In einer mittelasiatischen Industriestadt war für die Herstellung von Stickwaren ein Fabriksaal eingerichtet worden, und die Arbeitsplätze waren wie in einer Schulklasse in Reihen hintereinander angeordnet, so dass die Arbeiterinnen nur den Rücken der vor ihnen Sitzenden sehen konnten. Zu Hause waren sie gewohnt, ihrer Unterhaltung und auch viele ihrer Arbeiten im Kreise sitzend zu verrichten. Als man auf die Idee kam, die häusliche Sitzordnung in den Fabrikraum zu übertragen, stieg nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die Arbeitsleistung, und zwar für dauernd.
Ein anderes Beispiel beruht auf dem Umstand, dass der Mensch ein Drei-Generationen-Wesen ist. Soziale Vererbung, Wohlbefinden, menschlicher Reichtum, Persönlichkeitsbildung sind an diese Drei-Generationen-Einheit gebunden. Wer niemals Enkel oder Großvater bzw. Großmutter war, dem fehlt ein wesentliches Element menschlichen Seins und menschlicher Erfahrung. Um diese Drei-Generationen-Einheit zu realisieren, braucht es aber auch materieller Träger. Diese können von sehr unterschiedlicher Art sein, beispielsweise der sogenannte Großvatersessel. Auf ihn übertragen sich Erlebnisse, Erinnerungen, Gefühle usw. von mehreren Generationen. Und wer, sich dessen bewusst, in ihm sitzt, erlebt einen ganz eigenen Wert. Wie vielfältig der sein kann, lässt sich aus Diderots Bedauern über meinen alten Schlafrock schließen. Wie ein Sessel können viele Gegenstände unserer unmittelbaren Umgebung an Wert gewinnen, wenn menschliche Eigenschaften auf sie übertragen werden, indem sie diesen Eigenschaften entsprechen und ihnen dienen. Das ist menschlich (und auch ökonomisch) vernünftig und besonders dann von Wichtigkeit, wenn das materielle Wegwerfverhalten in Wechselwirkung mit dem moralischen Wegwerfverhalten vor sich geht. Die Verluste, die hier eintreten, sind bedrohlich.
Verhaltensforscher bezeichnen es als geradezu absurd, die Altersschichten des Menschen voneinander zu trennen. Die Soziologische Transfermatik befähigt uns. Formen der Übertragung zu finden und anzuwenden, die der Bewahrung des menschlichen Wesens dienen. Selbst wenn es ein Großvaterstuhl ist.
Ein weiteres Beispiel ist die Übertragung der in der Gastronomie kultivierten Form des Menüs auf die Theaterbühne. Ein Stück blank zu spielen, ist eine rohe Form von Theater. Das ist, wie wenn man Gäste zum Essen einlädt und ihnen statt einer überlegt zusammengestellten Speisenfolge nur ein einziges Gericht vorsetzt. Das Menü hebt, indem es aus mehreren Gängen besteht, den Wert des einzelnen Ganges, denn es gibt ihm einen besonderen Stellenwert. Und ein kultiviertes Menü besteht nicht nur aus Vor-, Haupt- und Nachspeise. Zum Auftakt sorgt ein Aperitif für die Einstimmung und aktiviert die Magensäfte, zwischen den Gängen werden entsprechende Drinks gereicht, und zum Abschied erhalten die Gäste noch eine kleine Aufmerksamkeit mit auf den Weg. Schon erste Versuche, obwohl nur ansatzweise und partiell, die Form des Menüs auf das Theater zu übertragen, haben den Gewinn für beide Seiten erwiesen. Das Publikum nimmt das Angebot dankbar an, und die Schauspieler erlangen unversehens eine freiere, publikumsfreundlichere Spielweise.