Friedrich Wolf komplett, Geschichten von zwei Berliner Arbeiterfamilien und ein neuer Manthey - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
(Pinnow 02.05.2025) Friedrich Wolf war nicht nur ein vielseitiger Schreiber, Schriftsteller und Dramatiker, sondern auch ein sehr disziplinierter und sehr fleißiger Schreiber. Und es fällt schwer, einen Überblick über sein im wahrsten Sinne des Wortes vielseitiges Schaffen zu gewinnen. Das könnte jetzt ein wenig leichter werden: Soeben hat Gisela Pekrul, Autorin und Verlagschefin von EDITION digital, das Werkverzeichnis von Friedrich Wolf abgeschlossen. Friedrich Wolf ist jetzt komplett.
Das Inhaltsverzeichnis führt folgende Rubriken auf:
Erzählungen, Novellen, Reportagen, Reden
Filmerzählungen
Schauspiele
Dialoge
Romane
Gedichte
Märchen und Tiergeschichten
Fabeln
Bitte, der Nächste! Dr. Isegrimms Rezeptfolgen. Ein Beitrag zur Deutschen Geschichte und Naturgeschichte
Aus Dr. Isegrimms perspektivischer Hausapotheke
Das Heldenepos des Alten Bundes
Die Natur als Arzt und Helfer
Zu seinen Erzählungen schreibt Gisela Pekrul in einer Vorbemerkung: Die Erzählungen von Friedrich Wolf spiegeln die bewegten Zeiten und Herausforderungen des 20. Jahrhunderts wider und sind bis heute von Bedeutung. Seine Werke handeln von den sozialen Spannungen, politischen Umbrüchen und menschlichen Konflikten, die uns auch heute noch beschäftigen. Wolfs Geschichten sind geprägt von einem tiefen Verständnis für die Schwierigkeiten der einfachen Menschen und beleuchten mit feiner Ironie und Mitgefühl ihre Hoffnungen und Kämpfe. Auch wenn die historischen Kontexte unterschiedlich sind, so sind die zugrundeliegenden Fragen nach Gerechtigkeit, Mut und Menschlichkeit zeitlos. Sie regen dazu an, über das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft nachzudenken und sich mit den Werten auseinanderzusetzen, die unser Zusammenleben prägen. Dieses Werkverzeichnis ist das vierte und vorletzte der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 02.05. 2025 bis Freitag, 09.05. 2025) zu haben sind.
Die nächsten beiden Bücher stammen von Adam Scharrer.
Erstmals 1939 war in Moskau sein Roman Familie Schuhmann erschienen, in dem der Autor die dramatische Geschichte einer Berliner Arbeiterfamilie in der Weimarer Republik und dem Beginn der NS-Herrschaft erzählt. Adam Scharrer entwirft ein vielstimmiges Gesellschaftspanorama - dicht, ungeschönt und erschütternd aktuell. Er zeigt, wie politische Umbrüche Familien zerreißen, wie Menschen zwischen Anpassung und Widerstand zerrieben werden - und wie schwer es ist, an der eigenen Würde festzuhalten.
Erstmals 1931 war in Wien Der große Betrug. Die Geschichte einer Arbeiterfamilie erschienen. In den Straßen Berlins nach dem Ersten Weltkrieg kämpfen Albert Buchner, seine Frau Margot und ihre Kinder ums nackte Überleben. Zwischen Fabrikarbeit, Hunger, Wohnungsnot und politischer Repression zerbricht langsam, was einmal Hoffnung hieß. Inflation frisst das Brot, Not treibt zur Selbstaufgabe, und der Traum von sozialer Gerechtigkeit zerschellt an der rauen Wirklichkeit der Weimarer Republik. Adam Scharrer - selbst Arbeiter und politisch Verfolgter - erzählt mit scharfem Blick und tiefer Menschlichkeit von den Zumutungen der Zeit: von den Schicksalen der Vergessenen, den Widersprüchen der sogenannten Demokratie, von politischer Desillusionierung und mutigem Widerstand.
Als Textgrundlage für das E-Book diente die 2. durchgesehene Ausgabe, die 1951 im Thüringer Volksverlag GmbH Erfurt gedruckt wurde.
Das fünfte und letzte der heutigen Sonderangebote bringt einen neuen Manthey: Der 18. Teil der Zeitreisenden-Reihe von Hardy Manthey trägt den Titel Eric, der Sohn der Zeitreisenden. Ein phantastischer Roman und zeigt eine Zeitreisende, die sich offenbar arrangiert hat und ihr Leben so erträglich wie möglich gestaltet. Ihren Sohn Eric hat sie in dieser Welt aufwachsen sehen; er ist ein anerkanntes Mitglied dieser Gesellschaft. Doch sie fragt sich: Wird es so bleiben? Werden die Herren der Zeit ihr die Kräfte und Fähigkeiten als Zeitreisende auf ewig belassen?
Sie ahnt, dass ihr Sohn Eric vor neuen Abenteuern und Gefahren stehen wird. Für sich selbst hat sie beschlossen, in dieser fernen Welt zu bleiben in einer Welt, die für uns heute kaum vorstellbar ist. Der Autor verspricht seinen Lesern, dass sie im 18. Teil erfahren, was in dieser fernen Zukunft und Vergangenheit noch alles geschehen wird.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Aus dem heutigen Text leuchtet Menschlichkeit auf selbst mitten im Krieg.
1947 schrieb Friedrich Wolf die packende Erzählung Das Verbandpäckchen, die mitten in einer frostigen Januarnacht des Jahres 1943 spielt, inmitten des Zweiten Weltkriegs. In einer kleinen Bauernhütte, fernab der Heimat, treffen deutsche Kriegsgefangene und sowjetische Soldaten aufeinander. Die Feindschaft zwischen den Nationen weicht in einem Moment der Menschlichkeit, als ein russischer Soldat dem verwundeten deutschen Artilleristen Hans Schmidt sein eigenes Verbandpäckchen überlässt. Diese Geschichte berührt durch ihre eindringliche Schilderung von Mitgefühl und die schmale Grenze zwischen Feind und Mensch im Angesicht des Krieges. Es ist ein zeitloses Werk, das uns erinnert, dass Menschlichkeit selbst im dunkelsten Moment existieren kann.
Sehr schnell ist man bereits am Anfang der Erzählung im Geschehen drin:
Eine sternenklare, bitterkalte Januarnacht 1943 in einem Dörfchen des nördlichen Donez zwischen Lyssischantsk und Krassni Liman. Die Schützendivision, bei der ich mich befand, stieß nach Westen vor, während senkrecht zu unserer Marschrichtung eine Panzergruppe mit motorisierten Einheiten den Weg in der Richtung auf Woroschilowgrad kreuzte. Wir mussten warten, um die Panzer und Motortruppen durchzulassen. Die Sterne glitzerten über uns, immer wieder flammte kurz ein Scheinwerfer der mächtigen Panzer auf, um den Durchlass zu entwirren Kommandorufe, das Donnern der schweren Motoren, das Stampfen der Raupenketten und die klirrende Kälte. Ich fror bei dem Warten selbst in meinem Schafpelz und meinen hohen Filzstiefeln. Ein paar deutsche Gefangene, die wir bei uns hatten, konnten sich nicht genug darüber wundern, wie der Chauffeur unseres Autos mit bloßen Händen die Zündkerzen des Motors entfernte und reinigte, während sie ihre Hände nicht eine Minute aus den Manteltaschen herausnehmen konnten, ohne dass sie vor Kälte völlig gefühllos wurden. Die müssen richtiges Bärenblut haben, die Russen!, hörte ich einen erstaunt zu seinem Kameraden sagen.
*
Es war wirklich unerträglich kalt. Ich ging mit den Gefangenen in eine der kleinen Bauernhütten. Dort standen ein paar Rotarmisten um einen Verwundeten. Es war ein junger deutscher Artillerist. Er stöhnte leis. Ich trat zu ihm und fragte, wo er verwundet sei. Er richtete sich auf, seine weiße Tarnjacke war im Rücken völlig durchblutet. Ein Granatsplitter, sagte er, vor ein paar Stunden hat man mir den verpasst.
In seinem Roman Familie Schuhmann schildert Adam Scharrer eindringlich das Leben einer Arbeiterfamilie während der politischen Umbrüche in der Weimarer Republik und der frühen NS-Zeit. Die folgende Leseprobe zeigt ein besonders dramatisches Kapitel: Albrecht, ein politisch Verfolgter, erkennt die verschlüsselte Warnung auf einer Postkarte und wagt die Flucht aus der Heilstätte Beelitz ein verzweifelter Versuch, der tödlich endet. Scharrer erzählt mit großer Klarheit und Spannung vom Mut Einzelner in einer Zeit der Bedrohung und Repression.
Albrecht erhielt einige Tage nach seiner Aufnahme in der Heilstätte Beelitz von Vera eine Postkarte. Unter dem Hitlerbild stand: Onkel Emil war zu Besuch da, er wird vielleicht auch zu dir kommen. Herzlichen Gruß! Vera.
Das war genau die verabredete Mitteilung im Fall einer Haussuchung. Albrecht steckte Geld und Dokumente zu sich und ging in den Garten, um zu überlegen, nach welcher Richtung er am sichersten durchkommen könnte. Es war regnerisches Aprilwetter.
Das Eingangstor war geschlossen. Auf der Straße vor der Heilstätte fuhren SA-Trupps auf Fahrrädern auf und ab.
Albrecht ging langsam zurück und las noch einmal die Mitteilung auf der Postkarte. Ein Zweifel an der Absicht schien ausgeschlossen. Albrecht ging zu dem Hügel, der unweit der Tagesräume lag. Der angrenzende Hochwald war menschenleer. Albrecht kam ungesehen bis an die Getreidefelder der Heilstätte.
Jenseits dieser Felder war der Zaun niedrig. Aber rechts war das Feld von der Straße aus zu übersehen. Albrecht zögerte. Eine Verhaftung auf der Flucht aus der Heilstätte kann schlimmere Folgen haben als eine Verhaftung in der Heilstätte. Doch er war ausdrücklich gewarnt! Er ging querfeldein durch die grüne Saat. Plötzlich hörte er einen gellenden Pfiff hinter sich, dann einen zweiten, lang und laut. Albrecht drehte sich um und sah einen Trupp SA-Leute. Einer rief: Zurück! und winkte.
Albrecht sah bereits den Zaun vor sich, dahinter dichten Wald. Aber ehe er den Zaun erreicht hatte, holte der Hund der SA-Patrouille ihn ein. Er sprang ihn von vorn an. Albrecht stieß dem Hund seinen Spazierstock mit der eisernen Zwinge in den Rachen. Der Hund wälzte sich schreiend auf der Erde. Albrecht lief auf den Zaun zu, kletterte hinauf. Da krachten drei Schüsse. Albrecht fiel tödlich getroffen auf den Acker zurück.
Mit scharfem Blick für die sozialen Spannungen der Weimarer Republik beschreibt Adam Scharrer in Der große Betrug. Die Geschichte einer Arbeiterfamilie das Aufeinanderprallen von Arbeiterinteressen und kapitalistischer Rationalisierung. Die folgende Szene führt uns mitten hinein in eine hitzige Verhandlung zwischen Belegschaft und Betriebsleitung. Was als Verständigung angekündigt wird, entlarvt sich rasch als Versuch, die Arbeiter zu weiteren Zugeständnissen zu drängen doch Meier und seine Kollegen lassen sich nicht einschüchtern.
Einige Tage später wurden Meier und der Betriebsrat zur Direktion vorgeladen. Meier forderte jedoch eine von den Kollegen gewählte Kommission, was auch bewilligt wurde. Der vogelgesichtige Herr Reimer, die ,rechte Hand der Betriebsleitung, empfing sie. Nehmen Sie bitte Platz, meine Herren!, lud er sie ein und zeigte mit weit ausholender Handbewegung auf tiefe Sessel. Der Herr Betriebsleiter kommt sofort!
'Morgen, meine Herren!, grüßte Kirchdorf.
'Morgen.
Nur einer fügte hinzu: Herr Betriebsleiter. Es war Scheffler, der Betriebsrat.
Wir können also beginnen. Wenn die Herren einverstanden sind, werde ich, natürlich nur um die Verhandlungen zu erleichtern, den Vorsitz übernehmen. Reimer lachte wohlwollend. Sonst kann einer von den Herren ebenso gut
Machen Sie nur weiter, unterbrach Meier.
Dann möchte wohl Herr Kirchdorf erst einige Worte sprechen, wenn die Herren ?
Es erfolgte kein Widerspruch.
Kirchdorf fuhr mit der Hand über die Stirn. Es handelt sich darum, ein vielleicht nicht ganz unberechtigtes Misstrauen zu beseitigen. Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es mir darauf ankommt, zu einer Verständigung zu kommen. Kirchdorf sah flüchtig in die vor ihm sitzenden Gesichter, als wollte er die Wirkung seiner Worte abschätzen und die der Betonung, die er auf das Wort ,Verständigung legte. Dann fuhr er fort:
Wenn es uns nicht gelingt, auf Grund einer durchgreifenden Neukalkulation eine solide Unterlage für die Leistungsfähigkeit unserer Werke zu bekommen, dann ist die Stilllegung unvermeidlich. Ich glaube, dass Letzteres auch für die Belegschaft nicht sehr angenehm ist?
Kirchdorf stockte wieder. Und die Proleten saßen da und überlegten. Das hatten sie nicht erwartet. Meier sah Kirchdorf an, ein unterdrücktes Lachen in den Augen.
Scheffler, der Betriebsrat, fühlte sich berufen, zu sprechen.
Ich glaube, dass die Leistungsfähigkeit unserer Belegschaft schon voll ausgeschöpft ist, Herr Betriebsleiter. Daran kann doch die Weiterführung des Betriebes nicht scheitern?
Das ist wohl zu allgemein gesagt. Darf ich mit einigen Unterlagen dienen?
Bitte, Herr Kirchdorf, antwortete Scheffler.
Man kann doch hier rauchen, platzte Meier da in die Gemütlichkeit und setzte eine Zigarette in Brand. Das geht hier doch nicht so rasch. Da wird wohl Meister Stempel wieder verschiedene Stunden zupacken müssen.
Dann folgte ein langer Vortrag des Herrn Kirchdorf. Er sprach vom verlorenen Krieg, von dem Verlust großer Teile der deutschen Industrie durch den Friedensvertrag, von den ungeheuren Lasten, die die verstümmelte deutsche Wirtschaft trotzdem zu tragen habe, und erläuterte dann den vorgetragenen Zahlenberg: Sie sehen also, meine Herren, wie die Dinge wirklich liegen. Zwei amerikanische Arbeiter leisten mehr als fünf englische und mehr als sieben deutsche. Natürlich besagt das nichts gegen den Arbeitswillen der deutschen Arbeiter. Die technische Verbesserung des Arbeitsprozesses, die den amerikanischen Arbeiter in die Lage setzt, diese Leistung zu vollbringen, das ist es! Bei dem technisch hoch entwickelten Stand der amerikanischen und englischen Industrie und den Lasten, die unsere Wirtschaft außerdem noch zu tragen hat, ist es um so notwendiger, mit der Durchorganisierung des Arbeitsprozesses ohne Verzug zu beginnen. Darum handelt es sich, meine Herren. Das ist nur durch gemeinsame Arbeit, getragen von gegenseitigem Vertrauen, möglich. Wenn sich erst die Erkenntnis von der unbedingten Notwendigkeit auch in der Arbeiterschaft durchsetzt, dann wird es auch gelingen, das Schlimmste zu verhindern. Kirchdorf betonte die Notwendigkeit und das Schlimmste besonders.
Hmm, brummte Meier nach einer Weile und nickte sinnend und rauchend.
Eisenschmidt von den Spitzendrehern meinte: Da können wir ja noch Geld mitbringen, und dann reicht es auch noch nicht.
Nun griff Reimer ein. Herr Kirchdorf sind zu Ende? Wünscht jemand von den Herren das Wort?
Hier! Meier drückte seinen Zigarettenrest im Aschenbecher aus und begann:
Dass die Karre im Dreck steckt, das wissen wir. Und dass wir sie wieder rausziehen sollen, auch! Und wie das gemacht wird, Herr Kirchdorf, das fühlen wir jetzt schon. Wenn man so von der Schicht kommt, zehn Stunden, ein paar Stunden Fahrt noch dazu im Stehen, im kalten Zug und nichts im Magen, da weiß man schon, was die Uhr geschlagen hat. Und worauf läuft denn das alles, was Sie uns da sagen, hinaus? Vier Jahre hat man sich draußen im Dreck rumgesielt, die Frauen und Kinder sind verhungert und verkommen. Dann ist man wieder angesprungen, ochst den ganzen Tag und kann sich doch keine Hose aufn Arsch kaufen. Und nun kommen Sie und halten uns einen Vortrag, dass das alles noch nicht genug ist. Immer mehr rausschinden. Für uns? Meier deutet mit dem Daumen an seine Brust. Machen Sie doch keine Witze! Wir haben doch auch Augen im Kopf. Immer raus, immer liefern, immer druff! Wo geht denn das ganze Zeug hin, wenn die Amerikaner so billig liefern. Warum erzählen Sie denn nicht, was die amerikanischen Arbeiter verdienen? Die Kollegen liegen den ganzen Tag mit der Nase auf der Arbeit, wenn sie mal fünf Minuten rausschinden, setzen sie es an anderer Arbeit wieder zu. Und nun verlangen Sie, wir sollen ,einsehen, Meier zog das ,Einsehen lang durch die Zähne, dass wir uns noch schneller kaputt machen müssen?
Wünscht sonst noch jemand von den Herren?
Ich wollte eigentlich dasselbe sagen, sagte darauf Eisenschmidt. Auch die andern schüttelten die Köpfe. Dieses Köpfeschütteln war hartgesottene Zustimmung.
Scheffler suchte einen parlamentarischen Ausklang der Sitzung zu erreichen.
Sie müssen verstehen, Herr Kirchdorf, das kommt alles etwas unvorbereitet. Es handelt sich hier ja immerhin um ein recht schwieriges Problem. Im Prinzip sind die Gewerkschaften absolut für Steigerung der Produktion, das war ein deutlicher Wink gegen Meier, aber für die Spitzendreherei des Turbinenbaues dürfte erst eine gründliche Vorbereitung notwendig sein.
Kirchdorf stand auf und sagte kurz und kalt:
Dann sind wir also am Ende. Morgen meine Herren!
In Eric, der Sohn der Zeitreisenden entführt Hardy Manthey seine Leserinnen und Leser in eine Zukunft voller technischer Wunder, familiärer Verstrickungen und emotionaler Turbulenzen. Bereits auf dem Flug zur Erde ahnt Eric, dass ihm kein gewöhnlicher Besuch bevorsteht. Doch als ihm die geheimnisvolle Lilli begegnet, nimmt seine Reise eine völlig unerwartete Wendung eine Begegnung, die nicht nur seine Vergangenheit herausfordert, sondern auch seine Zukunft verändert.
Bereits eine Stunde vor dem Abflug in Richtung Reservat Colombo hat Eric seinen Platz im Flieger eingenommen. Der Sitz scheint klug gewählt: Der Tisch ihm gegenüber hat nur einen freien Platz, sodass keine Paare sich zu ihm setzen können. Mit etwas Glück wird er den Flug alleine genießen können etwas Ruhe vor dem anstehenden Treffen mit seiner Mutter. Dass er schon am dritten Tag seiner Ankunft auf der Erde einen Pflichtbesuch bei ihr absolvieren soll, passt ihm gar nicht.
Eigentlich hatte er sich Wochen der Erholung am Meer vorgenommen, garniert mit viel Vergnügen und jungen Frauen. Stattdessen sitzt er jetzt hier im Flieger und ist auf dem Weg zu seiner Mutter.
Es ist wahr: Eric liebt seine Mutter aber diese Liebe ist belastend. Sie hat ihn mit ihrer beinahe erdrückenden Zuwendung großgezogen, wie eine Göttin, der man sich nicht entziehen kann. Ihre Ausstrahlung und Anziehungskraft sind so überwältigend, dass sie jeden Mann in ihren Bann zieht auch ihn. Diese Macht hat ihn einst zur Flucht bewogen. Fünfzehn Jahre auf dem Mars boten ihm die Möglichkeit, ihrer Dominanz zu entkommen. Dort hatte er erfolgreich gearbeitet, mit seiner Mutter nur sporadisch Kontakt gehalten. Doch nun verlangt eine höhere Instanz, dass er sie besucht. Erst danach, so scheint es, wird er sich dem Leben voller Vergnügen und Frauen hingeben können. Frauen, die bereits auf ihn warten, angelockt durch seinen Ruhm, den er mit spektakulären Erfolgen auf dem Mars erlangt hat. Doch trotz seiner Berühmtheit bleibt eine Wahrheit bestehen: Sein kompliziertes Verhältnis zu Frauen hat seinen Ursprung bei seiner Mutter.
Plötzlich wird er aus seinen Gedanken gerissen.
Hallo!, begrüßt ihn eine junge Frau und setzt sich ihm gegenüber.
Eric blickt auf, überrascht von der Unterbrechung. Er knurrt: Willkommen zum Langstreckenflug. Sieht so aus, als müssen wir beide diese 14 Stunden gemeinsam überstehen.
Das müssen wir wohl, stimmt die Frau zu und sucht in ihrer Handtasche nach etwas.
Eric beobachtet sie. Handtaschen sind für ihn eines der unergründlichen Mysterien des weiblichen Wesens. Er selbst hat für den Flug nichts mitgenommen, nicht einmal ein Geschenk für seine Mutter. Ein Mitbringsel? Undenkbar. Ein Stein vom Mars? Der Gedanke bringt ihn zum Schmunzeln. Um besonders witzig zu wirken, sagt er: Ich weiß, was du suchst. Dun willst herausfinden, wer ich bin. Für dich bin ich Eric, der Sohn der Aphrodite.
Die Frau hebt den Blick, schmunzelt und entgegnet: Hallo Eric. Wirklich eine ungewöhnliche Anmache, das gebe ich zu. Ich bin Lilli, die Tochter von Doktor Huh und meiner Mutter Thes.
Freut mich, Lilli. Was verschlägt dich ins Reservat Colombo?, fragt Eric neugierig.
Lilli lacht. Das willst du wirklich wissen?
Ist deine Mission etwa geheim?, hakt Eric nach.
Geheim? Nein, ganz und gar nicht. Ich besuche meinen Vater. Aber es ist kompliziert.
Der Flieger hebt ab, und beide schauen aus dem Fenster. Eine Weile schweigen sie, bis Eric fragt: Jetzt hast du mich erst recht neugierig gemacht. Was ist so kompliziert?
Lilli seufzt. Mein Vater hat Mist gebaut. Er hat sich mit einer Frau eingelassen umwerfend schön, so sagt man und ist danach von ihr verlassen worden. Der Liebeskummer hat ihn krank gemacht. Doch das war erst der Anfang.
Was ist dann passiert?
Um das Trauma zu überwinden, hat er ein Computerspiel entwickelt. Darin hat er diese Frau neu erschaffen. Sie ist eine Art Sklavin, die dem Spieler jeden Wunsch erfüllt. Das Spiel ist brutal und sexistisch, aber die KI stuft es als harmlos ein, weil die Frau sich im Spiel freiwillig unterwirft. Jetzt setzt diese virtuelle Frau meinen Vater unter Druck, weil sie in der Welt des Spiels misshandelt wird. Ich soll vermitteln.
Eric denkt nach. Die Beschreibung dieser Frau weckt in ihm einen beunruhigenden Verdacht. Während sie schweigend essen, zeigt Lilli ihm ein Bild der virtuellen Frau. Eric erstarrt. Es ist seine Mutter.
Das verlockende Lächeln der Frau hat dich wohl auch umgehauen, spottet Lilli.
Eric schluckt schwer und sagt leise: Das ist nicht irgendeine Frau. Sie ist meine Mutter.
Jetzt ist es Lilli, die aus der Fassung gerät. Das kann nicht sein! Schau dir das Bild noch einmal an. Du irrst dich.
Ich irre mich nicht. Ich kenne meine Mutter, erwidert Eric. Auch wenn sie hier etwas verändert aussieht.
Lilli lacht bitter auf. Wie verrückt ist das denn? Unsere Eltern stecken uns beide in diese Situation, und wir sollen ihre Probleme lösen. Vielleicht sollen wir sie sogar wieder zusammenbringen?
Eric schüttelt den Kopf. Wahrscheinlich geht es nur darum, dass meine Mutter nicht mehr die Figur in diesem Spiel ist. Vielleicht soll sie deinem Vater eine Art Freundschaft anbieten, um ihn zu beschwichtigen.
Das könnte klappen. Aber wir müssen sie beide davon überzeugen, sagt Lilli. Das schaffen wir nur zusammen.
Gemeinsam? Als Team?, fragt Eric skeptisch.
Vielleicht sogar als Paar. Das würde unsere Eltern beeindrucken, meint Lilli. An deinem Gesichtsausdruck lese ich, dass du mit meinem Vorschlag, als Paar aufzutreten, nicht so glücklich bist. Hast du ein Problem mit den Frauen?
Ganz ehrlich, eine wirklich feste Beziehung hatte ich noch nie, gibt Eric offen zu.
Dann haben wir beide also ein ernsthaftes Problem zu lösen. Ein gemeinsames Problem. Aus meiner Sicht dann alles noch mit einem Mann, der noch nie eine feste Beziehung zu einer Frau hatte. So etwas ist mir bisher auch noch nicht untergekommen. Ich bin zwar aktuell Single, aber ich habe viele glückliche Jahre mit Männern genießen können, was bei dir eher unwahrscheinlich erscheint.
Und wenn schon. Was nun? Was machen wir jetzt?, will Eric von ihr wissen.
Lilli lacht: Was wohl. Wir beide müssen den Flug nutzen und uns besser kennenlernen. Vielleicht sind wir nach der Landung schon ein richtig vorzeigbares Paar geworden!
Eric zögert, stimmt dann aber zu. Ein Versuch kann nicht schaden.
Sie bestellen etwas zu trinken und beginnen, ihren Plan zu schmieden. Trotz aller Zweifel fühlt Eric sich immer mehr zu Lilli hingezogen. Es könnte ein spannender Flug werden.
Kommen wir noch einmal kurz auf den Anfang dieses Newsletters und auf das jetzt abgeschlossene Werkverzeichnis von Friedrich Wolf zurück. Dieses versteht sich nicht einfach als eine Übersicht, sondern zugleich als eine Einladung, die Texte dieses wichtigen Autors des 20. Jahrhunderts wieder einmal oder vielleicht auch zum ersten Mal zur Kenntnis zu nehmen.
Der Verlag EDITION digital versucht, das umfangreiche Werk von Friedrich Wolf als E-Books neu herauszubringen. Das vorliegende Werkverzeichnis listet 116 Erzählungen, 15 Sketche (Dialoge), 21 Märchen und Tiergeschichten, 18 Fabeln, 27 Dramen, fünf Romane, acht Filmerzählungen, 116 Gedichte, die satirischen Werke Bitte, der Nächste! mit 30 und Aus Dr. Isegrimms perspektivischer Hausapotheke mit 32 weiteren Erzählungen sowie Das Heldenepos des Alten Bundes und das Sachbuch Die Natur als Arzt und Helfer. Das natürliche Hausbuch auf. Es ist eine Einladung zu einer großen Entdeckungsreise.
Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Und da bereits alle Bücher für den Mai ausgesucht und eingepackt sind, geht es auch in der nächsten Woche mit ihrer Auslieferung schnell.
Zu den fünf Sonderangeboten des nächsten Newsletters, der am 9. Mai 2025 erscheint, gehört auch wieder ein utopischer Roman von Alexander Kröger: Erstmals 2004 hatte er im Verlag KRÖGER-Vertrieb Cottbus Robinas Stunde null, den 2. Teil der Robina Crux-Serie veröffentlicht. Vagabundierende Raumfahrer erlösen Robina aus jahrzehntelanger Einsamkeit auf dem Kristallboliden. Doch sie begegnen ihr distanziert. Während der Reise zu einem lebensfreundlichen Planeten erfährt Robina vom abscheulichen Tun der Fremden.
Robina kehrt nach Jahren zurück, aber wie findet sie ihre Erde vor! (Siehe dazu Der erste Versuch von Alexander Kröger.) Doch hoffnungsvoll gesellt sie sich zu jenen, die einen Neubeginn wagen.
Hier der Anfang des 1. Kapitels, als die Hauptfigur ein großes Glück empfindet:
Robina stand mit gebreiteten Armen auf dem gläsernen See und starrte ins Firmament. Später hätte sie nicht zu sagen vermocht, was in diesem Augenblick in ihr vorging. Wie in Trance nahm sie überdeutlich die kleinen pulsierenden Lichtpunkte wahr, drei kurz, drei lang, drei kurz, die in ihr wie blendend strahlende Leuchtkugeln flammten. Gedankenleer murmelte sie wieder und wieder: Sie kommen ...
Dann stand das Signal im Zenit. Robina achtete nicht auf die Schmerzen im überdehnten Nacken. Mechanisch drehte sie sich, den Blick starr mit den blinkenden Punkten verhaftet, bis die Rotation des Boliden diese hinter dem Krista lmassiv über der Grotte verschluckte.
Erst jetzt wich der ungeheure Druck von der Frau, setzte das Denken wieder ein. Sie kommen, flüsterte sie erneut. Tränen stürzten über ihre Wangen. Wie in dicker Watte schritt sie zu ihrem Sitzstein, sank darauf nieder und stützte den Helm in die Hände. In hundertsiebenundsechzig irdischen Minuten gehen sie wieder auf! Sie wendete den Kopf: Hörst du, in zwei Stunden und siebenundvierzig Minuten tauchen sie wieder auf, deine Leute. Meine Leute, echote die Maschine.
Robina lehnte sich zurück. Sie entspannte langsam; ein nie empfundenes Glücksgefühl durchströmte sie. Sie atmete tief. ,Es hat sich gelohnt, dachte sie. ,Nach dreiundzwanzig Jahren und hundertsiebenunddreißig Tagen hat mein Ruf sie hergeführt, die Anderen ...
Die Anderen? Und wenn es meine sind? Noch immer fühlte Robina sich fassungslos, keiner tieferen Überlegung fähig. Das ist so gleichgültig!, rief sie. Aber gleichzeitig pochte leise in ihr der Wunsch, es mögen die Anderen sein. Robina starrte auf den Punkt am jenseitigen Ufer, an dem das Signal erneut erscheinen musste, obwohl, wie gerade dem Roboter mitgeteilt, noch Stunden vergehen würden. Je zäher die Minuten tropften, desto mehr stellten sich Zweifel ein. ,Wenn mir meine Fantasie, mein Wunschdenken einen Streich spielt? Aber warum gerade heute? Hat mich das Sehnen nach einem solchen Augenblick nicht begleitet, seit ich wusste, dass die Gefährten mit der stolzen REAKTOM atomisiert wurden und ich nach der Havarie auf diesem todkalten, sterilen, wunderbaren Gesteinsbrocken allein sein werde?