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Rhön-Flirt von Dietmar Beetz
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
01.12.2014
ISBN:
978-3-95655-187-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 193 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Thriller/Spannung, Belletristik/Thriller/Verbrechen, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Polizeiprozesse, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Amateurdetektiv
Kriminalromane und Mystery: Polizeiarbeit, Thriller / Spannung, Kriminalromane und Mystery
Mord, Spanner, Erpressung, Fotograf, Erfurt, Rhön, Lehrer
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"Du, Konrad, dein Auto ..."

Mai braucht eine Weile, sich zu besinnen. "Ja, und?", fragt er. "Was ist damit? Hat man's etwa" - erst jetzt erschrickt er - "geklaut?"

"Das nicht, aber - aufgebrochen!"

"Was?!"

"Aufgebrochen ..." Oskar wiederholt es und fügt, nunmehr in einem Wortschwall, hinzu, dass er stutzig geworden sei, als er - wie neuerdings immer am Abend und in der Frühe - seinen Rundgang gemacht habe "durchs Haus und über den Hof, auch durch die Gasse vor auf die Straße, wo drüben, auf der anderen Seite, der Skoda steht, nass vom Tau, aber die Fenster kaum beschlagen und die Tür vorn links, die Fahrertür, wie ich mich überzeugt hab, nur angelehnt ..."

Das ist sie noch immer, die Fahrertür: nur angelehnt; Mai sieht es beim Näherkommen sofort, und Oskar erklärt unterdessen beflissen, er habe nur am oberen Türrahmen angefasst, nicht in Höhe des Schlosses, um die Spuren nicht zu verwischen.

Spuren ..., geht es Mai durch den Kopf, und sein nächster Gedanke gilt der bayrischen Kriminalpolizei.

Mai schiebt ihn beiseite, zwingt sich, ruhig zu bleiben, besonnen, nichts zu überstürzen.

Die Tür - für alle Fälle gleichfalls oben berührt - lässt sich wie immer öffnen, und an den Kabeln unterm Armaturenbrett hat sich, um den Motor zu starten, offenbar niemand zu schaffen gemacht. Klar: Wer sollte schon auf die Idee kommen, einen Uralt-Skoda zu klauen!

Weshalb der Einbruch - oder sagt man Aufbruch? - aber dann? Doch nicht etwa wegen der Reisetasche?

Sie steht - soweit sich Mai erinnert: wie gestern Abend - auf dem Sitz links hinten, doch wirkt sie schlaff, ja leer, und der Reißverschluss ist nicht mehr geschlossen.

Komische Diebe, denkt Mai. Wennschon das bisschen Zeug, warum dann nicht gleich mitsamt der Tasche?

Da erblickt er - nunmehr durch eine der geöffneten Türen - Waschzeug, Socken, Unterwäsche auf dem Boden im Fond. Rausgerissen, auseinandergezerrt, hingeworfen oder fallen gelassen.

"So was!", entfährt es Oskar, der jede Bewegung von Mai verfolgt hat, und dann fragt er: "Was fehlt denn?"

Mai ist in den Fond geklettert, hat die Sachen aufgesammelt, zum Teil unter den Vordersitzen hervorgeholt und zurück in die Tasche gestopft. Nun zuckt er die Schultern. "Scheint alles da zu sein."

"Versteh ich nicht", bekennt Oskar.

"Ich auch nicht", behauptet Mai, obgleich ihn ein Verdacht umschleicht. Sollte das - weiß der Teufel, wie - mit dem Tod von Linda zu tun haben?

Er schaut in den Stauraum hinter den Rückenlehnen, der leer ist bis auf eine mit Kunststoff beschichtete, jetzt beiseite geschlagene Filzdecke über dem Batteriekasten, dessen Deckel klafft.

Hm ..., denkt Mai, wirft einen Blick auf die Anschlüsse der Batterie, schließt den Deckel, verriegelt ihn und schlägt sogar, die missbilligenden Anfragen und Kommentare von Oskar ignorierend, den Filz darüber.

Spuren auch im Kofferraum, am Inhalt der beiden Gepäckstücke, die sich gewohnheitsgemäß dort befinden - ein Beutel als Hülle für den noch unbenutzten Erste-Hilfe-Kasten und für das Batterie-Ladegerät samt Zubehör und eine ausrangierte Einkaufstasche als Behältnis für eine Motorenöl- sowie eine Frostschutzmittelflasche, für einen Mini-Benzinkanister und einen Werkzeugbeutel, für Tuben mit Pol-, mit Wasserpumpenfett, für in Schachteln, Kästchen und Tüten verstaut gewesene Ersatzstücke an Zündkerzen, Sicherungen, Biluxbirnen ...

"Die haben was gesucht", stellt Oskar, aufblickend von dem Chaos, in jäher Erkenntnis fest.

"Sieht so aus", bestätigt Mai, derweil er beginnt, wenigstens die Flaschen wieder leidlich bruchsicher zu verstauen.

"Aber was", fragt Oskar, "was gesucht?"

"Tja, wenn man das wüsste!", äußert Mai durchaus wahrheitsgemäß.

Dann hat er die Kofferraumklappe geschlossen, desgleichen die Türen, die zu seiner Erleichterung intakt sind.

"Das waren Profis", verkündet Oskar, "nicht irgendwelche Dummbittel und Stümper."

Mai nickt, obwohl er eher an einen Einzeltäter denkt. Einen Moment steht ihm wieder der Schemen mit dem halblangen Haar hinter der spiegelnden Scheibe jenes hellgrauen Opel vor Augen. Sollte das wirklich Thea gewesen sein, neulich bei Rossdorf und letzte Nacht hier an der Straße? - Schwer vorstellbar; und gar ihr Chef und Liebhaber, falls er das ist, ein älterer Mann, als Beschatter und als Stöberer in einem geparkten Auto, ja als Mörder einer für ihn vermutlich wildfremden Person ...

Allein diese Überlegungen erscheinen jetzt absurd. Dabei wird Mai bewusst, dass sich seine Verdachtsmomente samt und sonders verflüchtigt haben. Alles Fehlspuren, gesteht er sich ein und fragt sich bei einem langen Blick die menschenleere Straße hinab: Wenn's nicht Thea war, nicht dieser osthessische Opa, auch nicht Helmut Bock, wer - verdammt! - war's dann? Wer könnte einen Grund gehabt haben, Linda umzubringen oder umbringen zu lassen? Wichtiger vielleicht noch: was für einen Grund?

Eine Weile erwägt Mai, Oskar, den Schwiegervater, in seine Gedankengänge einzuweihen. Er zögert, schiebt die Entscheidung hinaus, und dann erreicht ihn eine weitere Nachricht, ein zweiter Fingerzeig an diesem kühlen Frühjahrsmorgen.

Sie haben, Oskar so schweigsam wie Mai, die Straße überquert und gerade den Hausflur betreten, da schlägt in der Stube das Telefon an.

"Deine Frau Sachse, die Nachbarin", mutmaßt Oskar.

Sie ist es tatsächlich; Anna, seit längerem frühstücksbereit, hat abgehoben, nach ein paar Worten die Muschel bedeckt und Mai an den Apparat gerufen.

Während das Gespräch seinen Verlauf nimmt und sich dabei zu einer Art Verhör entwickelt, halten sie und Oskar sich außer Sichtweite, das aber wohl mit gespitzten Ohren; doch nicht deshalb allein hat Mai von Anfang an das Gefühl, auf einer Bühne zu stehn.

Bei ihm - das heißt: in seiner Wohnung zu Erfurt - ist eingebrochen worden. So der Kern der Botschaft, die Frau Sachse, Katharina, nach mehrfachem Ansatz und nach der wiederholten Entschuldigung für den Umstand, dass sie ihn aufgestöbert habe und stören müsse, über den Draht bringt.

"Ach, was, Frau Sachse, Sie stören gar nicht, im Gegenteil", versichert Mai mehr als einmal. "Sie haben - Dank auch dafür! - ja schon gestern Abend versucht, mich zu erreichen", fügt er hinzu und fragt: "Übrigens, jetzt rufen Sie doch hoffentlich wieder von meinem Apparat aus an?"

Das verschlägt ihr offenbar einen Atemzug lang die Sprache.

"Ja natürlich!", bringt sie schließlich heraus.

"Gut so", beeilt sich Mai zu erklären. "War nur wegen der Kosten: damit ich weiß, das Gespräch geht zu meinen Lasten und ich kann, ohne auf die Uhr gucken zu müssen, noch was fragen. Also, Sie haben Ihre Entdeckung gemacht, als Sie gegen Abend meine Blumen gießen wollten?"

"Nicht erst 'gegen Abend'", korrigiert sie, "schon am späten Nachmittag."

"Schön", konstatiert Mai. "Und Sie waren über das Durcheinander entsetzt."

"So ist es", bestätigt sie kühl.

"Haben Sie vielleicht", beginnt er vorsichtig, "etwas vermisst - ich meine: Ist Ihnen eventuell aufgefallen, dass was fehlt, dass möglicherweise irgendetwas entwendet wurde?", beendet er die Frage, gewärtig, durch die unausgesprochene Vermutung, sie könnte auf die Idee gekommen sein, in seinen Sachen herumzukramen, einen Sturm der Entrüstung entfacht zu haben.

Das Gegenteil wird hörbar. "Nichts!", verkündet Katharina Sachse eifrig. "Nichts, soweit sich das schon sagen lässt", fugt sie bedauernd hinzu. "Das ist es ja, Herr Mai: Die haben zwar alles durchwühlt, die ganze Wohnung, die Küchennische, das Bad, den Schlaf-Wohn-Arbeitsraum, den besonders, Ihre Bücher und Schallplatten, den Schreibtisch, sogar die Mappe mit den jüngsten Gedichten, einfach alles, aber nichts mitgenommen, weder die schöne Wanduhr noch eine der alten Platten, von Ihren Klamotten natürlich schon gar nichts, aber auch kein Buch, kein Blatt Papier, nicht mal was von Ihren eigenen Werken, nichts; ich wollt's ja selber nicht glauben und dacht schon: Katharina, du spinnst."

Mai grinst. Und erwidert aufgekratzt: "Sie spinnen bestimmt nicht, Frau Sachse; ich jedenfalls glaube Ihnen, wie seltsam das alles auch sein mag. Nur eins noch zum Schluss: Sie sagen 'die', reden also von mehreren Personen. Gibt's einen Grund für diese Annahme, irgendeinen Hinweis, der gegen einen Einzeltäter spricht?"

"Das nicht, Herr Mai, da haben Sie recht, aber im Fernsehn, in jedem besseren Krimi ..."

 

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