In dem Buch werden die entscheidenden Lebensstationen des Malers beschrieben, wobei auch auf die Lebensumstände der Menschen zur Zeit des Barocks in Italien eingegangen wird. Von besonderem Interesse waren die Charakterzüge und Eigenarten des Künstlers. Ebenso die Motive und Hintergründe seiner kriminellen Taten, wobei neuere Erkenntnisse und bislang nicht allgemein bekannte Dokumente Berücksichtigung fanden.

Die Handlung dieser Romanbiografie setzt am Vorabend der ersehnten Rückkehr nach Rom ein:

„Man schreibt den 8. Juli 1610.

Caravaggio befindet sich in seiner Unterkunft im Palazzo Cellamare, einer Residenz der Colonna Familie in Neapel. Er ist früh zu Bett gegangen, weil er morgen eine längere Reise vor sich hat; eine Reise, die ihn – wenn alles gut geht – am Ende endlich zurück nach Rom führen soll. Die lang ersehnte Rückkehr in die Stadt, in der er leben und wieder arbeiten möchte. Aber er kann vor Aufregung und Vorfreude nicht einschlafen. Die Schlaflosigkeit lässt seine Gedanken wandern, ruft Erinnerungen an die verschiedenen Phasen seines Lebens wach. Er wird – weil ihn die Bilder der Vergangenheit bestürmen – in dieser Nacht nur wenig Schlaf finden.“ Und wird Caravaggio sein geliebtes Rom wiedersehen?

Erstmals 1954 veröffentlichte Wolfgang Schreyer beim Verlag Das neue Berlin seinen Roman „Unternehmen Thunderstorm, Band 2“ – einen Tatsachenbericht über den Warschauer Aufstand, der die Dinge schildert, wie sie waren und nichts verschweigt. Wolfgang Schreyer hatte diesen packenden Bericht nach gründlichem Materialstudium diesen packenden Bericht eines von den Engländern geplanten militärischen Großunternehmens geschrieben, über das jahrelang fast nichts bekannt geworden ist. Wir erleben das Schicksal einer deutschen Flakbatterie, verfolgen den Weg einer kleinen Gruppe britisch-amerikanischer Fallschirmspringer und das Ringen polnischer Untergrundkämpfer. Der Autor enthüllt die Methoden internationaler Spionagedienste, zeigt Generale, Konzerndirektoren und Diplomaten bei der Arbeit, schildert Verhandlungen in Moskau ebenso wie Operationen der Roten Armee. Der 2. Teil schildert den Aufstand und seine blutige Niederschlagung.

Erstmals 2003 erschien im KRÖGER-Vertrieb Cottbus der Science Fiction-Roman „Begegnung im Schatten“ von Alexander Kröger. Dem E-Book liegt die 2., überarbeitete Auflage zugrunde, die 2012 im Projekte Verlag Cornelius GmbH Halle veröffentlicht wurde. In einem Tagebau wird aus dem Kohleflöz ein Shuttle gebaggert. Das Öffnen gestaltet sich schwierig. Sein Inhalt, zunächst geheim gehalten, begeistert weltweit Wissenschaftler und führt zu Illegalem. Nach abenteuerlichen Vorbereitungen gelingt ein unerhörtes Experiment. Ein Wesen aus dem Erbgut einer anderen Welt setzt seine Schöpferin in höchstes Erstaunen, und Ermittlungen fordern Sensationelles zu Tage.

Auch wenn dieses erstmals 1998 im Rhön-Verlag Hünfeld erschienene Buch „Rhön-Flirt“ von Dietmar Beetz einen vielleicht romantisch zu verstehenden Titel trägt, handelt es sich doch um einen Kriminalroman: Meinecke, Studienrat i. R., Witwer und passionierter Wandersmann aus Fulda, macht eines Mittwochmorgens unweit der Hochrhönstraße im Naturschutzgebiet an der Abzweigung nach Hausen eine schockierende Entdeckung. Tags darauf steht Konrad Mai, Journalist und Buchautor aus Erfurt, am selben Fundort, der nunmehr einem Aushilfsparkplatz gleicht - zerfurcht von Fahrzeugen der Kripo, die möglicherweise Mai schon auf den Fersen ist.

So beginnt eine zuletzt fluchtartige „Ermittlungsfahrt“. Zu deren Stationen gehören unter anderem Fulda, Frankenheim, Dermbach und eine verschwiegene Bergpension nahe Bischofsheim, bis schließlich in Bad Neustadt an der fränkischen Saale die überraschende Lösung harrt.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute geht es um eine Episode aus dem Zweiten Weltkrieg und um den Kampf gegen den Faschismus, aber auch um das Verdienen am Krieg.

Erstmals 1986 veröffentlichte Wolfgang Held im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik „Lasst mich doch eine Taube sein“.

Wolfgang Held schildert nach authentischen Unterlagen erstmals Sieg und Niederlage der einzigen deutschen militärischen Einheit, die im zweiten Weltkrieg gegen die Faschisten gekämpft hat. Er beschreibt den verwegenen Kampf jugoslawischer Partisanen in den Bergen und Wäldern Slawoniens und setzt den 147 gefallenen „Telmanovci“ ein bleibendes Denkmal.

Er erzählt die Geschichte einer Familie, deren Angehörige sich bis aufs Blut bekämpfen. Es ist der heiße Sommer des Jahres 1943. Im slawonischen Teil des Vielvölkerstaates Jugoslawien zieht Hans Sulka mit Pferd und Wagen über die weit verstreuten Dörfer. Ein später Nachfahre der Mutter Courage, denn auch er verdient am Krieg. Nicht nur Bauern oder Handwerker, sondern auch Soldaten der faschistischen Wehrmacht und jugoslawische Partisanen gehören zu seinen Kunden. Strümpfe, Stoffe, Scheren und Messer sind begehrte Waren in dieser Zeit. Doch der Krieg verschont Hans Sulka nicht. Sohn und Tochter des deutschsprachigen Händlers stehen auf verschiedenen Seiten der Front. Josef dient in der Waffen-SS. Slavia ist Partisanin in der Einheit „Ernst Thälmann“, die sich aus jugoslawischen Staatsangehörigen deutscher Nationalität und Überläufern der Wehrmacht zusammensetzt. Hans Sulka steht zwischen seinen Kindern, er möchte Taube sein und nicht Wolf, ein friedlicher Krämer in einer Welt, die voller Blutvergießen ist ...

Das Buch wurde 1989 in der Regie von Miomir Stamenkovic in einer Koproduktion vom DEFA-Studio für Spielfilme (DDR) und Sutjeska Film Sarajevo (Jugoslawien) mit Vanja Drach (Hans Sulka), Manfred Möck (Josef Sulka) und Marina Markovic (Anna Sulka) verfilmt.

Michelangelo Merisi da Caravaggio war nicht nur ein revolutionärer Künstler, sondern auch ein Mann mit dunklen Leidenschaften, impulsivem Temperament und einem Hang zu dramatischen Eskalationen. Die folgende Leseprobe aus „Caravaggio - Ein außergewöhnliches Malerleben“ von Siegfried Stang gewährt einen eindrucksvollen Einblick in eine jener berüchtigten Szenen, wie sie sich im Umfeld des Malers abspielten – ein „Tumult“, der exemplarisch für die wilde Zeit und das hitzige Umfeld steht, in dem Caravaggio lebte und arbeitete.

Ein „Tumult“

Am Abend des 19. August 1608 erschien eine Gruppe von sechs Männern am Haus des Organisten der Co-Kathedrale des hl. Johannes, Fra Prospero Coppini. Die Gruppe wurde von Fra Giovanni Pietro de Ponte, dem Diakon der Kirche, angeführt. Außer mir waren noch zwei gestandene, erfahrene Ritter dabei, nämlich Giulio Accarigi und Battista Scaravello. Außerdem zwei junge Novizen, Francesco Benzi und Giovanni Pecci.

Wir hatten uns in einer Gaststätte zusammengefunden und ausgiebig dem Wein zugesprochen. De Ponte, bekannt dafür, dass er ihm missliebige Personen gern beleidigte, führte das große Wort. Er hatte wohl noch eine Rechnung mit dem Organisten offen, und stachelte uns auf, ihn zu dessen Haus zu begleiten, „um es dem Hund mal richtig zu zeigen“. In der weinseligen Stimmung, in der wir anderen waren, ließen wir uns dazu überreden, mit ihm zu kommen. Am Hause des Organisten angekommen, meinte de Ponte, Coppini müsse zu Hause sein. Wir klopften an die Tür, riefen, machten uns bemerkbar. Aber im Hause rührte sich nichts. De Ponte begann, laut zu rufen und den im Hause vermuteten Coppini aufzufordern, herauszukommen und sich ihm zu stellen. Aber auch das blieb erfolglos. „Der feige Kerl hat sich in seinem Haus verkrochen. Kommt, den holen wir uns!“, rief de Ponte schließlich und warf sich gegen die Haustür, die allerdings sehr robust war und nicht nachgab, sondern weiterhin fest geschlossen blieb. Nun versuchten wir, die massive Tür einzutreten. Es wurde laut, denn in unserem angetrunkenen Zustand schrien wir herum und riefen nach dem Organisten. Das Holz der Haustür splitterte bereits an einigen Stellen, aber sie sprang nicht auf. Während dieses Treibens wurde die Tür plötzlich aufgerissen. Überrascht hielten wir inne. Aus dem Haus trat nun Fra Giovanni Rodomonte Roero, der Conte della Vezza, mit gezogenem Schwert. Hinter ihm erschien etwas ängstlich und zögerlich der Organist selbst. Roero war wohl mit Coppini bekannt oder befreundet und hatte ihn an diesem Abend besucht. Wir wichen vor Roero und seinem Schwert zurück. Nun stellte er sich schützend vor Coppini und war offenbar sehr aufgebracht, denn er schrie: „Ihr wertloses, besoffenes Gesindel! Jetzt reicht es aber, ihr habt hier schon genug kaputtgemacht. Weg mit euch! Fort! Lasst Fra Coppini endlich in Ruhe!“ Etwas ratlos standen wir fünf da, während de Ponte nun das Wort ergriff: „Aus dem Weg, Kerl! Mit dir haben wir nichts zu schaffen! Wir haben nur mit Coppini ein Hühnchen zu rupfen.“ Aber Roero kam seiner Aufforderung nicht nach, sondern bewegte sich ganz langsam auf de Ponte zu, mit der Schwertspitze auf ihn deutend. Beide waren aber noch etwa zwei bis drei Meter auseinander. Nun griff de Ponte schnell entschlossen in seinen Wams und zog eine kleine Pistole (sclopo ad rotas), mit der man Bleikugeln verschießen kann, hervor. Er fühlte sich wohl massiv bedroht, denn er schoss damit ohne ein weiteres Wort auf Roero, der in sich zusammensank. Einen Moment lang standen wir alle fassungslos da, dann rannten wir erschreckt auseinander, auch de Ponte.

Die Flucht durch die unterirdischen Kanäle Warschaus wird zur Zerreißprobe für Körper und Geist: In dieser eindringlichen Szene „Unternehmen Thunderstorm, Band 2“ lässt Wolfgang Schreyer seine Figuren durch die Finsternis der Kanalisation irren – gehetzt, erschöpft, zerrissen von Angst, Schuld und Zweifel. Ein beklemmender Ausschnitt aus einem Roman, der Mut, Widerstand und die seelischen Narben des Krieges eindrucksvoll sichtbar macht.

Sie befanden sich jetzt unter den Gettoruinen, das Wasser stand hier nicht so hoch und floss weniger reißend dahin; trotzdem war es eine schwierige Strecke. Aus der Zeit der Gettokämpfe bestanden verschiedene, von tiefem Schlamm umgebene Geröllsperren, die meist umgangen werden mussten. Sie krochen im Zickzack durch ein Labyrinth großer und kleiner Röhren, und gerade als sie wieder unterhalb eines Einstiegdeckels verharrt, sich aufgerichtet und nach der Zeit gesehen hatten ("viertel fünf", hatte Werner gesagt), geschah, was Jürgen am meisten befürchtet: hinter einer Windung erloschen die tanzenden Lichter der Vordermänner. Die beiden stürzten hastig vorwärts, noch waren Geräusche zu hören, doch nach ungefähr fünfzig Metern stießen sie, ohne den Anschluss wiedererlangt zu haben, auf eine Sperre: Die SS hatte Trümmerbrocken und Ziegelsteine den Schacht hinabgeworfen, hinter denen sich die Flut staute; im trüben Schein der Taschenlampe erblickten sie einen Schuttberg, der fast die obere Wölbung des Rohres erreichte; darüber quoll schwärzlicher Morast.

"Da passt nur eine Katze durch", flüsterte Werner. "Los, umkehren! Sie müssen vorher abgebogen sein!"

"Ich will rufen", antwortete Jürgen.

Er brüllte. Es hallte hohl durch die Kanäle, doch keine Antwort kam. Gleichmütig rieselte und schmatzte das Wasser.

Nun riefen sie beide. Ihr Schrei rollte den Tunnel entlang, bog in Seitenstollen, kehrte als schwaches, hundertfältiges Echo gebrochen zurück. Irgendwo in der Ferne – ein leises Raunen und Plätschern wie von Schritten, ein Wispern und Glucksen... Gespenstisches Stimmengewirr. Sonst nichts.

"Schnell zurück", keuchte Werner.

Das erste Seitenrohr, auf das sie stießen, zweigte nach links ab, führte also nach Norden und schied daher aus; sie hatten bemerkt, dass Antek, wohl um den Weg abzukürzen, den Sperren stets in entgegengesetzter Richtung auswich.

An dem nächsten, nur etwa siebzig Zentimeter hohen Rohr horchten sie. Es drang kein Laut heraus.

"Weiter", drängte Werner, "noch weiter zurück!"

Sie erreichten die Stelle unterhalb des Einstiegsschachts, an der sie kurz zuvor gerastet und nach der Uhr gesehen hatten. "Hier waren wir schon einmal", stellte Werner enttäuscht fest.

"Natürlich – schon einmal", zischte Jürgen gereizt.

"Also doch das enge Rohr, los, umkehren, zurück!"

"Umkehren, zurück – umkehren, zurück", stieß Jürgen heraus, "wir haben sie verloren, begreifst du nicht?"

"Wir werden sie wieder finden", sagte Werner ruhig, "sie sind durch das enge Abzugsrohr da vorn..."

"Und dann? Und dann? Kennst du dich etwa aus? Zwanzig Minuten Vorsprung haben sie schon! Was willst du denn da machen?"

Um ihre Füße gurgelte das Wasser. Ein feines Wispern hing an den schleimigen, tropfenden Wänden, das nichts war als der Widerhall ihrer Stimmen. Auch in Werners Herz schlich sich das Grauen. "Was ich tun will? Alles versuchen! Wir müssen durch."

"Ich will nicht in das enge Rohr", schrie Jürgen, "ich kann nicht mehr! Ich kann nicht auf Händen und Knien rutschen, es zerreißt mir ja den Arm! Ich halt' das nicht mehr aus! Ich kann nicht!"

"Beiß die Zähne zusammen", bat Werner. "Bist du nicht selber schuld?"

"Nein, du! Du!" Er war wie von Sinnen, ihn würgte die Verzweiflung, alles fiel von ihm ab. "Du wolltest, dass ich wieder schieße! wie viel Deutsche haben wir umgebracht? Jetzt sind wir selber dran mit verrecken! Du hast sogar Hartmann getötet!"

"Und du hast ihn nicht rechtzeitig getötet", erwiderte Werner hart. "Warum hast du nicht geschossen, als er die Handgranate warf? Warum? Warum? Sag mir, warum!"

Im Spannungsfeld aus Entdeckungseifer, Enttäuschung und ethischen Grenzfragen treffen in Alexander Krögers „Begegnung im Schatten“ Forscher auf ein ungewöhnliches Wesen – und auf die Grenzen ihrer Erwartungen. Die folgende Szene gibt einen ersten Einblick in ein Labor voller Hoffnung, Skepsis und leiser Konflikte, in dem nicht nur die Kreatur unter Beobachtung steht, sondern auch die Menschen selbst.

Wenn Dr. Hauser enttäuscht war, und er war es mit Sicherheit, dann ließ er sich das nicht anmerken. Er betrachtete sich das Geschöpf, dessen Lebensäußerungen im Vergleich zur Nacht wesentlich matter geworden waren, eingehend.

Im Laboratorium herrschte Stille.

Weil zu erwarten war, dass jemand ihre Entdeckung vorzeitig wiederholen könnte, hatte Franziska noch vor dem Frühstück das Team zusammengerufen und über den Tatbestand informiert.

Sie standen betroffen und verfolgten wortlos Hausers Gebaren. »Wiege, messe und fotografiere das«, wandte er sich an seine Tochter, die, offenbar froh, durch Tätigkeit der bedrückenden Situation entgehen zu können, sofort begann, den Auftrag auszuführen.

»Erinnert euch an meine Meinung: Freuen wir uns nicht zu früh«, bemerkte Hauser mit einem säuerlichen Lächeln. »Aber bange machen gilt nicht. Noch haben wir neun Eisen im Feuer!«

Jeder der Anwesenden spürte den Zweckoptimismus.

»Ich habe ja gleich gesagt ...«, meldete sich Anja Lauring zu Wort, »dass mir die außerordentlich kurze Brütezeit bei diesen Platypuses nicht gefällt. Gegenüber den anderen hatte das Eiinnere so eine merkwürdige Konsistenz, so als sei es bereits bebrütet, was eben die verkürzte Entwicklung außerhalb des mütterlichen Körpers erklären könnte. Daher wundere ich mich über das Ergebnis eigentlich nicht wirklich.«

Niemand reagierte zunächst.

»Und ...«, erwiderte Stephan dann leicht ungehalten, »warum haben Sie dann operiert, wenn Sie es gleich gewusst haben, dass es schiefgeht?«

Sie sah ihn an und verzog die Winkel ihres schmalen Mundes. Man sah ihr unbedingt an, dass sie so etwas Ähnliches wie »Klugscheißer« dachte.

Franziska hatte den Auftrag ihres Vaters ausgeführt. Der nahm ein größeres Becherglas aus dem Regal, ließ das missratene Geschöpf vorsichtig hineingleiten, griff aus dem Chemikalienschrank eine Flasche mit dem Etikett »Chloroform«, goss eine Kleinigkeit von deren Inhalt dazu und verschloss mit einem Deckel.

»Dieses war der erste Streich«, sagte Markowitsch, was ihm von allen, außer Hauser, missbilligende Blicke eintrug.

»Also ist Geduld angesagt«, bemerkte Stephan. »Von dem zweiten Schnabeltierei ist wohl nun nichts mehr zu erwarten. Die hätten wir uns also sparen können.« Er dachte an den australischen Zoomenschen, der ihm gerade dafür das meiste Schmiergeld abgenommen hatte.

»Wenn wir bei den anderen von achtzig Tagen ausgehen, bleiben noch gute sechzig«, erläuterte Lauring, »bis wir mehr wissen«, fügte sie dann zögernd hinzu. Auch ihr Optimismus schien gedämpft.

»Und wenn wir die Temperatur erhöhen?«, fragte Franziska.

Die Lauring schüttelte den Kopf. »Wir sind schon bei einunddreißig Grad an der oberen Grenze.«

Was mit einem seltsamen Einbruch in einen alten Skoda beginnt, entwickelt sich rasch zu einem undurchsichtigen Spiel aus Beobachtung, Verdacht und unheimlichen Zusammenhängen. In dieser Szene aus „Rhön-Flirt“ steht der Schriftsteller Mai vor einem Rätsel, das immer tiefere Schatten auf seine Vergangenheit und Gegenwart wirft. Dietmar Beetz verwebt Krimi, Nachdenklichkeit und feine Alltagsbeobachtung zu einem atmosphärischen Spannungsroman aus dem Herzen Deutschlands.

"Du, Konrad, dein Auto ..."

Mai braucht eine Weile, sich zu besinnen. "Ja, und?", fragt er. "Was ist damit? Hat man's etwa" - erst jetzt erschrickt er - "geklaut?"

"Das nicht, aber - aufgebrochen!"

"Was?!"

"Aufgebrochen ..." Oskar wiederholt es und fügt, nunmehr in einem Wortschwall, hinzu, dass er stutzig geworden sei, als er - wie neuerdings immer am Abend und in der Frühe - seinen Rundgang gemacht habe "durchs Haus und über den Hof, auch durch die Gasse vor auf die Straße, wo drüben, auf der anderen Seite, der Skoda steht, nass vom Tau, aber die Fenster kaum beschlagen und die Tür vorn links, die Fahrertür, wie ich mich überzeugt hab, nur angelehnt ..."

Das ist sie noch immer, die Fahrertür: nur angelehnt; Mai sieht es beim Näherkommen sofort, und Oskar erklärt unterdessen beflissen, er habe nur am oberen Türrahmen angefasst, nicht in Höhe des Schlosses, um die Spuren nicht zu verwischen.

Spuren ..., geht es Mai durch den Kopf, und sein nächster Gedanke gilt der bayrischen Kriminalpolizei.

Mai schiebt ihn beiseite, zwingt sich, ruhig zu bleiben, besonnen, nichts zu überstürzen.

Die Tür - für alle Fälle gleichfalls oben berührt - lässt sich wie immer öffnen, und an den Kabeln unterm Armaturenbrett hat sich, um den Motor zu starten, offenbar niemand zu schaffen gemacht. Klar: Wer sollte schon auf die Idee kommen, einen Uralt-Skoda zu klauen!

Weshalb der Einbruch - oder sagt man Aufbruch? - aber dann? Doch nicht etwa wegen der Reisetasche?

Sie steht - soweit sich Mai erinnert: wie gestern Abend - auf dem Sitz links hinten, doch wirkt sie schlaff, ja leer, und der Reißverschluss ist nicht mehr geschlossen.

Komische Diebe, denkt Mai. Wennschon das bisschen Zeug, warum dann nicht gleich mitsamt der Tasche?

Da erblickt er - nunmehr durch eine der geöffneten Türen - Waschzeug, Socken, Unterwäsche auf dem Boden im Fond. Rausgerissen, auseinandergezerrt, hingeworfen oder fallen gelassen.

"So was!", entfährt es Oskar, der jede Bewegung von Mai verfolgt hat, und dann fragt er: "Was fehlt denn?"

Mai ist in den Fond geklettert, hat die Sachen aufgesammelt, zum Teil unter den Vordersitzen hervorgeholt und zurück in die Tasche gestopft. Nun zuckt er die Schultern. "Scheint alles da zu sein."

"Versteh ich nicht", bekennt Oskar.

"Ich auch nicht", behauptet Mai, obgleich ihn ein Verdacht umschleicht. Sollte das - weiß der Teufel, wie - mit dem Tod von Linda zu tun haben?

Er schaut in den Stauraum hinter den Rückenlehnen, der leer ist bis auf eine mit Kunststoff beschichtete, jetzt beiseite geschlagene Filzdecke über dem Batteriekasten, dessen Deckel klafft.

Hm ..., denkt Mai, wirft einen Blick auf die Anschlüsse der Batterie, schließt den Deckel, verriegelt ihn und schlägt sogar, die missbilligenden Anfragen und Kommentare von Oskar ignorierend, den Filz darüber.

Spuren auch im Kofferraum, am Inhalt der beiden Gepäckstücke, die sich gewohnheitsgemäß dort befinden - ein Beutel als Hülle für den noch unbenutzten Erste-Hilfe-Kasten und für das Batterie-Ladegerät samt Zubehör und eine ausrangierte Einkaufstasche als Behältnis für eine Motorenöl- sowie eine Frostschutzmittelflasche, für einen Mini-Benzinkanister und einen Werkzeugbeutel, für Tuben mit Pol-, mit Wasserpumpenfett, für in Schachteln, Kästchen und Tüten verstaut gewesene Ersatzstücke an Zündkerzen, Sicherungen, Biluxbirnen ...

"Die haben was gesucht", stellt Oskar, aufblickend von dem Chaos, in jäher Erkenntnis fest.

"Sieht so aus", bestätigt Mai, derweil er beginnt, wenigstens die Flaschen wieder leidlich bruchsicher zu verstauen.

"Aber was", fragt Oskar, "was gesucht?"

"Tja, wenn man das wüsste!", äußert Mai durchaus wahrheitsgemäß.

Dann hat er die Kofferraumklappe geschlossen, desgleichen die Türen, die zu seiner Erleichterung intakt sind.

"Das waren Profis", verkündet Oskar, "nicht irgendwelche Dummbittel und Stümper."

Mai nickt, obwohl er eher an einen Einzeltäter denkt. Einen Moment steht ihm wieder der Schemen mit dem halblangen Haar hinter der spiegelnden Scheibe jenes hellgrauen Opel vor Augen. Sollte das wirklich Thea gewesen sein, neulich bei Rossdorf und letzte Nacht hier an der Straße? - Schwer vorstellbar; und gar ihr Chef und Liebhaber, falls er das ist, ein älterer Mann, als Beschatter und als Stöberer in einem geparkten Auto, ja als Mörder einer für ihn vermutlich wildfremden Person ...

Allein diese Überlegungen erscheinen jetzt absurd. Dabei wird Mai bewusst, dass sich seine Verdachtsmomente samt und sonders verflüchtigt haben. Alles Fehlspuren, gesteht er sich ein und fragt sich bei einem langen Blick die menschenleere Straße hinab: Wenn's nicht Thea war, nicht dieser osthessische Opa, auch nicht Helmut Bock, wer - verdammt! - war's dann? Wer könnte einen Grund gehabt haben, Linda umzubringen oder umbringen zu lassen? Wichtiger vielleicht noch: was für einen Grund?

Eine Weile erwägt Mai, Oskar, den Schwiegervater, in seine Gedankengänge einzuweihen. Er zögert, schiebt die Entscheidung hinaus, und dann erreicht ihn eine weitere Nachricht, ein zweiter Fingerzeig an diesem kühlen Frühjahrsmorgen.

Sie haben, Oskar so schweigsam wie Mai, die Straße überquert und gerade den Hausflur betreten, da schlägt in der Stube das Telefon an.

"Deine Frau Sachse, die Nachbarin", mutmaßt Oskar.

Sie ist es tatsächlich; Anna, seit längerem frühstücksbereit, hat abgehoben, nach ein paar Worten die Muschel bedeckt und Mai an den Apparat gerufen.

Während das Gespräch seinen Verlauf nimmt und sich dabei zu einer Art Verhör entwickelt, halten sie und Oskar sich außer Sichtweite, das aber wohl mit gespitzten Ohren; doch nicht deshalb allein hat Mai von Anfang an das Gefühl, auf einer Bühne zu stehn.

Bei ihm - das heißt: in seiner Wohnung zu Erfurt - ist eingebrochen worden. So der Kern der Botschaft, die Frau Sachse, Katharina, nach mehrfachem Ansatz und nach der wiederholten Entschuldigung für den Umstand, dass sie ihn aufgestöbert habe und stören müsse, über den Draht bringt.

"Ach, was, Frau Sachse, Sie stören gar nicht, im Gegenteil", versichert Mai mehr als einmal. "Sie haben - Dank auch dafür! - ja schon gestern Abend versucht, mich zu erreichen", fügt er hinzu und fragt: "Übrigens, jetzt rufen Sie doch hoffentlich wieder von meinem Apparat aus an?"

Das verschlägt ihr offenbar einen Atemzug lang die Sprache.

"Ja natürlich!", bringt sie schließlich heraus.

"Gut so", beeilt sich Mai zu erklären. "War nur wegen der Kosten: damit ich weiß, das Gespräch geht zu meinen Lasten und ich kann, ohne auf die Uhr gucken zu müssen, noch was fragen. Also, Sie haben Ihre Entdeckung gemacht, als Sie gegen Abend meine Blumen gießen wollten?"

"Nicht erst 'gegen Abend'", korrigiert sie, "schon am späten Nachmittag."

"Schön", konstatiert Mai. "Und Sie waren über das Durcheinander entsetzt."

"So ist es", bestätigt sie kühl.

"Haben Sie vielleicht", beginnt er vorsichtig, "etwas vermisst - ich meine: Ist Ihnen eventuell aufgefallen, dass was fehlt, dass möglicherweise irgendetwas entwendet wurde?", beendet er die Frage, gewärtig, durch die unausgesprochene Vermutung, sie könnte auf die Idee gekommen sein, in seinen Sachen herumzukramen, einen Sturm der Entrüstung entfacht zu haben.

Das Gegenteil wird hörbar. "Nichts!", verkündet Katharina Sachse eifrig. "Nichts, soweit sich das schon sagen lässt", fugt sie bedauernd hinzu. "Das ist es ja, Herr Mai: Die haben zwar alles durchwühlt, die ganze Wohnung, die Küchennische, das Bad, den Schlaf-Wohn-Arbeitsraum, den besonders, Ihre Bücher und Schallplatten, den Schreibtisch, sogar die Mappe mit den jüngsten Gedichten, einfach alles, aber nichts mitgenommen, weder die schöne Wanduhr noch eine der alten Platten, von Ihren Klamotten natürlich schon gar nichts, aber auch kein Buch, kein Blatt Papier, nicht mal was von Ihren eigenen Werken, nichts; ich wollt's ja selber nicht glauben und dacht schon: Katharina, du spinnst."

Mai grinst. Und erwidert aufgekratzt: "Sie spinnen bestimmt nicht, Frau Sachse; ich jedenfalls glaube Ihnen, wie seltsam das alles auch sein mag. Nur eins noch zum Schluss: Sie sagen 'die', reden also von mehreren Personen. Gibt's einen Grund für diese Annahme, irgendeinen Hinweis, der gegen einen Einzeltäter spricht?"

"Das nicht, Herr Mai, da haben Sie recht, aber im Fernsehn, in jedem besseren Krimi ..."

In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, mitten im Partisanenkampf auf dem Balkan, kulminiert das Geschehen in einem gewagten Angriff auf eine deutsche Festung. Die folgende Szene aus „Lasst mich doch eine Taube sein“ zeigt mit eindringlicher Intensität, wie Misstrauen, Mut und Menschlichkeit aufeinandertreffen. Während sich die Kämpfer auf einen riskanten Befreiungsschlag vorbereiten, nähert sich ein deutscher Soldat mit weißem Tuch – ein möglicher Überläufer, ein Hoffnungsträger oder ein doppeltes Spiel?

Die geheime Information aus der Festung erwies sich in diesem Augenblick als zuverlässig. Auf die Minute genau zur vorausgesagten Zeit, Punkt sechs Uhr morgens, rollten sechs Militärlastwagen aus dem von zwei Posten bewachten Tor der Lomaca-Burg. Vielstimmiger Gesang übertönte das dumpfe Brummen der Motoren: „Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein, und das heißt Erika …“

Der vorgeschobene Abteilungsgefechtsstand lag nur knapp sechshundert Meter vom einzigen Eingang zur Festung entfernt im Schutz einer großen Buschgruppe. Draza und der Kommissar Stanko Goldstein beobachteten durch Ferngläser die Wehrmachtfahrzeuge.

„Preußische Pünktlichkeit“, murmelte der Kommandeur. Er warf kurz einen Blick auf die Uhr und strich seinen Schnauzbart. „Du kannst den Wecker danach stellen!“

Goldstein knurrte: „Barbarei, Romantik und Perfektion, eine teuflischere Mischung kann ich mir nicht vorstellen.“

Die nach Süden davonfahrende Kolonne bestätigte, was eine in der Festung beschäftigte kroatische Küchenhilfe im Bett des deutschen Zahlmeisters erfahren hatte. Ihre Meldung war auf einem der zahlreichen gutgetarnten Nachrichtenwege zum Stab der 2. Operativzone gelangt. Die in der Festung stationierten Einheiten sollten an einem groß angelegten Gegenstoß teilnehmen, mit dem die Faschisten einen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt der Strecke Zagreb-Sarajewo zurückerobern wollten. Zur Bewachung der Gefangenen und zum Schutz der Burg blieben nur ungefähr hundert deutsche Soldaten und Ustaschen auf der Lomaca zurück.

Im Divisionsstab wurde die günstige Situation für einen Angriff rasch erkannt. Die auf sechs bis höchstens acht Stunden beschränkte Abwesenheit des größten Teils der deutschen Besatzung sowie die schwer zugängliche Lage der Burg erforderten ein ebenso überraschendes wie schlagkräftiges Handeln. Es blieb keine Zeit mehr, die weiter entfernt operierenden Einheiten der Slawonischen Brigade heranzuführen. Der Angriffsbefehl erging deshalb an die unter dem Kommando von Draza stehende Partisanenabteilung. Der Kampfauftrag lautete: Zerschlagung des Gegners und Befreiung der Gefangenen. Waffen und Munition des Feindes werden erbeutet oder unbrauchbar gemacht!

Obwohl jede Hand, die ein Gewehr halten konnte, dringend gebraucht wurde, hatte Draza lange gezögert, auch die Ernst-Thälmann-Partisanen einzusetzen. Ihm war nicht wohl bei diesem Befehl. Wie die Dinge lagen, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass ein Bruder auf den Bruder oder ein Vater auf den eigenen Sohn schießen musste. Der Gedanke, einer der Männer oder Frauen unter Heinz Adams Kommando könnte in einem solchen Konflikt versagen und sich damit zwangsläufig der unerbittlichen Strafe für Feigheit im Gefecht aussetzen, bereitete dem Kommandeur Kopfzerbrechen.

Ganz anders dachte Kommissar Goldstein. Seiner Ansicht nach hatten die Telmanovci eine solche Bewährungsprobe dringend nötig. Eine einzige mutige Tat beweist mehr als hundert schöne Sprüche, meinte er und zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Beteiligung der deutschen Partisanen am Sturm auf die Lornaca ein möglicherweise hier und dort in Drazas Abteilung noch bestehendes Misstrauen endgültig auslöschen würde.

Das Argument des Kommissars zerstreute Drazas Bedenken keineswegs. Wer nicht imstande ist, die Belastbarkeit der seinem Kommando unterstellten Genossen richtig zu beurteilen, bewegt sich am Rande eines Abgrundes, dachte er und wog im Stillen jeden Namen auf seiner Liste. Er kam zu dem Schluss, dass sich vorbehaltloses Vertrauen erst dort als richtig erweist, wo das Handeln dem eigenen Ermessen überlassen bleibt. Dem Vorschlag des Kommissars folgend, gab er den Einsatzbefehl an die Ernst-Thälmann-Partisanen der slawonischen Abteilung.

Kurz nacheinander meldeten die erste und zweite Kompanie ihre Gefechtsbereitschaft. Ein Stoßtrupp sollte sich im Schutz der dichtstehenden Weinstöcke an den Hängen beiderseits des Tores bis auf wenige Meter an die Posten heranarbeiten. Zu den Freiwilligen für dieses gefährliche Unternehmen gehörten auch der Student Andreas Boden und der blonde Friedrich.

Die Telmanovci waren auf der linken Flanke in Stellung gegangen. Sie sollten dem Angriff Feuerschutz geben und Fluchtversuche der Besatzer über den südlichen Steilhang der Lomaca mit gezieltem Feuer unterbinden.

Der Feuerfresser und Gregor Blanuscha lagen eng beieinander hinter einem leichten Maschinengewehr. Wegen seiner SS-Vergangenheit und der in Kroatien stationierten berüchtigten SS-Division „Prinz Eugen“ wurde der junge Darovoer überall in der Abteilung nur „Egon“ genannt. Es war die spöttische Verballhornung des Namens, den sich die SS zugelegt hatte.

„Letzte Warnung!“, flüsterte der Feuerfresser. Ebenso wie sein Gefährte blickte er unverwandt zu den Torposten vor der Burg hinüber. Die nur wenige Schritte von den Deutschen entfernt sprungbereit lauernden Partisanen waren noch nicht zu sehen. „Wenn du Scheiße baust, breche ich dir das Genick, Egon. Das geht schneller, als du denkst.“

Gregor Blanuscha reagierte nicht. Er nagte an seiner Unterlippe, beobachtete die Posten und dachte an seine Angehörigen. Seit über einer Woche waren alle Familienmitglieder in den Kasematten eingekerkert. Hatten die Besatzer sie gefoltert? Und seine Frau, in welchem Zustand würde er sie finden? Womöglich waren sie alle längst umgebracht und irgendwo in der Umgebung verscharrt worden wie Dutzende andere zu Tode gequälte oder ohne Verhandlung und Urteil hingerichtete Landsleute auch.

Hinter dem zweiten Maschinengewehr kauerten Gerd Mattheis und Slavia Sulka. Sie hatten ihre Waffe in den Wochen zuvor mindestens hundertmal auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, waren aber bisher noch nie zum Schießen gekommen.

Slavia bemerkte, dass trotz der morgendlichen Kühle kleine Schweißperlen über das Gesicht des Ziegenbauern rannen. Er hatte sein Käppi unter das Lederkoppel geschoben und wieder den speckigen Schlapphut aufgesetzt. Seine Lider zuckten in kurzen Abständen.

„Angst?“, fragte sie.

„Dort drüben sind meine Frau, die Kinder und meine Eltern. Wir müssen mit jeder Kugel treffen, damit die Deutschen gar nicht erst dazu kommen, Handgranaten in die Kasematten zu werfen.“

Sie blickten stumm hinüber zur Festung.

„Noch fünfunddreißig Minuten“, sagte Draza zu seinem Kommissar. „Hoffentlich schaffen es die Jungs in dieser Zeit, sonst wird es brenzlig für uns alle!“

Der Dienstplan in der Burg war dem Stab der Partisanenabteilung dank der eingeschleusten Küchenhilfe ebenfalls bekannt. Wenige Minuten nach sieben Uhr würden die meisten Offiziere und Soldaten auf der Lomaca in den Speiseräumen beim Frühstück sitzen. Ihre Verwirrung, ausgelöst von einem plötzlichen Feuerüberfall, gehörte mit zu Drazas Angriffsplan. Er konnte sich die ungeduldigen Blicke vorstellen, mit denen seine nahe den Torposten liegenden Männer jetzt den Lauf der Uhrzeiger verfolgten.

Senf-Vlado, der die Gitarre im Stützpunkt gelassen hatte, rutschte unruhig hin und her. Aus dem Grasboden kroch Kälte in seinen Leib. „Wenn’s nicht bald losgeht, frier ich mir noch was ab“, sagte er zu dem neben ihm liegenden Milan Folk. Doch er bekam keine Antwort.

Der Gruppenführer musste an die Worte des alten Hans Sulka denken. Hundert deutsche Soldaten und Ustaschen, dachte er. Dafür werden sie tausend Leute von uns aus den Städten und Dörfern holen und eine Menge von ihnen aufhängen. Slavias Vater hat recht, lange darf es nicht mehr so weitergehen, sonst bluten wir aus wie ein Stier mit offenen Adern …

„Guck mal, da kommt einer!“, sagte Senf-Vlado plötzlich.

Milan Folk reckte das Kinn. Auch Draza, der Kommissar und die in gutgetarnten Stellungen liegenden Partisanen sahen die Gestalt. Es war ein Mann, der aus dem Sonnenblumenfeld unter dem Südhang der Lomaca auftauchte. Durch die Ferngläser war deutlich zu erkennen, dass er eine Wehrmachtuniform trug. An einem Ärmel schimmerte der Doppelwinkel eines Obergefreiten. Sein rotblonder Schopf war unbedeckt. An seiner Brust hatte er ein weißes Tuch befestigt, das für alle Beobachter hinter seinem Rücken unsichtbar bleiben musste. Er zog einen offenbar schwer beladenen Handwagen hinter sich her. Eine graue Militärdecke verbarg die Ladung.

Von den Posten am Tor unbemerkt oder nicht beachtet, näherte sich der Mann geradewegs dem Punkt, an dem Milan Folk und Senf-Vlado Stellung bezogen hatten.

„Sieht aus wie einer, der im letzten Augenblick noch vom fahrenden Zug abspringen will“, meinte Senf- Vlado. „Woher der wohl weiß, dass wir hier sind?“

„Weiß er es denn?“, fragte Milan Folk zurück.

Auch der Kommandeur der Ernst-Thälmann-Partisanen Heinz Adam und sein Kommissar Peter Johann hatten den immer näher kommenden Obergefreiten im Blick. Durch ihre Ferngläser konnten sie erkennen, wie der ungefähr dreißigjährige Mann schwitzte und immer wieder über die Schulter zur Lomaca schaute.

Peter Johann sah auf die Uhr. „Er muss sich beeilen, wenn er uns nicht ins Feuer laufen will.“

Geduckt eilten Draza und Kommissar Goldstein zu dem Platz in der Ausgangsstellung, auf den der Überläufer zusteuerte.

„Das weiße Tuch sagt noch gar nichts“, murmelte der Schnauzbärtige. „Nicht, was einer auf der Brust trägt, sondern was er in der Brust verbirgt, darauf kommt es an.“

Zum guten Schluss des heutigen Newsletters möchten wir noch einmal Lust auf den Rhön-Krimi von Dietmar Beetz machen, dem der Autor eine aufschlussreiche Vorbemerkung vorangestellt hat:

„Das ist ein Roman, das heißt: Personen und Handlung sind erfunden, Vorbilder und Ereignisse aber so nachgebildet, dass Ähnlichkeiten mit der Realität durchaus möglich sein müssten und keinesfalls unbeabsichtigt wären.“ Das lässt manche Auslegungen zu, oder?

Und gönnen wir uns einen kleinen Blick auf den Anfang dieses „Rhön-Flirts“, der eigentlich recht harmlos beginnt, auch wenn die erste Kapitelüberschrift „Am Schwarzen Moor; frühmorgens“ lautet. Ist das schon ein Vorzeichen oder kein Vorzeichen?

„Er parkt seinen Wagen, einen Toyota älteren Typs, neben einem einsamen, eisbärfellfarbenen Fiesta, steigt aus und reckt sich. Dann entnimmt er dem Kofferraum Rucksack und Wanderstock sowie einen hellgrauen sogenannten Campinghut. Den Hut stülpt er sich auf den ergrauten, widerspenstigen Schopf, den Rucksack huckt er auf, und nachdem er den Wagen verriegelt hat, verstaut er den Schlüssel in der Brusttasche der lichtgrauen, mit ausknöpfbaren Ärmeln versehenen Wetterjacke, die er über einem rot karierten Hemd zu dunklen Kniebundhosen und derben Wanderschuhen trägt.

Hier oben ist es jetzt, Anfang Mai, noch kühl, ja beinah kalt - trotz heftiger Regenfälle in jüngster Zeit bestes Wanderwetter also. Dazu die Stille frühmorgens und an einem Tag wie diesem Mittwoch! Kein Schülergeschrei, kein Beirats-Blabla, kein Kollegiumsgewäsch. Meinecke, Studienrat im Ruhestand, Witwer, Frühaufsteher und Einzelgänger, atmet tief durch und zieht los, fort vom Parkplatz beim Schwarzen Moor.

Zurück bleibt der 'Kiosk am Dreiländereck', der wohl erst später öffnen wird - bei Schulexkursionen oft erstes und einzig selbstständig erwähltes Ziel hoffnungsträchtiger Horden. Die Kreuzungsspinne, die noch dem Pensionär bei der Erinnerung an Lotsen- und Hirtenpflichten Albtraumschweiß auf die Stirn treibt, und ein Stück der Hochrhönstraße Richtung Bischofsheim, dem Meinecke, Geografie und Mathematik, beim Schreiten das körpereigene, geeichte Schrittmaß anlegt. Fünfzig Meter - exakt.

Er konstatiert es dort, wo links der Wanderweg von der Straße abzweigt, konstatiert es nicht ohne Befriedigung, wenn auch mit einem Anhauch von Wehmut.

Mögen die Rabauken gewesen sein, wie sie wollen, bei jeder Rasselbande fanden sich wenigstens zwei/drei, die's trotz allem wert waren. Außerdem: Wem jetzt erzählen oder abfragen, wie ein Hochmoor entsteht, sich uhrglasförmig aufwölbt hier oben, wo Regen und Schnee Wasser hinterlassen, mehr als verdunsten kann? Oder wen hinweisen mit einem Wort, einem Wink auf die 2 funkelnden Regentropfen dort an den Zweigen, auf die sakrale Stille unter diesem Dombach aus lichtem Grün?

Der Pfad ist gleich nach seinem Anfang rechts abgebogen, und seitdem läuft er in einigem Abstand parallel zur Chaussee. Selten ein Wagen, der draußen hinter verkrüppelten Fichtenstämmen vorbeirauscht; ab und an auf der Strecke dorthin, halb verborgen im Unterholz, ein Morastloch.“ Klingt doch eigentlich alles recht harmlos. Was soll da schon passieren?

Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Der neue Lesestoff ist schon ausgesucht, verpackt und abholbereit.

Zu den fünf Sonderangeboten der nächsten Woche gehört ein Kinderbuch aus dem Jahre 1927 – „Liesken und Wiesken und andere Jugendgeschichten“ von Theodor Krausbauer, der von 1857 bis 1925 gelebt hat.

Ein Junge will Ziegen hüten, Bienen bewachen und einen Hasen fangen - und lernt dabei, was es heißt, Verantwortung zu tragen. In einfühlsamen Geschichten erzählt Theodor Krausbauer von kleinen Abenteuern auf dem Land, von kindlichem Eigensinn und großem Herzen. Doch nicht alles geht gut aus: Tiere werden verletzt, eine Schwester stirbt, ein Kind wird vom schlechten Gewissen geplagt.

Dieses bewegende Kinderbuch aus dem vorigen Jahrhundert zeigt mit Wärme und Klarheit, wie Kinder wachsen - durch Fehler, Verzeihen und Liebe. „Liesken und Wiesken“ ist ein Buch für alle, die den Wert des Guten im Alltäglichen entdecken wollen und sich dafür interessieren, was die Kinder vor 100 Jahren bewegte.

DDR-Autoren: Newsletter 27.06.2025 - Eine schlaflose Nacht, ein sensationeller Fund sowie eine fluchtartige