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Liebe zum Französischen und zum Flötenspiel, ein Mord im Regen sowie Glück mit Würfeln – Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

Pinnow 1.11. 2019) Wie ist er eigentlich zum König geworden und zu seinen beiden Beinamen Friedrich der Große und Alter Fritz gekommen – dieser berühmte preußische Herrscher, der sich oft selbst eher als Philosoph verstanden wissen wollte? Spannende Antworten auf viele Fragen zu seiner Biographie, zu seinen Ansichten und zu seinem Charakter bietet „Ich, Friedrich II. Das Leben des großen Preußenkönigs nacherzählt“ von Hans Bentzien – das erste von insgesamt fünf aktuellen Angeboten dieser Ausgabe, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 8.11.19 – Freitag, 15.11.19) zu haben sind. Und selbst im Titel seines Buches spricht Autor Hans Bentzien von einem großen Preußenkönig. Schon allein das dürfte neugierig machen. Genosse Bentzien war in seinem wechselvollen Leben immerhin auch einmal DDR-Kulturminister.

Neugierig machen dürfte auch der Titel „Familien-Theater“ von Dietmar Beetz, in dem es vor allem die Jugendliche Tine nicht so leicht hat, sich durchzusetzen. Der Begriff „Familien-Theater“ ist also durchaus berechtigt.

Und ebenso neugierig dürfte der Titel des zweiten Buches von Dietmar Beetz unter den heutigen Angeboten machen – „Abrechnung am Klosterfriedhof“, zumal wenn man dazu weiß, dass dieses Kloster nicht in Europa steht.

Am Schluss des heutigen Newsletters wartet diesmal etwas noch eine ganz andere Lektüre auf die Leserinnen und Leser. Rita Danyliuk stellt „174 + 1 Würfelspiele“ vor und möchte damit für Spaß und Unterhaltung sorgen.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Und da hat die Literatur schon immer ein gewichtiges Wort mitzureden und heute erst recht. Dieses Mal wagen wir wieder einen Blick in eine ferne Zukunft. Von heute aus gerechnet fast 500 Jahre voraus. Etwas Beunruhigendes spielt sich ab. Und möglicherweise hat das auch mit Ereignissen der Gegenwart zu tun. Schließlich – und das ist ein entscheidendes Argument der Fridays-for-Future-Bewegung – wird eben heute über die Zukunft entschieden. Besonders hübsch ist der Gedanke des Autors, eine „Chrononautin“ aus der Zukunft in die Vergangenheit zu schicken – also zu uns, in unsere Gegenwart. Und damit gute Reise in die Zukunft!

Erstmals 1975 erschien im Verlag Neues Leben Berlin als Band 124 der Reihe „Spannend erzählt“ der Wissenschaftlich-phantastische Roman „Magma am Himmel“ von Carlos Rasch: Bei der dünnsten Stelle des Meeresbodens unter dem Südatlantik gegenüber der afrikanischen Küste rütteln um das Jahr 2450 immer wieder Seebeben am Erdmantel. Sie beunruhigen ein Team junger Leute, die einen automatisch arbeitenden Flotationskomplex unweit ihres Standortes zur Gewinnung seltener Rohstoffe aus dem Meerwasser überwachen. Eine Algenfarm wird von diesem bebenartigen Rütteln ebenfalls beeinträchtigt. Auch die Wissenschaftler an den Universitäten in den afrikanischen Metropolen sind von diesem Novum eines quasi im Gleichschritt auftretenden atlantischen Epizentrums alarmiert. Die Lage wird bedrohlich, als radioaktive Strömungen aus dem Bereich dieses Epizentrums auftreten, die von Rissen des Erdmantels über einer gerade neu entstehenden Magmakammer herrühren könnten. Einige Akademiker glauben unter Sorgenfalten sogar, dass diese Seebeben von einem vor Jahrhunderten verunglückten Atom-U-Boot herrühren oder etwas mit heimlich entsorgten verbrauchten Reaktorbrennstäben zu tun haben. Um Klarheit über solchen Atommüll zu erlangen einigt man sich, eine Zeitverspiegelung vorzunehmen, bei der eine Chrononautin sozusagen als unerkannt lebende Späherin einige Jahrhunderte zurück in die Vergangenheit reisen wird, zu Jochen Märzbach aus „Die Schatten der Tiefsee“. Carlos Rasch, Autor mehrerer utopischer Bücher, lässt diesmal seine Geschichte statt weit draußen im All auf unserer Erde spielen nach dem Motto: Die Zukunft der Menschheit wird auf Erden realisiert und nicht im All! - Auch sind Zukunftsromane keine prophetischen Voraussagen von neunmalklugen Leuten. Hellseher gibt es nicht. Niemand kennt die Zukunft. Utopien sind sozusagen nur eine Spielart der Gegenwartsliteratur, in der jetzt lebende Autoren für heutige Leser gegenwärtigen Erkenntnissen entsprechen. Utopien können nur heutige Hoffnungen und Wünsche oder auch Befürchtungen in literarischen, abenteuerlichen Denkmodellen widerspiegeln. Dazu gehen sie von Wahrscheinlichkeiten nahe gesicherter Erkenntnisse aus. Seit seiner Erstveröffentlichung erreichte der Wissenschaftlich-phantastische Roman „Magma am Himmel“ von Carlos Rasch eine Gesamtauflage von rund 100 000 Exemplaren. In unserem Textausschnitt stehen die jungen Leute allerdings noch ganz am Anfang ihrer Nachforschungen:

„Die Messbasis empfing sie wie immer mit dem leisen Summen der Geräte. Lautlos glitten Aufzeichner über die Seismogramme, schlugen ab und zu aus und erzeugten Zacken. Der gewaltige Körper des Erdballs kam nie zur Ruhe. Fortwährend fanden Beben statt, die ihre Erschütterungen durch die Kruste und durch die anderen Schichten des Planeten schickten. Die meisten Pulte standen im abgedunkelten Bereich der Basis. Nur der Computerblock mit seinen Antwortschirmen und das Hauptpult, das man nach einem Erdbebenforscher eines früheren Jahrhunderts, Mohorovicic, benannt hatte, waren beleuchtet. Hier beim Moho-Pult liefen die Messergebnisse vom zentralen Teil des Atlantiks ein, denn dort gab es eine dünne Stelle im Meeresboden über dem Magma der Tiefe. Sie wurde ständig streng kontrolliert, weil es in ihr schon seit mehreren Generationen rumorte. Glücklicherweise war die Erdkruste an dieser Stelle bisher nie aufgebrochen. Aber die Wissenschaftler ließen sich nicht täuschen. Die Universität von Mos-A-Dreles, einer Stadt an der Westküste Afrikas, setzte schon seit mehreren Generationen ein Makrogen, also eine der vielen Wohn- und Lerngemeinschaften von Studenten, zur Überwachung dieser Meeresregionen ein. Seit drei Jahren waren das die jungen Frauen und Männer, die in dieser Nacht vor dem Haus gestanden und in die Dunkelheit gelauscht hatten.

Die Messbasis umgab sie zwar wie immer mit dem leisen Summen der Geräte und gedämpftem Licht, aber Tuo Ibso und Gru Kilmag bemerkten sofort, dass der Computer die doppelte Aktivität entwickelte als sonst. Sie sahen sich besorgt an und schickten prüfende Blicke zu den Pultreihen der Messkomplexe. Doch dort gab es keine Anzeichen für einen steigenden Bebenzyklus.

„Seid mal alle ganz still“, forderte Odetta sie plötzlich auf.

Ihre lebhafte Unterhaltung verstummte.

Und da hörten sie leise einige Trommeln und eine Harfe hinter der Tür eines angrenzenden Raumes. Ari Bomm stürzte auf sie zu und stieß sie auf. Verdutzt blieb er stehen und betrachtete die seltsame Szene. Seine Gefährten standen dicht hinter ihm und reckten neugierig die Hälse. Sie sahen mehrere Technos, um die Musikinstrumente verteilt waren, vor allem Trommeln jeder Art. Von der Decke hingen Mikrofone. Ab und zu leuchtete an einer Befehlstafel ein farbiges Licht auf. Dann trommelte, blies, rasselte, harfte oder klirrte einer der Technos mit einem der Instrumente.

„Asko kommt!“, rief Kaik Hans, der Besucher aus dem Nachbarmakrogen der Fischer.

Sie drehten sich alle um. Ihre Blicke waren skeptisch und ratlos auf Asko gerichtet, Nur Sema Sommer blinzelte ihm amüsiert zu. Asko, der während seiner Wache am Moho-Pult eigentlich die Messbasis nicht verlassen sollte, spürte, dass sie eine Erklärung von ihm erwarteten.

„Aha, ihr habt das Orchester schon entdeckt“, sagte er und blickte auf die offen stehende Tür zum Nebenraum. Er stoppte mit einem Tastendruck die Anweisungen des Computers an die Technos und schloss die Tür wieder. Dann musterte er sie alle ein paar Augenblicke lang, bevor er tief Luft holte und zu sprechen anfing.

„Wir aus unserem Makrogen benehmen uns fast wie Ameisen“, sagte er, „wie Ameisen, die einen riesigen Bau haben und die darin und darauf herumkrabbeln. Wir tun emsig all das, was wir zu tun gelernt haben, ohne viel nachzudenken. Wir erledigen einfach, was die Studiengruppen vor uns auch schon getan haben; aber dieses Ablesen von Tabellen und Vergleichen der Analysen und tektonischen Tageshinweise des Computers ist doch nicht das, was man ein richtiges Forschungsstudium nennt, wie es andere Gruppen betreiben. Wir erledigen unsere Aufgabe, weil natürlich auch wir nicht wollen, dass uns die dünnste Stelle des Meeresbodens eines Tages überrascht und unter der Menschheit an den Ufern des Atlantiks Unheil anrichtet. Wir sehen ein, dass irgendjemand, in diesem Fall wir, diese dünnste Stelle überwachen muss. Die Erde ist die Heimstatt des Menschen im Kosmos. Woanders gibt es im All weit und breit keine Geborgenheit für uns. Es wäre schrecklich, wenn die Erdkruste an ihrer dünnsten Stelle bräche und große Teile unserer Welt vernichtet würden. Aber seit Jahrtausenden rotiert dieser Planet, ohne dass diese dünnste Stelle zerborsten wäre. Was sollte es für einen Grund geben, dass dies in unserem oder im nächsten Jahrhundert geschieht? Die Besorgnis der Wissenschaftler muss noch andere Ursachen haben. Es scheint ein Geheimnis dahinter zu stecken. Wir erledigen gern unsere Pflicht, gewiss. Aber ich möchte mehr wissen. Die Kurven und Zacken der Seismogramme erzählen mir noch nicht genug. Ich kann so wie ihr darin lesen, als sei es ein Buch. Wir errechnen genau, welche Spannungslinien in welchen Schichten die Erdkruste durchziehen. Unser Verstand wertet alles aus, was die Messungen uns signalisieren oder was von Computern für uns übersetzt wird. Der Planet spricht mit uns. Das ist schon wichtig. Doch reicht das aus? Es muss noch eine andere Bewandtnis mit unserer Messbasis und der dünnsten Stelle des Meeresbodens im Atlantik haben, vermute ich. Die Universität von Mos-A-Dreles verschweigt uns wahrscheinlich etwas.“

Asko machte eine Pause und setzte sich auf eine Sessellehne. Sie kamen näher, vielleicht ein wenig ungeduldig, aber doch bereit, ihm zuzuhören.“ Und damit zu ausführlicheren Vorstellungen der anderen Sonderangebote dieses Newsletters:

 

Erstmals 1991 veröffentlichte Hans Bentzien im Verlag Volk & Welt Berlin „Ich, Friedrich II. Das Leben des großen Preußenkönigs nacherzählt“: Friedrich II., auch Friedrich der Große oder der Alte Fritz genannt, war von 1740 bis zu seinem Tode im Jahre 1786 preußischer König, führte die drei Schlesischen Kriege und schaffte die Anerkennung Preußens als fünfte Großmacht neben Frankreich, Großbritannien, Österreich und Russland. Hans Bentzien beschreibt in dem gut recherchierten Buch Charakter und Lebensweise des bedeutenden Monarchen, immer wieder durch Aussprüche von Zeitgenossen oder aus Originaldokumenten belegt. In unserem Auszug lässt er den König selbst zu Wort kommen und über sein Leben berichten:

„In dieser Atmosphäre des Hasses zwischen den Eltern versuchte ich, mein eigenes Leben zu führen. Als mir verboten wurde, auf den Schlossfluren zu hüpfen und zu springen oder mich gar hinter Säulen zu verstecken, übte ich auf der Flöte oder paukte Französisch. Die Wonnen beim Lesen französischer Literatur konnte mir mein Vater nicht streitig machen. Mein Lehrer verstand das und besorgte mir immer neue Bücher. Vom Schulpensum lernte ich nur das Nötigste, und das stellte sich natürlich bald heraus.

Nun wurde mein ganzer Tagesablauf genau reglementiert, worüber eine Menge Leute wachen mussten: Um sieben Uhr wurde ich geweckt, der Kammerdiener stellte mir die Pantoffeln hin, und ich musste, vor dem Bett kniend, ein kurzes, wortwörtlich vorgeschriebenes Dankgebet sprechen, das mit einem Vaterunser schloss. Dann wurde ich schnell angezogen und musste mich „propre waschen“, den Zopf drehen und pudern. Während der Kammerdiener schwänzte und puderte, frühstückte ich und trank meinen Tee. Das alles dauerte gerade eine Viertelstunde. Viertel nach sieben begann der Unterricht; zuerst wieder Gebete, Bibelkunde und Gesang, dann nacheinander die anderen Fächer.

Am Sonnabend wurde wiederholt, jede Woche war Prüfung. General Graf von Finkenstein und Oberst von Kalkstein wohnten der Wiederholung bis halb elf bei. Waren sie zufrieden, durften sie nach der Weisung des Vaters verfahren: „Hat er profitiert, so ist der Nachmittag vor Fritzen. Hat er aber nicht profitiert, so soll er von zwei Uhr bis sechs Uhr alles repetieren, was er in der vorigen Woche vergessen hat!“

Ich gab mir Mühe, denn ich wollte nicht repetieren, sondern den Nachmittag nutzen für meine französischen Bücher. Diese Sprache gefiel mir immer besser, je mehr ich in sie eindrang. Sie ist elegant und klangvoll, biegsam in ihrem Ausdruck und gut geeignet für eine geistvolle Unterhaltung. In diesen Büchern, egal ob es ernsthafte Betrachtungen der Welt oder leichte Darstellungen von Amouren waren, wie sie d‘Argens schrieb, war alles so leicht, so fröhlich, so ketzerisch, der völlige Gegensatz zu der muffigen Stimmung bei uns im Schloss. Am Sonnabend baute ich mir eine Mauer aus Ideen. So lernte ich Listen anzuwenden, zwischen den Personen zu lavieren, dem Vater gegenüber so zu tun, als ob ich gläubig sei. Warum sollte ich direkt widersprechen, wenn dabei nichts erreicht werden konnte?

Doch der Vater argwöhnte weiterhin. Bei einer Gelegenheit ließ er mich von seinem Pastor in Religion prüfen. Viele Fragen, und ich antwortete auf jede, aber ob ich glaube, haben sie nicht erfahren. Die beiden erwachsenen Männer haben mich wohl durchschaut, denn sie akzeptierten meine Spitzfindigkeiten nicht. Vater meinte, ich hätte keinen Glauben, in mir stecke der französische Zweifel, und dabei wusste ich noch gar nichts von Descartes Satz: An allem ist zu zweifeln!

Vater warf meinen guten Duhan hinaus. Dabei hatte ich noch nichts gründlich gelernt, kein Fach war ordentlich abgeschlossen. Statt Duhan kamen vier Offiziere, um mich in die Garde einzuführen. Einer musste immer an meiner Seite sein. So kam mir eine Reise nach Dresden zum Karneval sehr gelegen. Ein König muss mit Gefolge reisen. Handelt es sich um einen Höflichkeitsbesuch, wie in diesem Falle, muss auch jemand aus der Familie dabei sein. Vater hatte wohl überlegt, dass Reisen bilden kann, und so nahm er mich mit; es war im Februar 1728.

Der sächsische Hof war tagelang in einer einzigen Feier. Das Schloss erstrahlte in hellstem Lichterglanz, die Musikanten spielten, die maskierten Kavaliere und ihre Damen tollten durch die Gänge und in jedem Raum. Ich war ganz trunken, wie geblendet. König August war sehr nett zu mir und nahm mich oft an seine Seite. Vater befahl, ich solle mich zurückhalten, besonders als er bemerkte, dass einige Damen sich um mich scharten, mich neckten und streichelten. So etwas war ich nicht gewöhnt, und ich tat es auch nicht von mir aus, aber ich fühlte mich wie im siebenten Himmel. Als August und mein Vater durch das Schloss gingen und die Räume des Königs betraten, die ich sehr üppig fand, fiel wie zufällig eine Tapetenwand um. Auf einem Bett lag eine völlig nackte Dame. August sagte, es sei die Gräfin Formera. (Sie galt allgemein als seine Mätresse). Ich hatte noch nie ein nacktes Weib gesehen, und nach einem erschauernden Blick riss mein Vater seinen Hut vor mein Gesicht und führte mich beiseite, während August und die Dame lachten.

Danach wurde auch am Berliner Hof erzählt, sie hätte mich in die Liebe eingeführt. (Dazu äußere ich mich nicht). Als wir nach Hause kamen, dachte ich immer noch darüber nach, warum unser Hof nicht so lustig war. Vater schimpfte über die Verschwendung. Der Sachse lebe auf Pump. Ich aber erzielte doch einen kleinen Gewinn. Der Flötenvirtuose und Kapellmeister durfte ab und zu nach Berlin kommen, um mich zu unterrichten. Wir hatten zusammen musiziert, und er meinte, ich hätte das richtige Gefühl für die Flöte. Auch meine Schwester, die Wilhelmine, erhielt einen Lautenlehrer aus Dresden.

Wenn Johann Joachim Quantz kam, brach für mich die Seligkeit an. Wir musizierten gemeinsam, er am Spinett, und ich parlierte auf der Flöte. Manchmal ließ er mich frei variieren, und er übernahm die zweite Flöte, ein Wohlklang, wenn wir beide ein gutes Thema gefunden hatten. Immer brachte er etwas Neues mit, und wenn die Musiker ihre Instrumente stimmten und die Hofgesellschaft sich einstellte, um zuzuhören, fühlte ich mich wie ein Künstler. Quantz war klug, er schrieb mir nur solche Sachen, die mich jeweils etwas voranbrachten. Alles in allem hat er fast 500 Werke für die Flöte geschrieben, die ich wohl alle kennengelernt habe.

Später kam er dann an meinen Hof, und ich ernannte ihn zu meinem Hofkompositeur. Er wiederum zog andere gute Musiker an, den Carl Philipp Emanuel Bach, den Franz Benda aus Böhmen, und mit dem berühmten Graun, der die Staatskapelle hatte, standen wir in musikalischer Hinsicht anderen Höfen nicht nach.“

 

Erstmals 1984 brachte der Kinderbuchverlag Berlin „Familien-Theater“ von Dietmar Beetz heraus: Theater gibt es bei Familie Maiwald wahrlich genug: Nicht nur die Aufführung von „Schneewittchen“ in Tines Klasse oder von „Hänsel und Grete“ als Familienstück bringen Freude, Tränen, Aufregung und Durcheinander. Dafür sorgt auch noch reichlich Tines große Schwester Suse, fünfzehn, die sich mit ihrem Freund Uwe nachts heimlich trifft. Nur Tine weiß davon. Ja, um Suses Ausflüge zu decken, den Mund zu halten, dazu ist Tine groß genug, aber von der Schwester ernst genommen zu werden ... Auch Mama und Papa kommen plötzlich auf ausgefallene Ideen. Tine hat alle Mühe, die Familie zusammenzuhalten, sich nicht unterkriegen zu lassen und sich gegenüber der großen Schwester Suse, aber auch gegenüber Freundin Jana, zu behaupten. Und so lernen wir Tine kennen, der es gar nicht so gut geht:

„Tine hat Kummer

Es war ein Herbsttag wie andere auch. Die Sonne schien matt durch den Dunst über der Stadt, und manchmal fuhr ein Windstoß in das Laub, das noch an den Ästen der Kastanien hing oder schon auf dem Pflaster lag. Dann tanzten die Blätter am Boden, und weitere segelten herab.

Tine schlurfte durch die rostbraune, raschelnde Schicht. Das war fast wie beim ersten Schnee oder wie nach dem Regen in einer Pfütze, und doch machte es nicht den rechten Spaß.

Heute machte nichts Spaß, und alles war anders als sonst.

Begonnen hatte es, als Frau Meier die Rollen verteilte, die Rollen für „Schneewittchen“, das Stück, das die 4a am Pioniergeburtstag spielen wollte. Das war jetzt fünf Stunden her, drei Schul- und zwei Hortstunden. Nun ging Tine heim, und ihr Kummer kam mit.

Es war ein heimlicher, uneingestandener Kummer. Bisher hatte Tine ihn niemandem anvertraut. Nicht Frau Meier und nicht einmal Jana, ihrer besten Freundin.

Der schon gar nicht! Überhaupt, beste Freundin ...

„Ist was?“, hatte Jana in der Pause gefragt.

„Was soll denn sein?“

„Na, wie du rumhängst ... Bist wohl neidisch?“

„Neidisch, ich? Du spinnst ja!“

Leider spann Jana nicht. Tine war tatsächlich neidisch, neidisch auf Jana. Das ärgerte sie, und sie schämte sich.

In den Stunden danach versuchte Tine, sich wie immer zu verhalten. Sie schwatzte ein bisschen mit Jens, ihrem Banknachbarn, meldete sich und schnipste mit den Fingern, und wenn es etwas zu lachen gab, lachte sie besonders laut.

Das ging so bis Schulschluss. Im Speisesaal aber setzte sich Jens zu Jana, und nun wurde es ganz schlimm. Tine löffelte lustlos und verzichtete auf Nachschlag, und das bei Reisbrei mit Zucker und Zimt.

Auf dem Weg zum Hort vergaß Tine eine Weile das Theaterstück und die verteilten Rollen. Da spielte sie mit in einem Spiel, das in gewohnter Weise anfing.

Hinter der Kreuzung, wo ein Stück Einbahnstraße begann, ließ Frau Anders den Kindern stets freien Lauf. Bis zum Hort an der Talbrücke durften sie rennen und mussten nur achtgeben, wenn ihnen ein Auto entgegenkam.

Das war sehr großzügig von Frau Anders. Sie unterschied sich darin von anderen Horterzieherinnen, wie sie ja auch vom Aussehen her eine Ausnahme war: Eine Haarpracht wie die von Frau Anders hatte Tine sonst nur bei Filmschauspielerinnen gesehen.

Heute wünschte sie sich sehnlicher denn je solches Haar. Wenn ich nicht blond wär, dachte sie, oder wenigstens etwas dunkler ... Schwarz müsste man sein, schwarz wie Ebenholz; aber mit diesen Zotteln ...

Ein Knuff unterbrach die trüben Gedanken. Neben Tine war Jens aufgetaucht. Er linste aus den Augenwinkeln. Hinter ihm tänzelte Jana.

Tine trottete weiter, sprang plötzlich zur Seite, gab Jens einen Stoß, und los ging’s. Vorn lag Tine, hinter ihr Jens, in einigem Abstand folgte Jana. So preschten sie am Fluss entlang, im Galopp über das katzenkopfbucklige Pflaster. Laub wirbelte um die Füße, bei jedem Sprung klopfte der Ranzen auf den Rücken, und noch heftiger pochte es zum Halse hoch. Gleich würde Jens zupacken, und dann ...

Dann kam die Talbrücke. Schon vor ihr gab es keine Kastanien mehr und auf dem Pflaster kein Laub. Das Sandalengeklapper verlangsamte sich, wurde zum Schlappen zweier einsamer Latschen.

Tine blieb stehen. Die Jagd war zu Ende; Jens, dieser Spielverderber, hatte aufgegeben. Er stand mit Jana an der Böschung und guckte hinunter zum Wasser, als gäb’s dort wer weiß was zu sehen.

Tine war enttäuscht, doch beschloss sie, sich nichts anmerken zu lassen. Außerdem erwachte ihre Neugier, und so trabte sie zurück.

Inzwischen hatten sich an der Böschung andere aus der Klasse eingefunden. Sie beäugten etwas, auf das Jens aufgeregt mit dem Arm wies. Einige riefen erstaunt oder kicherten, als kämen sie aus einer dritten und nicht aus einer vierten Klasse.

Was hatten sie bloß entdeckt? — Tine drängte sich vor.

Unten rann der Fluss in seinem begradigten Bett. Da es seit Wochen kaum geregnet hatte, war er nicht mächtiger als ein mittlerer Bach. Die Uferstreifen zogen sich zu beiden Seiten herbstgelb und öde hin, und auch sonst vermochte Tine nichts Aufregendes zu erspähen.

„Was gibt’s denn?“, fragte sie Jens, der noch immer hinabwies.

„Dort!“, rief er. „Gleich taucht’s wieder auf! Jetzt!“

„Ich seh nichts“, gestand Tine.

Da ließ Jens den Arm sinken und lachte, und die anderen, Jana und die Kichererbsen, sie alle lachten mit.

„Reingefallen, angeschmiert, an der Nase rumgeführt ...“

„Ihr seid ja blöd! So ein Affentheater!“

Es war ein Spiel, ein Scherz. Normalerweise hätte Tine ein wenig gewettert und schließlich mitgelacht, und bald wäre alles vergessen gewesen.

Jetzt aber traten ihr Tränen in die Augen. „Ihr seid gemein! Alle! Und ihr zwei …“ Sie stürzte sich mit den Fäusten auf Jana und Jens.

Die beiden wichen zurück. „Bist du verrückt?“, rief Jens.

„Sie ist neidisch“, sagte Jana.

„Euch wird das Theater vergehn“, stieß Tine hervor, und sie schlug und trampelte, bis Frau Anders eingriff.“

 

Ebenfalls von Dietmar Beetz stammt „Abrechnung am Klosterfriedhof“. Das Buch erschien erstmals 1989 im Verlag Neues Leben Berlin als Band 219 der Reihe „Spannend erzählt“ und spielt in – Vietnam: An einem regnerischen Tag wird in der Nähe von Ho-Chi-Minh-Stadt auf einem Dschungelpfad bei einem Kloster ein Mord verübt. Herbeigeeilte Mönche finden einen niedergestochenen Weißen. Die alarmierten Kriminalisten stehen vor einem Rätsel. Der Tote hat keine Papiere, kein Geld. Wurde er ausgeraubt? Als sich herausstellt, dass er Amerikaner ist, wird der Fall noch brisanter. Zehn Jahre nach Kriegsende die ersten Amerikaner in Vietnam - und nun ein Mord! Einen ersten Eindruck von der spannenden Handlung vermitteln zwei kurze Kapitel vom Anfang des Buches:

„3

Der Abt des Klosters hat auch die Polizei zweier benachbarter Ortschaften benachrichtigt. Der eine Dorfpolizist steht mit vorn bei der Einbiegung auf den Pfad, der andere, dem Worten des Abtes zufolge, unten am Fluss.

„Dank, Ehrwürden, für Ihre Umsicht!“

„Keine Ursache, Herr Hauptmann; wir tun, was in unserer Macht liegt.“

Der Mönch, der die Kriminalisten geholt hat, ist beim Wagen zurückgeblieben. Außer dem Abt begleitet ein zweiter Ordensbruder Thanh und Son. Er trägt eine zischende, hell leuchtende Acetylenlaterne.

„Gutes Licht“, sagt Thanh, froh, die Taschenlampe mit den müden Batterien nicht aus dem Beutel holen zu müssen.

„Licht?“ Der Abt begreift nicht gleich, und dann wendet er ein, leider sei der Brennstoff knapp.

Trotzdem hat er offenbar eine weitere Laterne zur Verfügung gestellt. Thanh bemerkt ihren Schein schon aus einiger Entfernung. Bestimmt der Tatort, denkt er.

Mittlerweile ist ihm klar geworden, dass er die Gegend tatsächlich kennt. Während des Krieges hat er in der Nähe manche Nacht als Partisan verbracht; bei einem der Einsätze war der Trupp, dem er angehörte, sogar über diesen Pfad geschlichen.

Die Kameraden damals ...

Einen von ihnen hat Thanh erst unlängst in der Stadt getroffen: nach einer Festveranstaltung, bei der er selbst unter den Ordnungshütern gewesen war. Pham Long Hanh, ein alter Freund, der Verwegenste und der Berühmteste aus ihrem Trupp und weit darüber hinaus — heute einer der Helden Vietnams, Leiter einer Fischereigenossenschaft am Song Saigon und unübersehbar vom Krieg gezeichnet.

Leutnant Son tippt den Hauptmann an, holt ihn aus den Erinnerungen zurück.

„Hier! Schon wieder!“

Er weist zum Pfad, zu einer lehmigen Stelle, wo ein Absatz, eben erkennbar, einen Abdruck hinterlassen hat.

„Seine Spur!“

„Hast Augen wie ein Tiger“, lobt Thanh, und der Abt bestätigt erstaunt: „Der Tote trägt tatsächlich festes Schuhwerk, keine Sandalen!“

Kurz darauf können sich die Kriminalisten auch davon persönlich überzeugen, und merkwürdigerweise bemerkt Thanh das zuerst, vor allem anderen. Er tritt, von Son gefolgt, an den Leichnam heran und starrt dabei wie gebannt auf die Sohlen, auf die der Schein der Laternen fällt.

Festes Schuhwerk, bestimmt aus Leder, keine Sandalen aus alten Autoreifen.

Der Tote liegt, in den Hüften verdreht, auf dem Bauch. Den rechten Arm hat er wie bei einem letzten, verzweifelten Stoß ausgestreckt. Die Finger sind gekrümmt — eine Hand, halb Kralle, halb Faust.

„Ganz schöner Zweikampf vorher“, lässt sich Leutnant Son vernehmen.

Inzwischen hat auch Thanh die Spuren bemerkt. Der Pfad ist zerstampft, von Schuhen mit Absatz zertrampelt worden. Zwischen den Löchern, den Kerben, den Schürfrillen — da und dort das abgenutzte Profil von Sandalen, wie viele Vietnamesen sie tragen.

„Das wird uns kaum weiterhelfen“, stellt der Hauptmann fest. „Stimmt“, gibt der Leutnant zu, „aber vielleicht lässt sich damit was anfangen?“

Er steht, von einem der Mönche, die den Tatort bewacht haben, aufmerksam gemacht, etwas abseits und beugt sich über einen fingerlangen, matt glänzenden Gegenstand. Thanh tritt hinzu, und die Mönche heben die Laternen, leuchten.

„Sieht wie ein Kugelschreiber aus, wie ein Stück davon“, konstatiert Son, und er streckt die Hand aus.

„Nicht anfassen!“, mahnt Thanh — und an die Mönche gewandt: „Hat jemand von Ihnen etwas berührt?“

„Nein, Herr Hauptmann.“

„Auch den Leichnam nicht?“

„Nein, nicht.“ Und stellvertretend für alle erklärt der Abt: „Wir verfügen über eine umfangreiche Bibliothek. Darin befinden sich auch Werke der Kriminalliteratur. Wir kennen uns also in Ihren Gepflogenheiten ein wenig aus — natürlich nur, um mit unseren Glaubensbrüdern sachkundig reden zu können.“

Thanh nickt zu dieser Erklärung und nimmt dabei den Toten, den er bisher nur flüchtig inspiziert hat, genauer in Augenschein.

Ein Weißer - soviel steht fest; die Haut wirkt im Licht der Acetylenlampen geradezu kalkig.

Alter: schätzungsweise Ende Dreißig.

Größe: etwa eins siebzig, für europäische, australische oder nordamerikanische Maßstäbe also Durchschnitt.

Besondere Kennzeichen kann der Kriminalist weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick entdecken, doch fällt ihm auf, dass die Gesäßtasche der kakifarbenen Hose aufgerissen und offenbar geleert worden ist.

Hat man das Opfer ausgeraubt?

Im Übrigen ist die hemdartige, blutgetränkte Bluse zerfetzt; und neben dem Brustkorb hat sich eine schillernde, von Fliegen umschwirrte Lache gebildet.

Kein schöner Anblick, bestimmt nicht.

4

Hauptmann Thanh und Leutnant Son sind spätabends auf dem Pfad beim Klosterfriedhof angelangt, und bald darauf, noch vor Mitternacht, treffen auch ihre Kollegen, die Spezialisten für Spurensicherung, am Tatort ein.

Sie kommen auf einer alten, klapprigen Jawa.

Die Maschine stammt aus der Kriegszeit, aus einer Sendung im Rahmen einer Solidaritätsaktion. Weit mehr als ein Jahrzehnt hat sie im Monsunregen oder unter stechender Sonne, bei drohendem Taifun oder in drückender Schwüle Dienst getan.

Man merkt ihr ihre Vergangenheit an.

Thanh hört das stotternde Geknatter, das wie chronischer Husten klingt, und spürt plötzlich wieder Kopfschmerzen. Dabei ärgert es ihn, dass die Kollegen den Pfad hergefahren kommen.

Können sie nicht das Stückchen laufen?

Es sind jüngere Männer, beide im Alter von Son. Der Leutnant begrüßt sie mit „Hallo!“, und Thanh denkt: Na, dann …

Er fühlt sich auf einmal zum Umfallen müde.

„Lasst euch nicht stören!“, sagt er zu den Spurenexperten, die sich bereits am Tatort zu schaffen machen. „Leutnant Son wird bei euch bleiben. Ich geh mal runter zum Fluss.“

Der Motorenlärm ist verstummt, und nun bleiben Worte, Gesprächsfetzen, einzelne Zurufe zurück. Bald ist der Hauptmann nur noch von den Geräuschen der Nacht umgeben.

Die Stimmen des nächtlichen Dschungels, das Schnarren, Quaken, Sirren wie damals ...

Wieder muss Thanh an seine Kriegsgefährten denken, und wieder erinnert er sich an Pham Long Hanh. Der war nicht nur verwegen wie kaum ein zweiter, nicht nur tapfer, ja manchmal tollkühn, sondern auch unbekümmert und heiter — ein Kerl, der die anderen mitriss.

Und heute?

Die Erinnerung verschwimmt, und der Hauptmann gewahrt so scharf, wie es im Mondschein Müdigkeit und Kopfschmerzen erlauben, wieder seine Umgebung: den Pfad, der hier abschüssig wird, ein Quaken und Schnarren, das alle übrigen Geräusche übertönt, und seitab zwischen aufragendem Bambus und wirrem Gesträuch ein Glitzern — der Song Saigon.

Kurz vor dem Fluss teilt sich der Pfad — ein Arm, der rechts abbiegt, in Ufernähe verläuft, und ein kurzes, fast überwachsenes Stück, das zu einem Bootssteg führt.

Dort stehen jetzt — Silhouetten vor dem strömenden, glitzernden Wasser — zwei Männer. Der eine ist an seiner Kutte als Mönch zu erkennen; der andere trägt eine alte, ausrangierte Uniformbluse, dazu nach Art der Bauern oder der Fischer eine knielange Hose.

Sicher der zweite Dorfpolizist, denkt Thanh.

Er grüßt, bleibt bei den beiden stehen und schaut hinaus auf den Fluss. Seine Knöchel sind feucht vom Gras, das ihn gestreift hat, und durch die dünnen Sohlen der Sandalen spürt er die Planken der Anlegestelle.

„Wohl von der K?“, fragt der Polizist in einem Ton, der die Neugier nicht verhehlt.

Der Mönch mustert den Fremden gleichfalls gespannt.

Thanh nickt, nennt Dienstrang und Namen.

Nun stellt sich auch sein Amtsbruder, der Dorfpolizist, vor. Dabei nimmt er Haltung an, steht stramm und erstattet dann Bericht: Hier, an dieser Kontroll- und Absperrstelle, sei niemand vorbeigekommen, keiner außer Vuong, ein Fischer der Genossenschaft, der auch Polizeihelfer sei, also absolut zuverlässig. „Er bewacht in dieser Woche die Reusen weiter oben, auf Chotho zu, eigentlich im Wechsel mit Quoc, seinem Bruder, der genauso zuverlässig ist, obwohl ... Heute war er nicht oben, der Quoc, weil er Nachwuchs gekriegt hat und weil’s bei Tag und am Abend nicht so schlimm mit Spitzbuben ist, und ausgerechnet da muss das beim Kloster passieren!“

Thanh hat aufgehorcht, doch das weniger wegen Vuong und Quoc, den Wächtern; die Worte des Polizisten haben ihn aus anderem Grund berührt, in ihm eine Befürchtung geweckt.

„Gehören die Reusen eurer Genossenschaft?“, fragt er und fügt möglichst beiläufig hinzu: „Wie heißt sie gleich?“

„,Reicher Fang‘“, sagt Nam, und etwas verwirrt erklärt er nachdrücklich, die Reusen befänden sich zwar dicht an der Grenze zum Gebiet von Chotho, aber eindeutig und unbestreitbar in den Fischgründen von Chovinh!

Noch hofft Thanh, sich zu irren. „,Reicher Fang‘?“, wiederholt er stirnrunzelnd. „Woher kenn ich den Namen bloß?“

„Bestimmt aus der Zeitung!“, ruft Nam, und er reckt die schmächtigen Schultern. „Der Leiter unserer Genossenschaft ist doch Pham Long Hanh, der Held!“´

 

Erstmals 1981 veröffentlichte Rita Danyliuk im Humboldt-Taschenbuchverlag München „174 + 1 Würfelspiele. Spaß und Unterhaltung mit bekannten und neu erdachten Spielen“: In diesem Band sind 500 Anregungen und Spielvorschläge zum fröhlichen Zeitvertreib gesammelt: Erprobte Spiele aus dem In- und Ausland, Glücksspiele und Denksportausgaben, lustige Rätsel und viele Gesellschaftsspiele zum Ausprobieren auf Partys und im Urlaub. Wer weiß, wie unvergleichlich das eine oder andere Spiel, diese oder jene Scherzaufgabe eine anfänglich vielleicht noch ein wenig steife Erwachsenengesellschaft zu lockern vermag, wird auf den Seiten dieses preiswerten Buches vielfach den Schlüssel zu einem besonders gelungenen Beisammensein finden. Aber zunächst erfahren wir ein wenig aus der Geschichte des Würfelspiels – einem der ältesten Spiele der Welt:

„Das Würfelspiel gehört zu den ältesten Glücksspielen der Menschheit. Im frühen Altertum wurden in kubusförmige Hölzchen, Steine oder Knöchel geheimnisvolle Zeichen geritzt oder geschrieben, die - nachdem die Würfel hoch in die Luft geworfen und wieder aufgefangen wurden - als Orakel von großer Bedeutung waren.

Erst später wandelte sich das Würfeln zum Zeitvertreib.

So heißt es, dass die Lytier das Würfelspiel während einer Hungersnot erfunden hätten.

Auch die Griechen kannten das Würfelspiel. Das zeigt eine alte Amphore, auf der Ajax und Achilles abgebildet sind, beide in ein Würfelspiel vertieft.

Unter den Römern war die Würfelwut besonders groß.

Bekannt ist der Ausspruch Caesars beim Überschreiten des Rubikons: „Alea iacta est“, „der Würfel ist gefallen“ (Wörtlich: „Der Würfel ist geworfen“); und jedem Kind ist bekannt, dass römische Soldaten unter dem Kreuz um die Kleider des sterbenden Jesus würfelten.

Dass die Germanen leidenschaftliche Würfler waren, schrieb schon der römische Geschichtsschreiber Tacitus. Sie verspielten nicht nur Hab und Gut, Haus und Hof, sondern oft auch Frau und Kind.

Im Mittelalter war das Würfeln bei Männern und Frauen gleich beliebt. Die beinernen Würfel wurden aus Tierknochen hergestellt. Wohlhabende Bürger besaßen Würfel aus Elfenbein oder aus einem speziellen Stein gefertigt; oft waren Bilder und Symbole eingeschnitzt. Man nannte sie „Schelmenbeine“, da sich Betrüger und Schelme mit Hilfe von Würfeln oft ein Vermögen ergaunerten.

Die Vorläufer unserer heute gebräuchlichen Würfel hatten vier farbige oder mit Figuren besetzte Seiten; sie allein waren für das Würfelspiel von Bedeutung.“

 

Und gleich anschließend gibt es noch einige hier Hinweise zum Selberbasteln von Würfeln, zu den Allgemeinen Spielregeln sowie ein paar von vielen Beispielen zum Spielen mit einem Würfel:

 

Würfel selber basteln

Ein Würfel ist ein kleiner Kubus aus Bein, Elfenbein oder Plastik. Er kann notfalls auch aus dünnem Karton hergestellt werden.

Sie benötigen dazu:

Dünnen Karton, Lineal, Bleistift, Schere, Alleskleber.

Übertragen Sie die Zeichnung auf den Karton.

Ein Quadrat soll mindestens 1,5 X 1,5 cm groß sein.

Die sechs Felder werden anschließend mit den Augenzahlen 1, 2, 3, 4, 5 und 6 beschriftet und so gefaltet, dass jeweils zwei einander gegenüberliegende Seiten die Summe 7 ergeben.

Es liegen einander daher gegenüber: 1 und 6, 2 und 5, 3 und 4.

Drücken Sie den Falz an den gestrichelten Linien gut an und kleben Sie die schraffierten Teile zusammen. Das ist der fertige, selbst gebastelte Würfel:

Allgemeine Spielregeln

Beachten Sie beim Würfelspiel nachfolgende Regeln. Sie gelten immer, wenn vor Spielbeginn keine andere Vereinbarung getroffen wurde.

- Lassen Sie den Würfel entscheiden, wer das Spiel beginnt. Der Beginner ist derjenige, der den höchsten Wurf hat. Er ist meist im Vorteil.

- Bei zwei gleichen Ergebnissen wird noch einmal gewürfelt.

- Ab der zweiten Runde eröffnet der Verlierer des letzten Spiels.

- Legen Sie die Würfel eigenhändig in den Würfelbecher - das soll Spielerglück bringen - und schütteln Sie ordentlich durch. Die Hand liegt dabei über der Öffnung.

- Stülpen Sie den Becher schwungvoll auf den Tisch, oder lassen Sie die Würfel aus dem Becher auf den Tisch rollen.

- Wiederholen Sie den Wurf, wenn der Würfel vom Tisch fällt, auf der Kante steht, oder wenn mehrere Würfel übereinanderliegen.

- Keine Regel, sondern ein Tipp:

Glück und Pech wechseln im Leben wie im Spiel. Heute hat vielleicht Ihr Spielpartner Glück, morgen Sie. Ein guter Spieler ist aber immer auch ein lachender Verlierer.

Anstelle eines Würfels können Sie auch diesen lustigen Kreisel benutzen, der sich leicht nachbauen lässt. Den Würfelkörper basteln Sie sechseckig, aus 6 gleichgroßen Flächen. Setzen Sie den Kreisel in Bewegung: Hält er an, »kippt« er um. Die Augenzahl gilt, die Ihnen zugewendet liegt (vgl. auch »Der Kreisel«).

Spiele mit einem Würfel

Läuse würfeln

2 und mehr Spieler, Papier und Bleistift, 1 Würfel

Jeder Spieler hat vor sich ein Blatt Papier liegen, auf das er seine bei der ersten Runde gewürfelte Zahl schreibt. Immer, wenn er im weiteren Spielverlauf die auf dem Zettel notierte Zahl wirft, darf er einen Strich von einer Laus zeichnen, die mit insgesamt 13 Strichen darzustellen ist.

Wer seine Laus zuerst auf dem Papier hat, ist Sieger.

Quinze

Beliebig viele Teilnehmer, 1 Würfel

Dieses Würfelspiel stammt aus Frankreich und bedeutet fünfzehn. Jeder Spieler würfelt in einem Zug so lange, bis er die Zahl 15 oder eine knapp darunterliegende Augenzahl erreicht hat. Wer über 15 hinaus würfelt, scheidet aus.

Der Witz dieses Spiels liegt in der Entscheidung vor dem letzten Wurf. Wer zum Beispiel mit 3 Würfen 14 Augenzahlen gewonnen hat, hat nur eine geringe Chance, mit dem nächsten Wurf eine Eins und somit 15 Augenzahlen zu erreichen.

Gewinner ist, wer als erster 15 Augen geworfen hat oder am dichtesten herangekommen ist.

Hin und Her

2 und mehr Spieler, Papier und Bleistift, 1 Würfel

Jeder Spieler hat ein Blatt Papier vor sich liegen und schreibt darauf die Zahlen 1 bis 6. Dann beginnt man reihum zu würfeln. Die erzielte Zahl darf vom Zettel gestrichen werden. Wird sie bei der nächsten Runde wieder gewürfelt, so muss man sie wieder anschreiben. Wer zuerst alle Zahlen durchgestrichen hat, ist Sieger.

Die böse Eins

2 und mehr Spieler, 1 Würfel

Vor Spielbeginn wird die Zahl der Runden vereinbart. Dann beginnt jeder fünfmal hintereinander zu würfeln. Die Summe aus den Würfen wird auf dem Zettel notiert. Wirft man eine Eins, so wird dieser Wurf ungültig und man muss aus dem Spiel ausschei- den. Nur die bis dahin addierte Summe gilt.

Der Partner mit der höchsten Gesamtsumme ist Sieger.

Plus-minus

2 und mehr Spieler, 1 Würfel

Jeder Spieler würfelt zehnmal. Die Augen der Würfe eins und zwei werden zusammengezählt; das Ergebnis des dritten Wurfes wird davon abgezogen. Wurf vier und fünf werden wieder hinzugezählt; Wurf sechs ist abzuziehen. Wurf sieben und acht dürfen wieder addiert werden; Wurf neun bitte abziehen und Wurf zehn nochmals addieren. Sieger ist, wer das höchste Resultat erreicht.

Die verflixte Drei

Beliebig viele Teilnehmer, Papier und Bleistift, 1 Würfel

Jeder Spieler würfelt so lange er will und addiert seine Würfe - vorausgesetzt, er hat keine Drei geworfen. Bei einer Drei muss er alle seine vorangegangenen Würfe streichen und den Würfel an seinen Nachbarn weitergeben. Alle bisherigen Würfe werden nicht gewertet. Wer mit dem Würfeln aufhört, bevor er eine Drei hat, hat die Chance, Sieger zu werden; denn der Spieler mit der höchsten Augenzahl gewinnt.“

 

Einladung angenommen? Immerhin kommen jetzt Zeiten, in denen die Abende wieder etwas länger dunkel sind und man nicht mehr ganz so viel draußen sein dürfte. Also vielleicht eine gute Gelegenheit, einmal auf andere Art und Weise für Spaß und Unterhaltung sowie für ein gelungenes Beisammensein zu sorgen – eben mit Würfeln zum Beispiel.

Viel Spaß beim Lesen und Spielen, weiter einen schönen, möglichst goldenen Herbst und bis demnächst.

DDR-Autoren: Newsletter 08.11.2019 - Liebe zum Französischen und zum Flötenspiel, ein Mord im Regen sowie