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Die Weinreisen des Dionysos von Volker Ebersbach
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
01.02.2022
ISBN:
978-3-96521-614-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 134 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Märchen, Volkserzählungen, Legenden und Mythologie, Belletristik/Okkult & Übernatürlich, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Erotik/Science Fiction, Fantasy & Horror, Belletristik/Biografisch
Mythen und Legenden (fiktional), Erotische Literatur, Historischer Roman
Dionysos, Bacchus, Wein, Rom, Griechenlannd, Antike, Götter, Zeus, Unsterblichkeit
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Dionysos sprang kopfüber in silbrigen Gischt, in den prasselnden Schaum anrollender Wogen. Herzjagende Angst benahm ihm den Atem. Fort wollte er von den Menschen. Wer ihnen Gutes brachte, wurde bestaunt und bewundert und war ihnen doch nicht willkommen: Fluch der Verkennung! Kraftvoll stieß der Schwimmer in blaugrüne, sich verdunkelnde Tiefen. Fische beäugten ihn. Schatten hatten sich zu ihm gesellt. Delfine bleckten die Zähne zu freundlichem Lächeln. Er rang nach Luft – salzig schoss Wasser in seinen Mund und entwich ihm wie bei anderen Meeresbewohnern durch Kiemen hinter den Ohren. Rosig wuchs eine Haut zwischen den Fingern. Auch die Füße schienen ihm breiter. Über wogende Wiesen zog er, großblättrig schwankende Wälder und Flächen geriffelten Sandes. Grün überwachsene Felsen und Grotten erinnerten den Taucher an Nysa. Er fühlte sich wieder geborgen. Unheimlich war aber die Stille.

Fern dunkelte ein überwucherter Hügel. Licht tanzte auf Mauern und Zinnen, auf den glasierten Dächern eines Palastes. Ein Netz, aus der Nähe an glitzernden Perlen erkennbar, spannte sich über das Bauwerk. Die Delfine drehten hier knurrend bei und verschwanden mit Schwärmen vielfarbiger Fische wie Vögel am Himmel.

Durch die Maschen des Netzes erblickte Dionysos Höfe und Fenster, Tor und Türme mit Spitzen wie Schnecken. Mit rudernden Flossen stapfte ein dicker Triton, ein fischiger Kerl mit Menschengesicht, eine Treppe herauf. Er blies in sein Muschelhorn. Ein dumpfer Ton erfüllte die Unterwassergewölbe. Er teilte das Netz und fragte: „Wer bist du?“

„Ein Sohn des Zeus, des Vaters der Götter und Menschen.“

„Darum die goldenen Hörner! Und wer ist deine Mutter?“

„Eine Sterbliche. Mehr weiß ich nicht von ihr. Sie ist tot. Auch ich bin sterblich.“

„Was suchst du dann hier?“

„Die Menschen sind mir verleidet.“

„Dann könnte dir nur deine Mutter helfen“, sagte der Triton.

„Könnte!“, wiederholte Dionysos bitter.

„Sei meiner Herrin willkommen!“ tröstete ihn der Triton. „Auch sie suchte die Tiefe aus Gram über Menschen.“

Halb schwimmend, halb hüpfend geleitete ihn der Triton unter Muschelhorntönen hinab.

Ein Saal tat sich auf wie eine riesige fächerförmig gerillte Muschel. Golden blinkende Käfige, schillernd von Zierfischen, hingen an bläulichen Säulen. In einem Sessel aus Wasserpflanzen und Seeanemonen saß, olivgrün gekleidet, eine schöne Frau mit gütigen Augen. Sie hatte den Blick einer Mutter. Schwarzes, bläulich blinkendes Haar wallte ihr um die Schultern.

„Verneige dich“, sagte der Triton, „vor Thetis, der Tochter des Nereus, der Herrin der küstennahen Gewässer! Sag deinen Namen. Sag, was dich herführt.“

Dionysos tat wie befohlen. „Lykurg tat mir Gewalt an!“

„Mir tat mein sterblicher Gatte Peleus Gewalt an“, erwiderte Thetis. „Daraus kommt Unheil, wie es die Welt noch nicht sah.“

„Was für ein Unheil?“, fragte Dionysos.

„Lass dir‘s erzählen“, sprach Thetis. „Eris, die Göttin der Zwietracht, erschien auf der Hochzeit ungeladen, warf einen Apfel aus Gold mit der Aufschrift ,DER SCHÖNSTEN‘ zwischen die Gäste. Hera, Athene und Aphrodite streiten sich seither, wem er gehöre.“

„Das kann nur ein Mann entscheiden!“

„So ist es: Paris, der Sohn des Königs von Troja, soll wählen. Hier in der Tiefe weiß man längst, wie das ausgeht. Er wird Aphrodite wählen, die meergeborene, und Aphrodite will ihn mit der schönsten Frau des Erdkreises belohnen. Doch Helena ist die Frau eines andern! Ein Krieg wird kommen, in dem unser Sohn Achilleus viele Helden zum Hades schickt, bevor er selbst in die Unterwelt aufbricht. Denn als er im unverletzlich machenden Wasser des unterweltlichen Styx gebadet wurde, hielt ich ihn ängstlich fest an der Ferse. Dort wird man ihn treffen.“

„Weißt du den Weg in die Unterwelt?“, fragte Dionysos. „Ich will zu meiner Mutter.“

„Das Meer ist von uns allen die Mutter“, entgegnete Thetis, „die Tiefe, in die man kopfüber hinabfährt. Suchst du aber Semele, so wird dir mein Vater Nereus helfen.“

„Also führt ein Weg aus dem Meer in die Tiefe des Hades?“

Thetis nickte und küsste Dionysos zärtlich wie eine Mutter. Tritonen brachten ein Mahl aus Meeresfrüchten und Unterwasserkräutern. Dionysos drückte der Gastgeberin sanft den ledernen Schlauch an die Lippen und presste ihr einen Trunk Wein auf die Zunge. Da wurde Thetis gesprächig. Von Ino, der Amme, wusste sie, dass ihr Gatte Athamas sie bis nach Nysa verfolgt hatte und auch sie ins Meer gegangen war, wo sie nun als Leukothea bei den Meerweibern lebte mit Melikertes, dem Geist der Windstille. „Denn wir sind ein sanftes, duldsames Volk, hier in den Tiefen des Meeres. Sanfter sind nur die Gefilde der Seligen.“

„Da will ich hin“, unterbrach Dionysos sie, „dort weilt gewiss meine Mutier.“

Thetis erteilte dem Triton Auftrag, Dionysos zu begleiten. „Begebt euch zu Nereus. Doch zuvor besucht auch Poseidon, den Herrscher der Meere, den Bruder des Zeus!“, riet sie. „Er fühlt sich sonst übergangen und könnte euch mit seinem Dreizack aus den schützenden Fluten verjagen. Seine Gemahlin ist meine Schwester.“

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