DORT, WO DIE Werkstatt der Töpfer an die der Weber grenzte, legte eine Magd jeden Morgen einen Stapel Felle ab, der einem Einbeinigen als Sitzplatz diente. Die Hofleute nannten ihn Walter und nahmen ihn gern für Arbeiten in Anspruch, welche die Handwerker nicht in der jeweils gewünschten Frist erledigen konnten. Dafür bekam er, was er zum Leben benötigte. Meist war er bereits gegen Mittag von Krügen, Schüsseln und Körben umstellt, für alle ein Zeichen, dass er bis auf weiteres genügend Aufträge hatte. Da er ständig schmunzelte und vor sich hinsprach, hielt ihn Otto für geistesschwach.
Einmal beobachtete er, wie Walter den Stamm einer jungen Esche spaltete, indem er der Länge nach einen Keil hineintrieb. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, stützte er sich dabei auf eine Krücke, die er unter die linke Achselhöhle geklemmt hatte. Von Mitleid erfasst, wollte ihm Otto helfen, denn ihm schien, dass diese Arbeit für den Krüppel eine furchtbare Quälerei bedeutete.
Als er näher trat, spuckte der Mann plötzlich aus und sagte mit einer eigentümlich hellen Stimme: Da schwitze ich nun über diesem Drecksding, und es macht mir auch noch Spaß. Ist das nicht verrückt?
Otto traute seinen Ohren nicht. Dass ihn ein Knecht auf diese Weise ansprach, war zu ungewöhnlich. Aber noch während er mit seiner Verblüffung rang, hörte er sich antworten: Es sieht aus, als sollte es ein Bogen werden. Warum sagst du Drecksding dazu?
Weil es eins ist, erwiderte der andere trocken. Er fuhr mit den Fingerspitzen über die eine Schnittstelle des Stämmchens und murmelte: Prachtvolles Holz. Schön fest. Faser ganz gerade. Auf der Nordseite gewachsen, im Schatten. Ein Drecksding ist es trotzdem.
Aha, machte Otto. Er hatte richtig vermutet, der Mann war offenbar nicht bei Verstand. Es gab nichts mehr zu sagen, dennoch zögerte er weiterzugehen.
In diesem Moment ließ der andere von seiner Arbeit ab, setzte sich und klopfte neben sich auf den Fellhaufen. Nun komm schon. Dir zittern ja die Knie.
Widerspruchslos folgte Otto der Aufforderung. Es war genau das, wonach ihn jetzt verlangte: In der Sonne sitzen und mit jemandem reden, selbst, wenn es sich bei diesem Jemand um einen harmlosen Irren handelte.
Möchtest du einen Schluck trinken? Walter wies auf die Krüge um sich herum. Bier, Most, Milch, du kannst haben, was du willst. Nur Wein fehlt. Den könnten sie mir auch mal wieder spendieren.
Otto verneinte. Um nicht unhöflich zu wirken, fragte er in einem verbindlichen Ton: Warst du auch mit im Krieg? Ich entsinne mich nicht, dich gesehen zu haben.
Heißt das etwa, du würdest alle wiedererkennen, die mit waren?, fragte der Mann, ihn neugierig musternd, zurück.
Nein, wohl kaum, entgegnete Otto, ein bisschen befremdet, dass seine leutselige Bemerkung so nüchtern aufgenommen wurde.
Der andere lachte geringschätzig, so, als habe er diese Antwort erwartet. Ich war im Krieg, aber nicht in dem, den du meinst, junger Herr. Ich kämpfte vor einigen Jahren an der Seite deines Vaters in Lothringen.
Otto errötete. Dieser Walter wusste demnach, wen er vor sich hatte. Umso verwunderlicher war, wie ungezwungen er sich benahm Statt sich jedoch darüber zu ärgern, überkam ihn erneut das Bedürfnis, dem anderen etwas Angenehmes zu sagen: In Lothringen also. Ja, ich erinnere mich, obschon ich damals ein Kind war. Aber ich weiß noch sehr gut, wie alle von diesem Krieg geredet haben.
Wie denn?
Nun, dass er ein Erfolg gewesen war.