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Der Wille der Götter. Mythos, Priester und Macht, Legitimationsfragen von Volker Ebersbach
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Preis E-Book:
3.99 €
Veröffentl.:
31.01.2022
ISBN:
978-3-96521-610-5 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 44 Seiten
Kategorien:
Politikwissenschaften / Geschichte und Theorie, Religion/Christliche Kirche/Geschichte, Religion/Christliche Theologie/Geschichte
Religionsphilosophie, Judentum, Christentum, Islam, Alte Religionen und Mythen
Religion, Macht, Geschichte, Revolutionen, Demokratie, Diktatur, Christentum, Judentum, Islam, Götterglaube, Antike
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Lassen Sie mich das Funktionieren und Versagen mythischer Legitimationen mit einigen Beispielen erläutern: Aus dem Matriarchat ragen nur noch verzerrte Relikte wie die Gestalt der Medea, die Mainaden des Dionysos oder Penthesilea und ihre Amazonen in die fast ausschließlich patriarchalisch geprägten Mythen. Die Ausübung der Gewalt von Menschen gegen Menschen hat eine mythische – oder biblische – VORGESCHICHTE mit bereits patriarchalischen Zügen: KAIN UND ABEL. Ein jüdisch-christliches Grundmuster klagt die Gewalt als ungerecht und apriori illegitim an. Die Söhne Evas und Adams sind noch ihre eigenen Priester und ihre eigenen Machthaber und folglich uneins über die Gunst Jahwes. Kain erträgt es nicht, dass Abels Opfer angenommen, das seine aber zurückgewiesen wird. Im ersten Mörder sehen wir die Auflehnung gegen den göttlichen Willen und die Schuldhaftigkeit von Gewalt. Wer fortan Gewalt gegen andere Menschen ausüben will, braucht eine göttliche Erlaubnis.

Die griechische Mythologie verzeichnet noch vor der Erschaffung der Menschen eine GIGANTOMACHIE: Die Theogonie ist mit ihrer SCHLACHT UM DEN OLYMP ein mythisches Grundmuster für die polytheistisch legitimierte Gewaltausübung des antiken Adels. Der archaische Machtkampf rivalisierender Adelsfamilien spiegelt sich wider als Vernichtungskampf unter den Göttergenerationen, aus denen übrigens – nach dem Willen eines auch über den Göttern waltenden Schicksals – Zeus, der Beherrscher des letzten Zeitalters und Stammvater der mächtigsten Adelsfamilien, als Sieger hervorgeht. Die Gewalt der Olympier gegen nicht zur Herrschaft befugte Sprösslinge des Uranos und der Gaia legitimiert eine Kaste von Grundbesitzern.

Das wirkt wie eine Vorgeschichte zu dem unerhörten BRUDERMORD IN HELLAS: DER PELOPONNESISCHE KRIEG, dieser mehr als dreißigjährige Krieg zwischen Athen und Sparta war die Rivalität zweier griechischer Stadtstaaten und eine Auseinandersetzung zwischen Adelsherrschaft (Sparta) und Demokratie (Athen). Sie hatte die Agonie der ersten demokratischen Periode der Menschheitsgeschichte zur Folge. Sparta, gesellschaftlich rückständig, aber mit der besseren Legitimation seiner Gewalt ausgestattet, siegte. Das dem Konsulat der römischen Adelsrepublik verwandte spartanische Doppelkönigtum, überwacht von fünf priesterähnlichen Ephoren, erwies sich als überlegen.

Im nüchtern-pragmatischen Rom war der Einfluss der Priester gering. Vogelflug und Eingeweideschau grenzten schon für religiös empfindende Zeitgenossen an Aberglauben. Rom war mangels echter Divination eine Brutstätte des Aberglaubens wie kein anderer Kulturkreis. Die sozialen Funktionen des Priestertums gingen früh durch den passiven und aktiven Widerstand der Plebs, ihren Auszug auf den Heiligen Berg, auf die Volkstribunen mit ihrem Vetorecht über und manifestierten sich in der Formel SENATUS POPULUSQUE ROMANUS. Sie machte die Adelsrepublik vergleichsweise stabil. Das wechselseitige Vetorecht zwischen Herrscher und Druiden bei den Kelten zeigt ähnliche Züge und mag von vorgeschichtlichen Italikern übernommen sein.

Desto langwieriger und blutiger war die Legitimationskrise der RÖMISCHEN BÜRGERKRIEGE zwischen Patriziern, die den Patriziern dienten, und Patriziern, die sich, um ihre Macht zu retten, mit den Plebejern verbündeten, von den Reformversuchen der Gracchen bis zu den Bürgerkriegen der Zeit Sullas, Caesars Dikatur und der Errichtung des Kaiserreiches, einer quasitheokratischen populistischen Militärdiktatur – alles für das Volk, aber unter Aufsicht von Spitzeln und Militär.

DAS GRÜNE BANNER DES PROPHETEN, das heute manchen wieder schreckt, legitimierte vom 7. Jh. an die Expansion der Araber im Orient, in Nordafrika bis auf die Iberische Halbinsel. Die neue Religion des Propheten Mohammed rechtfertigte Eroberungen missionarisch als VORMARSCH DES ISLAM, das sarazenische Seeräubertum im Mittelmeer gegen die christlichen Handelsmächte und die Eroberung des Balkan durch die Türken im 15./16. Jahrhundert.

INS HEILIGE LAND! riefen die Teilnehmer der KREUZZÜGE. Die Wiedergewinnung Jerusalems und des Heiligen Grabes war ein christlicher Vorwand für Beutezüge des europäischen Adels in den Orient. Ebenso galt die Missionierung als Vorwand für die Ostexpansion deutschen Rittertums, die Reconquista Spaniens und die Kolonisierung Amerikas.

Das seinerseits sagenumwobene ELDORADO entzaubert die UNTERWERFUNG AMERIKAS: Sie sollte ein Akt der Missionierung und Zivilisierung sein, wurde aber ein gnadenloser Raubzug. Die Fremdheit zwischen den Europäern und den Ureinwohnern Amerikas zeigt in einmaliger Weise das Aufeinandertreffen von Theokratien und christlichem Universalismus. Die „weißen Götter“ erscheinen – ähnlich wie in Mexiko – den Küstenvölkern Perus als Sendboten des hellhäutigen und bärtigen Viracocha, die sie vom Joch der Inkas befreien. Die Eroberer bringen stattdessen mit einer neuen Religion andere Gesellschaftsstrukturen. Sie zerstören mit missionarischem Eifer die Legitimationsstrukturen präkolumbianischer Kulturen und führen Azteken, Inkas und die Völker kleiner Urwalddespoten aus einer Versklavung in eine andere, die bis heute nicht beendet ist.

Der schon im Investiturstreit GESPALTENE UNIVERSALISMUS des christlichen Mittelalters in Europa verrät sich nirgends deutlicher als im Kampf der GUELFEN UND GHIBELLINEN in Italien. Das Heilige Römische Reich unter der Gunst des Papstes, geführt vom deutschen Kaiser als „Vogt der Kirche“, stellt sich in Widerspruch zu Territorialfürsten und Städten, besonders den wirtschaftlich erstarkenden Städten Norditaliens, und fordert Rivalitäten mit den anderen Kronen Europas heraus. Der König von Frankreich darf sich der „Allerchristlichste“ nennen, Spanien bekommt seine „katholischen Majestäten“. Aber die Kaiserkrone Karls des Großen auf den Häuptern deutscher Könige macht die Mitte Europas zu einem Objekt von Aufweichungsversuchen und Invasionen.

Der Große Deutsche BAUERNKRIEG 1525 und seine Vorläufer, vor allem die Wiedertäuferbewegung, erinnern die weltliche und die geistliche Macht blutig an den EWIGEN BUND GOTTES. Im Vorfeld der Reformation wird der Autoritätsverlust der mittelalterlich–universalistischen Kirche offenkundig. Diese noch auf das überkommene Legitimationsmodell zurückverweisende Legitimationskrise der Papstkirche erweist sich als Vorbote des Zerfalls der Feudalgesellschaft, begleitet vom erstarkenden Bürgertum der Städte.

EINE FESTE BURG ist unser Gott: DER DREIßIGJÄHRIGE KRIEG macht wie schon der Schmalkaldische Krieg sichtbar, dass sich hinter dem Anschein eines Glaubenskrieges der Machtkonflikt zwischen den Territorialfürsten und der Zentralgewalt verbirgt. Die Überwindung der Kirchenspaltung wird zum Vorwand für den Machtanspruch des Kaisers. Der Protestantismus muss herhalten als Zweckbündnis zwischen einigen Fürsten und Teilen des Bürgertums. Die Einmischung Dänemarks, Schwedens, Spaniens und Frankreichs war schon Friedrich Schiller machtpolitisch durchsichtig. Gustav Adolf fiel bei Lützen nicht für die Glaubensfreiheit, sondern für die schwedische Hegemonie im Ostseeraum, mit der es noch Peter der Große zu tun bekam.

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