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Das Theater als Stätte der Demokratie, Orientalische Anekdoten sowie ein verlorener Ochse - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(Pinnow 04.11. 2022) – Wie könnte das Theater der Zukunft aussehen? Gedanken über diese Frage hat sich Gerhard Branstner gemacht, von dem heute alle der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters stammen, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 04.11. 22 – Freitag, 11.11. 22) zu haben sind. Und Branstner hat auch gleich ein paar Stücke geschrieben, die Beiträge für dieses von ihm beschriebene Theater der Zukunft sein könnten. Nachzulesen sind sie in dem Band „Heitere Dramatik. Vom Talisman zum Schwitzbad“.

Spaß und Vergnügen produzieren will sein „Handbuch der Heiterkeit“.

Als eine wahre Fundgrube versteht sich sein Buch „Die Weisheit des Humors. Ein Hausbuch“.

In die bunte Welt des Morgenlandes entführt Branstner mit „Die Ochsenwette. Nach dem Orientalischen geschrieben“.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. In diesem Buch widmet sich der Autor bereits vor nunmehr fast zweieinhalb Jahrzehnten den überlebenswichtigen Themen Klima und Umweltschutz:

Erstmals im Jahre 2000 erschien im Kai Homilius Verlag Berlin „Die Welt in Kurzfassung. Eine Mao-Bibel = Gegenschrift“ von Gerhard Branstner: In 161 Punkten beschreibt der Autor kurz und präzise die Ursache für die Unvermeidlichkeit des Abschieds von der alten Welt, zweitens das große historische Dilemma des Übergangs und drittens die Ursache für die Unvermeidlichkeit der neuen Welt. Vor allem in Erkenntnis der Wirkung des Gesetzes der Einheit von Mensch und Natur.

Einen großen Raum nehmen die Umweltzerstörung und die Kriegspolitik sowie eine Kritik an der damaligen PDS ein. Obwohl bereits im Jahre 2000 erschienen, ist es aber immer noch sehr aktuell. Hier etwas zur Revolution, und zwar der eigentlichen Revolution, wie der Autor sie definiert. Zitiert seien aber unbedingt auch die Punkte 31 und 61:

„I. Die eigentliche Revolution

1 Im Vorwort „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ hat Marx Hegel vom Kopf auf die Füße gestellt, indem er die Produktivkräfte ihnen gemäße Produktionsverhältnisse hervorbringen lässt, die wiederum in ihrer Gesamtheit die reale Basis bilden, auf der sich ein entsprechender politischer, staatlicher etc. Überbau erhebt. Diesen Prozess nennt Marx soziale Revolution.

So richtig dieser Revolutionsbegriff ist, um den Materialismus auf die menschliche Gesellschaft auszudehnen, so verkehrt ist er als Begriff des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus, von der Vorgeschichte zur eigentlichen Geschichte der Menschheit. Aber auf die Besonderheit dieses Übergangs kommt es ja gerade an.

2 Marx hat die sozialistische Revolution stets nur wie die Revolutionen in der Klassengesellschaft verstanden, wie den Übergang von einer Ausbeutergesellschaft zu einer anderen. Auch wenn Marxens unbändige Intelligenz hundertmal diesen zu kleinen Begriff der sozialistischen Revolution übersprungen hat, so ist er hundertmal in ihn zurückgefallen. (Und mit ihm Lenin.) Die sozialistische Revolution läuft genau umgekehrt ab: Der Revolution des Überbaus folgt die Revolution der Produktionsverhältnisse und dieser die Revolution der Produktivkräfte. Jedenfalls im Groben und Ganzen. Und die Produktivkräfte entwickeln sich nicht spontan und in der erwarteten Expressivität. Vielmehr verlangen sie die organisierte Entwicklung sozialistischer Bedürfnisse. Eine bis heute missachtete Dialektik. Auch Marxens Irrtum, den Beginn des Sozialismus in den kapitalistischen Hauptländern zu erwarten, erklärt sich aus dieser Verkehrung, wobei bei ihm noch ein gewisser ökonomischer Automatismus mitspielt.

3 Überdies reduziert sich die Revolution nicht auf die sozialistische. Wir haben es hier mit dem Übergang von der Vorgeschichte der Menschheit zu ihrer eigentlichen Geschichte, mit der eigentlichen Revolution zu tun. Zur eigentlichen Revolution gehören erstens der Prozess der partiellen, gescheiterten oder zeitweilig gelungenen sozialistischen Revolutionen und die verschiedenen Formen des gescheiterten Sozialismus, zweitens der gelungene Sozialismus in seiner ersten Stufe, seine Realisierung unter den überkommenen Bedingungen (siehe die „Muttermale“ in „Kritik des Gothaer Programms“) und seiner zweiten Stufe, seine Realisierung unter den ihm eigenen Bedingungen, und drittens die Herstellung des Kommunismus gemäß den 5 Projektionen der „zweiten Menschwerdung“. Danach beginnt die eigentliche Geschichte. Ohne diesen umfassenden Begriff von der eigentlichen Revolution würde der Fehler der Oktoberrevolution und des „realen Sozialismus“, die Geschichte zu unterfordern, wiederholt. Statt der Marxschen sozialen Revolution geht es um die totale Revolution.

31 Die Umweltzerstörung hat keinen bestimmten Punkt, von dem an die Erde mit einem Schlag nicht mehr bewohnbar ist, vielmehr wird sie zunehmend unbewohnbar werden. Wohl aber kann es einen bestimmten Punkt geben, an dem der Verfall unserer natürlichen Lebensbedingungen in den Selbstlauf übergeht und unumkehrbar wird. Wenn wir diesen Punkt verpassen, können wir uns als Fehlversuch von dieser Welt verabschieden. Und „schuld“ daran sind zwei ganz alltägliche Eigenschaften des Menschen: dass ihm „das Hemd näher ist als der Rock“ und dass er an „des Kaisers neue Kleider“ glaubt. Diese allbekannten und im Normalfall harmlosen Eigenschaften können im Ernstfall des Gesetzes der Anpassung zu tödlichen Eigenschaften werden. Wenn uns zum einen der kleine (nahe) Nutzen wichtiger ist als der große (ferne) Schaden, das Heute wichtiger als das Morgen, kann es morgen zu spät sein. Und wenn wir zum anderen noch lange den Täuschungen der „politischen Kaste“ aufsitzen, noch lange glauben, dass der Henker der Retter ist, sind wir nicht mehr zu retten. Daher ist es überlebenswichtig, diese beiden Eigenschaften konsequent zu analysieren und zu diskriminieren, sie öffentlich und überall und immer wieder bloßzustellen. Als negative Eigenschaften werden beide vom Kapitalismus stimuliert: die erste nährt sich aus dem Egoismus, der Skrupellosigkeit, der Kurzsichtigkeit des schnellen Profits, wodurch der Blick nach vorn, in die Zukunft blockiert wird. Diese Reduktion wird durch die Reduktion der sozialen Vererbung komplettiert, wodurch wir um den Blick zurück, um unsere Herkunft kommen. Ohne Rück-Blick und ohne Vor-Blick sind wir aber bis zur Lebensunfähigkeit verkürzt. Die zweite nährt sich von der in unserer Zivilisation zur Normalität gewordenen Verlogenheit und Heuchelei und hat ihre tiefere Ursache in der Verwaltung des Menschen durch den Menschen und der damit verbundenen Eliminierung des eigenen Denkens.

61 Der dritte Weltkrieg hat bereits begonnen. Und er ist mörderischer als alle bisherigen Kriege zusammengenommen. Er erscheint nur in einer anderen Form. Die Anzahl der Toten in den Kriegen nach dem Zweiten Weltkrieg hat bereits die Anzahl der Toten des Zweiten Weltkrieges überschritten. Der dritte Weltkrieg erscheint aber auch als sozialer Krieg, als Vernichtung von Arbeitskräften in Form der strukturellen Massenarbeitslosigkeit und als jährlich millionenfacher Tod von Kindern und arbeitsfähigen Menschen in der Dritten Welt. Und die Anzahl dieser Toten hat die Toten des Zeiten Weltkriegs ebenfalls schon mehrfach überschritten. Und der dritte Weltkrieg erscheint als Krieg gegen die Natur.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters:

Erstmals 1988 veröffentlichte Gerhard Branstner im Mitteldeutschen Verlag Halle – Leipzig „Heitere Dramatik. Vom Talisman zum Schwitzbad“: Mit dem Ernst sind wir verheiratet, und mit der Heiterkeit gehen wir hin und wieder fremd. Die Menschen sind durch Jahrtausende hindurch gewöhnt, das Leben, die Arbeit, die Politik - und auch die Liebe nur ernst zu nehmen. Selbst den heitersten Akt im Drama der Menschheitsgeschichte, den Sprung aus der Notwendigkeit in die Freiheit, wollen wir ausführen, indem wir nur auf dem ernsten Bein hopsen, so Branstner.

Dies ist die Zwischenbilanz des Autors, dessen Stücke darauf aus sind, den Ernst zu verkehren und Heiterkeit als gesellschaftliche Grundhaltung im Zusammenleben des Menschen mit seinesgleichen, als Ausdruck historischer Souveränität, als Maß menschlicher Kultur durchzuspielen, vorzuahmen. Doch sind die hier versammelten Stücke nicht vorrangig Problem- oder Aussagestücke, sondern Schau-Spiele, dazu angetan, durch die Mittel des Theaters, durch das Spiel des Schauspielers und im Zusammenwirken mit dem Publikum Geselligkeit und Vergnügen zu produzieren. Branstners Sprachkunst, sein kulturvoller Umgang mit Traditionen bereiten sicherlich aber auch Lesevergnügen. Hier Anfang des ersten Stücks und zuvor noch eine Absichtserklärung des Autors, worum es ihm eigentlich geht:

„Meine Stücke haben den Zweck, Anlass und Dramaturgie für ein geselliges Vergnügen, für vergnügliche Geselligkeit zu sein. Das ist in der Tat Strategie, denn das ist die Zukunft des Theaters; und darin ist es durch keine andere Kunst ersetzbar … Wenn aber jeder das Seine beitragen kann, wird das Theater zu einer Stätte der Demokratie und hört auf, eine Anstalt der Belehrung und Bekehrung zu sein.“

DER TALISMAN

Posse mit Gesang nach Nestroy

Personen:

Titus, ein vakanter Geselle

Salome, Gänsehüterin

Frau von Zypressenburg, Witwe

Emma, ihre Tochter

Constantia, Kammerfrau, ebenfalls Witwe

Flora, Gärtnerin, ebenfalls Witwe

Plutzerkern, Gärtnergehilfe

Monsieur Marquis, Friseur

Spund, ein Bierverleger

Georg, Bedienter der Frau von Zypressenburg

Herr von Platt

Notarius Falk

Zwei Gartenknechte

Damen und Herren der Soiree

Auf der Vorbühne vor geschlossenem Vorhang. Schlagartig ausbrechender Wirtshauslärm. Titus kommt wie ein aus der Tür geworfener Zechpreller auf die Vorbühne gerollt. Eine Tür knallt laut zu, der Lärm bricht jäh ab. Titus rappelt sich halbhoch, droht in die Richtung, aus der er gerollt kam, wehrt „Schläge“ ab. Musik setzt ein. Titus singt, dabei abwechselnd drohend und „Schläge“ abwehrend.

KLAGELIED EINES ROTHAARIGEN

Beinah hätt’ ich ihn verhaun,

doch ich darf mir das nicht traun.

Schlag ich wen, so heißt’s allzeit:

rote Haare suchen Streit.

Und die Schuld trifft mich allein.

Spar ich aber meine Schläge,

steck ich die von andern ein.

Da schlag doch der Deibel drein!

Titus steht auf und tritt an die Rampe

Da kannst du nix machen,

das Vorurteil blüht:

Wer rot ist, der hat auch

ein falsches Gemüt,

die Roten sein hitzig

und schnell aufgebracht. –

Ich kenn’ eine Blonde,

die rauft Tag und Nacht.

Und dann eine Schwarze,

ein furchtbarer Drachen.

Doch die Roten sind schuld,

da kannst du nix machen.

Die Roten sind schuld,

das ist jetzt die Mode.

Was für ein Blödsinn!

Ich lach’ mich zu Tode

Titus fällt vor Lachen akrobatisch oder komisch um und geht nach der anderen Seite ab. Das Lachen wird, von der Musik gehoben, schallender und verklingt gleich darauf.

1. Bild

Vorn ein dörflicher Platz: Brunnen mit einer Bank. Dahinter ein Gartenzaun mit Tür; welche in den Herrschaftsgarten führt. Unmittelbar hinter dem Zaun einerseits ein Teil des Häuschens der Gärtnerin mit benutzbarer Tür. Im Hintergrund andererseits eine Ecke des Schlosses mit benutzbarem Fenster in der ersten Etage. Das Hinterteil eines Stellwagens ragt auf die Bühne. Flora und Plutzerkern sind soeben abgestiegen. Plutzerkern nimmt noch ein Gepäckstück herab. Der Stellwagen fährt geräuschvoll ab. Die Pferde sind im Besonderen zu hören. Plutzerkern nimmt die Gepäckstücke auf, setzt sie wieder ab, will sie wieder aufnehmen, kommt aber nicht voran

Flora: Nein, das ist wirklich arg! Das bisserl Weg von der Stadt fünf Viertelstund. Schämen soll sich so ein Stellwagen!

Plutzerkern: Desstwegen heißt er ja Stellwagen, weil er nicht von der Stell kommt

Flora: Da hättest du mit deiner Langsamkeit gut Stellwagen werden könn

Plutzerkern: Das wär mir zu politisch

Flora: ?

Plutzerkern: So a Stellwagn lässt alle Leut aufsitzn: die niedern als auch die hohn. Da tät ich – quietschen – als Stellwagen

Flora: Ich glaub, du hast wieder dein’ witzigen Tag

Plutzerkern: Schimpfen S’ zu, lang wirds nit mehr dauern

Flora: Willst du etwan aus dem Dienst gehn?

Plutzerkern: O nein, aber Sie werden gewiss bald wieder heiraten, dann brauchens mich nicht mehr als Gegenstand Ihrer widrigen Laune

Flora: Ich werd mich nie mehr verheiraten, ich bleib meinem Verstorbenen treu

Plutzerkern: Bei Lebzeiten hat ers nie recht glauben wollen

Flora: Was ich brauch, ist ein Gartenknecht. Geh Er zum Gvatter Pölz, der soll mir einen auffinden, einen rüstigen

Plutzerkern: Einen rüstigen – hm, hm

will das Gepäck aufnehmen, Flora will ihm helfen und das kleinste Gepäckstück nehmen, er gibt ihr das größte und so fort

Flora: Mach Er geschwind, langweiliger Mensch! geht durch die Gartentür ab

Plutzerkern: Wies die eilig hat um den rüstigen Gartenknecht – hm, hm! geht ab

Titus tritt summend oder pfeifend auf, in der Melodie seines Auftrittsliedes, pfeift zwischen seinem Selbstgespräch ab und zu und singt ein Versfragment: Ich hab meinen Wohnsitz mit der weiten Welt vertauscht, und die is viel näher, als man glaubt … Man muss nur einen eigenen Kopf haben, und schon fliegt man hinaus – in die weite Welt … Das Vorurteil ist eine Macht, gegen die ein Kopf nichts ausrichtet … Glück und Verstand gehen selten Hand in Hand … Ich wollt, dass mir jetzt ein recht dummer Kerl begegnet, ich sähe das für ein Glück an

Plutzerkern kommt zurück, verharrt, als er Titus sieht: Der Beschreibung nach, die mir der Herr Polz gmacht hat, könnts der sein. Der Wuchs, der Mund, die Augen, die Ohren ganz entsprechend – nur die Haar? zu Titus Sucht der Herr hier sein Brot?

Titus: Ich such Geld, ’s Brot find sich dann schon

Plutzerkern: Is Er ein Schatzgräber?

Titus: Wenn Er mir zeigt, wo einer liegt

Plutzerkern : Oder ist Er gar ein Räuber?

Titus: Bis jetzt noch nicht, mein Talent ist noch in der Bildung begriffen

Plutzerkern: Versteht Er die Gärtnerei?

Titus: Ich qualifizier mich zu allem

Plutzerkern: Er möcht also bei der Gärtnerin-Witwe Gehilfe werden?

Titus: Gehilfe der Witwe? – Ich qualifizier mich zu allem“

Erstmals 1980 erschien ebenfalls im Mitteldeutschen Verlag Halle – Leipzig „Handbuch der Heiterkeit“ von Gerhard Branstner: Dieses Buch will Ursache für Spaß und Vergnügen sein. So erzählt es beispielsweise von verschiedenen Varianten des Größenwahns, verrät in diskret-diplomatischer oder derb-dreister Weise verschiedene Irrwege von Liebes- und Ehekünstlern, spürt Theorien auf, die der Praxis auf die Zehen treten, entwirft fantastische Bilder künftigen menschlichen Zusammenlebens, bricht eine Lanze für die Kunst und gegen die Unkunst der Rede, weiß von Karrieren und deren Umkehrung, vom frohen Umgang mit dem Tod, von Eulenspiegeleien und vielem anderen zu berichten. Gerhard Branstner entdeckt die verschiedensten Formen und Möglichkeiten der Heiterkeit, indem er entgegen gewöhnten Betrachtungsweisen den Ernst in Heiterkeit verkehrt. Es beginnt mit einer Vorrede, in welcher der Autor sein Ansinnen erläutert:

„Verehrter Leser!

Das Buch in Deinen Händen

geht wider allen Strich.

Und darum ist’s geschrieben,

sonst lohnt’s die Mühe nicht.

Es ist nicht von der feinen,

noch von der zagen Art.

An saftigen Gedanken

wird keineswegs gespart.

Und auch viel Heimlichkeiten,

die jeder denkt und tut,

stehn schwarz auf weiß zu Buche.

Uns fehlt es nicht an Mut.

Der Mensch hat Kopf und Beine,

zu denken und zu gehn.

Das Ding in beider Mitten

bleibt ungeachtet stehn.

Doch ohne es wär keiner

von uns in dieser Welt,

weshalb’s von allen Dingen

am besten mir gefällt.

Drum denk ich seiner reichlich

in diesem Buche hier

als Rehabilitierung

und Dank für das Pläsier.

Auch manche heil’ge Sache

wird ohne allen Schein

beschrieben und, wenn nötig,

gestellt vom Kopf aufs Bein.

Und andres wiederum,

das sonst verdeckt genannt,

wird hier direkt bezeichnet.

Dagegen, was bekannt,

erhält manch Gleichnishaftes,

auch wenn es ungereimt,

weil anders als gewöhnlich

und gänzlich neu erscheint.

Die ernstesten der Fälle

sind schlechthin lächerlich

behandelt und zum Spaße

gebracht vors Weltgericht.

Wie überhaupt die Dinge

in Heiterkeit verkehrt

in diesem Buch erscheinen,

was uns am Ende lehrt:

Das Große wie das Kleine

ist ohne tiefem Sinn,

wenn wir nicht endlich finden

das Heitere in ihm.

Dies Weltgefühl alleine

ist unsrer Weisheit Schluss.

Wir gaben’s diesem Buche –

nun lies es mit Genuss!

1 Anekdoten

Anekdoten, nach dem Orientalischen geschrieben

Wenn die Frau zu lange kein Fleisch bekommt

„Geh auf den Markt und kauf etwas Fleisch“, sagte die Frau zu ihrem Mann, „wir haben lange keines gehabt.“

Der Mann ging auf den Markt, doch dort vertrank er das Geld. Am nächsten Tage das gleiche, wieder brachte er kein Fleisch nach Hause. So ging das einmal ums andere.

Nun traf der Mann eines Tages auf dem Markt einen Freund und lud ihn zum Essen ein. Der Freund war einverstanden, und der Mann kaufte zwei Hähnchen. Zu Hause angekommen, sagte er zu seiner Frau: „Dies ist ein Freund von mir, und hier sind zwei Hähnchen. Bereite sie zu: eines für meinen Freund und eines für mich.“

Die Frau wollte zornig werden, doch dann sagte sie: „Wir haben kein Brot im Hause. Geh und besorge welches.“ Der Mann ging, und die Frau bereitete die Hähnchen zu. Dann nahm sie ein großes Messer, trat zu dem Freund und sagte: „Es ist so weit!“

Der Freund bekam es mit der Angst und fragte: „Was soll das?“

„Ich will dir nun die Hoden abschneiden“, sagte die Frau.

„Das ist bei uns so Sitte, wenn ein Freund zum ersten Mal zu Gast ist.“

Der Freund sprang auf und rief: „Ich muss vorher noch einmal hinausgehen, um mein Wasser abzuschlagen!“

Und sobald er hinausgelangt war, rannte er davon.

Die Frau aber aß schnell die Hähnchen auf. Und wie sie gerade damit fertig war, kam der Mann mit dem Brot zurück. Er blickte umher und fragte: „Wo ist mein Freund?“

„Da kannst du auch gleich nach den Hähnchen fragen“, erwiderte die Frau.

Der Mann blickte in den Topf, fand ihn leer und stürzte aus dem Hause. Als er den Freund in der Ferne davonlaufen sah, rief er ihm hinterher: „Lass uns wenigstens eines!“

Da rannte der Freund noch schneller und rief zurück: „Wenn du mich einholst, kannst du sie alle beide haben!“

Also: Ehezwist zeigt Weiberlist

Der außerordentliche Fall

Ein Reisender bat einen Hauswirt um Übernachtung und erhielt ein Zimmer im Erdgeschoss. In der Nacht aber hörte der Hauswirt den Gast im Obergeschoss lachen. Dort befand sich auch das Zimmer der Frau des Hauswirts. Er ging hinein und fragte den Gast: „Was suchst du in diesem Zimmer?“

„Ich habe mich im Schlaf gedreht und bin hierhergefallen.“

„Aber man fällt doch von oben nach unten und nicht von unten nach oben!“

„Deshalb lache ich ja gerade“, erklärte der Gast.

Da packte der Wirt den Mann am Gürtel und warf ihn die Treppe hinab: „Jetzt ist der Fall wieder in Ordnung!“

Also:

Nach oben fallen ist kein Wunder,

du fällst auch wieder ’runter

Der wundertätige Schelm

Ein armer Schelm hatte im Streit einen angesehenen Mann erschlagen und sollte mit dem Leben dafür büßen.

„Wenn ich ein Wunder vollbringe“, sagte der Schelm zum Richter, „wirst du mir dann die Strafe erlassen?“

Der Richter sagte das zu, und der Schelm erklärte: „Ich werde dich, nachdem ich dich getötet habe, wieder zum Leben erwecken.“

Da lachte der Richter und sprach: „Ich erlasse dir die Strafe, aber erlass du mir auch das Wunder.“

Also:

Witz wirkt mitunter

so gut wie ein Wunder“

Erstmals 2002 erschien im Eigenverlag Gerhard Branstner, gefördert durch: Philosophischer Salon e.V., Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, „Die Weisheit des Humors. Ein Hausbuch“ von Gerhard Branstner: Hier sind sie alle versammelt: Der erotische Mensch, der lustige Mensch, der elegische Mensch, der skurrile Mensch, der komische Mensch, der listige Mensch, der sterbliche Mensch, der politische Mensch, der utopische Mensch, der philosophische Mensch, der weise Mensch, der törichte Mensch: Mit der für den Autor typischen Verbindung von Humor und Lebenskunst bringt er den Leser zum Schmunzeln und Nachdenken. Und dazu gibt es zunächst auch eine Bedienungsanleitung für dieses Hausbuch:

„Ohne Wahrheit ist die Kunst,

was die Pflaume ohne Wurm:

ein Ding,

worüber sich kein Mensch aufregt.

Gebrauchsanweisung

Dieses Buch soll der Erbauung dienen, in diesem Sinne ist es ein Hausbuch. Aber es ist auch ein Buch für Rezitatoren, Profis und Hobbyrezitatoren. Darüber hinaus ist es eine Fundgrube für die Kleinkunstbühne. Und auch Komponisten finden hier vielfältiges Material. Das Buch kann also gelesen, gesprochen, gespielt und gesungen werden. Am besten, indem ich eine Rolle annehme, z.B. die des Trunkenbolds, der höheren Tochter, des Bösewichts, des Stotterers usw. und von dieser Rolle aus vortrage.

In anderer Weise enthält das Buch eine philosophische Weltansicht. Wer wissen will, in welcher Zeit er lebt und welche er vor sich hat, kann sich hier Auskunft und Zuversicht holen. Und vor allem ist es eine Weltparodie. Denn wer mit dieser Welt fertig ist, wer sie geistig, politisch und moralisch hinter sich hat, der kann sie nur noch als Parodie nehmen, als Parodie von ihr Abschied nehmen. Und schließlich erfährt der Leser eine literaturhistorische Delikatesse. Bertolt Brecht war ohne Zweifel ein Revolutionär der Literaturgeschichte und ein Revolutionär auf dem Theater. Seine Methode, die Darstellung, das Dargestellte der progressiven Kritik preiszugeben, hat über viele Jahre und viele Länder Wirkung gezeigt. Aber wer diese Welt hinter sich hat, wer mit ihr fertig ist, der hat die Kritik über. Er will eine positive Haltung einnehmen. Und die positivste Haltung ist das Spiel. Folglich stelle ich nicht dar, um das Dargestellte der Kritik preiszugeben, sondern um es dem Spiel preiszugeben. Im Spiel setzen wir alle unsere Wesenskräfte frei. Es ist die höchste Verwirklichung des Menschen. Das hat schon Schiller geahnt. Nur gewusst hat er es nicht. Die Zeiten waren nicht ernst genug. Die ernstesten Zeiten bedürfen der größten Heiterkeit. Das ist nicht paradox. Das ist Dialektik. Ohne Heiterkeit aber ist das Spiel nicht möglich. Dieses Buch ist ein Exempel der vielfältigsten Heiterkeit. Als Voraussetzung der hohen Kunst des Spiels.

1. Der erotische Mensch

Ein Kleiner ist besser als keiner

***

Ein Obstgärtner, ein Lagerhalter und ein Totengräber loben ihre Frauen

Der Obstgärtner:

Was hab ich nicht versucht,

die Stare zu verscheuchen.

Doch jetzt, so will mir deuchen,

sind sie aus meiner Welt.

Ich habe meine Frau

als Scheuche aufgestellt.

Der Lagerhalter:

Mein Weib, das ist drei Zentner schwer

und misst dasselbe längs wie quer.

Drum teilt man es in Zonen,

will man die Augen schonen.

Der Kopf ist einem Kürbis gleich,

die Augen sind verquollen,

das Kinn hat Kinn und Kinneskinn,

da ist der Hals verschollen.

Der Busen ist kein Busen mehr

und auch kein Meeresbusen,

da können ganze Völkerscharn

zur gleichen Zeit dran schmusen.

Dieses Massenmedium

hängt gewaltig lang herum,

was beim Tanz Verdruss erregt,

weil es an die Schenkel schlägt.

Vor den Beinen muss ich warnen,

denn was zwischen diesen klafft,

hat schon manchen unerfahrnen Mann

samt Hut dahingerafft.

Ja, mein Weib, das ist 'ne Tolle,

wo du's greifst, greifst du ins volle.

Ja, mein Weib, das ist ein Trumm.

Und ich hüpfe um es rum

und ruf andermal ums eine:

Alles meine! Alles meine!

Der Totengräber:

Auch wenn es unbegreiflich ist,

ich lieb mein Frauchen sehr.

Und wenn es erst gestorben ist,

dann lieb ich es noch mehr.

So sprachen die drei Männer

als wahre Frauenkenner.

Und auch zum guten Schluss

spricht jeder (weil er muss):

Ich lobe mir die meine

und brauche weiter keine.

Ein Mann ohne Weib ist ein Deckel ohne Topf

***

Erstmals 1980 veröffentlichte Gerhard Branstner im Hinstorff Verlag Rostock „Die Ochsenwette. Nach dem Orientalischen geschrieben“: In diesen nach verschiedenen alten Quellen neuerzählten Anekdoten ersteht die bunte Welt des Morgenlandes, eine Welt der armen Schelme und gerechten Richter, der weisen Derwische und anmaßenden Würdenträger, der listigen Diebe und habgierigen Wesire: gleichnishafte Geschichten von großen und kleinen menschlichen Torheiten, heute so gültig wie gestern.

Gerhard Branstner möchte auf diesem Weg die Weisheit fast vergessener orientalischer Literatur für die Gegenwart produktiv machen. Die vorliegende Ausgabe bietet dem Leser die Möglichkeit, die Neufassungen mit den im Anhang abgedruckten Vorlagen zu vergleichen.

Vor allem aber will dieses Buch Vergnügen bereiten, wie schon die folgende Anekdote zeigt:

Während einer Jagd bemerkte der König einen Vogel, der auf einem Baum saß. Der König legte einen Pfeil auf und sagte: „Diesen Vogel werde ich töten. Ihr sollt sehen, dass auch ein König etwas von der Jagdkunst versteht.“

Der König schoss den Pfeil ab, der Vogel flog aber unberührt davon.

„Wie tierlieb ist doch unser König!“ rief da ein Höfling. „Obwohl es ihm ein leichtes gewesen wäre, den Vogel zu töten, hat er es nicht übers Herz gebracht und schoss absichtlich daneben.“

Der König schenkte dem Höfling einen Blick der Dankbarkeit.

Das missfiel einem anderen Höfling, und er sagte: „Der König muss sehr tierlieb sein, denn er hat sehr weit danebengeschossen.“

Da mussten alle lachen, und der König behauptete niemals wieder, etwas von der Kunst des Jagens zu verstehen. Und hier noch ein paar andere Anekdoten, darunter zuerst die titelgebende:

„51. Die Ochsenwette

Als ein für seine Begehrlichkeit bekannter Wesir einmal Audienz gab, trat ein Mann mit einem Huhn in der Hand vor ihn hin. Nach seinem Anliegen befragt, erklärte er: „Ich habe in Eurem Namen mit einem Freunde gewettet und dieses Huhn gewonnen. Nun möchte ich es Euch überreichen.“

„Da du in meinem Namen gewettet hast“, erwiderte der Wesir, „ist es nur rechtens, dass ich den Gewinn erhalte.“ Und er nahm das Huhn an.

Am anderen Tage trat der Mann wieder vor den Wesir, diesmal trug er ein Schaf in den Händen. „Ich habe“, erklärte er, „auch heute in Eurem Namen gewettet und ein Schaf gewonnen.“ Der Wesir freute sich und nahm auch das Schaf entgegen.

Am dritten Tage erschien der Mann abermals zur Audienz, doch diesmal mit leeren Händen. „Hast du“, fragte der Wesir, „heute nicht in meinem Namen gewettet?“

„Doch“, sagte der Mann, „um einen Ochsen. Aber diesmal habe ich verloren. Und nun bitte ich Euch, mir den Ochsen zu geben, damit ich Eure Schuld begleichen kann.“

Der Wesir war ziemlich verdutzt, doch dann besann er sich und sagte: „Die Lehre, die du mir erteilt hast, ist den Ochsen wert. In Zukunft aber tue nichts mehr in meinem Namen, sonst wirst du es sein, dem eine Lehre erteilt wird.“

Also: Wer seiner Sache nicht vertraut,

gern auf große Namen baut

52. Der wahrhaftige Schildbürger

Ein unter die Söldner geratener Narr streckte, als es zum Kampfe gegen eine Festung ging, seinen Schild weit von sich und konnte sich nicht genug wundern, als einige der Steine, die von den auf der Festungsmauer postierten Verteidigern herabgeworfen wurden, seinen Kopf trafen.

„Was seid ihr doch für Narren“, rief er zu den Verteidigern hinauf. „Wozu halte ich euch den Schild hin, wenn ihr mir die Steine an den Kopf werft!“

Also: Zeigst du deinen Schutz,

ist er dir nichts nutz

53. Die gewitzte Gärtnerin

Zwei Kaufleute taten ihr Geld zusammen in einen Beutel, um auf gemeinsame Rechnung in der Hauptstadt Waren einzukaufen. Auf dem Wege dahin kamen sie an einem herrlichen Garten vorbei, durch dessen Mitte ein klarer Bach floss. Die beiden beschlossen, sich an dem Bache Gesicht und Bart zu waschen, und übergaben den Geldbeutel der Gärtnerin zur Aufbewahrung, die ihn ins Haus trug.

Die Kaufleute wuschen sich Gesicht und Bart, und danach wollten sie sich kämmen. Da sie aber keinen Kamm bei sich hatten, erbot sich der eine, darum zur Gärtnerin zu gehen. Statt aber um einen Kamm zu bitten, forderte er der Gärtnerin den Beutel mit dem Gelde ab. Die Gärtnerin jedoch war eine gewitzte Frau und wollte den Beutel, da sie ihn von beiden empfangen hatte, auch nur beiden herausgeben. Aber auch der Kaufmann war nicht ohne Witz, und er rief seinem Gefährten zu: „Sie will ihn mir nicht geben, wenn du es nicht auch willst!

Der andere dachte natürlich nur an den Kamm und rief zurück, dass er es auch wolle. Da gab die Frau den Beutel heraus, und der Kaufmann machte sich eilig davon. Der andere aber wartete auf den Kamm, und als es ihm endlich zu lange dauerte, ging auch er zu der Gärtnerin und erfuhr nun von dem Betrug. Und da er nicht viel besser als sein entlaufener Gefährte war, wollte er sich an der Frau schadlos halten und brachte sie vor den Richter.

„Diese Frau“, so erklärte er dort, „hat das Geld von uns beiden erhalten, also hätte sie es auch nur uns beiden zurückgeben dürfen.“ Der Richter verurteilte daraufhin die Gärtnerin zu vollem Ersatz. Die Frau war über diese Entscheidung so bestürzt, dass sie für einen Augenblick ihren Witz vergaß. Doch als der Augenblick vorüber war, entgegnete sie dem Richter: „Der Kaufmann beschuldigt mich, dass ich das Geld nur einem gegeben habe. Also werde ich es beiden geben. Anderes kann er rechtens nicht von mir verlangen.“

Dem konnte der Richter nicht widersprechen, und er beschied den Kaufmann, seinen Gefährten beizubringen, da anders die Frau ihre Schuld nicht begleichen könne. Der Kaufmann raufte sich die Haare und wusste nicht, wohin er sich wenden sollte. Die Gärtnerin aber gab ihm einen Kamm mit auf den Weg.

Also: Gewitztheit hilft nicht immer,

doch ohne sie ging’s schlimmer

54. Der weltfremde Dieb

Ein Dieb stieg des Nachts in die Hütte eines armen Mannes ein, um Wertsachen zu stehlen. Als der Mann aufwachte und den Dieb bemerkte, gab er ihm eine Kerze und sagte: „Wie willst du im Dunkeln finden, was ich am hellen Tage vergebens suche.“

Also: Nur die allerdümmste Laus

sucht sich einen Kahlkopf aus

55. Der allzu bescheidene Dieb

Ein Kaufmann hatte sein Lebtag an nichts anderes als an den Gelderwerb gedacht. Nun, da er alt und schwach geworden war, dachte er an dieses und jenes und auch daran, sich wohl zu verheiraten. Er wurde auch bald mit einem anderen Kaufmann einig und nahm dessen Tochter zur Frau. Diese aber war jung und hübsch und ekelte sich vor dem alten Manne, weshalb sie ihm auch stets den Rücken zukehrte, wenn beide das gemeinsame Lager einnahmen.

Eines Abends aber drang ein Dieb ins Haus, und die Frau geriet, sobald sie ihn erblickte, in Furcht und schloss ihren Mann fest in ihre Arme. Der war darüber sehr erfreut und zitterte vor Entzücken. Nach einer Weile erblickte aber auch er den Dieb und erkannte in ihm die Ursache seiner Wonne. Da erhob er sich von dem Lager und flüsterte, sodass es seine Frau nicht hören konnte, dem Dieb zu: „Ich verdanke dir ein nicht mehr erwartetes Glück. Nimm alles, was ich habe, es ist dein.“ Doch dann besann er sich und sagte: „Trag aber nicht alles mit einem Mal fort. Komme morgen und die folgenden Tage um die gleiche Zeit wieder und nimm immer nur ein Teil, so hast du es leichter.“

Der Dieb war es zufrieden und nahm sich eine Handvoll Münzen aus der Kassette, um die folgende Nacht eine andere Handvoll zu nehmen und so fort. Und immer wurde dem alten Manne ein großes Entzücken zuteil. Die Kassette war jedoch noch nicht zur Hälfte geleert, da erhob sich der alte Mann, als der Dieb einen seiner üblichen Besuche machte, von dem Lager und sagte: „Jede Nacht ein Dieb im Haus, das geht über meine Kräfte. Sei nicht so bescheiden und nimm den Rest des Geldes mit einem Mal.“

Also: Zu später Beginn

bringt keinen Gewinn

Und: Zu langer Anlauf

frisst die Kraft auf“

Womit wieder einmal eine der wichtigsten Thesen von Gerhard Branstner Bestätigung findet, dass Bescheidenheit nicht unbedingt eine erstrebenswerte Eigenschaft ist – vor allem allzu große Bescheidenheit. So schrieb er bereits an anderer Stelle:

Die unmoralische Tugend

Als Nepomuk hörte, wie einmal mehr das Lob der Bescheidenheit gesungen wurde, rief er aufgebracht: „Wer seine Fähigkeiten unter dem Mantel der Bescheidenheit verbirgt, erschwert ihren richtigen Einsatz oder macht ihn ganz unmöglich. Daher ist Bescheidenheit nichts als Drückebergerei!“

In diesem Sinne viel Vergnügen mit den verschiedenen Lese-Angeboten des heutigen Allein-Autors G.B., weiter einen schönen Herbst und bleiben auch Sie weiter vor allem schön gesund und munter und im Sinne dieses Newsletters heiter und bis demnächst.

Und zum guten Schluss gewissermaßen als Zugabe noch eine typisch Branstnersche Theateranekdote:

Wissenschaftliches Theater

Nepomuk hörte von der Unzufriedenheit einiger Leute darüber, dass aus den Theaterstücken nicht hervorgehe, welche Gedanken der Dichter den Werken anderer Autoren entnommen habe. Um diese Kritiker zufriedenzustellen, schrieb Nepomuk ein Stück, in dem eine Fußnote auftrat, welche die Herkunft aller nicht absolut originalen Gedanken angab. Für diese Rolle war ein berühmter Charakterdarsteller verpflichtet worden.

Nach der Aufführung äußerten die betreffenden Kritiker ihre Zufriedenheit. Nur, so bemängelten sie, gehe aus dem Stück nicht hervor, woher der Autor den Gedanken mit der Fußnote habe.

DDR-Autoren: Newsletter 04.11.2022 - Das Theater als Stätte der Demokratie, Orientalische Anekdoten sowie ein