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Einblicke in eine vielfach verschlüsselte Welt, gestohlene VW und eine Reise nach Darmstadt - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

(Pinnow 31.05. 2024) – Dieses Buch ließ damals aufhorchen, war es doch eines der ersten, das sich kritisch mit dem Leben von Kindern mit Behinderungen in der DDR auseinandersetzte und mit den alltäglichen Schwierigkeiten, mit denen die Eltern dieser Menschen zu kämpfen hatten. Die Rede ist „Hoffnung für Dan“ von Klaus Möckel, das Dans Mutter gewidmet, erstmals 1983 erschien und damals viele Diskussionen auslöste, große Zustimmung und bis in die neunziger Jahre hinein viele Leserinnen und Leser fand. In diesem authentischen Zeugnis, das inzwischen wieder als E-Book bei EDITION digital vorliegt, wird das Heranwachsen des Kindes bis zum vierzehnten Lebensjahr geschildert. Es endet mit dem Wunsch der Eltern, für den Sohn ein zweites Zuhause zu finden, das ihm auch nach ihrem Tod Sicherheit bietet - ein Wunsch, der seinerzeit großen Optimismus erforderte.

32 Jahre später, 2015, folgte die Fortsetzung: „Hoffnung die zweite – Dan und seine Bilder“ von Aljonna und Klaus Möckel. Es ist das dritte der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die eine Woche lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 31.05. 24 – Freitag, 07.06. 24) zu haben sind. Durch „Hoffnung, die zweite“ erfährt der Leser, dass der damalige Optimismus, wenn auch anders als damals gedacht, begründet war. Inzwischen erheblich älter, lebt Dan unter Betreuung in einem Behindertenwohnheim in Potsdam und arbeitet in einer geschützten Werkstatt. Seine Eltern achten darauf, dass der Kontakt erhalten bleibt: Sie holen ihn regelmäßig zu sich und verbringen oft den Urlaub mit ihm.

Dieses zweite Buch ist aber kein weiterer Lebensbericht, sondern eine Sammlung von Bildern, die Dan über die Jahre hinweg geschaffen hat. Mit kleinen humorvollen Geschichten versuchen die Autoren, die Sprache ihres „sprachlosen“ Sohnes zu verdeutlichen, der sich wegen eines frühkindlichen Hirnschadens weder über Gebärden noch über Lesen und Schreiben mit seiner Umwelt verständigen kann. Es entstand ein verführerischer Band voller naiver Kunst und prächtiger Farben, voller dunkelgrüner Wälder, bunter Blüten, japanisch anmutender Zweige, blauer Häuser, roter oder gelber Himmel. Ein Buch vor allem, das dem Betrachter Einblicke in eine vielfach verschlüsselte Welt gewährt.

Der Hintergrund für den erstmals 1989 erschienenen Kinderkrimi von John U. Brownman bildet der Militärputsch in Chile 1973. „Deckname Condor“ war der zweite Band einer auf zehn Bücher konzipierten Reihe, die in US-Großstädten angesiedelt und mit jeweils einem amerikanischen Schriftsteller verbunden sein sollten. In diesem Falle waren es New York und Umgebung sowie Edgar Allan Poe. Und hinter dem Autoren-Pseudonym verbargen sich die beiden DDR-Schriftsteller Hans-Ulrich Lüdemann (1943 bis 2019) und Hans Bräunlich (Jahrgang 1940).

Erstmals 1961 veröffentlichte Heiner Rank seinen immer noch spannend zu lesenden Kriminalroman „Autodiebe“. Oberleutnant Paul Wiener von der Ostberliner Kriminalpolizei wurde erschossen und sein Freund, Leutnant Joachim Marzinek, wurde mit der Ermittlung beauftragt. Der Tod seines Freundes hing sicher mit dessen letztem Fall zusammen, der noch nicht abgeschlossen war und über dessen Ermittlungsstand nur wenige Stichworte aus dem Notizbuch Wieners zu ersehen sind. Nur langsam kommt Marzinek einer Bande von Autodieben auf die Spur. Im geteilten Berlin Mitte der 1950er Jahre werden fast neue Volkswagen in Westberlin gestohlen und zu Höchstpreisen in der DDR verkauft. Ein einträgliches Geschäft, bei dem Menschenleben keine Rolle spielen.

„Bonjour citoyen“ von Ulrich Völkel ist ein „Roman um Georg Büchner“, wie der Untertitel verrät – aber anders als vielleicht gedacht. Die Handlung setzt im Frühjahr 1988 ein, als der Dramatiker Lukas Stadl, DDR, mit dem Zug nach Darmstadt fährt. Das Hessische Staatstheater hat ihn eingeladen, ein Stück über Georg Büchner zu schreiben, das zu dessen 200. Todestag in Darmstadt uraufgeführt werden soll. Die Recherche zu Büchner in Darmstadt, Straßburg und Zürich gerät sehr schnell zu einer Auseinandersetzung des Autors mit sich selbst und seinem Land, aus dem er kommt und dem er sich - freilich mit Abstrichen - verbunden fühlt. Der Schlüsselsatz des Buches lautet: „Was geschieht mit uns, was geschieht mit unserem Land?“ „Bonjour citoyen“ war erstmals 2010 erschienen.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute geht es um einen Widerstandkampf, um einen verzweifelten Widerstandskampf.

Erstmals 1954 veröffentlichte Wolfgang Schreyer im Verlag Das Neue Berlin den ersten Band seines Romans „Unternehmen Thunderstorm“: Dies ist ein Tatsachenbuch über den Warschauer Aufstand. Es schildert Dinge, wie sie waren; es verschweigt nichts. Nach gründlichem Materialstudium schrieb Wolfgang Schreyer diesen packenden Bericht eines von den Engländern geplanten militärischen Großunternehmens, über das jahrelang fast nichts bekannt geworden ist. Wir erleben das Schicksal einer deutschen Flakbatterie, verfolgen den Weg einer kleinen Gruppe britisch-amerikanischer Fallschirmspringer und das Ringen polnischer Untergrundkämpfer. Der Autor enthüllt die Methoden internationaler Spionagedienste, zeigt Generale, Konzerndirektoren und Diplomaten bei der Arbeit, schildert Verhandlungen in Moskau ebenso wie Operationen der Roten Armee.

Durch das ganze Buch weht der heiße Atem einer pausenlosen dramatischen Handlung. In der prallen Fülle ihrer Gestalten und Schicksale ersteht noch einmal eine Welt des Aufstiegs und des Untergangs. Teil 1 schildert die Vorbereitung des Aufstandes.

Und noch ein wichtiger Hinweis: Vom 31. Mai bis zum 28. Juni kann das E-Book „Die Abenteuer der Kriegskinder. Geschichten von Mut und Magie“ von Gisela Pekrul kostenlos heruntergeladen werden: Komm mit ins kleine Dorf Wolteritz, das ganz in der Nähe von Leipzig liegt. Unsere Geschichten beginnen im Jahr 1943, mitten im schrecklichen 2. Weltkrieg. Fast alle Männer waren entweder im Krieg oder schon im Himmel. Die Frauen und alten Männer mussten ganz schön schwer arbeiten, in Fabriken, die Dinge für den Krieg herstellten, oder auf den Feldern.

In der Leseprobe aus "Hoffnung die zweite – Dan und seine Bilder“ von Aljonna und Klaus Möckel erleben wir, wie Dan, anlässlich seines 30. Geburtstags, sein erstes Flugerlebnis genießt und dies ihn künstlerisch inspiriert. Seine Werke, geprägt von den Eindrücken seiner Reisen und der faszinierenden Aussichten aus Flugzeug und Seilbahn, reflektieren bunte, dynamische und manchmal chaotische Landschaften, die aus verschiedenen Perspektiven und Erlebnissen entstehen.

Am Anfang war das Chaos. Das Ungeordnete, Verwirrende: Die Elemente suchten nach Formen und Verbindungen. Hier ist der Pinsel, dort die Farbe – was fange ich damit an? Erste abstrakte Konstruktionen entstehen; Gelb leuchtet auf, von roten, braunen, grünlichen Rändern umgeben, vor allem aber von waberndem Schwarz. Ein anderes Bild zeigt zwei große rote Kugeln, dazwischen das Blau eines Sees und ein Stück Himmel. Ein Gemenge von Rosa, Blau und Grün ergibt andernorts eine bunte Landschaft, die aus der Vogelperspektive gemalt scheint.

   Ist Letzteres dem Blick aus dem Flugzeug zuzuschreiben, wo wir ihm einen Fensterplatz besorgten, wenn wir mit ihm eine Reise nach Süden wagten? Zu seinem 30. Geburtstag schenkten wir Dan dieses Abenteuer zum ersten Mal. Seither ist Fliegen, zumal das nicht allzu oft vorkommt, für ihn das Größte. Dabei fragten wir uns anfangs, ob er nicht Angst bekommen und sich weigern würde, die frühzeitig gebuchte Maschine zu besteigen. Zwar sah er die Flugzeuge ständig hoch über unserem Wohnhaus, aber woher sollte er wissen, dass darin Menschen saßen. Deshalb fuhren wir vor unserem ersten Flug mit Dan nach Tegel und zeigten ihm von der Aussichtsplattform aus das Treiben auf dem Platz: das Heranrollen der Gangway, das Einsteigen und Aussteigen der Passagiere, den Koffertransport, den Start und die Landung der großen metallenen Vögel. Er nahm alles aufmerksam zur Kenntnis und war später kein bisschen unruhig, als es ernst wurde. Auch Serpentinenfahrten mit dem Bus zum Großglockner oder die Seilbahn zur Zugspitze genoss er sichtlich. Manche Wälder auf seinen Bildern könnten aus dieser Sicht gemalt sein. Sein langanhaltendes Staunen beim Blick in die Tiefe gibt jedenfalls Anlass zu derlei Vermutungen.

   Genug der Abschweifungen – andere, offenbar fröhlich bemalte Zeichenblätter zeigen eine Art roter und blauer Gitter, Zinken, die ineinander greifen, irgendwie den Blick fesselnd. Eindringlich auch der Flammenball mit seinen hellen und dunklen Schattierungen, das ganze Blatt ausfüllend, ein purpurner Feuerwirbel, der sich schneller und schneller dreht, ein Tornado, der alles mit sich fortreißt.

In der folgenden Leserprobe aus "Deckname Condor" von John U. Brownman folgen wir Patricio Borges und Jack Light, die ein leerstehendes Haus vorsichtig betreten, um ein Versteck im Keller zu untersuchen. Ihre Entdeckungsreise nimmt eine dramatische Wende, als sie auf einen Brand im Keller stoßen und in eine gefährliche Flucht verwickelt werden, während draußen bereits die Polizei auf sie wartet.

Die Männer erreichen das Haus, das sie geduldig beobachtet haben. Ihre Blicke tasten sorgfältig die Umgebung ab, ehe sie sich in die Ruine wagen. Eingeschlagene oder herausgerissene Türen verweisen darauf, dass sie unbewohnt ist. Der Treppe zu den oberen Etagen fehlen mehrere Stufen.

„Das Versteck kann nur im Keller sein", flüstert Patricio Borges dem Freund zu. Er ist bemüht, über keinen der herumliegenden Steine zu stolpern. Um möglichst jedes Geräusch zu vermeiden.

Langsam schleichen die Eindringlinge weiter. Im zerfallenen Haus ist es totenstill. Der herannahende Streifenwagen ist nicht mehr zu überhören. Die Männer stutzen einen Moment. Doch sie bringen die Polizeisirene in keine Beziehung zu ihrem Vorhaben. Sie erreichen eine halb offene Eisentür, die in den Keller führt. Jack Light zögert kurz. Dann winkt er und begibt sich in das nach unten führende Dunkel.

Die Scharniere sind gut geölt. Kein Quietschen ist vernehmbar, als der Vorangehende die Tür weit öffnet. Eine nochmalige Handbewegung von Jack Light bedeutet dem Chilenen, ihm zu folgen.

Beide verschwinden ins Unbekannte. Alles erinnert an eine Höhlenexpedition ins Innere der Erde. Doch es ist damit zu rechnen, dass ihr Abenteuer weniger friedlich verläuft ...

Patricio Borges riecht es zuerst. „Jack! Vorsicht! Hier brennt es!"

Auch der Schauspieler nimmt nun den Brandgeruch wahr. „Raus, Patricio! Schnell!"

Beide machen kehrt. Sie hasten zurück. Keine Rücksicht mehr darauf nehmend, ob sie Lärm verursachen oder nicht. Hinter ihnen wird es mit einem Schlag beinahe taghell! Eine Stichflamme jagt durch den Kellergang!

Knisternde Feuerzungen werden zu unerbittlichen Verfolgern. Ist an den Wänden brennbares Material gelagert worden? In schwarzen Schwaden breitet sich beizender Rauch aus. Er führt zu Atemnot bei den Flüchtenden. Aber gleich haben sie den ins Freie führenden Ausgang erreicht!

Jack Light stützt den hinkenden Freund. Er reißt Borges in den Erdgeschossflur und wirft die Eisentür hinter ihm zu. Den Flammen ist der weitere Weg versperrt.

Schwer atmend und von Hustenanfällen geschüttelt lehnen die Männer an der Wand. Sie sehen sich an. Wissen nicht genau, was sie von all dem halten sollen.

„Ob Gonzales Gomez noch da drin ist?" Borges ringt nach Luft.

„Du meinst, dass sie auf diese Weise einen unbequemen Zeugen beseitigen wollen?" Ebenso keuchend hakt Jack Light nach. „Denkbar wäre es. Oder?"

„Schon, nur ..."

„Oder war die Falle für uns gedacht?!"

„Dann müssten sie gewusst haben, dass wir ihnen gefolgt sind?", bezweifelt Johns Vater.

Noch bevor der Chilene dem anderen zustimmen oder widersprechen kann, dröhnt eine Lautsprecherstimme:

„Hier spricht die Polizei! Herauskommen! Mit erhobenen Händen! Waffen wegwerfen! Ich wiederhole: Hier spricht die Polizei!"

Schrecken und Staunen zugleich malen sich in den Gesichtern der Freunde. Sie erblicken auf der Straße zwei Streifenwagen. Dahinter haben sich Uniformierte postiert. Die Citypolizisten zielen mit ihren Revolvern auf den Hauseingang. Etwas abseits steht einer der Beamten mit dem Megafon. Seine wiederholte Aufforderung hallt wider an den Häuserwänden.

Das Feuer im Keller lässt die Eisentür rot glühen bis zum Bersten. Es gibt keinen Ausweg für Jack Light und Patricio Borges. Sie müssen auf die Straße hinaus. Sich der Polizei stellen.

In der folgenden Leseprobe aus "Autodiebe" von Heiner Rank beobachtet ein Gentleman, wie ein Paar sein Auto parkt und sich anschließend in ein Café begibt. Während er das Geschehen von der Straße aus verfolgt, schmiedet er mit einem Komplizen Pläne, den achtlos verstauten Autoschlüssel zu entwenden und das Fahrzeug zu stehlen.

Doch plötzlich zeigte sich eine unauffällige Veränderung im Benehmen dieses Gentlemans. Er blieb am Straßenrand stehen, tat, als suche er in seinen Taschen angestrengt nach Zigaretten, und beobachtete dabei einen nagelneuen dunkelgrünen Volkswagen, der sich zwischen die Reihe der wartenden Autos in eine Parklücke schob. Der Fahrer des Wagens trat noch einmal spielerisch auf das Gaspedal, der Kühlluftkompressor heulte hell auf, doch dann wurde der Zündschlüssel gezogen, und der Motor stellte mit einem unwilligen Grunzen seine Arbeit ein. Knackend öffnete sich der Wagenschlag, der Fahrer zog sich am Steuerrad heraus und ließ die Tür hinter sich zufallen. Nachdem er sie verschlossen hatte, ging er auf die andere Wagenseite und prüfte, ob die Dame, die sich inzwischen ebenfalls aus dem Wageninnern herausgearbeitet hatte und wartend auf der Straße stand, die Tür richtig verriegelt hatte.

Der Gentleman am Fahrbahnrand ließ keinen Blick von den beiden. Mit Befriedigung bemerkte er, dass der Volkswagenbesitzer den mit einem Wappenschildchen beschwerten Autoschlüssel achtlos in die Manteltasche steckte. Der Mann hatte seine Dame - Frau oder Freundin oder was sie sonst sein mochte - am Ellbogen gepackt und schob sie vor sich her über die verkehrsreiche Straße. Ein- oder zweimal blickte er sich dabei liebevoll nach seinem Wagen um, wobei die sich ihm anvertrauende Frau fast unter die Räder eines vorbeisausenden Chevrolets gekommen wäre. Der am Straßenrand lächelte ein wenig, als das Paar an ihm vorüberschritt. Mittwoch Familientag. Versicherungsagent Meier führt seine Alte aus, dachte er amüsiert.

Jetzt hatte er endlich sein Päckchen Zigaretten gefunden und hielt es einen Augenblick in der Hand. Kurz darauf trat ein Mann neben ihn, ebenfalls gut gekleidet, aber mit einem stumpfen, brutalen Gesichtsausdruck. „Die beiden dort“, wurde ihm zugeflüstert. Eine kaum merkliche Kopfbewegung wies die Richtung.

Der andere spähte nach links. „Der im gelben Kamelhaarmantel?“

„Stimmt! Lasst sie nicht durch die Lappen gehen. Den Schlüssel hat er in der rechten Manteltasche. Und sag Orje Bescheid.“

„Okay!“ Der zweite nickte und sah dem Pärchen nach, das eben durch die Drehtür des Cafés Schilling verschwand. Dann wandte er sich ab und schlängelte sich durch die langsam dahinprominierenden Menschenmenge. Bald tauchte er in dem dunklen Hauseingang neben dem Café unter.

Wenig später betrat ein kleiner Mann, dessen Windmühlenohren ein abgrundhässliches Gesicht einrahmten, das Café Schilling. Suchend schaute er sich um. Dann bewegte er sich langsam auf einen altertümlichen Kleiderständer zu, an dem ein gelber Kamelhaarmantel hing und in dessen Nähe an einem Marmortischchen ein Herr mit einer Blondine saß, die ihre schon etwas aus den Fugen geratene Figur in ein rotes Jerseykleid gezwängt hatte. Der Neuankömmling nahm langsam seinen Hut ab, zog mit weihevoller Bedächtigkeit seinen Mantel aus und hängte ihn an einen Haken unmittelbar neben den Kamelhaarmantel. Für einen kurzen Augenblick wandte er den Gästen den Rücken zu und verdeckte mit seinem schmächtigen Körper einen Teil des vor ihm hängenden Kleidungsstückes .Dann drehte er sich um und ging, die linke Hand lässig in die Hosentasche geschoben, auf ein entferntes Tischchen zu. Auf dem Wege dorthin begegnete er dem Mann, der wenige Minuten zuvor hastig in dem dunklen Hausflur verschwunden war. Da beide nach einem geeigneten Platz Ausschau hielten, stießen sie wie zufällig gegeneinander. Der mit den Windmühlenohren murmelte eine Entschuldigung und klopfte dem anderen begütigend und sehr vertraulich auf die Hüfte, genau an die Stelle, wo sich die Öffnung der Manteltasche abzeichnete. Nach diesem kleinen Zwischenfall, den wahrscheinlich nicht einer der Gäste mit Bewusstsein wahrgenommen hatte, ließ sich der Kleine an einem Tischchen nieder und bestellte bei dem Ober ein Kännchen Mokka.

In "Bonjour citoyen“ von Ulrich Völkel spielt die folgende Szene in der Wohnung Weidigs in Butzbach, wo sich bedeutende historische Figuren über revolutionäre Pläne austauschen. Als Weidig den jungen Georg Büchner und dessen Begleiter Becker empfängt, entfaltet sich eine Diskussion über die Macht von Flugschriften und die Notwendigkeit einer sozialen Revolution, vermischt mit philosophischen und politischen Überzeugungen.

Stadl wechselte die Szene. Die Wohnung Weidigs in Butzbach. Der Mann sitzt am Sekretär und arbeitet, als die beiden Besucher kommen. Er ist überrascht, dass ihm Becker, den er kennt, einen Fremden ins Haus bringt. Er mustert den jungen Mann schnell. Er ist zufrieden.

„Na, du alter Schnorrer, kommst du wegen einer warmen Suppe? Sollst du haben. Wie geht es in Gießen?“

„Die braven Bürger sind damit beschäftigt, ihre Kinder zu verhauen und ihre Weiber zu schwängern.“

Weidig lachte. „Letzteres muss ja nicht das Ärgste sein.“ Dann wandte er sich an Georg Büchner. „Und Sie, junger Freund?“

„Sein Liebchen hockt in Straßburg und weint sich die Augen aus“, parierte Becker. „Deshalb will er sich die Zeit mit dem Verfassen einer Flugschrift vertreiben.“

Weidig war sofort hellhörig. „Eine Flugschrift? Worum soll es dabei gehen?“

„Man muss die Dinge beim Namen nennen. Nur die materiellen Bedürfnisse der großen Massen führen eine notwendige Änderung herbei, also müssen wir die Massen auf eine durchgreifende Art für die Revolution gewinnen, was vor der Hand nur durch Flugschriften und konspirative Zirkel geschehen kann.“

Es ist Beckers Aussage, rief sich Stadl ins Gedächtnis, nicht original Büchnertext, vier Jahre später und vor Gericht gemacht. Er wollte genau bleiben.

Weidig betrachtete ihn nachdenklich. Schließlich sagte er: „Die Bauern glauben an Gott im Himmel. Man muss sie lehren, an Gott im Menschen zu glauben.“

„Les prolétaires savent très bien que l‘avenir social est dans le peuple“, zitierte Büchner.

„Und nicht nur mit Wort und Schrift ist zu kämpfen, sondern mit dem Eisen in der Hand auch. Denn eine Flugschrift“, sagte Weidig, „muss ihre Überzeugungsgründe aus der Religion des Volkes nehmen und in den einfachen Bildern des Neuen Testamentes die heiligen Rechte der Menschen erklären.“

Büchner widersprach entschieden. „Das Verhältnis zwischen Armen und Reichen ist das einzige revolutionäre Element in der Welt, der Hunger allein kann die Freiheitsgöttin sein und nur ein Moses, der uns die sieben ägyptischen Plagen ...“

„Zehn“, korrigierte Weidig freundlich. „Es sind zehn Plagen. 2. Buch Mose, 7 und 14. Entschuldigen Sie den Schulmeister.“

„... ägyptischen Plagen auf den Hals schickt, könnte ein Messias werden.“

„Ich denke“, meldete sich Becker endlich zu Wort, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, um zu beobachten, wie die beiden sich aneinander rieben und einander forderten, „das Volk hat keine Ursache, seine Unterdrücker zu hassen. Sie sollen beide die gesellschaftliche Ordnung verfluchen und zertrümmern, die sie in ein so falsches und unmenschliches Verhältnis gebracht hat. Sie sind alle schuldig und unschuldig, je wie man es nimmt.“

Das kann er nur ironisch gemeint haben, sagte sich Stadl. War es nicht überhaupt ein Zitat, das er benutzte, um seine eigentliche Philosophie zu begründen, die darin bestand, alles in die Luft zu sprengen, um das Chaos wiederherzustellen, die einzige Ordnung, an die August Becker wirklich glaubte? Büchner ging auf die Bemerkung nicht ein.

In dieser Leseprobe aus "Unternehmen Thunderstorm" von Wolfgang Schreyer folgen wir Hartmann, einem schwer verletzten Soldaten, der durch die zerstörten Straßen von Warschau navigiert, an seiner Seite Irena, die ihn unterstützt und anleitet. Während sie sich einer unsicheren Zukunft und den drohenden Gefahren des Kriegsgebietes stellen, offenbart sich eine tiefe menschliche Verbindung zwischen den beiden, die von Vertrauen, Opfer und der Hoffnung auf ein friedlicheres Morgen getragen wird.

Ein gelber Mond hing über der Stadt. Hartmann schleppte sich langsam vorwärts, den rechten Arm um Irenas Hals geschlungen. Der andere hing kraftlos herab. Ihm war, als habe die Kugel seine Lunge gestreift und ihm das linke Schulterblatt zerschmettert. Im Munde spürte er noch immer den faden, widerwärtigen Geschmack geronnenen Blutes. Etwa hundert Schritte vor ihnen zischten weiße Leuchtkugeln in die Höhe. Sie näherten sich der Kampfzone am deutschen Brückenkopf. Hundert Schritte noch... Aber jeder einzelne davon bedeutete rasenden, bohrenden Schmerz.

"Stój! Stój!", rief es von der anderen Straßenseite her. Eine Patrouille der Aufständischen hielt sie an. Irena stieß hastige Erklärungen heraus. Hartmann verstand nichts davon; sie sprach Polnisch. Sie durften weitergehen. Er empfand kaum Erleichterung.

Sie tappten über dunkle Höfe. Ihm begann alles gleichgültig zu werden. Er fieberte. Seine Zähne schlugen gegeneinander. Fingen ihn die Partisanen, dann stellten sie ihn an die Wand, und alles wäre zu Ende – auch der Schmerz. Schlug er sich durch zu den eigenen Leuten, dann würde man ihn operieren, gesund pflegen und schließlich durfte er wieder die Knochen hinhalten für Führer, Volk und Vaterland. Was war schon der Unterschied? Der Krieg dauerte noch lange, und einmal erwischte es ihn doch. Er stöhnte unterdrückt. Er wünschte jetzt nur, sich irgendwo still hinzulegen und mit der gesunden Hand in Irenas Haar zu spielen, so lange, bis der Tod ihn küsste. Doch das Mädchen zog ihn weiter, ja, es trug ihn halb. Woher nahm sie die Kraft dazu?

Plötzlich überfiel ihn eine namenlose Angst: Was geschah mit ihr, wenn sie ihn fassten? Erzählte sie nicht selbst vorhin, dass der polnische General Bor, der den Aufstand leitete, alle Männer und Frauen Warschaus vom sechzehnten bis zum sechzigsten Lebensjahr mobilisiert hatte? Dass alle Polen Wehr- und Hilfsdienst leisten mussten – also auch Irena? Beging sie nicht – vom Standpunkt der Rebellen aus – Verrat an ihrer Nation? Würde man folglich nicht auch sie erschießen?

"Irena", flüsterte er, "du musst umkehren! Jetzt schaffe ich's allein!"

"Ach..."

Sein Gesicht glühte. Er presste es an ihre Brust. Fieberschauer schüttelten ihn. So nahmen sie Abschied.

Hinter der nächsten Ecke knatterte eine Maschinenpistole.

"Komm wieder", bettelte sie, "dass du nur gesund wirst... Denkst du dann an mich? Du musst wiederkommen, versprichst du mir das?"

Er hatte viele Mädchen gekannt, aber keine hatte je soviel für ihn gewagt wie sie. "Ich werde dich niemals verlassen!", schwor er. "Ist der Krieg erst aus, Irena, kommst du mit nach Deutschland und wirst meine Frau. Hab keine Angst, alles wird gut..." Er glaubte fest an das, was er da sagte.

Sie küsste ihn – genauso zärtlich und scheu wie das erste Mal. "Komm nur gut hin und werd gesund", flüsterte sie. "Ich werde immer an dich denken..."

Die Maschinenpistole knatterte von neuem.

"Du musst nun gehen", entschied er.

Gehorsam machte sie sich los. Ihr Umriss verschwamm in der Finsternis. "Irena!", rief er halblaut hinterdrein.

Sie huschte zurück. "Sieh dich vor", mahnte er, "versteck dich im Keller! Sag diesem Malewski, er soll den Keller herrichten, dass ihr darin wohnt... Ihr müsst ihn abstützen, die Decke verstärken, verstehst du? Vielleicht wird die Stadt beschossen! Geh niemals hinaus, Irena, bis alles vorbei ist!"

In „Die Abenteuer der Kriegskinder. Geschichten von Mut und Magie“ von Gisela Pekrul tauchen wir ein in eine Welt, in der selbst die kleinsten Missgeschicke zu magischen Abenteuern führen. Die Geschichte „Das Geheimnis der Tintenkleckse“ beginnt an einem Sonntag, an dem Gisela versehentlich einen Tintenklecks auf ihr neues Kleid bekommt, was sie unerwartet in eine magische Welt entführt.

Das Geheimnis der Tintenkleckse

Als Gisela klein war, gab es an Sonntagen immer diese unbequemen Sonntagskleider, die man tragen musste. Gisela fand das total langweilig, denn sie durfte darin nicht einmal richtig spielen. Aber an einem ganz besonderen Sonntag, als sie ihr brandneues, helles Kleid trug, passierte etwas Magisches.

Gisela war gerade dabei, einen Brief mit Tinte und Federhalter zu schreiben. Sie war so vertieft in ihre Schreiberei, dass sie nicht bemerkte, wie der Tintenklecks langsam, aber sicher auf ihr neues Kleid zurollte. Plötzlich landete der Klecks auf dem Stoff und hinterließ eine dunkle Spur. Oh nein! Gisela hatte das nicht mit Absicht gemacht, aber Mutti, die das Kleid mit viel Liebe genäht hatte, war mächtig wütend.

„Zur Strafe bekommst du Stubenarrest!“, schimpfte Mutti. Doch Gisela, die ein richtiger Bücherwurm war, freute sich innerlich. „Super! Dann kann ich mein spannendes Buch zu Ende lesen!“, dachte sie. Stubenarrest war für sie keine Strafe, sondern eher eine Belohnung.

Aber Mutti merkte schnell, dass Gisela sich so überhaupt nicht bestrafen ließ. Sie änderte ihren Plan und sagte: „Zur Strafe bleibst du jetzt eine Stunde draußen und spielst mit den anderen Kindern.“ Gisela war enttäuscht. Draußen spielte keiner, weil sie alle in ihren schicken Sonntagskleidern sich nicht schmutzig machen durften. Da konnte sie ja genauso gut drinnen bleiben und weiterlesen.

Enttäuscht ging Gisela nach draußen, doch sie war ganz allein. Ihre beste Freundin Christina war verreist, und die anderen Kinder waren nicht zu sehen. Alle versteckten sich wahrscheinlich, um ihre schönen Kleider zu schonen. Nach wenigen Minuten war Gisela schon wieder zurück zu Hause. „Es ist niemand da, mit dem ich spielen kann“, sagte sie zu Mutti.

Inzwischen war Muttis Zorn verflogen, und sie konnte Giselas Enttäuschung verstehen. „Na gut“, meinte sie lächelnd, „dann darfst du doch drinnen bleiben und weiterlesen.“ Gisela strahlte vor Freude. „Danke, Mutti!“

Aber das war noch nicht alles. Als Gisela ihr Buch wieder aufschlug, passierte etwas Unerwartetes. Der Tintenklecks auf ihrem Kleid begann zu schillern und zu glitzern. Er wurde größer und größer, bis er plötzlich leuchtende Buchstaben formte. „Komm mit mir auf ein Abenteuer!“, stand da geschrieben.

Gisela konnte es kaum glauben, aber sie war zu neugierig, um nein zu sagen. Sie streckte ihre Hand aus, und plötzlich wurde sie in den Tintenklecks hineingesogen. Sie fand sich in einer zauberhaften Welt wieder, in der Tintenkleckse lebendig wurden und Abenteuer erlebten.

Gisela tanzte mit bunten Tintenklecksen, flog auf einem Klecksdrachen durch den Himmel und tauchte in ein Meer aus funkelnder Tinte ein. Es war ein unglaubliches Abenteuer, und sie vergaß völlig die Zeit.

Als eine Stunde vorbei war, fand sich Gisela wieder in ihrem Zimmer, das Buch immer noch vor sich. Sie hatte tatsächlich nur eine Stunde gelesen, aber in der Tintenklecks-Welt waren Wochen vergangen.

Von diesem Tag an hatte Gisela noch mehr Lust zu lesen. Denn wer wusste schon, welche fantastischen Abenteuer sie noch in den Büchern entdecken würde? Und wenn sie mal wieder aus Versehen einen Tintenklecks machte, lächelte sie nur und freute sich auf das nächste magische Abenteuer.

Es lohnt sich auf jeden Fall, das in diesem Newsletter vorgestellte Buch „Hoffnung, die zweite“ anzusehen und die versprochenen Einblicke in eine vielfach verschlüsselte Welt zu bestaunen – auch wenn wir nie erfahren werden, wie es Dan darin wirklich geht und was er dort sieht.

Zu Beginn schreiben Aljonna und Klaus Möckel: Über das schwierige Kind Dan und seine Jugendjahre, über die Probleme mit ihm, haben wir an anderer Stelle ausführlich berichtet, deshalb hier nur ein paar Fakten, die zum Verstehen des Buches beitragen können. 1966 zur Welt gekommen, erkrankte unser Sohn gleich nach der Geburt schwer und erlitt irreparable frühkindliche Hirnschäden. Er verlor das Gehör, und alle Versuche, ihm das Sprechen beizubringen, schlugen fehl. Trotz erheblichen Einsatzes durch uns und die Spezialisten schaffte er es nicht, sich die Gebärdensprache anzueignen. Er konnte nicht lesen lernen und folglich auch nicht vom Mund ablesen, weshalb er auf seine eigene innere Welt verwiesen blieb. Nur ansatzweise vermochten wir durch natürliche Gesten und mit Hilfe einzelner geschriebener Wörter, die er bestimmten Gegenständen zuordnete, in diese Welt einzudringen.“

Zugleich sollte man vielleicht auch noch einmal „Hoffnung für Dan“ von 1983 zur Hand nehmen, um über die ersten 14 Jahre dieses Lebens unter besonderen Bedingungen nachzulesen und dem ganz besonderen Klang des Wortes Hoffnung nachzuspüren. Möglich ist es auch über den E-Book-Shop www.edition-digital.de.

Aber auch die anderen Sonderangebote der heutigen Post aus Pinnow sind des Lesens wert, wie zum Beispiel der Roman um Georg Büchner „Bonjour citoyen“, in dem Ulrich Völkel einen DDR-Schriftsteller anderthalb Jahre vor der Wende – was man damals allerdings noch nicht wissen konnte, sondern erst in der Rückschau – in den Westen fahren lässt. Und diese für damalige Verhältnisse ungewöhnliche Reise provoziert Nachdenken über sich selbst und über das Land, aus dem er kommt und das wenig später die Neuen Bundesländer genannt werden wird. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Wie haben Sie die damaligen Verhältnisse empfunden und wie haben Sie sich Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Zukunft vorgestellt? Und was sagen Sie heute dazu? Literatur als Erinnerungskatalysator.

Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Der neue Newsletter ist schon fast zu Ende geschrieben, nein geschrieben noch nicht, aber schon fast zu Ende gedacht.

In der nächsten Woche steht auch ein berührendes Buch von Siegfried Maaß von 1984 im Angebot. In „Keine Flügel für Reggi“ verursacht ein junger Lehrer einen Motorradunfall und ist danach querschnittgelähmt. Ein einziger Augenblick der Unachtsamkeit hat ihn aus der Bahn geworfen. Mit seinem Überleben weiß er zunächst nichts anzufangen. Für seinen Beruf ist er nicht mehr tauglich. Was nun? Auch sein Mädchen hat sich von ihm getrennt, ihn im Stich gelassen, wie er es bezeichnet, als er sie am nötigsten gebraucht hätte. Welchen Sinn hat sein Leben noch?

DDR-Autoren: Newsletter 31.05.2024 - Einblicke in eine vielfach verschlüsselte Welt, gestohlene VW und eine