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Ein geborener Genießer. Goethe-Anekdoten von Volker Ebersbach
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
31.01.2022
ISBN:
978-3-96521-608-2 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 189 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Literarisch, Belletristik/Biografisch, Belletristik/Humorvoll, Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Satire
Biografien: Literatur, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Belletristik: Humor
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132. Kompliment

Eine stadtbekannte Schönheit konnte es kaum fassen, dass Goethe sie auf einer Abendgesellschaft im Weimarer Schloss nicht beachtet hatte. „Nun sehe ich ja, was von Ihrer Höflichkeit zu halten ist“, beschwerte sich die Dame. „Sie gehen an mir vorüber, ohne mich anzusehen.“

„Verehrteste!“, antwortete der Achtundsechzigjährige. „Wenn ich Sie angesehen hätte, wäre ich nicht an Ihnen vorbeigekommen.“

133. Haarkünstler

Goethes Sekretär Friedrich Theodor Kräuter bat den Friseur um eine Locke vom Haupt des Dichters. „Die sind alle gezählt“, war der abschlägige Bescheid. „Die gehen alle zum Verkauf nach Frankfurt.“

134. Versäumter Genuss

Als Goethe nicht mehr ins Theater ging, äußerte sich seine Schwiegertochter Ottilie beim Frühstück entrüstet über die skandalöse Art, in der eine polnische Sängerin die Mazurka getanzt habe. „Die Röcke flogen ihr um die Knie, und sie dehnte und reckte sich wie eine Mänade.“

Goethe lehnte sich zurück, zog sich die Weste zurecht und sagte: „Wie schade, dass ich nicht dabeigewesen bin.“

135. Besorgnis

Die schöne Pianistin Maria Szymanowska gastierte im November 1823 in Weimar. Goethe versäumte keine Gelegenheit, in ihre Nähe zu kommen, lud sie zu sich ein, ließ sich vorspielen. Als er nach diesen Anstrengungen erkrankte, sagte sein ehemaliger Diener Goetze, inzwischen Wegebauinspektor, besorgt: „Ja, Ihr Exzellenz, polnisch geht es jetzt nicht mehr mit uns.“

136. Manieren

Johannes Falk, Pädagoge und Satirendichter, wunderte sich pikiert über die Manieren Karl Friedrich Zelters: „Was soll man denn zu einem Menschen sagen, der auf den Fußboden spuckt?“

Goethe ließ aber auf seinen Freund nichts kommen: „Was soll man zu mir sagen, ich spucke auf euch alle!“

137. Frauenliteratur

Hofrat Rehbein meinte, poetisches Talent bei Frauen sei eine Art von geistigem Geschlechtstrieb, eine Art Ersatz. Ans Dichten würden Frauen nie denken, wenn sie heirateten und Kinder bekämen.

Goethe kannte dafür Beispiele. „Doch unsere Dichterinnen mögen dichten und schreiben, soviel sie wollen“, schloss er, „wenn nur unsere Männer nicht wie die Weiber schrieben!“

138. Vom Fach

Goethe plauderte lange mit dem jungen Juristen Stüve, der ihm viel Interessantes aus Osnabrück zu berichten hatte. Dann kam er auf den Besucher selbst zurück und sagte, sich der eigenen Studienzeit erinnernd: „Also: Sie sind Advokat, das heißt einer, der aus jeder Sache etwas zu machen weiß.“

„Entschuldigen Exzellenz …“ stammelte Stüve, wie um sich zu verteidigen.

„Recht so“, lachte Goethe, „ein Advokat darf nie etwas zugeben.“

139. Die tote Venus

Eine Schar junger Mädchen stürmte, aus Tiefurt kommend, in Goethes Gartenhaus, um ihm frische Frühlingsblumen zu bringen. Dabei stieß eine der zarten Verehrerinnen den Gipsabguss einer Venus um, und sie brach in Tränen aus.

„Ei, ei“, sagte Goethe mit scherzhaft erhobenem Finger, „wer wird denn um die tote Venus weinen, wenn sie so viele lebende Vertreterinnen hat.“

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