Auf der Suche nach Essbarem stöberte ich in Tornähe an dem dort unweit der Küche liegenden Abfallhaufen, als mich ein Ami am Kragen kriegte und zu seinem Officer schleppte. Das Verhör beim Küchenchef war kurz. Er fragte mich in gebrochenem Deutsch, was ich ohne entsprechende Order am Tor zu suchen hätte. Ich antwortete im bestmöglichen Schulenglisch, dass ich Hunger hätte. Er sperrte mich in einen Nebenraum, ließ die schmutzige Küchenwäsche herbeiholen, dazu Kernseife und eine Rubbelbürste und machte sich davon. Ich tat meine Pflicht und erhielt danach etwas, was ich nie vergessen werde: eine große Portion Kartoffelstäbchen mit drei Bratklopsen, auf einem richtigen Teller mit Messer und Gabel. Anschließend wurde ich zu meinem Block entlassen.
Der Hunger jedoch war nur vorübergehend gestillt. So wagte ich einen erneuten Vorstoß zum Küchentrakt und hatte abermals Erfolg. Als ich wieder mal beim Wäschewaschen war, wurden die Küchenamis, ihr Chef und somit auch ich von einer Kontrolle überrascht. Mein Boss lobte meine Arbeit. Der Kontrolloffizier, Colonel Shrower unterhielt sich ein bisschen mit mir und nahm mich schließlich mit. Ich avancierte zu seinem Washboy, erhielt ein Permit, marschierte damit jeden Morgen vorbei an den Posten zu meinem Colonel und nachmittags, mit Cornedbeef, Cornbread, Schokolade und Kaugummis ausgestattet, zurück zu meinen Kameraden. Auf diese Weise wieder Mensch geworden, wartete ich auf den Termin meiner regulären Entlassung. Doch in dieser Richtung rührte sich nichts.
So beschloss ich, selbst zu handeln. Oberst Shrower lehnte ab, meiner Bitte nachzukommen. Bedenkenlos jedoch schrieb er mir ein Papier aus über meine geleistete Arbeit bei ihm, was mir bei künftiger Jobsuche vielleicht behilflich sein könnte. Meine zerschlissene Wehrmachtsuniform hatte ich längst gegen amerikanische Schnürschuhe, Kakihose und einen bequemen Blouson getauscht. In dieser Aufmachung, meinen Passierschein vorweisend und lässig grüßend, marschierte ich unbehelligt an mehreren Posten vorbei - und war frei!
Von einem Bauern, der mich vermeintlichen Amerikaner auf seinem Erbsenfeld erwischte und dann merkte, dass ich Deutscher war, erfuhr ich, dass ich meinen Plan zur Heimkehr nach Schlesien aufgeben musste. Das Land an der Oder würde den Polen übergeben werden. Dennoch zog ich weiter, immer Richtung Osten.
Ich war so in Gedanken versunken über meine Zukunft, dass ich die ständig aus beiden Richtungen an mir vorbeidonnernden amerikanischen Fahrzeuge kaum wahrnahm. Plötzlich hielt einer und bot mir an einzusteigen. Der Gl war auf der Fahrt nach Thüringen, und ich nahm die Einladung an. Als er im Laufe der Stunden berichtete, dass er im Schwarzwald geboren worden, dort aufgewachsen und erst vor 15 Jahren mit seinen Eltern in die USA ausgewandert sei, gab auch ich meine Identität preis. Er lachte. Er ließ sich Zeit, denn er wollte Deutschland kennenlernen. Wir quatschten, wir aßen und schliefen im Cockpit des Lasters, bis nach Jena. Dort war er am Ziel und verabschiedete sich.
Eine ältere Krankenschwester sammelte mich auf und nahm mich mit nach Hause, in das Siedlungshäuschen ihres greisen Vaters.
Meine ersten Gänge in der fremden Stadt führten mich zu den Ämtern, so auch zum Arbeitsamt. Angesichts meiner englischsprachigen Papiere war man sehr höflich und riet mir, mich direkt an die Kommandantur zu wenden. Das war mir doch zu riskant. Ein Telefonat zwischen Jena und Bad Kreuznach, und ich säße wieder fest. Dagegen nahm ich die mir angebotene Stelle in einer amerikanischen Feldbäckerei an, auf den Bergen am südlichen Stadtrand.