Rhino stand nach wie vor inmitten der Giraffenstängel, die er bis auf wenige abgebissen hatte. Anscheinend war er satt; sonst hätte er wohl auch die restlichen Stängel verspeist.
Oder war er krank? Hatte er Schmerzen? Quälte ihn die Wunde?
Als Nino näher kam, sah er, dass der Kräuterbrei zu einem grünen Fladen angetrocknet war. Und dann bemerkte der Junge an den Rändern der Wunde und auch an unverletzten Stellen der Nashornhaut winzige grauweiße Würmer, die sich bewegten.
»Eeh!«, entfuhr es ihm.
»Was ist?«, fragte Humbo.
»Nichts«, behauptete Nino, und sich überwindend, fügte er hinzu: »Nur ein paar Maden.«
»Da siehst dus«, hakte Humbo ein. »So eklig sind diese Viecher. Die haben alle Maden und alles mögliche Ungeziefer.«
Ja doch, dachte Nino. Er wusste das selbst, und ihn ärgerte, sich nicht besser beherrscht zu haben. Auch jetzt verspürte er Ekel, und dabei ging ihm, ob er wollte oder nicht, durch den Kopf: Vielleicht ist Rhino älter als ich dachte und gar nicht mehr hilfsbedürftig. Vielleicht kommt er von nun an allein zurecht?
Aber da waren die Geier, die noch immer oder schon wieder über der Senke kreisten. Und die Maden an den Wundrändern sahen nicht nur eklig, sondern auch beunruhigend aus. Und wenn Rhino schon allein zurechtkommen sollte, konnte man ihm zum Abschied wenigstens was Gutes tun.
Also knickte Nino vier, fünf der verbliebenen Giraffenstängeldolden ab, zerrieb sie, lockerte den Kräuterfladen und riss ihn ab. Dabei zuckte Rhino zusammen, doch schlug er weder aus, noch lief er weg.
Und dann geschah ein Wunder.
Nino hatte die Wunde, die sauber wirkte, erneut bepflastert. Als er nun über Rhinos Ohren strich, die - anscheinend in Dankbarkeit - wieder wackelten, da drehte das Tier den mächtigen Schädel, schnupperte an der Hand und leckte daran.
Der Brei! Schoss es Nino durch den Kopf. Das Heilmittel - vielleicht taugt es als Lockspeise?
Sachte zog er die Hand vor der Zunge - und ein wenig auch vor den kräftigen Zähnen - zurück, und siehe da: Rhino folgte, setzte sich in Bewegung, kam mit.
Humbo hatte das alles wortlos und aus gebührendem Abstand beobachtet. Jetzt lief er zur Insel, riss die letzten Stängel ab und rannte hinter Nino und Rhino her, wohl um sich am Fortführen des Nashornkalbes zu beteiligen. Kaum aber hatte er die beiden erreicht und die Dolden vor die Nashornnase gehalten, da schnaufte Rhino in seine Richtung, und Humbo ließ die Stängel fallen.
»Mach dir nichts draus«, versuchte Nino ihn zu trösten. »Er wird sich schon an dich gewöhnen.«
»Aber ich mich nicht an ihn«, erwiderte Humbo grimmig.
Er blieb danach hinter Rhino, während Nino vornweg lief. Dabei kamen sie so rasch voran, dass Humbo nach einer Weile behaupten konnte: »Nun wird er doch getrieben, von mir!«
Bald erreichten sie den Ngori, dessen Fluten bereits zurückgegangen waren. An den Ufern hatten sich Tümpel gebildet, Streifen aus Schlamm und seichtem Wasser, die einer Vielzahl von Tieren als Badestrand dienten.