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Lob der Klugheit, Träume vom sorglosen Leben und die Wunderwelt des Meeres - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(Pinnow 12.05. 2023) – Wie lässt sich eigentlich Stärke definieren? Eine Antwort auf diese Frage, die auch mit Löwengebrüll und die viel mit Angst zu tun hat, gibt es im fünften und letzten der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die wie immer eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 12.05.23 – Freitag, 19. 05. 23) zu haben sind. In „Der Löwe mit der besonders schönen langen Mähne“ erzählt Kurt David von einem Tyrannen in Löwengestalt, dem scheinbar niemand gewachsen ist.

Wer hat noch nicht vom sorglosen Leben geträumt? Um solche und andere Träume sowie um ein böses Erwachen geht es in „Westindienfahrer. Eine Seeräuberballade“ von Ulrich Frohriep. Frohriep. Frohriep? Diesen Namen haben wir doch schon mal gehört. Das stimmt. Denn der Schriftsteller Ulrich Frohriep, geboren am 18. November 1943 in Rostock, der gleich mit vier seiner Bücher im heutigen Newsletter vertreten ist, ist der jüngere Bruder des Schauspielers und Synchronsprechers Jürgen Frohriep. Der zu DDR-Zeiten sehr bekannte und beliebte Darsteller – so löste er als Polizei-Oberleutnant Hübner in der TV-Krimireihe „Polizeiruf 110“ insgesamt 66 Fälle – war am 28. April 1928 in Rostock geboren worden und starb am 13. Juli 1993 einsam in Berlin. Nach der Wende waren die Rollenangebote ausgeblieben. Nachdem die ARD 1993 die Weiterführung des „Polizeirufs 110“ beschlossen hatte, kehrte Frohriep für den Fall „Keine Liebe, kein Leben“ (1994) ein letztes Mal als Oberkommissar Hübner auf den Bildschirm zurück. Die insgesamt 165. Folge war im Sommer 1993 in Leipzig und Umgebung gedreht worden und wurde im November 1994 ausgestrahlt – da war Frohriep schon tot.

Und damit zurück zu seinem jüngeren Bruder Ulrich Frohriep, dem Schriftsteller, und zu drei weiteren seiner Bücher:

Die Kriminalerzählung „Was immer euch versprochen wird oder Vielleicht sollten wir anfangen zu beten“ erzählt von Menschen, die Verbrechen begehen und Verbrechen zum Opfer fallen. Verbrechen, die der Einzelne nicht immer als solche erkennt, wenn sie gesellschaftliche Normalität, Norm, geworden sind. Die 10 Gebote haben offenbar ihre Bedeutung und Ordnungsmacht verloren.

 

„Simon und die Nixe Thalassia“ ist eine Entführungsgeschichte – eine Entführung in die Wunderwelt des Meeres. Darin kommen unter anderen natürlich die kleine Nixe Thalassia und ihr Vater, Meeresgott Poseidon, vor, sowie Simon, ein Rostocker Junge, und dessen Bruder, zudem ein versunkenes Schiff und eine Glocke.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Krieg und Frieden – das waren auch schon zu früheren Zeiten Themen, die die Menschen bewegten. Einer der schlimmsten Kriege, die je in Europa tobten, war der Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert. Zwischen 1618 und 1648 wurde gekämpft und getötet, gebrandschatzt und verwüstet, gefoltert und vergewaltigt, geraubt und verschleppt, ehe der „Der Westfälische Friede“, die berühmte Pax Westphalica, dessen zwei am 24. Oktober 1648 in Münster und Osnabrück geschlossene Friedensverträge dem großen Schrecken endlich ein Ende setzten – auch wenn die Kriegsfolgen noch jahrzehntelang nachwirkten. Um die gesamteuropäische Bedeutung des Westfälischen Friedensschlusses zu würdigen, hatte die EU-Kommission übrigens im April 2015 die Rathäuser von Münster und Osnabrück als Verhandlungsorte mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet.

Mitten in dieser schlimmen Zeit lebte und wirkte auch eine Frau, der sich Ulrich Frohriep in einem hier eher selten anzutreffendem literarischen Genre nähert: „Dichtung, Liebe, Tod“ ist ein Theaterstück – „Ein Theaterstück über die vergessene Dichterin Sibylla Schwarz (1621-1638)“. Sibylla Schwarz ist, zumindest in Deutschland zu Unrecht vergessen - fast vergessen muss man sagen, zumal es erfreulicherweise nicht zuletzt im Umfeld ihres 400. Geburtstages vor zwei Jahren auch hierzulande in jüngster Zeit verschiedene Versuche gab, ihren Namen und ihre Bedeutung wieder stärker in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken.

Die Poesie der Sibylla Schwarz reflektiert die harte Zeit inmitten des Dreißigjährigen Krieges, von dem sie weder den Anfang noch das Ende erlebte. Greifswald war damals zuerst durch Wallenstein, später durch die Schweden besetzt. Wichtige Themen ihres Werkes bildeten Freundschaft, Liebe, Krieg und Tod. Sie beweisen außerdem ihre für ein Mädchen der damaligen Zeit ungewöhnliche Bildung.

Ein anderer berühmter Mann, der Polyhistor Daniel Georg Morhof, hatte 1682, also 44 Jahre nach dem Tode der in Greifswald geborenen und gestorbenen Bürgermeisterstochter und großen Barockdichterin, folgendermaßen lobend über Sibylla Schwarz geurteilt:

„Vor allen Dingen muß allhier nicht vorbey gegangen werden, daß wir in Teutschland Frauenpersonen gehabt, und auch noch zur Zeit haben, die die Männer selbst in der Tichtkunst beschämen können. Umb das Jahr 1638 lebte Sibylla Schwartzin ... Diese war traun ein Wunder ihrer Zeit, denn sie hat von dem dreyzehenten Jahre ihres Alters bis zum siebenzehenden, worinnen sie seeligen Todes verblichen, Verse geschrieben, die vor solche zarte Jugend, und zwar eine Jungfer, unvergleichlich sind.“ Wenn das kein Grund ist, sich einmal näher mit ihr und ihrem Werk zu beschäftigen …

Wie auch Morhof schreibt, war Sibylla Schwarz nur 17 Jahre alt geworden. 1638 erkrankte sie plötzlich an der Ruhr und starb am Hochzeitstag ihrer älteren Schwester, der ihr letztes Gedicht gewidmet ist:

Ich habe dir Unrecht getan, Judith. Du bist fortgegangen. Du hast dich in einen Mann verliebt, so wie es deiner Bestimmung entsprach. Wie es auch meiner Bestimmung hätte entsprechen sollen. Auch ich glaubte, mich in einen Mann verliebt zu haben. Wie kann ich dir einen Vorwurf machen. Obwohl …

Als seine Frau gestorben war, ich ließ einige Zeit verstreichen, da ging ich zu ihm. Ich hatte mein schönes Kleid angezogen, ging die Straße hinauf, ich wurde immer aufgeregter. Ich wollte es ihm sagen. Ich wollte ihm sagen … Ich machte die Tür auf, sah weitere Türen. Eine stand offen. Ich ging darauf zu, blieb stehen, ich hatte eine Bewegung bemerkt, einen Schatten, einen Schatten, der bewegte sich auf und ab, ganz langsam, langsam auf und ab.

Ich tat noch einen Schritt – dann …

Ich biss in die Faust, um nicht aufzuschreien, ich ging einen Schritt rückwärts, noch einen und noch einen, drehte mich um und lief, riss die Haustür hinter mir zu – sollten sie sich erschrecken, wie sie mich erschreckt hatten.

Am Abend erklärt er, bei uns zu Hause, er heirate Elisabeth von Stetens, da doch seine Kinder eine Mutter brauchten. Und bittet mich um ein Hochzeitsgedicht.

Ja, Judith, er bittet mich um ein Gedicht zu seiner Hochzeit.

Das soll er kriegen!

Sibylla lacht. Musik, Tanz

Was gilt es Jungfrau Braut?

Was gilt es nun? Ich wette,

daß euer Herze spricht:

Oh, lasset uns ins Bette.

Gebt nur dem Herzen nach,

so ist die Wette mein,

ob zwar noch jetzt der Mund

dazu sprich lauter Nein.

Gebt nur dem Herzen nach,

was will der Mund doch machen?

Die Augen sprechen selbst,

sie können nicht mehr wachen.

Gebt nur dem Herzen nach!

Seht, Hymen ist bereit,

er hat das Fackellicht und spricht,

es seie Zeit.

Geht, gebt nur dem Herzen nach,

wir wünschen euch daneben

Ein langes, glückliches

und auch ein fruchtbar Leben!

Geht, gebt nur gute Nacht

und heilt die Wunden zu,

enthaltet euch nicht mehr

der angenehmen Ruh.

Gebt mir nur willig nach,

gewonnen ist die Wette:

Ihr seid doch gar zu krank,

drum gehet nur zu Bette

Erstmals 1978 erschien in Der Kinderbuchverlag Berlin „Der Löwe mit der besonders schönen langen Mähne“ von Kurt David. „Es war einmal ein einsamer Löwe mit einer besonders schönen langen Mähne, der den hellen Tag immerzu faul und träge unter dem grünen Blätterdach eines großen Baumes verbrachte. Sobald jedoch die Sonne untergegangen war, brüllte er: ‚Ich bin der König der Tiere!‘

Hatte er das ein-, zwei- oder auch dreimal hinausgebrüllt, verstummten alle. Selbst die Vögel schwiegen in den Büschen, und die Furcht drang bis in ihre Nester.

Die Stille war so ungeheuerlich und tief, als seien die Tiere bereits durch das schauerliche Gebrüll getötet worden.“ Niemand traute sich dagegen aufzubegehren und Widerstand zu leisten. Niemand? Nein, das ist nicht ganz richtig. Denn ist gibt doch jemanden, der sich diese Löwenherrschaft nicht weiter gefallen lassen will und deren Ende plant. Aber wie soll das funktionieren? Die schöne Geschichte von Kurt David kann auch und vor allem als ein Lob der Klugheit gelesen werden und als eine etwas andere Definition von Stärke. Viel Vergnügen beim Lesen und bei diesem Auszug:

„Wegen dieser wahnsinnigen Maus werden wir jetzt alle die Rache des Löwen erleiden müssen und getötet werden.“

Um den Hohn auf die Spitze zu treiben, sagte der Löwe: „Eine übergeschnappte Maus. Na, warte, ich werde dich in einen meiner hohlen Zähne stopfen, und schon ist es vorbei mit deinem vorlauten Gefiepe!“

Die Maus schwieg, senkte ihr Köpfchen, hockte oben auf dem Höcker so traurig, wie es irgend ging, weinte sogar einige Tränen, um vorzutäuschen, wie traurig und ängstlich sie war.

„Seht sie euch an“, brüllte der Löwe jetzt den Tieren zu und schnalzte mit der Zunge, fletschte die Zähne, rollte die bösen Augen, hob die rechte Pranke, so dass die weiße Scheibe des Mondes für einen Moment verdeckt war, „seht sie euch also an, dieses Großmaul, diese Maus, dieses graue Stückchen Nichts, wie sie heult und zittert, weil ich sie in meinen hohlen Zahn stopfen werde.“

„Ach, wenn es nur das wäre, Löwe“, jammerte das Mäuschen. „Ich bin doch nur deshalb so traurig und weine, weil du nicht mehr lange König der Tiere sein wirst.“ Und erneut kullerten einige Tränen den Kamelrücken herab.

„Sie ist verrückt“, erwiderte der Löwe.

Doch das Mäuschen erläuterte ihm geduldig mit verstellter, weinerlicher Stimme: Wenn er sie in einen seiner hohlen Zähne stopfe, erführe er nicht, wer stärker sei als er, folglich könne er auch den Stärkeren nicht töten. Und wenn er den Stärkeren nicht töten könne, töte selbstverständlich der Stärkere ihn. „Also“, schloss die Maus, „wirst du dann nicht mehr König der Tiere sein, sondern er. Ist es nicht so, Löwe?“

Jetzt schwieg der, der immer so fürchterlich laut gebrüllt hatte, und lief zurück zu seinem großen Baum. Dort trat er ratlos hin und her und her und hin.

Nach einer Weile fragte das Mäuschen: „Warum bist du plötzlich still?“

„Ich denke nach.“

Erstmals 1986 erschien im Hinstorff Verlag Rostock „Westindienfahrer. Eine Seeräuberballade“ von Ulrich Frohriep.

Westindien - Traum vom Reichtum und von der Liebe schöner Frauen. Westindien - Traum vom Leben in Sorglosigkeit.

Dorthin zieht es die Männer, die im Jahre 1640 mit einer holländischen Fleute in die Inselwelt der Karibik eintauchen.

Sie haben den großen Krieg in Europa hinter sich gelassen, sie haben ein Ziel: Santo Domingo, Haiti. Dort sollen sich ihre Hoffnungen erfüllen!

Es kommt anders. Die Fleute gerät in das Feuer spanischer Galeonen, das Wrack erreicht mit Not den rettenden Strand. Die wenigen Überlebenden sind glücklich gelandet: auf Tortuga.

Hier treffen sie auf Geld und Macht, und hier treffen sie auf Amelie und Jaqueline, die schönsten Frauen, denen je ein Bordell gehörte. Und sie begegnen der Liebe, wie es sie nur auf Tortuga gibt.

Aber die Sache hat - begreiflicherweise - einen Haken: Tortuga ist Pirateninsel. Und wollen die Männer ihren Unterhalt verdienen, müssen sie es tun wie alle - auf See: Mit Intrige und Raub und Mord. Mit Kaperfahrt gegen die spanische Silberflotte. Hier nun ein Auszug aus dem spannenden Buch:

Wenn man von der Werft der Brüder Lafitte absah und einigen geräumigen Lagerhallen, die übrigens sorgfältig bewacht wurden, war das Dorf gar nicht so groß. Vielleicht säumten zwei Dutzend Häuser die Straße, aber es waren keine Wohnhäuser eingesessener Bürger. Es gab keine eingesessenen Bürger, wenn man die Händler nicht zählte und die Werftbesitzer. Die Mädchen und die Wirte wohnten und arbeiteten in ihren Wirtschaften. Die Kunden wohnten an Bord ihrer Schiffe und nächtigten höchstens einmal in einem Zimmer an Land. Was allerdings die Ausnahme war. Denn war man vom Palmwein, vom Feigenschnaps, vom Rum berauscht, bedurfte es meist keiner ordentlichen Bettstatt mehr, am Strand lag es sich weich, bis man seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Um dann erneut zu den gebrannten Wassern und Säften, zu Schweinebauch und gebratenen Tauben, zu den betörenden Reizen der Mädchen Tortugas zurückzukehren. Was kümmerten den Mann Geld und Gut. Wie gewonnen, so zerronnen. Wozu hatte man sein Schiff, sein scharfes Messer, wenn nicht von See zu holen, dessen man bedurfte. Was war man auch für ein Kerl.

Seit dem frühen Morgen hatten die beiden Jungen nicht mehr ans Essen gedacht. Doch ein Duft strömte die Straße entlang, da wurden sie sich ihres Hungers bewusst und kehrten ein in das erste, das beste und größte Haus am Platze. In Dominas Haus. Es ging hoch her. Auf den Tischen türmten sich die Speisen: Hühnchen und gebackene Tauben, Schweinekeulen und Rindslenden, Suppen, Früchte, Wein. Joseph musste schlucken. Es wurde geschmatzt und gerülpst und auch mal einer fahren gelassen. Mit einem Wort, es schmeckte, es war zu hören. Dicker Tabaksqualm stand über den Tischen. Im Hintergrund klang zart der Ton einer spanischen Gitarre, ging unter im groben Gelächter angetrunkener Männer.

Martin und Joseph setzten sich eingeschüchtert an das Ende eines Tisches, wagten kaum zu bestellen, erhielten aber doch ihre Portionen und machten sich mit Appetit darüber her: Schildkrötensuppe als Vorspeise, Bataten mit Feigenkäse und Butter, fette Baumtauben mit Ananas, Schweinebraten in Pfeffersoße mit Zitrone, Palmkohl, als Nachtisch Pflaumen, Melonen, Weintrauben. Dazu ein schmackhaftes Bier, dunkel und süß. Es schmeckte ihnen, wie ihnen lange keine Mahlzeit geschmeckt hatte. Ja, Martin konnte sich nicht entsinnen, überhaupt jemals so köstliche Speisen vorgesetzt bekommen zu haben. Joseph verdrehte die Augen. Nun war er schon drei Jahre auf dieser Insel, aber außer Abfallbrocken hatte er nie etwas erhalten.

An den Tischen wurden Reden gehalten. Die Gitarre war verstummt. Neben Martin und Joseph saßen plötzlich Mädchen. Im Dämmerlicht der Schankstube mochten sie für schön gelten. Doch Martin sah genauer hin, sah die aufgedunsene blonde Haut, sah den Puder, die Schminke. Martin bestellte eine Flasche Wein und wandte sich ab. Er hörte zu. Jetzt hatte ein Kerl wie ein Fass das Sagen, schlug sich mit der Faust auf den mächtigen Brustkorb.

„Ich“, dröhnte er, „ich habe die Kugel gewiegt in meinen Armen, habe sorgfältig geladen. Und was soll ich euch sagen, Leute, auseinandergeflogen ist der Spanier wie eine überreife Melone, wenn du sie gegen die Wand klatschst. Geradewegs zur Hölle gefahren ist er in tausend Stücken. Möge jedes einzelne dort schmoren bis in alle Ewigkeit.“

„Du hättest dir man noch vorher die Schiffskasse holen sollen, du Tropf. Das schöne Geld.“

„Ach, pfeif drauf. Wir haben Geld genug. Hier!“ Er zog einen prallen Beutel aus dem Gürtel. „Ich lade euch ein. Wein für alle!“ Schmiss ihn zwischen die Schüsseln und Flaschen, dass es klirrte. „Ein ganzes Fass, vom teuersten!“

Unter dem Jubel der Seeleute rollte das Fass herein. Der Hausdiener beeilte sich, zu oft hatte er schon Püffe und Tritte bezogen.

„Halt“, brüllte der Dicke, „ich mach das, du Schuft.“

Augenblicklich ließ der Diener das Fass fahren. Der Dicke nahm es, stemmte es hoch. „Es ist voll, Leute. Sauft, ihr Lieben, sauft.“ Und ganz behutsam setzte er das Gefäß ab, drückte sanft den Zapfhahn hinein, nahm seinen Becher, und goldgelb floss der Wein. Er roch daran, nahm einen kleinen Schluck, drehte und wälzte ihn auf der Zunge hin und her, schluckte und flüsterte: „Ja, das nenn ich einen Tropfen. Sauft“, brüllte er, „sauft, meine Brüder. Es hat nie einen besseren Wein gegeben, das könnt ihr mir getrost glauben.“

Die Männer gossen, was in ihren Bechern war, unter den Tisch, drängelten zum neuen Fass und tranken auf das Wohl des Spenders. Natürlich standen ihnen die Mädchen in keiner Weise nach, wenn sie vielleicht auch nicht alles austranken, was sie einschenkten, man musste schließlich an das Geschäft denken. Der Wein war verkauft, und wenn das Fass leer war, wurde ein neues bestellt. Das war der Lauf der Dinge. Und außerdem musste man ja wenigstens etwas bei Bewusstsein bleiben, wenn die Männer begannen, begehrliche Blicke um sich zu werfen, sich das oder jenes Mädchen schönguckten. Man musste ja noch arbeiten. Man hatte einen Ruf zu verlieren. Na, prost.

Martin und Joseph hatten sich nicht gerührt. Sie gehörten nicht dazu. Sie wagten nicht einmal hinzuschauen. Da aber die beiden Frauen, die sich zu ihnen gesetzt hatten, sich nun rechts und links an den Dicken schmiegten, saßen sie mit einem Mal allein da.

„Was ist denn mit euch, Kinderchen? Kommt, kommt, hier gibt der dicke Ben einen aus. Vielleicht zum letzte Mal, wer weiß das schon. Wer weiß, vielleicht bin ich es, der morgen über Bord geht mit den Füßen voran. Mit einer Kugel im Bauch oder den Kopf unterm Arm. Was?“ Die Männer ließen Ben hochleben.

2005 erschien im BS-Verlag Rostock die Kriminalerzählung „Was immer euch versprochen wird oder Vielleicht sollten wir anfangen zu beten“ von Ulrich Frohriep.

Jegliche Zeit hat ihre Geschichten. Diese erzählt von Menschen, die Verbrechen begehen und Verbrechen zum Opfer fallen. Verbrechen, die der Einzelne nicht immer als solche erkennt, wenn sie gesellschaftliche Normalität, Norm, geworden sind. Die zehn Gebote gehören der Vergangenheit an. Die Figuren der Handlung allerdings sind erfunden. Sollte jemand glauben, er selbst sei gemeint, ihm sei versichert, er ist es nicht. Er passt nur in ein Raster. Dafür kann der Autor nicht. Er kann nicht dafür belangt werden, dass uns solche Menschen in der Realität begegnen. Und das jeden Tag. Und hier eine Leseprobe:

Armin Meier sprang auf den Steg, streckte sich, sah sich um, erkannte den frischen Morgen, er befand, dass er gesund sei und fit, er lächelte.

Er sah das Aufgebot an Polizeiwagen am Ufer und ging forsch darauf zu. Der Kommissar kam ihm entgegen. Man kannte sich.

Der Kommissar informierte ihn kurz. In der Nacht sei in das Büro der Marina eingebrochen worden, die Einrichtung demoliert, ein wenig Geld gefunden, die Automaten der Duschkabinen geöffnet, die aber funktionierten mit Chips. Ob er etwas gehört habe.

Armin Meier sah jetzt die Staatsanwältin, sein Blick kalt, sah dann dem Krankenwagen hinterher, der jetzt abfuhr. Er möchte noch eins nicht: zurückgewiesen werden.

Der Kommissar sagte: Die Frau muss sie überrascht haben, versehentlich. Wir haben sie zu spät gefunden.

Armin Meier nickte.

Gegen halb drei etwa?

Sie haben was gehört?

Nicht direkt.

Einen Schrei?

Eher Gelächter. Aber wir hatten auch etwas Wind.

Immerhin: gegen halb drei, sagte der Kommissar.

Tut mir leid.

Armin Meier nickte noch einmal bedeutend und ging zu seinem Wagen.

Katharina, die Staatsanwältin, war um vier Uhr aus dem Schlaf gerissen worden, hatte sich in ihr eigenes, heiles Auto gesetzt und war hier heraus gefahren in diese wunderschöne Anlage, in der die neuen Reichen ihre Boote hatten und in der einer Frau die Kehle durchgeschnitten worden war.

Sie kennen ihn? sagte der Kommissar.

Kennen ist zu viel gesagt. Aber mögen, wenn Sie schon fragen, mögen mag ich ihn nicht.

Sie war ihm einmal begegnet, das hatte ihr gereicht.

Das war am Ende einer Gerichtsverhandlung gewesen. Der Saal leerte sich, sie legte ihre Papiere zusammen, schob sie in die Tasche, da kam er auf sie zu, groß, breit, mit watscheligem Gang, nichts konnte ihn aufhalten. Er war ihr sofort unsympathisch.

Ich bin heute Gast im Landgericht, sagte er. Ich bin Armin Meier. Er streckte ihr die Hand hin.

Sie blickte auf, übersah die Hand, und sah ihn wartend an.

Mir ist Ihr Name bekannt, Herr Meier.

Sie machen das gut, sehr gut, sagte er.

Sie schaute ihm aufmerksam in sein rundes, fettes, grinsendes Gesicht und erwiderte nichts.

Darf ich Sie einladen?

Wozu?

Immer noch selbstsicher: Wozu Sie wollen.

Katharina wartete einen Augenblick, dann sagte sie: Ich glaube, ich will nicht.

Sein Gesicht geriet zum Staunen. Das war ihm lange nicht passiert, er wurde abgewiesen, einfach so? Er konnte es nicht glauben. Wer war sie denn! Diese kleine Staatsanwältin, was bildete sie sich ein? Er musste sich überwinden, und seine Niederlage wurde vollständig. Er fragte: Und warum nicht?

Und Katharina antwortete ruhig: Sie fragen das, als ob meine Antwort Ihr Leben verändern würde.

Da war das Grinsen weg, und er drehte sich auf dem Absatz um und ging, und er war noch nicht fertig mit diesem Gespräch.

Sie sah ihn noch öfter, aber irgendwie immer nur von weitem. Und das war ihr recht so.

„Simon und die Nixe Thalassia“ von Ulrich Frohriep erschien 2003 im Scheunen-Verlag Kückenshagen.

Simon, ein Rostocker Junge, hört immer wieder gern und begierig die Geschichten seines Bruders, der ein Seefahrer ist. Stets bringt der von seinen Reisen in abenteuerliche Welten für die ganze Familie etwas mit. Und an jedem seiner Mitbringsel hängt eine spannende Geschichte. Ob er sich die wohl ausgedacht hat? Das kann nicht sein, denn Simon begegnet wirklich der kleinen Nixe Thalassia und ihrem Vater, dem Meeresgott Poseidon. Und da ist dann noch eine Sache mit einem versunkenen Schiff. Und einer Glocke. Der Autor entführt uns in die Wunderwelt des Meeres. Eine kleine Leseprobe:

Poseidon riss die Augen auf, guckte Simon ganz ungläubig an und nahm vorsichtig die Schnecke entgegen. Er sagte nichts. Er hielt sie ans Ohr und lauschte. Er sah hinein. Er sah lange hinein, schüttelte den Kopf, lächelte kaum merklich. Dann steckte er das Kleinod in eine seiner unergründlichen Taschen.

Er sah Thalassia an, dann Simon. Wieder Thalassia. Er sagte: „Was soll ich da sagen?“

„Jetzt siehst du es, Papa“, sagte Thalassia. Sie freute sich, da die Laune ihres Vaters sich offensichtlich gebessert hatte. „Nicht alle Menschen sind schlecht. Simon ist ein Mensch und hat deiner Tochter das Leben gerettet, und er hat dir die Zauberschnecke zurückgebracht.“

Dann sagte sie noch: „Und wer weiß schon, wie das wirklich gewesen ist in der Kneipe da, in die du so gerne gehst.“

Das hätte sie nicht sagen sollen, denn Poseidons Gesicht verfinsterte sich zusehends.

„Thalassia“, sagte er streng, „du sprichst mit deinem Vater! Ich muss mir also deinen Ton verbitten!“

Er sah zu Simon.

„Er mag ja eine Ausnahme sein. Aber!“

Seine Stimme wurde lauter.

„Seit Jahrhunderten machen mir die Menschen das Leben schwer, ich sagte es schon. Es sind ja nicht nur die kleinen Ärgernisse, die Abfälle, der Unrat, die sie mir ins Wasser werfen, nicht wahr? Den Eingang zu meinem Palast haben sie mir verschandelt. Ein Schiff haben sie davor untergehen lassen. Und jetzt liegt das Wrack dort. Immerhin seit fünfhundert Jahren. Und das kränkt mich. Ebenfalls so lange.“

Thalassia hatte den Kopf gesenkt. Ihr Vater hatte recht. Aber was konnte Simon dafür. Sie weinte leise und schneuzte sich. „Komm, Simon, ich bringe dich zurück. Es tut mir leid.“

„Na, na, Töchterchen“, sagte Poseidon, denn er konnte seine Tochter nicht weinen sehen, „wer wird denn gleich …“

Er überlegte, dann sagte er: „Vielleicht ist dein Simon wirklich eine Ausnahme unter den Menschen. Gut, ich will ihm eine Aufgabe stellen. Weiß er eine Lösung, soll er seine Belohnung bekommen.“

Thalassia sah Simon an, wischte sich die Augen und nickte Simon zu.

„Aber die Aufgabe ist schwer. Folgt mir.“

Poseidon schritt auf den Ausgang des Saales zu. Simon ging hinterher, die kleine Nixe schwamm. Es ging den Gang zurück, durch den sie vorher gekommen waren. Kurz vor der Öffnung bogen sie nach rechts ab. Ein paar zersplitterte Planken wurden sichtbar, blieben zurück. Sie aber tauchten in das Dunkel des Schiffskörpers ein.

Poseidon zündete ein paar Fackeln an, gab sie Thalassia und Simon. Er selbst hatte die Schnecke in der Hand, die leuchtete wie ein starker Scheinwerfer.

Und sie sahen: das Schiff.

Sie waren im Laderaum. Darin Fässer, Tonnen, Krüge, aber auch Kanonen und Kugeln dazu. Und dazwischen Schlick und nochmals Schlick.

Auch dieser Newsletter präsentiert nicht nur fünf E-Books aus dem Programm von EDITION digital, sondern er lädt auch wieder zu allerhand literarischen Entdeckungen ein – auf der Erde und im Wasser. Schließlich können wir in einem der Angebote einer kleinen Nixe und Meeresgott Poseidon persönlich begegnen. Und mal ganz ehrlich, wer von den Damen und Herren Newsletter-Abonnenten kannte vor dem Lesen der heutigen Ausgabe Sibylla Schwarz, die Barockdichterin aus Greifswald und ihre Gedichte?

Aber auch die anderen Angebote der heutigen Post aus Godern bieten Anregungen und Gelegenheiten zum Kennenlernen von menschlichen Schicksalen, von Glück und Unglück, von Liebe, Leiden und Tod – kurz der gesamten Fülle des menschlichen Lebens, und das nicht nur in Europa, sondern zum Beispiel auch in Westindien.

Apropos Westindien: Haben Sie eigentlich schon mal darüber nachgedacht, wie es den Menschen „da draußen“ ergangen ist, die von den Europäern entdeckt und oft genug gewaltsam getauft, versklavt und ausgebeutet wurden?

Und wie sieht es heute aus, wenn die „von draußen“ zu uns kommen wollen? Aber das ist schon wieder ein anderes Thema …

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