Eine rebellische Jugend, für oder gegen die amerikanische Sache sowie ein königlicher Wunsch - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
(Pinnow 22.08. 2025) Es ist immer wieder spannend zu erfahren, wie später berühmt gewordene große Männer und große Frauen zu den Persönlichkeiten geworden sind, wie sie die Welt kennt und nachvollziehen, wie sie in ihrer Kindheit und Jugend gewesen sind. Zu den Büchern, die diese Anfänge einer Entwicklung zeigen, gehört das vierte der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 22.08. 2025 bis Freitag, 29.08. 2025) zu haben sind.
Erstmals 1981 veröffentlichte Walter Baumert im Verlag Neues Leben Berlin Schau auf die Erde. Die rebellische Jugend des Friedrich Engels und seine umfangreiche Biografie gleichzeitig im Weltkreis-Verlag Dortmund dort unter dem Titel Der Flug des Falken.
Ein Mensch wächst ins Leben, ein Mensch, mit dem man lachen und weinen, zweifeln und hoffen kann. Der wohlbehütete Fabrikantensohn, mit überdurchschnittlicher Intelligenz begabt und von großem Gerechtigkeitsempfinden erfüllt, wird zwischen der Zuneigung zu den Eltern, der Liebe zu Gott und der Armut und Ungerechtigkeit in der nächsten Umwelt hin und her gerissen. Seine Versuche, sich aufzulehnen, bringen ihn oft in Bedrängnis und führen zur harten Entscheidung des Vaters, dass er Kaufmann zu werden habe. Nebenbei bildet er sich, sucht er Gleichgesinnte, streitet Nächte hindurch, schreibt Gedichte und liebt - das Arbeitermädchen Agnes, die todkranke Pianistin Magdalena, die wenig ältere Susanne, die kapriziöse Jane, dann lernt er Mary Burns kennen.
Walter Baumert zeigt einen jungen Menschen in seinem Widerspruch, in seiner Entwicklung: eben jenen Friedrich Engels, den man später einen Klassiker des Marxismus-Leninismus nennen wird.
Aber ein paar Jahrzehnte zurück: Die gute alte Zeit um 1830 war keineswegs eine beschauliche Epoche. Auch wenn der preußische Obrigkeitsstaat für Friedhofsruhe gesorgt zu haben scheint, gärt es in deutschen Landen. In dieser Zeit des Vormärz wächst der junge Engels heran, Sohn eines Wuppertaler Textilfabrikanten. Schon früh stößt Friedrich auf den Gegensatz von industriellem Aufschwung und dem Elend der arbeitenden Menschen. Schritt für Schritt löst er sich aus der beengten Umgebung des Elternhauses. Begegnungen mit immer neuen Menschen geben dem jungen Mann neue Anstöße, die Halbheiten manches Vorbildes reizen zum Widerspruch, das Unrecht zur Rebellion.
Das sowohl in der DDR als auch gleichzeig in der Bundesrepublik erschienene Buch erreichte eine Gesamtauflage von 250 000 Exemplaren. Für das DDR-Fernsehen entstand 1985 unter der Regie von Peter Wekwerth die vierteilige Produktion Flug des Falken mit einer Länge von insgesamt 275 Minuten. In der Hauptrolle des jungen Friedrich Engels war Dirk Wäger zu sehen, Jahrgang 1959. Weitere Hauptdarsteller waren Klara Jirsaková, Klaus Manchen und Jörg Panknin. Aber auch der junge Jan Josef Liefers wirkte mit.
Szenerist der Produktion war Walter Baumert nach Motiven seines Buches Schau auf die Erde. Die Filmmusik stammt von Bernd Wefelmeyer. Die Sendedaten der Erstausstrahlungen waren im Zeitraum vom 17.November 1985 bis 27.November 1985 im 1. Programm des DDR-Fernsehens und die der Wiederholungen im Zeitraum vom 18.November 1985 bis 28. November 1985 ebenfalls im 1. Programm des DDR-Fernsehens. 1985 wäre Engels 165 Jahre alt geworden.
Die zwei DVDs Flug des Falken sind unter anderem bei Amazon zu haben. In einer Rezension dazu heißt es dort unter der Überschrift wieder ein guter DDR-Film: und das nicht nur der Thematik wegen herrlich viele heute gestandene Schauspieler in ihren jungen Jahren zu erleben, was sicher gewagt war, aber top umgesetzt. Wie so anders haben wir seinerzeit gefilmt, danke noch einmal dafür. Ansehen!!!
Und ein anderer Amazon-Kunde schreibt unter der Überschrift Ein sehenswertes filmisches Biopic über die jungen Jahre von Friedrich Engels unter anderem: Ich kann den hier von dem "Studio Hamburg Enterprises" innerhalb der Reihe mit auf DVD verlegten Titeln aus dem DDR TV-Archiv an den Start gegangenen TV-Vierteiler wirklich nur jedem Fan von filmischen Biopics ans Herz legen. Der nach der literarischen Vorlage von Walter Baumerts (1929-2016) im Jahr 1981 erstveröffentlichtem Roman Schau auf die Erde durch das Fernsehen der DDR produzierte TV-Vierteiler zeigt sich frei von irgendwelchem Pathos oder großer sozialistischer Propaganda.
Mir hat der Film Friedrich Engels (1820-1895) als Menschen sehr viel näher gebracht, als es seine Instrumentalisierung als Kämpfer für die Sache des Sozialismus, für die er damals in der DDR an der Seite von Marx und Lenin meist einzigst dargestellt wurde, je vermocht hatte.
Das liegt neben der nach dem Drehbuch von Franz Ritschel, Peter Wekwerth und Gernot Schulze unter der Regie von Peter Wekwerth inszenierten Geschichte vor allem auch an dem die Rolle des Friedrich Engels bravourös verkörpernden, 1959 geborenen Dirk Wäger. Aber auch die sonstige Besetzung in dem Vierteiler überzeugt hier durchweg mit deren Spiel. Beispielgebend seien Namen wie die von Gerry Wolff, Jörg Panknin, Kaspar Eichel, Victor Deiß, Jan Josef Liefers oder auch die von Jaecki Schwarz, Ulrich Anschütz und Susanne Lüning genannt.
Erstmals 1959 veröffentlichte Wolfgang Schreyer im Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung Berlin seinen spannenden Roman Alaskafüchse. Darin geht es um die amerikanische Sache, einen Flug im besonderen Auftrag und um eine unerlaubte Rettungsaktion: Captain Leslie - von Frankreich auf den Stützpunkt Icy Cape in die Arktis strafversetzt, weil er ein Mädchen liebte, das der amerikanischen Geheimpolizei nicht genehm war - fängt die Maschine noch ab und kann auf einer driftenden Eisscholle notlanden. Aber sein Copilot Bob Harris hat sich lebensgefährlich verletzt. Sowjetische Polarstationen sind in der Nähe, sie würden Besatzung und Maschine Hilfe leisten, doch Leslie darf sie nicht rufen, Colonel Reed hat es durch Befehl verboten - das kann für Harris das Todesurteil sein. So treiben sie Tage im Eis. Leslie muss zusehen, wie der Freund stirbt, oder er wird Verräter an der amerikanischen Sache. Wie wird er sich entscheiden?
Die DEFA verfilmte das Buch 1964 in der Regie von Werner W. Wallroth und nach dem Drehbuch von Egon Günther mit Thomas Weisgerber als Jim Leslie, Hans-Peter Minetti als Bob Harris und Armin Mueller-Stahl als ein sowjetischer Arzt.
Der heutige Newsletter präsentiert zudem zwei Bücher von Erika und Jürgen Borchardt, die beide bei EDITION digital erschienen sind, und zwar sowohl als gedruckte Ausgabe wie auch als E-Book:
Erstmals 2008 erschien der Wanderführer Sagenhafte Orte. Um den Schweriner See. Zwischen Warnow und Stepenitz, Döpe und Lewitz. Das war bislang einzigartig in Deutschland: Durch Wanderungen zu Sagenorten eine Landschaft bis in die kleinsten Winkel erkunden. Seen und Sölle, Wiesen und Wälder, Täler und Hügel, romantische Durchbruchstäler der Warnow, Relikte aus der Steinzeit, aus der Bronze- und Slawenzeit, Burgen, Dörfer, Herrenhäuser, Schlösser und Kirchen aus dem Mittelalter und der neueren Geschichte - viele von ihnen sind Geheimnis umwoben. Und immer befinden wir uns in der Nähe des Schweriner Sees und der vielen Seen an seinem Rand.
Dieses erstmals 2019 veröffentlichte Buch haben die beiden Autoren ihrer Tochter Antje sowie allen gewidmet, die die Orte und Geschichten voller Geheimnisse mögen. Und dieses Buch hat einen Titel, der neugierig macht: Petermännchen will König werden. Seltsame Geschichten um seine Erlösung. Aber warum eigentlich will der berühmte Schweriner Schlossgeist König werden?
Wer möchte schon ein Zwerg und Schlossgeist bleiben, wenn er in Wirklichkeit ein verwunschener Prinz ist und König sein könnte! Der Schlossgeist Petermännchen bemüht sich seit Hunderten von Jahren redlich um seine Erlösung. Dafür gibt es viele verschiedene Möglichkeiten; mit ihm ringen, ihm das Schlüsselbund holen, sein Schwert putzen oder ihm bloß den Kopf abschlagen. Es würde auch schon genügen, wenn seine Laterne mit einer bestimmten Schere geputzt wird oder wenn jemand etwas ganz laut ruft. Reicher Lohn winkt dem, der das macht. Und fast alles scheint auch ziemlich einfach zu sein. Aber die Wirklichkeit ist eine andere, birgt Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Als das beinah verzweifelte Petermännchen selbst seine Erlösung in die Hand nehmen will und sie scheinbar auch nach Plan verläuft, stellt sich am Ende heraus: Sogar ein Geist kann sich irren.
Aber eine Möglichkeit bleibt ihm noch. Dafür braucht er eigentlich bloß Geduld. Und wieder kommt alles anders
Als Teil 1 und 2 mit den schönsten Sagen und Geschichten um das Schweriner Petermännchen waren erstmals 2017 Wie Petermännchen schützt, lohnt, straft und neckt und erstmals 2018 Erde, Blut und Rote Rüben. Petermännchen als Prophet Weissagung und Wirklichkeit bei EDITION digital erschienen und zwar ebenfalls als gedruckte Ausgaben und als E-Books.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Erneut ist die Grausamkeit des Krieges Thema die unvermeidliche Grausamkeit des Krieges, selbst wenn er heute mit modernen und scheinbar sauberen Waffen geführt wird. Gelitten und gestorben wird dennoch.
1942 entstand die Erzählung Das große Grab von Friedrich Wolf. Ein junger Soldat schreibt seinem Vater vom gnadenlosen Überlebenskampf an der Ostfront im Zweiten Weltkrieg. Der Brief seines Freundes Paul Schneidewind malt ein Bild des Grauens vor Stalingrad - der endlosen Kämpfe, der Verzweiflung und der unausweichlichen Realität des Todes, die sich wie ein düsterer Schatten über die Soldaten legt. Die Erlebnisse zwingen den Protagonisten zu der schmerzlichen Erkenntnis: Der Krieg fordert nicht nur Leben, sondern stellt auch die Sinnfrage. Eine bewegende, ergreifende Erzählung, die den Leser mit den unbarmherzigen Schrecken des Krieges konfrontiert und zum Nachdenken über die Sinnlosigkeit der Gewalt anregt. Ein zeitloser Appell für Menschlichkeit und für Frieden.
In seiner biografischen Erzählung Schau auf die Erde. Die rebellische Jugend des Friedrich Engels zeigt Walter Baumert, wie sich schon früh Widerspruchsgeist, Mut und der Drang nach Freiheit im späteren Denker und Revolutionär bemerkbar machten. Die folgende Leseprobe schildert eine Episode aus Engels Schulzeit einen Streich, der weitreichende Folgen hatte und zugleich die Spannungen zwischen obrigkeitlicher Strenge, bürgerlichem Selbstbewusstsein und jugendlicher Rebellion sichtbar werden lässt.
Am nächsten Morgen vor Beginn der Schule betraten nacheinander elf Quartaner in aller Öffentlichkeit Kukoschs Laden.
Alle benahmen sich sehr auffällig, darauf bedacht, von dem Spion Krühbusch, der in derselben Straße wohnte, gesehen zu werden. Dann kam jeder mit einem wohlverschnürten Buchpäckchen wieder heraus. Auf der Straße wurde das Päckchen sorgfältig in der Schulmappe oder am Körper versteckt.
Wie erwartet: In der Schule war bereits alles gemeldet. Kappes Sommersprossengesicht glühte. Eine hochnotpeinliche Befragung begann. Alle elf weigerten sich, Aussagen über ihren Besuch bei Kukosch zu machen und die erstandene Literatur freiwillig herauszugeben. Der über so viel Verstocktheit und Unverfrorenheit entrüstete Kappe holte den Direktor. Leibesvisitation wurde befohlen. Emil Wemhöfer, der Sohn des Oberstaatsanwalts, trat vor, protestierte und verlangte im Namen der Gesetzlichkeit unparteiische Zeugen. Der Direktor willigte nervös ein. Sollt ihr haben!
Ein Kirchendiener, ein Schreiber der Stadtverwaltung und der Kastellan wurden geholt. Bei jedem der Jungen wurde nach umständlicher Visitation ein Buchpäckchen konfisziert. Nun schritt man zur Öffnung der Päckchen. Kappe wurde beauftragt, ein Protokoll zu verfassen. Die Gründlichkeit und der tierische Ernst, mit der diese ganze Prozedur vorgenommen wurde, steigerte gewaltig die Komik des Ergebnisses.
Alle elf beschlagnahmten Bücher hatten denselben Titel: Blicke ins Reich der Gnade, ihr Verfasser war das geistliche Oberhaupt aller Rechtgläubigen im Amt Barmen, Prediger der reformierten Kirche zu Gemarke, Friedrich Wilhelm Krummacher.
Das war arg, Engels, zu arg!, sagte Kappe, bevor er entgeistert dem Direktor nach draußen folgte. Vom Flur hörte die ganze Klasse die wütende Stimme des Direktors: Kappe, Sie sind ein Rindvieh!
Die Klasse wieherte, grölte, klatschte enthusiastisch Beifall. Der Vorfall in der Stadtschule hatte sich in Windeseile in den Barmer Gemeinden herumgesprochen. Die halbe Stadt lachte. Das war ein Streich, ganz nach dem Herzen der intelligenteren Wuppertaler Bürgerlichkeit, die dem Direktor, einem importierten Stammpreußen, die Blamage gönnte. Zwei renommierte Bürger, der Stadtarchivar Dr. Singer und der Großkaufmann Feldmann, Männer, mit denen Friedrich nie zuvor gesprochen hatte, hielten ihn auf der Straße an, luden ihn zum Mittagessen an ihren Stammtisch im Stadtkrug ein. Man gab ihm einen Ehrenplatz in der Runde, klopfte ihm auf die Schulter und manch eine der eleganten Damen im Lokal lächelte ihm heimlich zu.
Zum ersten Mal erfuhr Friedrich, dass unter der zur Schau gestellten Demut manches Bürgers ein rebellischer Geist verborgen lag, allzu bereit, dem preußischen Despotismus wie der krummacherischen Mystik die Stirn zu bieten. Diese Leute pochten auf den Code civil und andere bürgerliche Errungenschaften und Sonderrechte gegenüber den preußischen Stammprovinzen, die man ihnen lassen musste seit den Tagen des Rheinbundes. Erinnerungen wurden beschworen an die Juliereignisse in Paris und ihnen folgende Geheimversammlungen in Solingen.
Als sich Friedrich, trunken von seinem Erfolg und vom reichlich genossenen Bier, endlich auf den Heimweg machte, vertrat ihm ein langer, dünner Mann den Weg. Friedrich erkannte in ihm Herrn Bendahl, den Inhaber der Ratsapotheke. Der Mann zog ihn in sein Haus, zeigte ihm mit Tränen in den Augen seine Andenken an die großen hoffnungsvollen Tage von Hambach, allerdings unter dem Siegel strengster Verschwiegenheit. Mit pathetischen Worten redete er von der Freiheit und der Volksverbrüderung. Dann bekam Friedrich die Erlaubnis, sich eines von den streng gehüteten Reliquien aus Hambach auszusuchen. Da waren Flugschriften und Erinnerungswimpel, eine schwarz-rot-goldene Pfeifenquaste und eine Schnupftabakdose in den Farben der Trikolore, eine Lithografie mit der Aufschrift: Liberté, Égalité, Fraternité und ein Notenblatt mit einem unbekannten Lied von Wilhelm Müller.
Während der Apotheker umständlich die Bedeutung der einzelnen Reliquien erklärte, hingen Friedrichs Augen begehrlich am Bücherschrank. Ein Buch, Herr Bendahl, wenn Sie ein Buch entbehren könnten ...
Etwas enttäuscht gestand ihm der Apotheker zu, sich ein Buch auszusuchen. Friedrich griff nach einem unscheinbaren Bändchen. Goethe, Faust I und II stand auf dem Rücken. Er durfte es mitnehmen.
Mit hoch geschwellter Brust trat er auf die Straße. Daheim kam dann die eiskalte Dusche. Onkel Caspar saß bei Mutter. Die beiden erwarteten ihn mit Ungeduld. Jedes Detail des Streiches war bekannt. Der Onkel gab ihm unmissverständlich zu verstehen, wie wenig er von derlei Eskapaden seines Neffen hielt, die im Effekt nur zu einer Störung des glücklich aufrechterhaltenen Friedens, zu einer Schädigung des Geschäftslebens führten. Aber noch schlimmer ist es, was du deinem Vater damit antust. Hat er nicht Sorgen genug, die vielen Mäuler an eurem Tisch zu versorgen? Nun hat ihn der eigene Sohn dahin gebracht, dass er sich aufmachen musste zum Rektor, um ihn um Verzeihung zu bitten!
Um Verzeihung bitten?
Natürlich! Oder glaubst du, die Firma könne sich die Feindschaft des Direktors, der verwandt ist mit dem Regierungspräsidenten, leisten? Bist du so naiv, Neffe, oder stellst du dich nur so? Seine Beamten, die setzen Steuern und Abgaben fest, vergeben Ausfuhrlizenzen und Handelsbriefe.
Nach Gutdünken?
Wie sonst? Wenns ihnen beliebt, dann ist eine alte Firma wie Engels & Söhne in wenigen Monaten kaputt. Da, Neffe, geh ruhig mal hinüber in die Websäle, frag die Arbeiter, was sie sagen würden, wenn sie brotlos werden, nur weil er, der Herr Prinzipalsohn, mal sein Pläsier haben wollte!
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Vater stand im Zimmer. Beruhige dich, Caspar! Die Sache ist bereinigt. Das Konsistorium hat entschieden. Die Schüler haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Es gibt keine Verschwörung und also auch keinen Rädelsführer, keine Folgen und auch keine Entschuldigung. Zu viele Söhne angesehener Leute sind darin verwickelt, außer uns noch drei, die die Schule finanzieren. Onkel Caspar stand auf. Ein Glück für die Firma. Dann blickte er auf Friedrich. Aber wenn du ihm das durchgehen lässt ...
Was ich mit ihm abzumachen habe, das lass meine Sorge sein.
Na dann, guten Abend! Um diesen da beneid ich dich nicht, weiß Gott nicht, Bruderherz.
Onkel Caspar ging. Nun wurde es ernst. Komm mit!, sagte Vater.
Mama, die sich bis jetzt nicht eingemischt hatte, mahnte Vater, sich nicht hinreißen zu lassen vom Zorn. Friedrich lächelte ihr zu, um ihre Besorgnis zu besänftigen. Seltsam, dass er frei war von Angst, obwohl er wusste, was zu erwarten war. In Vaters Zimmer befand sich eine alte Standuhr mit wunderlich gedrehten Säulen. Auch diesmal erfolgte der Gang zur Uhr, das Öffnen der Tür, der Griff ins Dunkle, wo sich das spanische Rohr befand. Keine Frage? Keine Möglichkeit der Verteidigung, Monsieur? Nur der Befehl: Bücken!, dann das Pfeifen des Rohrs ... Aus Spanien kommt die Inquisition und auch dieses ...
Wolfgang Schreyer versteht es meisterhaft, Spannung und Atmosphäre miteinander zu verweben. In Alaskafüchse geraten seine Figuren in eine extreme Ausnahmesituation, in der Naturgewalten, politische Grenzen und menschliche Abhängigkeiten unauflösbar miteinander verknüpft sind. Die folgende Leseprobe führt mitten hinein in die beklemmende Lage der Besatzung der Devils Dream, die zwischen Hoffnung und Verzweiflung um das Überleben kämpft.
Kurz nach Mitternacht sichtete Leslie auf Steuerbord einen dunklen Strich. Er teilte seine Beobachtung sogleich den anderen mit. Zu diesem Zeitpunkt war, wie schon vor drei Tagen, die Funkverbindung mit Icy Cape völlig unterbrochen. Weder kurze noch lange Wellen drangen durch, was Leslie auf die so genannten Magnetstürme zurückführte. Da der Wind nicht mehr ausreichte, den Drachen emporzutragen, hatte Hester den Antennendraht mit einem Gasballon hinaufgeschickt. Er schwebte dreihundert Fuß hoch überm Eis, berührte schon die Wolkenuntergrenze. Aber es hatte nichts genützt, und sie waren nun nicht imstande, dem Heimathafen zu melden, was sie entdeckt hatten.
Der Streifen befand sich dort, wo man den Südwesthorizont vermuten konnte. War es ein Schiff, war es Land oder nur offenes Wasser? Es schien, als driftete "Devil's Dream", das Heck voran, darauf zu; doch das war nicht sicher. Vielleicht trieb man daran vorbei... Was immer der Strich bedeuten mochte, sein Auftauchen alarmierte sie, machte jedem von ihnen Mut. Sogar Lieutenant Harris kroch zum Fenster, presste sein heißes Gesicht an die Scheibe. Leslie beobachtete ihn dabei. Nach der letzten Spritze war sein Fieber auf achtunddreißig sechs gefallen, er klagte über starke Kopfschmerzen, war jedoch bei klarem Verstand. Jetzt blickte er hinaus, und der Captain konnte sehen, wie sehr ihn die ferne Erscheinung beschäftigte.
"Wenn das Land ist", hörte er ihn sagen, "müssen dort Menschen sein."
Leslie verstand, dass Bob meinte: Ärzte.
"Captain, immer noch keine Verbindung", meldete Hester von hinten.
Leslie dachte daran, wie weit weg die amerikanischen Ärzte waren. Suchflugzeuge, die nichts fanden, und eine Funkbrücke, die immer wieder zusammenbrach, brachten sie nicht näher. Dagegen hielten sich russische Ärzte womöglich ganz in der Nähe auf. Bob schien es gleich zu sein, welcher Nation die Leute angehörten, die ihn behandeln würden; wenn nur überhaupt bald Hilfe kam. Wen das Fieber so gepackt hat, dem ist das egal. Russische Hilfe oder amerikanische Hilfe fand man sie nicht, würde der Tag kommen, da auch er selbst darin keinen Unterschied mehr sah. Er nahm einen Schluck aus der Whiskyflasche und atmete tief. Wie lange musste er noch zusehen, wie Bob sich quälte? Wäre "Devil's Dream" ein normales Wetterflugzeug gewesen, hätte er längst SOS gefunkt. Aber sie hatten ihm ja befohlen, das auf keinen Fall zu tun. Lieber sollte er abwarten, wie Bob Harris langsam krepierte. So lautete der Befehl zwar nicht, doch darauf lief er hinaus.
Erika und Jürgen Borchardt laden mit ihren Sagenhafte Orten. zu einer Entdeckungsreise rund um den Schweriner See ein. Sie verweben Geschichte, Natur und Legenden zu einem lebendigen Bild der Region, in der sich Vergangenheit und Gegenwart auf besondere Weise berühren. Die folgende Leseprobe führt nach Schwerin und Rampe zu alten Hügelgräbern, geheimnisvollen Funden und Geschichten, die bis heute ihre Faszination bewahren.
Schwerin
Schwerin ist vielleicht die Stadt mit der größten Zahl von Sagen in Deutschland. Woher mag das kommen? Aus einer besonderen Geographie?
Über ein Viertel der Stadtfläche ist Wasser; mitten in der Stadt befindet sich der Pfaffenteich mit Schwaneninsel und Petermännchen-Fähre, um sie herum liegen weitere größere Seen und Wälder, 500 Hektar des Stadtgebietes sind Parkanlagen und unter der Erde gibt oder gab es zahlreiche Kanäle und Gänge. Das alles ist wohl etwas Besonderes, für Sagen gut Geeignetes, aber ganz außergewöhnlich auch wieder nicht.
Ob die Geschichte eine Ursache sein kann?
Schwerin ist die älteste Stadt Mecklenburgs. 1160 wurde sie von Heinrich dem Löwen gegründet, einem der mächtigsten deutschen Herrscher seiner Zeit. Hundert Löwen sollen im Stadtbild zu sehen sein. Sie aber könne nicht die Ursache des Schweriner Sagenreichtums sein, selbst wenn es zu jedem Löwen eine sage gäben würde. Forschen wir weiter.
Die Stadt ist ein sehr altes Siedlungsgebiet. Auf ihrem heutigen Areal fand man sechs Hügelgräber aus der älteren Bronzezeit, sie sind über 3000 Jahre alt. Während der Völkerwanderung im 4. bis 6. Jahrhundert u. Z. verließen die später hier ansässigen Germanen diesen Raum und der slawische Stamm der Obotriten besiedelten ihn neu. Sie bauten auf der Insel im See eine Burg, auf ihren Resten steht das heutige Schloss, prächtig anzusehen, mit seiner filigranen Fassade, den goldenen Kuppeln und den vielen Türmen und Türmchen, die zumeist Schornsteine sind. Jahrhunderte lang war es Residenz der aus dem Obotritenstamm hervorgegangenen mecklenburgischen Herzöge und Großherzöge.
Entstanden ist es aus Bauten aus fünf Jahrhunderten.
Rampe
Rampe - zwischen Schweriner Aussensee und Innensee gelegen - wurde erstmals im Jahre 1171 urkundlich erwähnt. Es gehört zu den ältesten Orten am Schweriner See. Der Gutshof Rampe oberhalb am Ostufer des Schweriner Sees ist in Resten erhalten. Im mehrfach überformten Gutshaus befindet sich jetzt das Amt Ostufer Schweriner See.
Eine Glocke wurde gefunden
Ein kleines Mädchen hütete seine Gänse an einem Wasserloch. Dabei fand es eine Glocke. Der reichte Herr aus Rubow ließ vierzig Ochsen zusammen spannen, doch die Glocke bewegte sich nicht. Da kam ein armer Bauer mit seinen vier Ochsen und sagte: "Für arm und reich zugleich!" So konnte er die Glocke aus der Erde befreien.
Naturschutzgebiet Ramper Moor.
Paulsdamm (Benannt nach Großherzog Paul Friedrich). Bis 1842 gab es diesen Damm noch nicht. Da war an dieser stelle nur das unwegsame Ramper Moor. Zwei Jahre lang mussten die Bauern der Umgebung mit Wagen und Karren zum Dammbau heranbringen. Als Unterlage für die Erdmassen und zur Stabilisierung des Straßendammes durch das Moor waren allein in dieser Zeit 3000 Fuder mit Faschinen (große Rutenbündel zum Befestigen des moorigen Untergrundes) heran zu transportieren. Es war für alle eine große Erleichterung, als der Paulsdamm fertig gestellt war.
Garten der Sinne im Diakoniewerk "Neues Ufer".
In der Nähe des Dorfes befindet sich ein diakonisches Heim für behinderte Menschen. Der Garten der Sinne, der auf dem Gelände des Diakoniewerkes entsteht, ist ein Projekt zur Erfahrung und Entfaltung der Sinne. Die im Sinnesgarten bisher realisierten Stationen wie der "Pfad der Füße", ein Duft- und Kräuterbeet, eine geflochtene Weidenhütte, ein Dendrophon, ein Springbrunnen mit Sitzgelegenheiten u.a. fördern auf vielfältige Weise die Wahrnehmung und Kommunikation.
Zum Diakoniewerk: Am westlichen Ortausgang (Richtung Schwerin) führt eine Straße am Ufer des Schweriner Sees in Richtung Retgendort (ein Wanderweg beginnt nordöstlich von Rampe). Nach 2,8km erreicht man das Diakoniewerk.
Das Petermännchen, der sagenumwobene Schlossgeist von Schwerin, steht im Mittelpunkt dieser besonderen Sammlung Petermännchen will König werden. Seltsame Geschichten um seine Erlösung. Sie erzählen von Gier und Verlockung, von Prüfungen und der Hoffnung auf Erlösung und sie lassen ein Stück regionaler Sagenwelt lebendig werden. Die folgende Leseprobe führt an den Schweriner See, wo ein armer Fischer in der Neujahrsnacht dem Petermännchen begegnet und eine schicksalhafte Wahl trifft.
Die Habgier des armen Fischers
Sagenort: Schweriner See Großer Stein bei Kaninchenwerder
Vor vielen Jahren stand unweit vom Schweriner See ein kleines Stroh gedecktes Haus. Dort wohnte ein Fischer, der sich, wie viele seines Standes, mehr schlecht als recht durchs Leben schlug und gern besser gelebt hätte. Er legte jeden Abend die Netze aus und holte sie jeden Morgen noch vor Sonnenaufgang ein. Er glaubte, wenn er nur recht fleißig wäre, würde er schon zu kleinem Wohlstand gelangen. Trotzdem blieb sein Leben ärmlich, wie bei den meisten Menschen in der Stadt und den umliegenden Dörfern.
Wenn Peter, so hieß der Fischer, mit seinem Boot an der Burginsel vorbeifuhr und aus den hell erleuchteten Fenstern des Schlosses Musik, fröhliches Lachen und das Stimmengewirr der unzähligen Gäste des Schlossherrn schallte, dann dachte er, wie gut es doch diese Damen und Herren dort oben im Schloss hätten. In seiner Fantasie malte er sich aus, wie sie, in Samt und Seide gekleidet, mit Gold und Edelsteinen geschmückt, an reich gedeckten Tischen saßen und sich vor lauter Überfluss nicht entscheiden konnten, ob sie zuerst die zarte Fasanenpastete wählen sollten oder den köstlichen Hummer, den würzig geräucherten Lachs, das knusprig gebratene Hühnchen, den saftigen Lammbraten, den zarten Fisch oder die farbenfrohen süßen Torten und Kuchen, während ihm in der feuchten Kälte der Nacht der Magen knurrte. Aus tiefstem Herzen wünschte er sich dann, reich zu sein, und sollte es seine Seele kosten.
Von niemandem aber hatte er etwas zu erhoffen. So fuhr er Nacht für Nacht auf den See, um zu fischen. Und so vergingen die Jahre. Er hatte zu essen, auch einige Taler für Notzeiten, aber seine Sehnsucht blieb.
Es war mitten im Winter, der letzte Tag des Monats Dezember war angebrochen. Noch hatte es nicht gefroren, noch war kein Schnee gefallen. Die anderen blieben zu Hause, flickten die Netze und begnügten sich mit dem, was der Herrgott ihnen bescherte.
Peter jedoch fuhr auch an diesem Abend hinaus, die Netze auszulegen. Vergebens hatten ihn die Leute gewarnt, in der Neujahrsnacht zu fischen. Da wäre es auf dem See nicht geheuer. Peter hatte wie sie den sternenklaren Himmel gesehen, der Frost verkündete. Aber solange der See nicht zugefroren war, wollte er arbeiten, und so schlug er alle wohl gemeinten Ratschläge in den Wind. Er sah schon die Taler im Beutel klingen, die er für die frischen Neujahrskarpfen, die ihm ins Netz gehen würden, von den Bürgersfrauen erhielte.
Seine Blicke glitten sehnsüchtig über die dunkle Fläche des Wassers, das solchen Fischreichtum barg. Plötzlich sah er im Bug des Bootes ein kleines Männchen sitzen. Peter hätte beschwören können, dass er allein losgefahren war. Hier ging etwas nicht mit rechten Dingen zu. Ihn sollte niemand zum Narren halten! In seinem Boot war er der Herr! Zornig ergriff er das Ruder und wollte auf den ungebetenen Fahrgast einschlagen. Aber was war das? Er konnte den Arm nicht bewegen. Wie fest gewachsen stand er im Boot, das bedrohlich schwankte. Hast dich erschrocken, Peter? Das wollte ich nicht! Aber wenn es dir nicht passt, kann ich ja aussteigen, sprach das Männchen. Petermännchen?!, fragte der Fischer ungläubig. Ich hab immer gedacht, du wärst ein Schlossgeist. Und dein Revier wäre das Schloss. Wie kommst du in meinen Kahn? Heute ist Altjahrsnacht, hast du das vergessen? Am letzten Tag im Jahr kann ich gehen, wohin ich will. Nach einer kleinen Pause fügte der Schlossgeist hinzu: An diesem Tag suchen wir Geister Menschen, die uns erlösen können.
Dem Fischer war bei diesen Worten nicht wohl. Doch erwiderte er nichts, sondern legte sich mächtig in die Riemen. Ehe er sich's versah, waren sie am Großen Stein angelangt, nahe der Insel Kaninchenwerder. Peter wunderte sich. Hier pflegte er nie die Netze auszuwerfen. Er hatte doch eine andere Richtung eingeschlagen. Wie konnte er sich in dieser klaren Nacht nur verfahren? Das ging auch nicht mit rechten Dingen zu, darauf würde er seinen Kopf verwetten. Unvermittelt lief das Boot auf Grund und lag fest.
Bevor der Fischer einmal tief Luft holen konnte, saß der Schlossgeist, als wäre er durch die Luft geflogen, auf dem Großen Stein und sprach: Gold und Geld regiern die Welt. Aber Glück bringen sie nur, wenn man nicht zu viel davon hat. Hier, und damit zeigte er auf den Stein, auf dem er saß, hier unter diesem Stein kannst du heute all die Schätze, all das Gold sehen, das ich für mein Volk bewache. Gute kann ich damit belohnen. Aber sorgsam muss ich sein. Ich habe Menschen reich werden sehn, und sie wurden habgierig und böse, und geizig gegen sich selbst. Sie hatten keine Freude mehr, wurden misstrauisch und kannten keinen anderen Genuss, als das Geld im Beutel zu zählen. Argwöhnisch wacht so ein Mensch über seinen Reichtum und trachtet nur danach, noch mehr an sich zu raffen, indes sein Leben zerrinnt wie der Sand zwischen den Fingern. Während dieser Worte hatte sich das Wasser wie auf geheimen Befehl zurückgezogen. Der Stein lag mit einem Mal auf einem Sandhügel, der sanft im flachen Wasser auslief. Nun schob das kleine Petermännchen den Großen Stein zur Seite, mit einer Leichtigkeit, als besäße er Zauberkräfte. Ein riesiges Loch ward darunter sichtbar, bis obenan mit Gold und Silber angefüllt, mit Münzen, Diamanten, Halsketten und Armbändern, silbernen Pokalen und goldenen Bechern. Sie glitzerten und gleißten in der sternklaren Nacht gleich den Strahlen der aufgehenden Sonne. Der Fischer wurde fast blind von all dieser Pracht. Gold!, stöhnte er und die Finger krallten sich unbewusst in die Bordwand des Bootes. Unter dem stoßweisen Atem hob und senkte sich sein Brustkorb wie ein Blasebalg. Er konnte die Augen von dem unermesslichen Reichtum vor ihm nicht abwenden. Wenn du mich erlöst, Peter, wenn du machst, was ich dir sage, kannst du davon nehmen, soviel du brauchst, hörte er das Petermännchen sagen.
Der Fischer stierte nur auf das Gold. Er schien plötzlich ein anderer Mensch geworden zu sein. Mit bebenden Lippen flüsterte er: Soviel wie ich brauche? Ich will alles! Alles wird meins! Alles! Ohne auch nur den Kopf zu wenden, flehte Peter: Ich tue, was du willst. Wenn nur der Schatz mir gehört, wenn alles meins wird. Der Schlossgeist sah den Fischer erschrocken an, sein stierer Blick flößte ihm Angst ein. Ja, Petermännchen fürchtete sich, obwohl er ein Geist war, vor dem Menschen. So etwas war ihm noch nicht passiert. Er ließ sich nichts anmerken und sagte: Ich wurde einst verwünscht, weil mein Volk anders war und andere Götter hatte als die Deutschen. Wenn du nun mit mir gemeinsam ein Haus für alle Menschen baust, ein Haus für Junge und Alte, für Schwarze, Weiße und Gelbe, für Gläubige aller Art, auch für die, die an keinen Gott glauben, ein Haus, in dem sich alle Menschen ohne Hass und ohne Gewalt begegnen, wo sie einander zuhören und sich freuen darüber, dass andere anders sind als sie selbst. Wenn du mit mir dieses Haus hier erbaust, dann bin ich von meiner Zwergengestalt erlöst und frei. Und dann, fügte er hinzu, kannst du von dem Gold nehmen, soviel du brauchst.
Er blickte auf den Fischer, der ihn gar nicht zu hören schien. Deshalb hob er seine Stimme ein wenig. Das Haus muss aus den Steinen gebaut werden, die hier liegen. Es muss fertig sein, bevor die Glocken des Kirchturms das neue Jahr einläuten. Dann magst du dir von dem Schatz deinen Lohn nehmen! Der Fischer schien seine Umwelt gar nicht wahrzunehmen, die blutleeren Lippen flüsterten unaufhörlich: Alles wird meins! Alles meins! Willst du mit mir dieses Haus bauen?, fragte der Schlossgeist noch einmal, nun mit weithin schallender Stimme. Alles will ich tun! Alles, was du sagst. Wenn nur das Gold mir gehört, sprach der Fischer, keines anderen Gedankens mehr fähig. Fast schlafwandlerisch, ohne darauf zu achten, ob er nass würde, stieg er aus dem Kahn und begann, die Steine zusammenzutragen. Kein Brocken war ihm zu groß, keiner zu schwer, er schien keine Last zu spüren. Immer dachte er an das Gold. Alles wird meins. Alles meins, etwas anderes konnte er nicht mehr denken. Ich werde dir helfen, sagte das Petermännchen, zog sein Wams aus, legte den Hut daneben und bückte sich nach dem ersten Stein.
Schnell und wortlos trugen beide die Steine zusammen und schichteten sie auf. Stunde um Stunde verrann. Die Mauern wuchsen höher und höher. Jetzt fehlte nur noch das Dach, dann war das Erlösungswerk vollendet.
Glücklich lief der Schlossgeist hin und her und betrachtete zufrieden den breiten flachen Stein, den der Fischer vorsorglich neben der Mauer hatte liegen lassen, um ihn als Dach zu verwenden. Der Schlossgeist glaubte, nach Hunderten von Jahren wäre nun endlich die Zeit seiner Erlösung gekommen. Über den See klang hell ein Glockenschlag. Halb Zwölf. Das war mehr Zeit, als sie brauchten. Gleich könnte der Stein obenauf liegen. Das Dach!, rief Petermännchen wohlgemut und hüpfte übermütig um den Stein herum.
Der Fischer stand jedoch auf einmal unbeweglich neben dem Bau. Er machte keinerlei Anstalten, den flachen Stein hochzuheben. Das Dach, Peter, wiederholte der Schlossgeist, immer noch frohen Mutes. Gleich haben wir es geschafft. Peter stierte wieder auf den Schatz. Der Dachstein und das Petermännchen schienen für ihn gar nicht mehr zu existieren. Der Schlossgeist wartete weiterhin, wenn auch mit wachsender Ungeduld. Noch war Zeit. Sollte sich der Fischer erst mal verpusten, dann würde er den Stein schon auflegen. Sollte er sich ruhig an dem Lohn erfreuen, der ihn erwartete.
Aber Peter wollte sich gar nicht ausruhen. Erst den Lohn!, sprach er höhnisch, dann das Dach. Erst das Gold! Er lachte tückisch. Du denkst wohl, ich bin dumm? Mit dem zwölften Glockenschlag bist du erlöst, bist verschwunden und der Schatz ebenfalls! Da hättest du dir einen Dümmeren aussuchen müssen. Bei mir bist du an den Falschen geraten. Hämisch, gar nicht recht bei Sinnen, kicherte er vor sich hin, als hätte er einen Witz gemacht. Ich werde dich schon von dem Gold befreien. Enttäuscht blickte der Schlossgeist auf den Fischer So nimm dir, was du brauchst!, antwortete er. Der Fischer hatte nur darauf gewartet. Schon kniete er vor dem mit Gold gefüllten Loch. Gierig griff er mit beiden Händen hinein. Aber nimm nicht mehr, als du brauchst! Nimm nicht mehr! Es könnte dein und mein Unglück sein, beschwor das Männchen den Fischer. Es ahnte Schreckliches. Dein Unglück vielleicht, aber mein Glück! So viel nehmen, wie ich brauche? Ich kann alles brauchen! Unaufhörlich murmelte Peter vor sich hin: Alles wird meins! Alles meins! Trotz der Kälte zog er die Jacke aus, legte sie an den Rand des Lochs und schaufelte das Gold darauf. So konnte er schneller und vor allem mehr Gold in seinen Kahn schaffen, als wenn er mit jeder Handvoll hin lief. Klug dünkte sich Peter. Wer ihn übers Ohr hauen wollte, musste schon früher aufstehen. Er kicherte vor sich hin. Petermännchen sah dem Treiben des besessenen Fischers mit besorgter Miene zu: Es ist gleich zwölf, Peter! Denk an das Dach! Bevor die Turmuhr die Mitternachtsstunde anzeigt, muss das Haus fertig sein. Sonst war alles umsonst!
Der Kahn war in der Zwischenzeit fast bis an die Bordwand hoch mit Gold beladen. Peter schob ihn ins tiefere Wasser. Nur noch ein paar Hände voll Gold wollte er holen. Er musste dann eben ganz langsam rudern, damit das Wasser nicht ins Boot schwappte, so würde er schon heil ans Ufer gelangen. Auf die Worte des Petermännchens achtete er ebenso wenig wie auf den schneidend scharfen Wind, der die Wasserfläche zu kräuseln begann. Dichte Wolkenmassen schoben sich vor den Mond und verdunkelten den Himmel. Erneut griffen die Hände des Fischers in das Gold! Peter, das Dach!, schrie der Schlossgeist gegen den nun schon brausenden Sturmwind. Lege den Stein auf die Mauern. Die Zeit ist bald abgelaufen. Peter, das Dach! Die flehenden, in höchster Angst gerufenen Worte drangen in das Ohr und das Hirn des Fischers, nicht aber in sein Herz. Diese große goldene Krone mit den riesigen Diamanten, die musste noch in seinen Kahn. Und dieser kunstvoll ziselierte goldene Becher ebenfalls, dann, ja dann wollte er den Stein auflegen.
Peter merkte nicht, dass die Schaumkronen der brausenden Wellen bereits den Sand überspülten, auf dem er stand. Ja, er fühlte nicht einmal das eisige Wasser. Es reichte ihm schon bis an die Brust, als er die Krone in den Kahn legte. Er dachte nur daran, wie reich er jetzt war.
Da klang der erste Glockenschlag über den See, die zwölfte Stunde verkündend, das Ende des alten Jahres. Ein unheimlich tosender Sturm heulte nun über den See und trieb die Wellen mit rasender Geschwindigkeit vor sich her, auf den Großen Stein zu. Die Mauern des Hauses, das die Menschen und das Petermännchen erlösen sollte, stürzten in sich zusammen.
Ein grausiger Wirbel erfasste den Kahn und den Fischer und zog beide in die Tiefe.
In Das große Grab greift Friedrich Wolf das Grauen des Krieges in eindringlichen Bildern auf. Aus Briefen, Erinnerungen und Gesprächen entsteht das Bild einer zermürbten Frontgeneration, deren Alltag von Verlust, Angst und der Sinnlosigkeit des Sterbens geprägt ist. Die folgende Leseprobe zeigt, wie Wolf den individuellen Ton eines Soldaten aufgreift, um das Leid einer ganzen Generation hörbar zu machen.
Nee, Vater, ich war heute nicht zum Besuchstag im Lazarett bei meinen Kameraden. Es ist mir gar nicht recht zumute danach. Warum? Da lies mal den Brief, den ich heute von meinem Freund aus meiner alten Kompanie, dem Paul Schneidewind, bekam. Besser du liest ihn nicht, Vater, nee, gib ihn wieder her!
Jaja, mit dem Paul war ich fast ein ganzes Jahr im Osten, da in der Knochenmühle, ein fixer Kerl war der Paul und immer auf Draht. Aber jetzt schreibt er mir, als sei ihm da vorn der Humor vergangen, muss ja auch immer weniger ein Spaß da sein. Als ich vor Woronesh im Juli meinen Brustschuss bekam, da war unsere Kompanie noch so achtzig Mann stark, dann hätten sie noch mal vierzig Mann Ersatz bekommen, allerdings so das Letzte vom Letzten, wie er schreibt, die fünfundvierzigjährigen Papas von den Baukompanien und dem Eisenbahnschutzkommando, dann die Garnisondienstfähigen, halb Geheilten aus den Lazaretten, alles, was man in Eile zusammenkratzen konnte, und dann sei es Tag für Tag im Gefecht losgegangen, bis Anfang September der Russe vor Stalingrad mächtig bremste.
Kehren wir noch einmal zu Friedrich Engels sowie zu dem Buch und dem Film über seine rebellische Jugend zurück. Den jungen Mann verkörperte damals der ebenfalls noch junge Schauspieler Dirk Wäger. Allerdings dürfte er heute nicht mehr unbedingt jedem ein Begriff sein, auch wenn der inzwischen 66-jährige Künstler, der 1959 in Rathenow geboren wurde, noch immer als Schauspieler, Synchron- und Hörspielsprecher tätig ist.
Bereits in der Oberschule hatte Dirk Wäger in der Laienspielgruppe den Professor im Professor Mamlock von Friedrich Wolf und den Iswall in Hermann Kants Aula gespielt. Seine erste Filmrolle erhielt er, als er sich nach der Oberschule auf eine Annonce in einer Zeitung meldete. Er erhielt die Hauptrolle in dem DEFA-Film Schatzsucher, war sich aber nicht darüber im Klaren, ob er den Beruf eines Schauspielers ergreifen soll. So arbeitete er zunächst als Gleisbauer und leistete anschließend seinen Wehrdienst bei der Volksmarine der DDR, weshalb er in der Uniform eines Matrosen 1979 an der Premiere des Films im Berliner Kino International teilnahm. Er entschloss sich dann doch noch für ein Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin, das er 1986 abschloss. Anschließend wurde er noch als Meisterschüler an das Berliner Theater im Palast delegiert.
In dem DEFA-Film Schatzsucher von 1979, für den Wäger mit dem Filmpreis des Jugendmagazins Neues Leben ausgezeichnet wurde, geht es um den 18-jährigen Bauarbeiter Schultzendorf, genannt Schulle, der aus seinem Heimatort Ankershagen nach Berlin aufbricht. Die Großbaustelle Marzahn hat es ihm angetan. Er träumt davon, dort archäologische Funde zu machen. Jede Baggerladung sucht er nach Schätzen ab, was ihm nicht nur den Spott, sondern auch den Ärger seiner Kollegen einbringt, weil er die Arbeit verzögert. Sie wollen ihn auf andere Gedanken bringen und ihm eine Frau besorgen. Das misslingt zwar, aber Schulle findet selbst eine - die etwas ältere Helga, die seine Hilfe braucht, um sich von ihrem geschiedenen Mann zu lösen. Als ihr das gelungen ist, löst sie sich auch wieder von Schulle, dessen jugendliches Ungestüm sie verunsichert.
Inzwischen wohnt Dirk Wäger mit seiner Familie in München.
Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Der nächste Bücherversand steigt im wahrsten Sinne des Wortes mit Flugballons. Und wieder steht die Frage nach Wind und Witterung im Luftraum
Zu den fünf Sonderangeboten des letzten August-Newsletters gehört der erstmals 1979 im Verlag Neues Leben Berlin erschienene Jugendbuch Berlin, hier bin ich von Rudi Benzien fast eine Parallele zu dem Schatzsucher-Film, der aus demselben Jahr stammt:
Detlef Kallinger hat Sorgen. Seine Freundin hat ihn während der Armeezeit im Stich gelassen, Vera ist auch nicht der rechte Trost, aus der Fahrt zur Trasse ist auch nichts geworden da macht er sich auf nach Berlin.
Und so beginnt das Buch:
Ganz schön sauer werde ich
Ganz schön sauer werde ich, wenn ich den Spruch höre: О diese Jugend von heute, wir früher waren aus anderem Holz, und überhaupt hatten wir es schwerer, denen wird doch Zucker in den Arsch geblasen.
Es war Sommer.
Ich hatte meinen letzten Urlaub bei der Fahne, einen verdammt kurzen Haarschnitt und die Zivilerlaubnis in der Tasche.
Trotzdem war meine Stimmung mehr als mies, denn in meiner Brieftasche steckte seit vierzehn Tagen hinter einem gewissen Foto ein ziemlich zerknitterter Brief. Von Katrin. Und ich hatte gedacht, sie sei die Frau fürs Leben.
Lieber Detti,
ich habe lange überlegt, ob ich Dir schreibe oder ob ich es Dir
sage, wenn Du kommst.
Es war alles ein Irrtum, das mit uns! Ich habe einen anderen
kennengelernt, es ist die große Liebe, wenn Du weißt, was das
ist.
Mit uns ist es aus, Detti. Sei mir nicht böse.
Katrin
Erst hatte ich das für einen Witz gehalten. Aber es war keiner!
Nun bin ich keiner von denen, die deshalb gleich ins Wasser gehen, aber geschafft war ich doch. Als ich damals vom Ausgang zurück in die Kaserne lief, mussten mir zwei Kumpel kräftig unter die Arme greifen, damit ich senkrecht an der Wache vorbeikam. Nicht der Brief störte mein Gleichgewicht, jedenfalls nicht direkt, sondern zehn doppelte Weizendoppelkorn.
Und nun war ich zu Hause: Urlaub ohne Braut, ein tristes Wochenende lag vor mir. Ich hatte mir alles ganz anders vorgestellt.
Abends ging ich in den Klub. Da saßen meine alten Freunde, rissen die alten Witze, lästerten über meinen gepflegten Haarschnitt und zogen mich mit Katrin auf.
Zum Glück steckte Mario, mein alter Freund Mario, seinen Kopf durch die Tür. Er sah mich, stürzte auf mich zu und brach vor lauter Wiedersehensfreude fast in Tränen aus.
Lange blieben wir nicht.
Ich hab ne irre Platte ergattert, Cat Stevens, wenn du willst, gehen wir zu mir, was Feuchtes müsste sich auch noch finden lassen, schlug er vor.
Ich hatte nichts dagegen.
Und Sie?