nach A. L. Karsch
»13«
Ein Ehemann von sanftem Wesen
ertrug sein Weib mit viel Geduld.
„Ich bring mich um“, so rief sie ständig,
„und daran hast nur du die Schuld!“
Er bat sie stets in sanftem Ton:
„Hör auf mit dieser dummen Grille.“
Doch sie schrie immer heftiger:
„Das ist mein absoluter Wille!“
Da blieb ihm keine andre Wahl:
Er trug sie an ein nahes Wasser.
Sie hörte bald zu schreien auf
und wurde blass und blasser.
Er ließ sie, ganz in seiner Art,
sanft fallen in das kühle Fließ
just da, wo es am tiefsten war,
damit sie sich nicht unten stieß.
„Das“, sprach er, „war doch nur dein Wille.
Da rief sie in der Wassernot:
„Mein lieber Mann, mach mich nicht tot,
glaub mir, es war nur eine Grille!“
Dann war sie endlich stille.
Die Wahrheit ist die:
Das Weib schweigt nie.
nach einer echten Moritat
»14«
In einem grünen Tale,
nicht weit vom tiefen Wald,
steht eines Müllers Mühle,
darin ein Kindlein lallt.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Nach sechzehn, siebzehn Jahren,
da lallt das Kind nicht mehr.
Da ist’s ’ne ranke Jungfer,
die trällert froh umher.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Ein Förster wollt’ sie freien,
der ihr die Liebe bot.
Ein Wilddieb kam gegangen
und schoss den Förster tot.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Der Wilddieb, schön und heftig,
nahm sie in seinen Arm.
Da endigte sein Leben
ein Schuss von dem Gendarm.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Sie glaubt’, mit dem Gendarme
war sie aus allem Leid.
Doch in einem Gemenge
schlug ihn ein Räuber breit.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Der Räuber nahm sie mit sich
auf seine Lagerstatt.
Da stahl sie ihm das Messer
und dolcht’ ihn, bis er matt.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Nun sitzt sie bei der Mühle
und weint in sich hinein.
Wie kann nach so viel Liebe
man so alleine sein.
Und am Ende von dem Tal
rauscht ein großer Wasserfal.
Und am Ende …
»15«
Ihr zarten Herzen, hört ein Trauerlied,
wenn mir dabei nicht Stimm’ und Atem flieht.
Ein Lied von all dem Kummer, Gram und Schmerz,
der traf der ungetreuen Linda Herz.
Fort ging der Gatte, und der Buhle kam.
Sie öffnet ihm, er in den Arm sie nahm.
Da kommt zurück, kommt schneller als er soll,
der eigne Mann. Er tritt herein wie toll.
Er zieht den Dolch, und sonder Wort und Scherz
stößt er ihn in des bösen Buhlen Herz.
Er starb, der feige Buhle, und sein Blut
ward noch geehrt mit Lindas Tränenflut.
Doch jedermann nennt ihn mit Schand und Graus.
Und damit ist auch die Romanze aus.