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Palma de Mallorca, Konstantinopel, Paris und San Francisco: Bernhard Kellermann auf Reisen - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis

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(Pinnow 14.11. 2025) – Erneut macht der heutige Newsletter mit Büchern des einst weltbekannten Autors Bernhard Kellermann (1879 bis 1951) bekannt. Dieser hatte in seinem Leben viele fremde Länder und Städte gesehen und über seine Erlebnisse und Eindrücke geschrieben. Und so sind vier der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 14.11. 2025 bis Freitag, 21.11. 2025) zu haben sind, im weitesten Sinne des Begriffs Reisebücher. Alle vier Texte stammen aus dem 1979 im Verlag Volk und Welt Berlin veröffentlichten Band „EINE NACHLESE 1906-1951, Herausgegeben von H. D. Tschörtner unter Mitarbeit von Georg Wenzel“.

Den Anfang macht „Palma de Mallorca – Zwischen Geschichte und Gelassenheit“: Palma de Mallorca - eine Stadt wie aus Perlmutt und rotem Gold. Bernhard Kellermann beschreibt die Balearenmetropole mit feinem Humor, poetischem Blick und liebevoller Genauigkeit. Zwischen mittelalterlicher Architektur, aristokratischem Flair und mediterraner Gelassenheit entsteht ein faszinierendes Porträt einer Stadt, die ihren eigenen Rhythmus lebt.

Ob im heißen Sommer, bei überraschendem Schneefall oder während einer charmant harmlosen „Revolution“ - Palma erweist sich als Ort der Leichtigkeit, Gelassenheit und Lebensfreude. Ein lebendiger Reisebericht, der das historische Palma spürbar macht und zugleich seine zeitlose Anziehungskraft offenbart.

Es folgt „Konstantinopel – Geschichte, Glanz und Gegenwart“: Ein majestätischer Anblick, eine schimmernde Fata Morgana - und eine Stadt voller Widersprüche: Bernhard Kellermann beschreibt Konstantinopel in einer Zeit des Umbruchs. Zwischen jahrtausendealter Geschichte und modernen Reformen, zwischen Minaretten und Fabrikschloten, Basaren und Autos taucht der Leser in ein faszinierendes Porträt der Metropole ein, die heute Istanbul heißt.

Mit scharfem Blick und feiner Sprache schildert der Autor den Wandel einer Stadt, die einst Tor zwischen Orient und Okzident war. Ein eindrucksvoller Reisebericht, der historische Tiefe und unmittelbare Beobachtung kunstvoll verbindet.

Die dritte Offerte ist „Der Magen von Paris“: Paris schläft nie - besonders nicht dort, wo das Leben am lautesten pocht: in den Markthallen. Mit scharfem Blick und eindringlicher Sprache führt Bernhard Kellermann den Leser mitten hinein in das nächtliche Herz der Stadt, wo der Glanz der Boulevards abrupt in ein Meer aus Dampf, Stimmen und Gerüchen übergeht. Zwischen dampfenden Gemüsewagen, schillernden Blumenhügeln, geschlachteten Tieren und fluchenden Lastträgern entfaltet sich ein Panorama, das gleichermaßen fasziniert wie erschüttert.

Kellermann zeigt die pulsierende Metropole fernab touristischer Träumereien - ein Paris der Gegensätze, der Reichtümer und der Schatten. Eine atmosphärisch dichte Reportage, die die Stadt so lebendig werden lässt, als stünde man selbst mitten im Lärm und Duft der Hallen.

Zum Abschluss der heutigen Auswahl von Büchern von Bernhard Kellermann präsentiert EDITION digital „Das neue San Francisco“: Nach dem verheerenden Erdbeben von 1906 erhebt sich San Francisco aus der Asche - laut, staubig, fiebernd vor Energie. Bernhard Kellermann schildert in diesem eindrucksvollen Reisebericht seine Ankunft in einer Stadt, die wie ein gewaltiges Bauwerk im Werden bebt. Zwischen Trümmern, Stahlgerüsten und Staubwolken entsteht ein pulsierendes Zentrum der Moderne.

Mit wachem Blick und feiner Ironie beobachtet der Autor den Wiederaufbau, das geschäftige Treiben und den unerschütterlichen Glauben der Menschen an ihre Zukunft. Ein faszinierendes Zeitdokument über Aufbruch, amerikanischen Pragmatismus - und den unbezwingbaren Willen einer Stadt.

Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Heute präsentiert der Newsletter eine ungewöhnliche Sicht auf den Krieg und ebenso ungewöhnliche Adressaten – Kinder. Und es stellt sich die Frage, kann jemand, der den Krieg erlebt hat, diesen jemals vergessen?

Friedrich Wolf hat seine Erzählung „Lennox – ein Hund im Schatten des Krieges“ für Kinder ab 6 Jahren geschrieben. Der Text wurde seinem Buch „Bummi. Tiergeschichten für große und kleine Kinder“ von 1951 entnommen.

Lennox, ein tapferer Airedaleterrier, hat den Krieg nicht vergessen. Einst als Melde- und Militärhund gefeiert, findet er sich nach dem Frieden in einer Welt wieder, die ihm fremd geworden ist. Doch die Narben des Krieges - und die Erinnerung an seine geliebte Gefährtin Dina - begleiten ihn auf Schritt und Tritt. Als Lennox von seinem alten Herrn getrennt wird, treibt ihn der unaufhörliche Drang zurück in die Kaserne, wo seine Kameraden sind. Doch kann er die Geister der Vergangenheit wirklich hinter sich lassen? Eine bewegende Geschichte über Loyalität, Verlust und die tiefen Spuren, die der Krieg in Mensch und Tier hinterlässt.

Und so beginnt diese berührende Erzählung:

„Es ist ein Kreuz mit Lennox; er kann nicht vergessen“, sagen die alten Sergeanten, da der dunkelgraue drahthaarige Airedaleterrier wieder einmal vor der schottischen Pionierkaserne erscheint. „Es ist doch längst Frieden. Wir müssen Lennox zu Mr. Fitzgerald bringen.“ „Well, bringen wir ihn; das gibt ein gutes Trinkgeld“, meint Sergeant Swallow. „Zumal er ja doch zu uns zurückkommt“, schmunzelt Jacky Tush, der dicke Furier. „Weiß Gott, Lennox kann nicht vergessen.“ Damit hatte es nun eine solche Bewandtnis.

Lennox war, wie gesagt, ein kräftiger grauhaariger Airedaleterrier; er war als Polizeihund auf den Mann dressiert, ebenso mutig wie intelligent und gehorsam. Der Holzhändler Fitzgerald hatte ihn als Wachhund seines großen Holzlagers benutzt. Lennox gehörte nun nicht zu jenen Hunden, die nachts bei jedem Geräusch aus Angst oder Wichtigtuerei kläffen. Er verhielt sich vielmehr völlig still bei späten Straßengängern; er schlug auch nicht an, wenn ein Dieb begann, über die Mauer zu steigen; erst wenn der Einbrecher in seinem Bereich war, stellte er ihn genau nach Dressur und verbellte ihn.

Im Krieg hatte Fitzgerald den Hund dem in der Stadt gelegenen Pionierbataillon übergeben. Lennox kam in einen besonderen Lehrgang für Militärhunde. Und stark, mutig und intelligent, wie er war, wurde er als Meldehund zum Überbringen von Nachrichten ausgebildet, ferner als Transporthund zur Beförderung von Munition, Arznei, Wasser und Funkgerät. Bei der Belagerung von Tobruk in Nordafrika hatte man ihn sogar zum Legen von Telefonleitungen verwendet, indem man ihm eine Drahtrolle um den Leib wickelte, die sich beim Hinüberlaufen von einer Stellung zur andern abspulte. Auf seinem Nickelhalsband waren die Worte: Tobruk, Monte Cassino und Arnheim eingraviert. Lennox hatte an manchem Kampf teilgenommen. Zwei tiefe Narben an seinem rechten Vorderlauf und sein hinkender Gang machten ihn eigentlich zum Invaliden. Aber er hatte sich an die Pioniere des I. Bataillons und an seinen Freund, den Sergeanten Bob Swallow, derart gewöhnt, dass es nicht möglich schien, ihn einfach zu pensionieren.

Es gab übrigens bei den Pionieren noch andere Hunde, mit denen Lennox Bekanntschaft gemacht hatte. Es befand sich dort eine glatthaarige, sehr elegante Hundedame, eine Dobermännin, mit Namen Dina. Sie galt als sehr vornehm, aber auch als sehr tapfer. Sie brachte große Mengen Verbandstoff und Medikamente zugleich mit Meldungen nach vorn. Sie war bei dem Minenlegerkommando; sie musste vor allem Nachtarbeit leisten. Der struppige Lennox schien in die glatthaarige, rotbraune Dina direkt verschossen. Natürlich war er viel zu stolz, der schönen Dame seine Zuneigung zu zeigen.

Einem Diensthund, der mit ernster operativer Arbeit betraut ist, steht das nicht an. Und Lennox zeichnete sich ja gerade dadurch aus, dass er außer seinem ebenso gefährlichen wie verantwortungsvollen Dienst nichts anderes kannte. Deshalb schätzten ihn die Menschen so. Sie hatten ihm dafür das Nickelhalsband mit den Namen der Orte seiner Ruhmestaten umgelegt.

In der folgenden Leseprobe aus „Palma de Mallorca – Zwischen Geschichte und Gelassenheit“ schildert Bernhard Kellermann seine Eindrücke von Palma de Mallorca mit ruhigem, beobachtendem Blick. Die Atmosphäre der Insel zwischen mildem Klima, lebendiger Stadt und stillen Momenten des Alltags wird in warmen, bildhaften Szenen lebendig.

Eine Freundin von mir jagt von früh bis nachts mit ihrem Cabriolet durch die Straßen der Stadt. Die Verkehrsschutzleute grüßen sie, einer grüßt sogar englisch: Good bye, lady! Die Chauffeure der Autobusse begrüßen sie lärmend mit der Hupe, ebenso die Chauffeure der Taxis. Rammt sie gelegentlich irgendwo an, so lacht man nur, das ist nicht so schlimm. Hat sie eine Panne, so halten die Chauffeure an, um ihr beizustehen, geht sie aber ausnahmsweise mal zu Fuß, so halten die Taxis an: Bitte steigen Sie ein! Natürlich darf sie nicht bezahlen. Wirklich, es sind angenehme Menschen.

Der Herbst und der frühe Winter sind ungewöhnlich mild und schön, in den Gärten blühende Rosen, und die bunten Teppiche exotischer Schlinggewächse hängen über die Gartenmauern. Selbst an Weihnachten können sich die großen Platanen auf dem Born, der Hauptpromenadenstraße, noch immer nicht entschließen, die Blätter abzustoßen. Am Neujahrstage paddelte mein Freund Francesco, nur mit der Badehose bekleidet, auf die Bai hinaus. Die Unentwegten schwammen noch immer im Meer.

Dann aber kam der Winter doch. Ein Paket kalter Luft kam aus dem Norden, und es wurde kalt, wenn auch die Mandelbäume zu blühen anfingen. Auf den Bergen lag ein dünner Schleier von Schnee: Das war natürlich eine seltene Erscheinung. Einmal wirbelten sogar ein paar Schneeflocken um die Orangenbäume, an denen noch die Früchte hingen. Das war seit dreißig Jahren nicht dagewesen. Unsere Verkehrsschutzleute trugen jetzt pelzverbrämte Kittel, dazu ihre weißen Tropenhelme. An den Haltestellen der Straßenbahnen flackerte da zuweilen ein kleines, lustiges Holzfeuerchen, woran sich die Weichensteller die Hände wärmten. Die Offiziere hatten die schwarzen Mäntel pompös um die Schultern drapiert, man sah nur ihre Nasenspitzen. Die Leute froren in den Häusern, denn hier spielt noch das Kohlenbecken der Araber die Rolle des Ofens. Im Allgemeinen ignoriert man, wie in ganz Spanien, den Winter.

In der folgenden Leseprobe aus „Konstantinopel – Geschichte, Glanz und Gegenwart“ führt Bernhard Kellermann mitten hinein in das pulsierende Leben Konstantinopels. Mit eindrucksvollen Bildern aus Basaren, Werkstätten und engen Gassen zeigt er, wie sich Geschichte und Gegenwart in dieser Stadt überlagern und ihre unverwechselbare Atmosphäre formen.

Und doch ist auch das heutige Konstantinopel, wenn auch nahezu vollkommen alles typisch Orientalischem entkleidet, noch von größtem Reiz. Tage und Wochen kann man durch diese Stadt wandern, ohne je zu ermüden. Stundenlang durchstreifst du die verstaubten, verräucherten Basare im alten Stambul, den sogenannten Ägyptischen und Alten Basar, Böjük Tscharschi. Die Straßen der Handwerker, Drechsler, Tischler, Schmiede, Metallarbeiter, rasseln vom Lärm der Arbeit. In den Basaren der Kaufleute wird umständlich gefeilscht und gehandelt. Schöne Brussa-Seide, zuweilen da und dort ein prachtvoller alter Teppich, eine herrliche alte Wasserpfeife, kunstvoll ziselierte Dolche und Schwerter von bizarrer, gefährlicher Form. Unter den Bäumen dort ein kleines, offenes Kaffeehaus, wo ein Briefschreiber seine Kunden bedient und der braune Kaffeesieder wunderbaren echten Mokka serviert. In einem Speisehaus daneben zischen die am Spieß gerösteten Hammelstückchen über den roten Kohlen. Gestank, Schmutz, Schutt, Tücher, alte Säcke, zuweilen Lumpen sind über die Straße zum Schutz gegen die Sonne gespannt. Hier wird Zucker gekocht und gesponnen, die Wasserverkäufer rufen ihren kühlen Trunk aus. Sie schleppen das Wasser in hölzernen Bütten und Kupfergefäßen auf dem Rücken. Man muss schon noch etwas weiter östlich gehen, bis man auf den biblischen Hammelschlauch stößt, der immer noch benützt wird, wie vor zweitausend Jahren.

Ein Händler mit Orangen, Feigen, Pistazien, Mandeln, Rosinen trägt seinen Laden durch den Basar. Weit über die Grenzen des Landes hinaus aber sind die türkischen Zuckerbäckereien berühmt. Raffinierte Leckereien aus Honig, Nüssen, Mandeln, Kastanien und anderen Ingredienzien. Lokum ist der Name des gerühmten, in Zuckerstaub gerollten Gebäcks, das sich in ganz Kleinasien und auf dem Balkan der größten Beliebtheit erfreut.

Tritt zur Seite, eine Herde von Schafen wird aus einem Hof getrieben. Esel mit großen Säcken kommen durch die Basarstraße. Bringe dich in Sicherheit, zwei schwere Lastautos, Fünftonnenwagen, donnern vorbei, dass die Erde zittert.

Mitten in den Basaren liegen die alten Karawansereien, Chane genannt. Es gab davon früher gegen fünfhundert. Heute befinden sich dort meistens die Magazine der Großhändler, Geschäftsräume und Autogaragen. Die meisten alten Chane verfallen, der Handel hat längst sein Zentrum nach Galata verlegt.

In der folgenden Leseprobe aus „Der Magen von Paris“ führt Bernhard Kellermann in das nächtliche Paris rund um die Markthallen, wo Eleganz und Abgrund eng nebeneinanderliegen. Mit scharfem Blick schildert er Kontraste zwischen mondänen Restaurants und dunklen Kellern – ein Panorama der Stadt und ihrer verborgenen Gesichter.

Bei Barrat kann man vornehm und reinlich, allerdings auch teuer, dinieren, befrackte Kellner mit verschlagenen Mienen und süßester Höflichkeit servieren. Barrat ist ein besseres Restaurant, wo sich die elegante Halbwelt versammelt, die ergebnislos bei Bullier tanzte und in den Tavernen vom Boulevard St-Michel promenierte. Hier spielt eine Kapelle, Paare drehen sich mit der unnachahmlichen Grazie der Pariser Tänzer, die Seidenhüte glänzen, und die gestickten Vorhemden blenden. Hier sah ich einmal ein Mädchen, das zu den schönsten Frauen zählte, die ich je erblickte. Sie hätte mit Adel einen Fürstenthron geziert.

Interessant ist es jedoch, den „Caveau des Innocents“ oder den „Ange Gabriel“ zu besuchen, die zwei berüchtigtsten Lokale von Paris. Den Eingang zum „Caveau des Innocents“ bildet eine kleine Bar, die man durchquert, um eine schmale steile Treppe hinabzusteigen. Dumpfe, verdorbene Luft und tobender Lärm steigen einem wie durch einen Kamin entgegen. Der Keller besteht aus etwa vier kleinen niedrigen Gewölben, die einem oder zwei kleinen Tischen Raum geben und vollgepfropft sind von schreienden, schlafenden, lachenden und stumm-verzweifelten Menschen. Zumeist sind es Apaches, alles dunkle Existenzen mit eindeutigen Gedanken hinter den geduckten Stirnen und verwegener Entschlossenheit in den glänzenden, unverhohlen prüfenden Augen. Im ersten Kellergewölbe sitzen zwei Stadtsergeanten mit Pistolen vor sich auf dem Tische. Verschlagene, freche, totenbleiche und abgelebte Gesichter heben sich erstaunt und neugierig. Das Lächeln der gesunkensten Dirnen von Paris grinst an den Tischen. Im letzten Gewölbe befindet sich ein ununterbrochen tobendes Klavier, das Gesänge begleitet, die einzeln oder im Chor gesungen werden. Der Text dieser Lieder ist nicht wiederzugeben, doch hörte ich einen Fremdenlegionär ein sehr schönes und schwermütiges Lied mit großem Anstande vortragen. Der Lärm hier ist unbeschreiblich. Ein junges, etwa fünfzehnjähriges Mädchen mit lieblichem Gesichte und unschuldig blickenden Augen verbringt hier seine Nächte, es singt, lacht und trinkt. Der Kopf des Klavierspielers ist wie eine Vision des Entsetzens, er ist ganz starr, bleich, ohne jedes Leben, mit großen, rollenden Augen, und ich würde ihn für tot gehalten haben, hätten nicht die Hände gehämmert und die Augen gerollt. Man erzählte mir, dass er taub und blind sei. Der „Caveau des Innocents“ ist alt, eine Kneipe, die die Toleranz der Polizei seit Jahrhunderten Verbrechern und Dieben und Arbeitsscheuen zur Belustigung und als einen Unterschlupf für die Nacht offenlässt. Die Wände sind mit Namensinschriften bedeckt, man zeigte mir die Namen berühmter Verbrecher.

Einen ganz anderen Charakter bietet der „Ange Gabriel“. Hier ist es schmutzig-elegant, das Publikum ist besser gekleidet, man entdeckt sogar Seidenhüte, und die aufgeschwemmten Damen, die hier Austern schlürfen, tragen Brillantboutons in den Ohren und feine Spitzen über den dicken Händen. Der „Ange Gabriel“ ist aber, wenn möglich, noch berüchtigter als der Caveau der Unschuldigen. Hier ist es still, etwas Atemverhaltenes, Lauerndes liegt in der Luft, und eine traurige Ironie grinst aus den schlechtgemalten Darstellungen von Szenen, in denen der Erzengel Gabriel figuriert, die die Wände bedecken. Hier kann man Augen sehen, die eine Tragödie enthalten, und ein Lächeln kann die letzte menschliche Verworfenheit offenbaren. Die Gäste hier sind geübt in der Beurteilung und Einschätzung der Menschen, mit einem scharfen, blitzschnellen Blick ist die Prüfung beendigt. Die Sprache ihrer Mimik ist hoch entwickelt, ein leises Senken des Augenlids übermittelt dem andern Beobachtungen, Abmachungen, Pläne etc. Ich habe hier ein kleines Abenteuer erlebt.

In all den hundert Kneipen rings um den Hallen kreist in jeder Nacht ein wirres und unfassbares Leben, der hüpfende, tanzende Schaum und Schmutz, den der große, tosende Strudel gegen die steinernen Ufer schleudert.

In der folgenden Leseprobe aus „Das neue San Francisco“ beschreibt Bernhard Kellermann das neu entstandene San Francisco nach dem verheerenden Erdbeben – eine Stadt voller Lärm, Tempo, Aufbruchsstimmung und ungebremster Geldgier. Mit wachem Blick zeigt er, wie Hoffnung, Rausch und Illusion hier eng nebeneinander existieren.

Frisko schrie und tutete, und selbst die stummen riesigen Reklamelettern an den kahlen Seitenwänden der hohen Häuser brüllten dich an. An einem Neubau, von dem eine ewige Staubwolke ausströmte, sah ich folgende Aufschrift: „Keep away! – That means you!” (Achtung! Es geht Sie an!) Diese Aufschrift schrie jeden Passanten einzeln an!

In dem neuen Frisko herrschte ein ungeheurer Umsatz in jeder Beziehung. Ein Arbeiter verdiente in dieser Zeit 6 bis 7 Dollar täglich, dazu kamen die miner herein, die draußen ihren haul (Zug) gemacht hatten. Und das Geld war da, um ausgegeben zu werden. Am Tag war Frisko amerikanisch, in der Nacht spanisch. Es verwandelte sich in einen Kinematografen und einen Fonografen. In einen Spielsalon. Niemand in der ganzen Stadt, das ist sicher, dachte noch an das Erdbeben oder daran, dass ein neues kommen könnte. Jeden Abend wurde ein Championboxer unkenntlich geschlagen, es gab unzählige Varietés, und in den deutschen Bierkellern „Fürst Bismarck“, „Heidelberger“, konzertierten die Damenkapellen. Ganze Spalten in den Zeitungen, die die neuen Pressen in das neue Frisko spien, waren gefüllt mit Annoncen von Hellsehern und Chiromanten, die dir dein Geld zurückzahlten, wenn sie dir nicht haarscharf deine Vergangenheit, Zukunft und deinen Namen kundtaten. Aus jedem dieser nassen Zeitungsblätter streckten sich dir hundert Fäuste entgegen, die dir Bündel von Dollarnoten unter die Nase hielten und dir den sichersten und schnellsten Weg zu fabelhaften Reichtümern zeigten. Shares, Minen, Grundstücke, money in heaps! Ich erinnere mich noch der Geschichte eines Mannes, eines Polizisten, der ein Goldnugget in einem Hühnerei gefunden hatte und nun fieberhaft nach dem Farmer fahndete, der ihm das Ei auf dem Markt verkauft hatte, den ganzen Tag lang fertigte er schon kleine Holzschachteln zum Aufbewahren des Goldes an. Dieser Polizist glaubte, ganz San Francisco glaubte.

Machen wir zum Schluss des heutigen Newsletters ein kleines Gedankenexperiment: Wie würde wohl Bernhard Kellermann heute über seine vier Reisezielen schreiben? Palma de Mallorca, Konstantinopel, Paris und San Francisco. Vieles hat sich auch dort verändert – wie die Welt überhaupt.

Bleiben wir bei Palma de Mallorca – dem Hauptort der spanischen Mittelmeerinsel Mallorca. Die Stadt ist Sitz der Regierung der autonomen Gemeinschaft der Balearen, Bischofssitz und Sitz einer Universität. Noch immer oder heute erst recht ist Palma de Mallorca ein touristischer Anziehungspunkt nicht zuletzt für viele, viele Reisende aus Deutschland. Und wie man in letzter Zeit immer wieder hört, führt diese „touristische Belagerung“ von Palma und der gesamten Insel zu teils heftigen Protesten der Einheimischen, der Palmesanos und Palmesanas. Auch darüber hätte Kellermann geschrieben.

Aber bestimmt hätte er auch in der Gegenwart die berühmten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt von Mallorca vorgestellt, die alljährlich Tausende von Touristen auf die Insel locken. Dazu gehört als erstes das Wahrzeichen von Palma – die Kathedrale La Seu. Wie einem Reiseprospekt zu entnehmen ist, gehört sie zu den schönsten und größten gotischen Gotteshäusern Europas. Jeder Morgen bringt eine neue Erleuchtung. Kurz nach Sonnenaufgang fällt das Licht durch die Rosette in der Ostflanke der Kathedrale, wird gebrochen in einem Kaleidoskop aus mehr als tausend roten, gelben, blauen und grünen Scheiben. Die Besucher stellen sich hinein, machen Fotos. Göttliche Fresken gibt es in der Kathedrale von Palma keine. Die Gemälde zeichnet hier das Licht – und man selbst steht mittendrin.

Die Kathedrale von Palma hat eine lange Geschichte: Bereits 1229 wurde mit dem Bau begonnen, fertig gestellt wurde sie erst 1601. Das Warten hat sich jedenfalls gelohnt.

Auch das nahe gelegene Museo Diocesà ist sehr zu empfehlen. Der Eingang liegt in einem großen Innenhof, direkt neben dem Zugang zur Kathedrale und zum Kathedralmuseum. Wo früher sündige Priester im Kerker darben mussten, hat man heute einen prächtigen Blick über Hafen und Meer. Zu sehen ist hier beeindruckende sakrale Kunst aus fünf Jahrhunderten – und ein ausgestopftes Krokodil. Das Tier soll als „Drac de na Coca“ einst in der Kanalisation sein Unwesen getrieben haben.

Dritte Empfehlung ist die Königliche Festung Palau d’Almudaina. Zwischen Kathedrale und Ufer steht der Palast La Almudaina, eine ursprünglich römische, später arabische und schließlich christliche Festung, in der Mallorcas erste Könige residierten. Auch heute erledigt hier König Felipe seine Amtsgeschäfte, wenn er auf der Insel ist. Der Königspalast ist reich geschmückt mit Wandteppichen, Ritterrüstungen, Mobiliar und Gemälden aus verschiedenen Jahrhunderten. Ein paar Stufen weiter unten verläuft die alte, begehbare Stadtmauer.

Und schließlich soll noch auf Herrschaftliche Höfe im Calatrava-Viertel hingewiesen werden. Am östlichen Ende der Stadtmauer, im Carrer Bala Roja, wurde auf dem Gelände des ehemaligen Verteidigungsturms eine schöne Aussichtsplattform eingerichtet. Das angrenzende Calatrava-Viertel betritt man durch die gleichnamige Straße. Es wurde einst von vornehmen Geschäftsleuten bewohnt. Die hohen Häuser mit ihren herrschaftlichen Innenhöfen, den Patios, zeugen von deren Wohlstand. In wenigen Minuten gelangt man durch die Straßen Sant Alonso, Santa Clara und del Call zur Plaça Santa Eulàlia mit der Kirche gleichen Namens. Dort kann man in den Läden rund um den Platz nach Kunsthandwerk und Souvenirs stöbern.

Und damit wollen wir auch diese kleine Werbung für einen Besuch in Palma de Mallorca auch schon wieder beenden. Die Entfernung von Deutschland beträgt übrigens per Flugzeug etwa zweieinhalb Stunden (Flughafen Hamburg). Und vielleicht ist es eine Gelegenheit, mitten im November über eine Reise in die Sonne nachzudenken? Schließlich ist ja auch bald wieder Weihnachten …

Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die nächsten Sonderangebote für die vierte Novemberwoche sind schon gepackt.

Dazu gehören drei Bücher von Bernhard Kellermann, darunter eines über ein berühmtes Liebespaar, viel Regen und eine große Enttäuschung – „Chopin und die Kartause von Valldemosa“. Auch dieser Text ist wiederum dem 1979 im Verlag Volk und Welt Berlin veröffentlichten Band „EINE NACHLESE 1906-1951, Herausgegeben von H. D. Tschörtner unter Mitarbeit von Georg Wenzel“ entnommen.

Im Winter 1838/39 suchte Frédéric Chopin gemeinsam mit George Sand Zuflucht auf Mallorca - in der alten Kartause von Valldemosa. Was als romantischer Rückzugsort unter Palmen, Olivenbäumen und türkisblauem Himmel begann, wurde zu einem Aufenthalt voller Enttäuschungen, Regen, Kälte und Misstrauen.

Bernhard Kellermann erzählt in eindringlicher Sprache von diesem ungewöhnlichen Kapitel im Leben des großen Komponisten. Er verbindet historische Fakten, atmosphärische Beobachtungen und leise Ironie zu einer lebendigen Reiseerzählung, die den Mythos des Ortes und die Tragik des Künstlers in den Mittelpunkt stellt.

Kellermanns Text beginnt mit einer Überraschung:

„In den Wandelgängen der Cartuja von Valldemosa auf Mallorca wird man höflich in altertümlich zurechtgemachte Räume komplimentiert: „Die Zelle, die Chopin bewohnte.“ Hier steht sein Piano, der kleine Vorgarten wird eben neu hergerichtet. Ein paar Schritte weiter wird man wiederum in andere Räume, ein kleines Museum, komplimentiert: „Chopins Zelle.“ Wie? Beide Besitzer versichern, dass ihre Zelle die Originalzelle Chopins sei. Der eine stützt seinen Anspruch auf eine Zeichnung von George Sands Sohn, der andere begründet ihn mit der Überlieferung. Die beiden Zellenbesitzer befehden sich heftig, schließlich kommt es zu Prozessen und Tätlichkeiten, und dieser Tage ging eine Notiz durch die Zeitungen, dass der Gouverneur der Insel sich gezwungen sah, die Zellen zu schließen.

Sonderbar, fast hundert Jahre sind vergangen, seit Chopin in der Cartuja von Valldemosa wohnte, und auch jetzt findet er noch keine Ruhe dort.“

DDR-Autoren: Newsletter 14.11.2025 - Palma de Mallorca, Konstantinopel, Paris und San Francisco: Bernhard