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Ein strahlender Held, eine Einbruchserie an der Ostsee und eine unsterbliche Liebe in schlimmer Zeit - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(Pinnow 19.09. 2025) – „Eigentlich hieß er Friedhelm, Jonas war sein Familienname, aber es gab keinen, der ihn Friedhelm nannte. Er steckte voller Geschichten, deren Wahrheitsgehalt niemand überprüfen konnte. Seine Geschichten, die er erzählte, waren ausschließlich abenteuerlich-fantastischer Natur und er darin der strahlende Held. Das brachte ihm den Ruf ein, ein ausgemachter Spinner zu sein. Die meisten seiner Kollegen hielten ihn für einen notorischen Lügenbold. Ich mochte ihn, wegen seiner Geschichten. Jonas war Kraftfahrer. Meine erste journalistische Dienstreise ging an die Ostsee. Vorsaison: Ich hatte den Auftrag, eine Umfrage unter Wochenendurlaubern abzuhalten. Mein Chef lebte mit der fixen Idee, dass alle Menschen überall und zu jeder Zeit lesen müssten. Meine Umfrage sollte den Beweis erbringen, dass jeder Wochenendurlauber mindestens ein Dutzend schöngeistiger Bücher mit sich führte. Mein Chef hielt das für selbstverständlich, denn zu jener Zeit befanden wir uns gerade auf dem Weg zur gebildeten Nation. Pünktlich um sechs Uhr früh hupte ein Auto vor meiner Haustür. In dem alten, schäbigen Wolga saß ein dicker Mensch hinter dem Lenkrad. Ich stieg ein, warf meine Reisetasche auf den Rücksitz und setzte mich auf den Beifahrersitz. „Hast du deine Badehose eingepackt, Junge? Bei der Wassertemperatur wird uns zwar der Arsch kalt werden und hinterher wird dein Schweif geschrumpft sein, dass du ihn problemlos durch ein Nadelöhr ziehen kannst. Übrigens, Friedhelm Jonas heiße ich. Aber lass dir nicht einfallen, mich Friedhelm zu nennen. Jonas bin ich. Verstanden?“ Ich hatte keine Badehose mit und dafür, dass er nicht Friedhelm genannt werden wollte, hatte ich volles Verständnis.“

Mit diesen Sätzen beginnt das dritte der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 19.09. 2025 bis Freitag, 26.09. 2025) zu haben sind. Erstmals 1997 veröffentlichte Rudi Benzien im Berliner Verlag am Park seinen autobiografischer Roman „Jonas, erzähl mal von Paris“. Und der Leser darf sich fragen, ob tatsächlich alles so gewesen ist, wie es dort geschrieben steht. Denn dass Jonas gar nicht Jonas mit Vornamen heißt, sondern Friedhelm, das wissen wir inzwischen. Auch das Friedhelm alias Jonas Kraftfahrer ist – und was für einer. Er steckt voller Geschichten, und er agiert darin stets als strahlender Held. Er behauptet sogar, schon einmal in Paris gewesen zu sein. Und das zu Zeiten, da Paris für die meisten Bürger der DDR so unerreichbar ist wie der Mond.

Da braucht nicht nur Jonas Fantasie wie die Luft zum Atmen. Auch der Journalist der Jugendzeitung „Frohe Jugend“, den Jonas zu seinen Reportagezielen kutschiert, lässt sich von ihr beflügeln. Doch dabei wird er manchmal ziemlich unsanft in die Realität des Alltags zurückgeholt.

Ein Buch aus dem Leben eines Journalisten in der DDR. Etwas verfremdet, aber durchaus mit autobiografischen Zügen. Wieviel Wahrheit steckt wohl in „Jonas, erzähl mal von Paris“?

1988 erschien in der bekannten und beliebten DIE-Reihe (Delikte, Indizien, Ermittlungen) des Verlags Das Neue Berlin der Kriminalroman „Unabwendbar“ von Wolfgang Schreyer, in dem es Hauptmann Wendt mit anfangs eher unspektakulären Fällen zu tun bekommt – doch das ändert sich bald: In einem Dorf an der Ostsee wird innerhalb kurzer Zeit in Datschen wohlhabender Leute eingebrochen; kostbare Antiquitäten und technische Ausstattungen werden entwendet. Die Kriminalpolizei ahnt: Hier sind Kenner am Werk. Doch gemessen an Hauptmann Wendts früherer Tätigkeit scheint diese Einbruchsserie banal. Bis ein Mensch zu Tode kommt. Und - bis Wendt sich in die schöne und selbstbewusste Jenny verliebt.

Für Hauptmann Wendt entsteht eine ungewöhnliche Situation: Seine Arbeit und seine Liebe beginnen einander zu zerstören.

1986 veröffentlichte Hans Bentzien im Militärverlag der DDR Berlin „Festung vor dem Strom. Ereignisse, Tatsachen, Zusammenhänge der Stalingrader Schlacht“. Dieses Buch verdankt seine Existenz nicht zuletzt einem Zufall. Dieser fügte es, dass Bentzien während seines Studiums in Moskau das Zimmer mit einem Mann teilte, der in der Sowjetunion großes Ansehen genießt, dessen Tat in die Annalen der Stalingrader Schlacht eingegangen ist: Jakow Fedorowitsch Pawlow. Unter dem Kommando des ehemaligen Sergeanten verteidigte eine Handvoll Soldaten 58 Tage lang ein strategisch wichtiges Gebäude bis zum Äußersten. Gestützt auf die Erlebnisberichte seines Studiengefährten ist Hans Bentzien den Spuren der Verteidiger gefolgt. In seinem fesselnden Tatsachenbericht schildert er das Kampfgeschehen detailliert - auch auf Seiten der deutschen 6. Armee - und lässt den Leser mit den Verteidigern vertraut werden. Die enge persönliche Bindung des Autors zu Jascha Pawlow verleihen diesem Buch einen besonderen Reiz, Unmittelbarkeit und Frische.

In seiner 2020 bei EDITION digital veröffentlichten Erzählung „Die Geige im Feuer“ erzählt Harald Wieczorek von einer unsterblichen Liebe in einer grausamen, unmenschlichen Zeit. Josef, ein junger jüdischer Musiker, und Lisa, eine arische Fabrikantentochter. Als die Deportation beginnt, gelingt Josef auf dem Transport ins KZ zweimal die Flucht und er findet den Weg zurück zu seiner Liebe, zu Lisa. Doch das Glück währt nicht lange. Durch Verrat landet er wieder im KZ. Dort rettet ihm sein Status als Geigenspieler das Leben. Josef wird KZ-Musiker. Es werden die schlimmsten Jahre seines Lebens, doch die unbändige Liebe zu Lisa spendet ihm Kraft und Hoffnung. Getragen von dem Verlangen, sie einst wiederzusehen, wartet er auf die Gelegenheit, aus den grausamen Fängen der SS zu fliehen. Gelingt ihm ein weiteres Mal die Flucht? Wird er seine große Liebe wiedersehen? Eine wahre Geschichte von Liebe und Hass, Zusammenhalt und Verrat, Menschlichkeit und Grausamkeit.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Wieder geht es um den Zweiten Weltkrieg, um die Verteidigung des sowjetischen Vaterlands und um eine scheinbar überholte Waffengattung – zu Pferde …

Aus dem Jahr 1942 stammt die Erzählung „Der Kommissar der Kubankosaken“ von Friedrich Wolf. Der Autor erzählt darin die bewegende Geschichte eines Kavallerieoffiziers, der während des Zweiten Weltkriegs eine zentrale Rolle im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht spielt. Zwischen mechanisierten Panzerschlachten und traditionellen Reitertruppen taucht der Leser in die Erlebnisse eines Mannes ein, der nicht nur Maschinen liebt, sondern auch die unbezwingbaren Pferde der Kosaken. Als das Schicksal ihn herausfordert und ihm nicht nur seine Kavallerie, sondern auch seinen Arm nimmt, bleibt nur eines bestehen: seine unbeugsame Tapferkeit. Diese packende Erzählung wirft einen einzigartigen Blick auf die oft vergessene Rolle der Kavallerie in modernen Kriegen, die Loyalität der Kosaken und den unerschütterlichen Willen, das Vaterland zu verteidigen.

Im Kriminalroman „Unabwendbar“ von Wolfgang Schreyer entwickelt sich die Spannung Schritt für Schritt – zwischen nächtlicher Stille, verborgenen Absichten und einer drohenden Gefahr, die näher rückt, als den Figuren lieb ist. Die folgende Leseprobe entführt direkt in eine dieser unheilvollen Szenen.

Sanft läuft das Boot am Ende der Schilfgasse in den Schlick. Ein brüchiger Steg, Jenny steigt hinauf, zieht Jack hoch, der ein wenig nachtblind ist. Es quietscht unter den Sohlen, fünfzig Schritte feuchter Pfad, nun der Garten mit dem Umriss des Knusperhauses im letzten Widerschein des Hafens. Der Mond geht erst später auf, mach kein Licht, Jack, um Himmels willen, wir finden auch so den Holzstoß!

Jetzt ertastet sie den Sicherheitsschlüssel in Zellophan. Sie zieht Handschuhe an und achtet darauf, dass auch Jack es tut... Atemlos schließt Jenny auf. Sie schleicht ins Haus, es riecht unbewohnt, muffig wie viele Häuser am Wasser, dazu nach einem Spray, als habe Frau Mau den Besitz chemisch konserviert. Hinter ihr ein schleifender Laut, Jack streicht an der Wand entlang, er stößt etwas um, eine Bodenvase, drückt auf die Taschenlampe. Jenny verbietet es ihm wegen der großen Scheibe zum Weg, nimmt ihm die Lampe weg. Ihr Ziel ist das Zinngeschirr auf dem Kamin, schimmernd im Restlicht der Sterne. Altes Kaiserzinn voll plastischer Figuren: Teller, Becher, Kanne, ein fünfarmiger Leuchter.

Mopedgeräusch von draußen, ein Lichtkegel streift umher. Jenny duckt sich am Kamin, wartet auf das Wegwandern des Scheinwerfers, vorm Haus biegt der Weg ab. Aber das Moped hält an, es steht vorm Jägerzaun, leuchtet herein, im Sattel zwei Gestalten – wer? Keiner von den Maus, natürlich nicht, die kämen ja im Auto...

Hans Bentziens „Festung vor dem Strom“ erzählt von erbitterten Kämpfen, unerschütterlichem Durchhaltewillen und dem Überlebenskampf in der belagerten Stadt Leningrad. Die folgende Leseprobe wirft den Leser mitten hinein in eine dieser Nächte, in denen jede Entscheidung über Leben und Tod entscheidet.

Doch in der ersten Nacht in "unserem" Haus kamen mir solche abschweifenden Gedanken nicht. Es wäre sogar lebensgefährlich gewesen, ihnen nachzuhängen. Wir waren entschlossen, den Kampf zu bestehen; nicht ein Stein sollte dem Gegner in die Hände fallen. Für einen Moment verließ ich meine Stellung, um mich bei Tschernogolow nach der Lage auf der Rückseite zu erkundigen. Er berichtete, von den üblichen Schießereien abgesehen, gäbe es keine besonderen Anzeichen für einen Angriff. Ich wusste natürlich, dass man ihn trotzdem nicht ausschließen konnte, aber ein Kämpfer mehr am Hauptgefahrenpunkt ist von großem Vorteil. So ging ich ein bewusstes Risiko ein, als ich mich entschloss, Tschernogolow von seinem Posten abzuziehen und ihn auf unserer Etage einzusetzen. Er nahm meinen bisherigen Platz ein und ich einen Feuerpunkt in der zweiten Etage, den ich in aller Eile ausbauen musste.

Von da aus konnte man die gegnerischen Soldaten gut sehen, da der Himmel brannte. Sie gingen langsam, aber methodisch überlegt vor; auch beim Kriechen veränderten sie die festgelegte Ordnung nicht. Es war höchstens ein Dutzend. Also waren die Kräfte gegenüber wohl nicht so stark, wie wir zuerst angenommen hatten. Doch ich musste vorsichtig mit solchen Spekulationen sein; es zählt nur das, was man genau weiß!

Nun lösten sie sich von der Erde. Springend kamen sie näher, die Maschinenpistolen im Anschlag.

Jetzt! Der Augenblick war gekommen. Meine Genossen warteten auf mein Signal. So begann ich mit einer langen Garbe aus der MPi, die anderen folgten sofort. Da unser Feuer für die Angreifer schlagartig kam, waren sie verwirrt. Wir hatten lange Zeit zum Zielen gehabt, und die Wirkung war auch dementsprechend. Die übrig gebliebenen Faschisten warfen sich nieder und versuchten sich zu schützen. Die Unebenheiten und umherliegenden Gegenstände waren aber dafür nicht ausreichend, und so mussten sie sich zurückziehen. Noch einige kurze Garben hinterher gejagt, und sie waren verschwunden. Sieben ihrer Soldaten blieben auf dem Platz unbeweglich zurück.

Plötzlich war eine ungewohnte Stille eingetreten, eine Pause im Kampf. Das war selten in dieser lärmdurchtobten Stadt. Aus der gegnerischen Stellung kam kein Schuss mehr. Wir durften das natürlich nicht überbewerten, aber es brachte zuerst einmal Erleichterung. Schon spielte ich mit dem Gedanken, dass sich zwei meiner Genossen zum Schlafen hinlegen könnten, da machte Alexandrow wieder Schatten aus. Er hatte ungewöhnlich scharfe Augen.

Hatten sie noch nicht genug? Sicherlich wollten sie ihre Schlappe von vorhin wieder auswetzen. Unser Vorteil bestand darin, dass die anrückenden Soldaten das Gelände nicht so genau kannten wie wir. Zahlenmäßig waren sie uns überlegen. Ich weiß nicht genau, wie viele es waren, aber jedenfalls nicht weniger als beim ersten Angriff. Unsere Taktik blieb die gleiche, wir ließen die Angreifer diesmal noch näher heran, dann schlugen wir los. Alles wiederholte sich wie beim ersten Mal. Sie kamen nicht weiter, weil wir gezielt schossen. Wieder gab es Tote; und die unversehrt Gebliebenen versuchten zwar, erneut zum Angriff vorzugehen, doch das war aussichtslos für sie. Ihr Offizier wollte als erster zum Sprunglauf ansetzen. Als er sich erhoben hatte und einen anfeuernden Ruf ausstieß, fiel er auch schon. Die anderen blieben danach in Deckung.

So verging die erste Nacht, und sicherlich würden die Angreifer bald eine andere Taktik einschlagen. Tschernogolow musste wieder auf seinen alten Platz an der Hofseite wechseln. Ich war beunruhigt, dass auf Kalinins Meldung bisher noch keine Reaktion des Kompaniechefs erfolgt war. Warum schickte er uns keine Verstärkung? War Kalinin nicht durchgekommen?

Harald Wieczoreks „Die Geige im Feuer“ verbindet bewegende Menschenschicksale mit der grausamen Realität des KZ-Alltags. Die folgende Leseprobe führt direkt in eine beklemmende Szene, in der Musik, Gewalt und Überlebenswille unheilvoll aufeinandertreffen.

Es war schon spät am Nachmittag, als der Lkw durch das Tor auf das KZ-Gelände fuhr. An der rechten Seite war das KZ-Orchester aufgestellt, die Musiker in Häftlingsklamotten spielten zur Begrüßung der Neuankömmlinge fröhliche Operettenmelodien. „Empfangskomitee“, lachte einer der SS-Männer. Auf dem Appellplatz standen zwei große Gruppen von Gefangenen. Die Männer waren kahl rasiert, sehr hager und standen stumm in Reih und Glied.

Ein Offizier in maßgeschneiderter SS-Uniform lief vor ihnen auf und ab. Josef musste sofort an Lisa denken, mit dem unsinnigen Gedanken, dass die Uniform mit Sicherheit in der Firma ihres Vaters hergestellt wurde. Der Mann war nicht groß, aber wirkte durch sein Auftreten gefährlich und angsteinflößend. Sein zynisches Grinsen verlieh ihm etwas Teuflisches. Seine Augen waren hellblau und eiskalt. Er trug eine Pistole und hatte einen Gummiknüppel in der Hand. Hinter ihm, vor einem kleineren Gebäude, stand breitbeinig mit auf dem Rücken verschränkten Armen ein Lageradjutant, größer als der andere, mit Nickelbrille und leicht gerötetem Gesicht.

Nachdem der Lkw angehalten hatte, sprangen die beiden SS-Soldaten ab und machten Meldung. Die Gefangenen mussten die Ladefläche verlassen und sich in einer Reihe aufstellen. Der Offizier, Stellvertreter des Adjutanten, trat vor die kleine Gruppe und musterte sie abschätzend. Vor Josef blieb er stehen und klopfte ihm mit dem Gummiknüppel auf die Brust. „Hier fehlt doch etwas!“ Er blickte auf die Liste, die ihm einer der Wachmänner gegeben hatte und hob die Augenbrauen. „Sieh mal einer an. Josef Zweig.“ Verwundert schüttelte er den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Er blickte noch einmal auf die Liste. „Zweimal abgehauen.“ Wütend wandte er sich an die beiden SS-Männer. „Wieso ist er hier und liegt nicht mit einer Kugel im Kopf auf dem Müll?“ Keiner der beiden Wachmänner antwortete. Ohne zu zögern, zog der Offizier seine Pistole. „Das werden wir gleich nachholen.“ „Er ist ein Musiker. Ein hervorragender Geigenspieler“, rief jemand aus der großen Gruppe vom Appellplatz. Der Offizier fuhr herum. „Was? Wer redet hier ungefragt?“

Dann lief er mit energischem Schritt zu den Gefangenen. Ein älterer, aber rüstiger Mann trat vor. „Ich kenne ihn und wollte nur melden, dass er ein guter Geiger ist.“ Der Knüppel traf den alten Mann hart in die Magengegend. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fiel er auf die Knie und atmete schwer. „Niemand spricht hier unaufgefordert, auch nicht ein gottverdammter Rabbi.“ Josef schaute auf den Mann, der vor dem Offizier kniete. Auch wenn der jetzt sehr dünn und kahl rasiert war, erkannte er ihn sofort. Es war der Rabbi aus seinem Ort. Der Offizier hatte seine Pistole noch in der Hand. „Du möchtest also auch erschossen werden.“ „Glauben Sie an Gott?“, schwer atmend brachte der Rabbi diese Frage heraus. „Ob ich an Gott glaube? Das fragt mich ein verdammter Jude? Ihr Schweine wart es doch, die unseren Herrn Christus verraten und umgebracht haben.“

Mit Wucht schlug er dem Rabbi den Knüppel auf den Rücken. Mühevoll hob der alte Mann seinen Kopf. „Unser Leiden hier ist nur von kurzer Zeit. Euer Leiden wird ewig sein!“ Der Offizier hielt dem Rabbi die Pistole an den Kopf und drückte ab, aber es klickte nur. „Oh nein, Jude. Ich werde deinen Leidensweg nicht verkürzen.“ Dann trat er ihn mit Wucht in den Bauch. Der alte Mann fiel auf seine Arme und erbrach sich. Mit hämischem Grinsen stellte der Offizier seine Stiefel in dessen Nacken und drückte das Gesicht in das Erbrochene. Danach drehte er sich um und marschierte zurück auf Josef zu. „Nun zu dir“, er hob die Waffe. „Bringen Sie den Juden zu mir ins Büro.“ Der Adjutant hatte die Szene genau beobachtet. Nun wandte er sich um und ging in das hinter sich liegende Gebäude. Der Offizier zitterte leicht, als er seine Pistole widerwillig einsteckte. Dann packte er Josef am Mantel und warf ihn zu Boden. „Los, Jude. Aufstehen!“ Ein heftiger Fußtritt verstärkte diesen Befehl. Stolpernd lief Josef in Richtung des Gebäudes, in dem der Adjutant verschwunden war. Der Offizier öffnete die Tür, stieß Josef hinein, folgte ihm und schloss sie wieder hinter sich.

Friedrich Wolfs „Der Kommissar der Kubankosaken“ zeichnet das Bild eines Mannes, der zwischen Technikbegeisterung und der Leidenschaft für Pferde seinen Platz in der Roten Armee findet. Die folgende Leseprobe zeigt eindrucksvoll, wie aus persönlichem Protest und unerschütterlicher Hingabe der Weg zur legendären Kubankosaken-Division führte.

Sein Vater war Weichensteller in Kokand (Usbekistan), seine Mutter eine russische Bäuerin. Er selbst arbeitete als junger Kerl neben dem Vater, besuchte dann die Maschinenbaukurse und ging später in das Elektrizitätswerk nach Fergana, „um an den Dieselmotoren zu lernen!“ Er liebt die Maschinen. Noch mehr aber liebt er die Pferde.

Oder um es genau zu sagen: die Pferde der Kosakenkavallerie.

Er weiß, was Disziplin bedeutet. Er war Sekretär der Komsomolorganisation. Er war schon vor dem Kriege Regimentskommissar. Aber als man ihn im Juni 1941 bei Kriegsausbruch zu einer Infanterieformation kommandierte, da protestierte er. Er bat dringend, ihn, wenn irgend möglich, zur Kavallerie zu schicken!

In Militärkreisen herrschte vielfach die Meinung, die Kavallerie sei in einem modernen Krieg kaum mehr verwendbar, „das Jahrhundert der Kavallerie ist vorbei!“

Stimmte diese Auffassung? Fast schien es so.

Sonst hätte man ihn, der seit 1933, also acht Jahre lang, bei der Kavallerie diente – bei der Kavallerie der Grenztruppen am Gebirgskamm des Pamir –, der in den Traditionen der alten Reiterarmee erzogen war, der nach dem Besuch der Kurse für politische Arbeiter und Kommandeure der Roten Armee wieder einem Kavallerieregiment als Kommissar zugeteilt wurde – sonst hätte man ihn wohl nicht bei Kriegsbeginn zur Infanterie kommandiert.

Er war nicht sehr froh in jenen Tagen, der dreißigjährige Regimentskommissar. Er protestierte. Er legte in seinen Protest das ganze Temperament des Kavalleristen, der nicht bloß Schritt und Trab reitet, sondern auch im Galopp attackiert. Nun, seine Befürchtung, dass man der Kavallerie keine große Rolle mehr zuschreibe, hat sich als irrtümlich erwiesen. Der Befehlshaber der Zentralfront ließ ihn kommen. Er bekam mit anderen Kommandeuren den Auftrag, eine Kosakendivision zu formieren.

„Ich war glücklich“, erklärte er. „Wir beschlossen, der traditionsreichen ruhmvollen Reiterarmee zu neuen Siegen zu verhelfen. Wir fuhren zum Kubanfluss, um dort die Division aufzustellen.“

Es musste in kürzester Frist geschehen. Sie wurden sehr gebraucht. Doch alles ging glatt. Es gab hervorragende Pferde, genügend gediente Reiter. Das neue Regiment der Kubankosaken war schnell beisammen. Bald stießen noch andere Kavallerieformationen zu ihnen. General Dowator wurde ihr Kommandeur. Sie bildeten die bald berühmte „Dowator-Division“, die spätere 3. Gardekavalleriedivision.

Doch bis dahin ist ein langer Weg.

In dem autobiografischen Roman „Jonas, erzähl mal von Paris“ stellt sich der Ich-Erzähler als journalistischer Anfänger und Redakteur der Jugendzeitschrift „Frohe Jugend“ vor, der gerade den Lehrerberuf an den Nagel gehängt hatte. Das weist deutliche Parallelen zum Leben des Autors Rudi Benzien (1936 bis 2018) auf, der nach einer Berufsausbildung als Werkzeugmacher, Arbeit als Dreher, Bauarbeiter und pädagogischer Mitarbeiter von 1961 bis 1963 Pädagogik studierte und danach Lehrer in Berlin-Oberschöneweide war. Von 1965 bis 1980 war Rudi Benzien Redakteur der Jugendzeitschrift „Neues Leben“, seit 1977 deren stellvertretender Chefredakteur. Und diese Zeitschrift ist das leicht verfremdete Vorbild für die im Buch genannte „Frohe Jugend“.

Die Zeitschrift Neues Leben, später im Titel in kleinen Buchstaben neues leben (kurz:nl) geschrieben, war laut Wikipedia ein Jugendmagazin in der DDR. Sie wurde vom Zentralrat der FDJ herausgegeben und erschien in deren Verlag Junge Welt.

Unter dem Namen Neues Leben war bereits 1945 eine Wochenzeitung der FDJ erschienen, die aber nach wenigen Jahren eingestellt wurde. Im Zuge einer Periode politischen Tauwetters, schreibt Wikipedia weiter, wurde Neues Leben erneut ins Leben gerufen.

Die Aufmachung blieb mit 64 teils farbigen Seiten etwa im A5-Format über Jahrzehnte im Wesentlichen unverändert. Auf der Titelseite war üblicherweise eine Karikatur abgebildet, in den 1970er und 1980er Jahren meist von Thomas Schleusing gezeichnet. Ein weiterer Karikaturist der Zeitschrift war Werner David.

Inhaltlich versuchte das Blatt, einerseits die politische Bildung der Jugend im Sinne des DDR-Systems zu fördern. Andererseits sprach es Themen an, die die Jugendlichen direkt interessieren, dazu gehörten Fragen des täglichen Lebens, Mode, Film, Musik (auch mit Interpreten aus dem westlichen Ausland), Rätsel und Ratgeberseiten. Bekannt war die Kolumne „Professor Borrmann antwortet“ zu Fragen der Sexualität. Regelmäßig gab es Umfragen nach den beliebtesten Filmen oder Musikinterpreten. Darüber hinaus enthielt die Zeitschrift Kurzgeschichten, naturwissenschaftliche und technische Beiträge. Diese Mischung führte zu einer hohen Popularität des Blattes. Trotz einer Auflage von 540.000 Exemplaren war die Zeitschrift an den Kiosken schnell vergriffen, Abonnements waren ebenfalls nur sehr schwer zu erhalten.

Nach der Wende übernahm zunächst der Verlag Pabel-Moewig den Verlag Junge Welt und auch die Rechte an der Zeitschrift. Kurzzeitig erschien sie unter dem Titel u leben. Anfang 1992 wurde die Zeitschrift jedoch eingestellt, die zuletzt nur noch 30.000 Abonnenten hatte.

Noch heute kann man viele Ausgaben von „Neues Leben“ im Internet finden und zum Beispiel bei eBay kaufen. Außerdem kann man sich zum Beispiel den Jahrgang 1985 unter der Internet-Adresse https://archive.org/details/neues-leben-1985-12/Neues%20Leben%20-%201985-01/ im PDF-Format ansehen.

Und wir gestehen es, dass auch einige Mitglieder des Newsletters-Teams zu DDR-Zeitungen „Neues Leben“ gern gelesen haben. Nicht nur wegen Prof. Borrmann, aber auch wegen seiner einfühlsamen Texte. Als der Aufklärer Im Dezember 2007 im Alter von 79 Jahren starb, widmete ihm Regine Sylvester in der „Berliner Zeitung“ einen schönen Nachruf, der hier abschließend vollständig wiedergegeben werden soll:

„Was man schon immer über Sex wissen wollte, sich aber nicht zu fragen traute - dieses weite und heikle Feld interessierte auch die Jugend in der DDR. Sehr beliebt war „Professor Borrmann antwortet“ in der Monatszeitschrift „Neues Leben“. Es lag auch an dieser Rubrik, dass das Magazin für Leser zwischen 13 und 26 Jahren schwer zu haben war. Der Professor hatte ein Ohr und Ratschläge für die Unsicheren, die unter dem Diktat aufgewirbelter Hormone standen, sich vorantasteten oder, bereits fortgeschritten, wissen wollten, woran man die Liebe erkennt. Rolf Borrmann gehörte zu den Avantgardisten der Sexualforschung. Er wurde 1928 in Magdeburg geboren und war ursprünglich Lehrer. Als Hochschullehrer promovierte er 1961 an der Humboldt-Universität zu Berlin über „Die sexuelle Belehrung der Kinder und Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung des Lehrers“ und schrieb 1966 mit dem Buch „Jugend und Liebe“ einen Klassiker.

Als Professor unterrichtete er seit 1965 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Es spricht für das Interesse am Thema Sexualität, dass seine Vorlesungen im überfüllten Saal mit Lautsprechern nach draußen übertragen wurden. Ab 1970 arbeitete Professor Rolf Borrmann an der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften. In dem Jahr wurde er auch Präsident des DDR-Fechtverbandes. Jena war das Zentrum dieses Sports. Borrmanns Tochter war eine Fechterin, was ihren Vater sicher auch zum Fechtliebhaber gemacht hat. Noch 1987 verteidigt er das DDR-Fechten, eine im Land nicht so populäre Sportart, in der Stuttgarter Zeitung.1990 äußert er sich in der Zeitung „Laufzeit“ über Sportler, die zu sexuellen Handlungen fähig sind, „besonders in der Euphorie nach einem erfolgreichen Wettkampf“. Zu diesem Zeitpunkt lief eine Diskussion über Lust und Leistungssport. Vor dem Wettkampf, so sagte Borrmann später, solle „Sex mit einem gewissen zeitlichen Abstand zum Wettkampf erfolgen“. Das leuchtet alles ein. Am Anfang seiner Laufbahn hatte Rolf Borrmann mit Angriffen zu kämpfen, die ihn als „Verderber der Jugend“ sahen. In den prüden Sechzigern war überall in der Welt sexuelle Aufklärung umstritten. Das Ende seiner Laufbahn kam nach der Wende. Er fand in der Lehre seinen Platz nicht mehr, arbeitete kurze Zeit als privater Sexualberater und engagierte sich in einem gemeinnützigen Verein. Wie erst jetzt bekannt wurde, starb Borrmann 79-jährig am 19. Dezember in Berlin.

Der Professor hatte ein Ohr für die Unsicheren, die unter dem Diktat aufgewirbelter Hormone standen.“

Und dabei ging es nicht nur, aber auch um neues Leben …

Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Der Versand der Sonderangebote per U-Boot hatte letzte Woche übrigens besser funktioniert als gedacht – völlig problemlos. Daher probieren wir es gleich noch einmal.

In der nächsten Woche steht ein weiteres Buch von Wolfgang Schreyer im Angebot. Erstmals 1981 veröffentlicht er im Verlag Das Neue Berlin „Die Suche oder Die Abenteuer des Uwe Reuss. Erstes Buch“.

Die Handlung setzt 1979 in Hamburg ein. Uwe Reuss, als Chef einer Nordsee-Bohrinsel kürzlich entlassen, nimmt die Suche nach der Tochter seines besten Freundes auf: Gina Dahlmann ist mit einem verheirateten Grundstücksmakler angeblich nach Übersee geflogen und dort verschollen. Amateurdetektiv Reuss folgt der verwirrenden Spur; doch was treibt ihn an? Tut er all das nur den Dahlmanns zuliebe? Ist es Flucht aus dem Wartestand des Arbeitslosen oder der Reiz des Abenteuers, was den passionierten Sportsegler jetzt von Insel zu Insel weht? Oder steckt dahinter mehr, etwa der Wunsch, gänzlich auszusteigen?

So schwierig diese Suche, so dunkel Reuss' wahres Motiv. Nur im Traum will es sich ihm enthüllen. Auf bizarren Umwegen endlich am Ziel, merkt Reuss, dass ihn, den Jäger, von den Gejagten wenig trennt. In der Weite des Ozeans und im Wagnis der Freiheit fühlt er sich den anderen - und dem Sinn seines Lebens - plötzlich nahe.

„Die Suche“ ist ein noch immer spannend zu lesendes Buch mit philosophischem Tiefgang und mit Traumsequenzen wie gleich zu Beginn:

„Dieser Traum! Es war Reuss, als habe er den schon mal geträumt. Der überschwemmte Auenwald, den kannte er doch, eine versunkene Welt... Bei dem Versuch, sich zu erinnern, zerfiel die Szene, noch aber stand ihm dies vor Augen: durch umspültes Buschwerk war er gerauscht, im Zweierfaltboot, und Stämmen ausgewichen, um die gurgelnd Wasser schoss. Dann der Ruck, man saß fest, in grauem Gehölz, verkrustet von Treibgut, bärtig, ohne Laub – Frühlingshochwasser, das schon fiel. Die Strömung im Rücken, unfähig, mit dem Paddel freizukommen. Der Partner hinter ihm rief, er solle aussteigen, das Boot abstoßen. Reuss wusste auch im Traum ganz gut, dies wär Sache dessen gewesen, der das verlangte und den er nicht recht sah. Schließlich saß der am Ruder, hatte es verpatzt. Trotzdem wand Reuss sich heraus, und während er, auf das schwankende Boot gestützt, bis zum Hals einsank, hörte er eine Melodie, grell, gequetscht, tremolierend, ein Trompetensignal, dem er einfach folgen musste. Er stieß sich ab, das Wasser umfing ihn, trug ihn aus dem Gestrüpp ans Licht. Aus. Kein Schluss. Das Boot war weg gewesen. Die Tonfolge konnte er nicht wiedergeben, obwohl sie ihm bekannt erschien. Der Partner, das konnte Dahlmann sein. Zwar war er mit dem nur gesegelt, seine Paddlerzeit lag weit zurück. Doch Träume durfte man nicht wörtlich nehmen, dieser hier bedeutete vielleicht: Dahlmann verpfuschte etwas an Bord, Reuss bog es wieder hin. Nur an Bord. An Land verpfuschte Dahlmann so leicht nichts, da war er clever und beherrscht, ihm durchaus überlegen.“

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