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Das Fremdgehverkehrsamt und andere satirische Feuilletons von Matthias Biskupek
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Preis E-Book:
5.99 €
Veröffentl.:
22.06.2021
ISBN:
978-3-96521-473-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 105 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Satire, Belletristik/Humorvoll, Belletristik/Politik, Belletristik/Kurzgeschichten
Belletristik: Humor, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Humor, Satire, DDR, Wende, Japan, Vietnamesen, Sex, arbeitslos, Sächsisch, Sachsen, Englisch, Schriftsteller, Bayern, Politiker, Telefonsex, Kaufrausch, Kunst, Literatur, Liedermacher, Theater, Fußball, Fernsehen, Versicherung, Abzocke, AbrüstungLiteratur, Liedermacher, Theater, Fußball, Fernsehen, Versicherung, Abzocke, Abrüstung
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ALLES+RODSCHER+LIEBE+MUTTI

Sie hatten ein wunderbares Verhältnis zueinander, wie Mutter und Sohn. Denn sie waren Mutter und Sohn. Drum wollten sie auch allzeit lieb zueinander sein.

Der kleine Rodscher ging täglich brav in seine Gesamtschule. Fragte lieb Mütterlein besorgt, ob er auch alles dabei habe, um erfolgreich zu lernen, sprach er: Alles Rodscher. Und Mütterlein bestätigte: Rodscher – bist mein ein und alles.

Das aber war schon genug gesprochen, denn sie verstanden sich ohne viel Worte. Zudem musste das Mütterlein Herzlichkeiten aufsparen.

Klingelte nämlich dann das Telefon, begann sie ihr Tagwerk. Dann schnurrte sie in den Hörer: Gewiss, mein Süßer, aber wenn Du Reiner heißt, sag ich auch Reiner, denn keine machts dem Reiner feiner. Schreib Dir mein Nümmerchen auf, das vom Konto bei der Dresdner. Und wenn dann alles Rodscher ist, hörst Du zu. – Hörst Du, Reiner? Also, ich heiße Sandra und meine langen blonden Haare reichen bis über die Brüstespitzen, und wenn ich mich ein bisschen zusammenkauere, so wie jetzt im Sessel, gehen sie bis auf meinen Hintern. Noch sitze ich ganz stummelstopfestill hier – aber ich hätte wahnsinnig gern einen riesigen Reiner-Spargel bei der Hand, oder besser, in beiden Händen, oder noch besser …

So verging der Vormittag von Mütterlein Sandra bei allerlei Kurzweil, dieweil Sonnenschein Rodscher zufrieden war, dass sein liebs Mütterlein wieder eine wichtige Arbeit bei einer wichtigen Agentur gefunden hatte, die sie zu Hause so gut besorgen konnte.

Auch bei Rodscher ging das Leben, für das er lernte, seinen Gang. Denn allmorgendlich legte er seinen Schulbeutel bei einem Freunde ab, weil er wusste: Für die Zukunft muss man handfesten Vorlauf schaffen.

Zum Glück lebte Rodscher nämlich in einer anmutigen Gegend der großen Stadt Berlin, wo die Menschen in wunderbar viereckigen und gleichgroßen Wohnungen Herberge hielten. Sie hatten allesamt eine glückliche Zeit hinter sich und eine noch glücklichere vor sich. So nahm Rodscher also eine beliebige Nachbarschaftsadresse zur Hand und verfertigte mit dem Computer des Freundes einen Brief:

Verehrter Herr Sowieso!

Sie wissen, dass ich über Ihre frühere Informantentätigkeit sehr gut Bescheid weiß. Ich bin aber der Meinung, dass Herr X, Herr Z, die Firma Spannemann & Söhne sowie Ihre Frau Freundin das nicht unbedingt wissen müssten. Damit ich Ihnen bei Ihrer Vergangenheitsbewältigung helfen kann, bitte ich Sie, mir DM 276,– zukommen zu lassen. In der Summe sind Mehrwertsteuer und Aufwandskosten enthalten. Sie sehen meine Seriosität. Ich werde Sie demnächst anrufen, allerdings über einen Knaben-Stimmencodierer, und Ihnen die weiteren Modalitäten verraten.

Der Wahrheit die Ehre: Rodscher hatte den Brieftext nicht gänzlich allein entworfen; ein wegen früherem Parteischulbesuch amtsenthobener Deutschlehrer hatte ihm – gegen Entgelt – geholfen. Doch die gefährlichen Geschäfte der Geldeintreibung wickelte Rodscher allein ab. Denn sein Motto war ja: Alles Rodscher.

Natürlich waren nur vier von zehn mit Briefen Bedachte bereit, Rodscher die 276 Mark auszuhändigen, und davon wiederum gelangten nur fünfzig Prozent des Geldes über die Übergabehürde. Doch der verbliebene Gewinn reichte aus, Rodscher an seinem Entschluss, fürs Leben, nicht für die Schule zu lernen, festhalten zu lassen.

So führten Mütterlein Sandra und Sohn Rodscher ein glückliches Leben und waren stolz aufeinander:

Wie doch der Junge sich glänzend ins harte neue Schulleben fügt!

Wie doch das Mütterlein spielend den Markteinstieg schafft!

Doch das Leben –

Das Leben spielte nicht immer mit. Es gab eine finstere Tücke, einen Apparat der Ränke. Jener aber hieß Telecom.

Sie ahnen, was auf die beiden zukommt?

Richtig. Unter tausenden Fehlverbindungen, unter aber tausenden Mithörern, mussten gerade die beiden eines Tages verbunden werden. Und während Mütterlein Sandra sich eben in ihre eigene Fleischbeschreibung hineingesteigert hatte, vom stolzen Spargel sprach, dem sie alle Säfte hervorzulocken gedachte, ihn genussreich bis zur Wurzel umschließen und umfließen wollte … forderte Söhnlein Rodscher knallhart 276 Mark für Treue und Verschwiegenheit.

Und siehe da, wie es in der Bibel heißt: Sie erkannten einander am Telefon. Trotz der Nebengeräusche.

Der große Eklat war da. – Nein. – Er war natürlich überhaupt nicht da. Denn es war Mütterlein Sandra durchaus und immer bewusst, dass irgendjemand mal ihre frühere nachrichtendienstliche Tätigkeit aufspüren könnte. Und auch Rodscher hatte nicht selten einen Teil der jeweils ausbezahlten 276 Mark benutzt, um telefonisch eine ähnliche Dienstleistung zu erlangen, wie lieb Mütterlein Sandra sie so frohgemut lieferte.

So kam es, statt vermuteter Wutausbrüche und zornroter Beschämungen, statt Tränen und Flüchen zu einem Telefongespräch im gegenseitigen Einvernehmen. In dessen Verlauf wurden Konditionen ausgehandelt, die beider Geschäfte als Mutter & Sohn GmbH und Co. KG verquicken konnte.

Und so gibt es in dieser Erbauungs-Epistel zum guten Schluss auch keinen ratlosen Verlierer, keine entlarvte Täterin und vor allem keine geplatzten Geschäfte, sondern nur ein Menetekel für unsere zunehmend wieder an christlichen Werten orientierte Welt:

Lockere Familienbande ziehen sich wieder fester und fester zusammen. Mutter- und Sohnesliebe dürfen erneut triumphieren. Und zum Zeichen einer neuen Familieneinheit gilt das verschworene: ALLES+RODSCHER+LIEBE+MUTTI.

Das Fremdgehverkehrsamt und andere satirische Feuilletons von Matthias Biskupek: TextAuszug