Hier und heute können wir uns outen: etwa Mitte 1985 kamen meinem Co-Autor Hans Bräunlich und mir die Idee, mittels Krimis den jugendlichen Lesern in der DDR etwas über die USA - Geografisches und Alltägliches - nahezubringen. Und um glaubwürdiger zu wirken, wählten wir ein Pseudonym, indem wir Teile unserer Namen pur übersetzten. Der Schriftsteller John U. Brownman war geboren. Ehrensache war, dass nicht nur auf unsere Fantasie gesetzt wurde: In jedem der auf zehn Bände konzipierten Krimi-Reihe sollte Wissen über einen weltbekannten US Schriftsteller vermittelt werden. Die Fakten des Alltags lieferte der VEB Globus - ein Zeitungsausschneidedienst, der als Dienstleistung dem jeweiligen Kunden monatlich deutschsprachige Artikel zu angesagten Themen wie Kriminalität oder Alltagsgeschichten in den USA oder Kuriosa in aller Welt zuschickte. Alles die notwendige staatliche Befürwortung und auch die Bezahlung leistete der Kinderbuchverlag Berlin. Nebenbei: Prominente DDR-Bürger, Künstler oder Sportler, nahmen den VEB Globus unter Vertrag, um sich Pressebeiträge für die Selbstdarstellung ihrer Persönlichkeit zukommen zu lassen.
Also - an authentischem US Material mangelte es nicht. Als ersten unseren Krimi begleitenden Autor legten wir Jack London fest. Die entsprechende Lokalität war San Francisco und Umgebung. Wir verabredeten die Story - meine Aufgabe war es, eine diskussionswürdige Vorlage zu schaffen, die letztlich Hans Bräunlich mit mir zu einer Druckfassung formte. Die Story handelt grob umrissen vom Gewerkschaftsfunktionär Tom Eden, der den Betrügereien an ausländischen Hafenarbeitern seinen Kampf ansagt und schließlich eliminiert wird. Gemeinsam mit einem Schwarzen, dem ehemaligen Angehörigen der Green Berets, Anthony Lincoln, gelingt es Mike Eden, dem 12-Jährigen Sohn des ermordeten Gewerkschafters, Licht in die dunklen Geschäfte des Syndikats zu bringen. Obwohl beide über wohlmeinende Helfer verfügen - am Ende stehen sie allein einer Übermacht gegenüber und sie müssen Hals über Kopf vor den Killern der Organisierten Kriminalität fliehen. Eine wichtige Rolle spielt in dem aktionsreichen Krimi der Deutsche Schäferhund Ringo, dem der an Bord seiner Jacht in die Luft gesprengte Gewerkschaftsboss zu Lebzeiten eine entscheidende Funktion hinsichtlich der geheimnisvollen Videokassette Nummer sieben zugedacht hatte.
Obwohl zwei Auflagen - die gebundene betrug 12 000 Exemplare; 60 000 Exemplare waren es als gleichnamiges Taschenbuch - vergriffen waren, gefiel es einem von der Treuhand eingesetzten Verlagschef, diesen überaus erfolgreichen und spannenden Titel abzusetzen. Seine dümmliche Begründung uns Autoren gegenüber lautete seinerzeit: Tödliche Jagd (San Francisco & Jack London) und Deckname Condor (New York & Edgar Allan Poe) hätten sich nicht verkauft!
Dazu passt eine Begebenheit, von der ich telefonisch Kenntnis durch meine langjährige Lektorin Hilga Cwojdrak erhielt: Ein Rezensent habe sich beim Verlag beschwert, dass es ein fragwürdiges Gebaren sei, Lesern von Tödliche Jagd den Namen des Übersetzers aus dem Amerikanischen zu unterschlagen
Hans-Ulrich Lüdemann