Das Komische ist: Keiner weiß was von Wachenhusen. In Schwerin geboren, laut Thieme-Beckers Kunstlexikon auch dort verstorben 1925. Und auf dem Ahrenshooper Friedhof angeblich begraben. Merkwürdig genug, immerhin. Warum hat man in Pommern einen Mecklenburger beerdigt, der Haus und Familie in Schwerin hatte, in dem malerischen eingemeindeten Dorf Görries, in der Straße Knöchernhorst 12? Eingemeindet ist Görries auch heute noch, nur das Malerische ist weg.
Gehen wir also in die Bunte Stube, und befragen wir den alten W., der in diesem merkwürdigen und bauhausverdächtigen Gebäude aus Brettern und Glas viel schöne Kunst verkauft und Bücher und sogar antiquarische, deren Preis einen der letzten Reste ahrenshoopischer Exklusivität repräsentiert. Und manchmal bietet W. natürlich auch ein bisschen Kitsch an, wer will ihm das verdenken: es besteht rege Nachfrage. W., seit alten Zeiten, kennt den Ort und seine Pappenheimer. Bei ihm ist es voll, denn es regnet. Wenn die Sonne scheint, ist es auch voll, denn das Etablissement ist schattig. Er steht hinter seiner Kasse, angetan mit einem karierten Hemd, er hat seine grauen, fast weißen Haare in die Stirn gekämmt, er spricht ein munteres Gemisch aus Hoch- und Plattdeutsch, Berlin und Vorpommern, er hat einen etwas irritierten Blick, als ich ihn nach Wachenhusen frage. Sonst fragen die Leute nach Elizabeth Shaw oder Werner Tübke oder ob Bernsteinketten da sind und wann der und jener ausstelle in seinem winzigen Galeriechen hinter dem Laden. Und nun komme ich daher und frage nach Wachenhusen.
Das Grab? Hm, man weiß nicht so genau, ob er drunter liegt. Der ist damals verschwunden, einfach so ...
Wie kann ein Professor, ein Mann von zwei Meter Höhe und zweihundert Pfund Gewicht, einfach so verschwinden?
Tja, wie kann er wohl ...
Nun gehe ich endlich das Grab anschauen, mal so richtig, steige den Friedhofsberg hinauf, zwischen den Gräbern durch, zwischen den ehrsamen Herren und Damen Bradhering selig, die hier generationsweise begraben sind, und zwischen den ganzen Professoren und Kapitänen, die mal ein Haus hatten in Ahrenshoop. Hier ist auch Peter E. begraben, der Hinstorff-Verleger, der ein rechter Schwadroneur und großer Saufaus gewesen sein soll und der den Professor Wachenhusen gekannt haben muss, denn er hat später, nach dessen Tod, sein Haus gekauft, gleich neben dem Friedhof. Ganz oben, wo's fast nicht mehr weitergeht, wo nur noch ein Zaun ist und dahinter Wald und dahinter ein Haus, Schifferberg 10, da ganz oben: der grüne Efeuhügel und die weiße Platte, Professor Fritz Wachenhusen, geboren am, gestorben am, was sonst. Und der soll nicht drunterliegen? Ist das nicht ein Malerwitz? Ein Touristenschocker? Ein Windei?