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Die Schatten eines Satyrs. Historischer Roman um Titus Petronius von Volker Ebersbach
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Preis E-Book:
9.99 €
Veröffentl.:
21.12.2021
ISBN:
978-3-96521-586-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 570 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Psychologisch, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/Antike, Belletristik/Biografisch
Historischer Roman, Biografischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, 1. Jahrhundert (1 bis 99 n. Chr.)
Rom, Satyr, Titus Petronius, Römische Geschichte, Liebe, Intrigen, Mord, Selbstmord, Antike, Acte, Agrippina, Britannicus, Caligula, Gajus Caesar, römischer Kaiser, Claudius, Titus Flavius, Livia Augusta, Narcissus, Tiberius, Verginius Rufus
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Stirb endlich, Gladiator!

Gajus Caesar reiste an den Rhein, um gegen die Germanen Krieg zu führen. Lange ließ er die Römer in Ruhe. Die Konsuln versuchten wieder zu regieren. Der Senat fasste Beschlüsse und erließ Gesetze. Die Gerichte tagten. Die Opferaltäre rauchten. Die Märkte wimmelten. An den Ersten erinnerten nur seine überlebensgroßen Standbilder. Traf eine Siegesmeldung ein, schüttelten Veteranen, von Söhnen und Enkeln ausgefragt, die Köpfe und schwiegen.

Wenn Titus Petronius sich später an die Zeit des Caligula erinnerte, waren ihm die grotesken Saturnalien des Grauens, die der Kaiser in seiner Hauptstadt gefeiert hatte, grell gegenwärtig. Die ruhigen Monate seiner Abwesenheit verschwammen in Nebel. Nur Agrippina, die ihm von Zeit zu Zeit zu spüren gab, dass sie ihn begehrte, ohne sich Erfüllung zu gönnen, behielt er in lichter Erinnerung.

Er war ein eifriger, kundiger und daher geschätzter Teilnehmer ihrer Abendunterhaltungen geworden, die sich um Kunst und Bildung bewegten, aber nicht selten Belange des Reiches streiften. Sie zog ihn ins Vertrauen und machte ihn zum Zeugen ihrer Heimlichkeiten mit Aemilius Lepidus. Das konnte bedeuten: Der ist dir im Weg, weil ich ihn wichtiger finde. Manchmal schien ihm aber auch, sie ersetzte sich die Erfüllung, indem sie sich daran weidete, dass er schmachtete. Als Ahenobarbus starb, hätte sie Lepidus, Drusillas Witwer, heiraten können. Sie dachte nicht daran. Der Schönling ging auch zu anderen Frauen, darunter Livilla.

Dass eine Verschwörung sich anbahnte, blieb Titus lange verborgen. Verdacht schöpfte er, als auch der Redner und Philosoph Annaeus Seneca in Agrippinas Kreis verkehrte. Seneca, ein blutvoller, zur Fülle neigender Mann aus Corduba in Hispanien, dessen Haar sich schon lichtete, obwohl er gerade in seine besten Jahre kam, sonnte sich noch im Gelehrtenruhm seines Vaters, des gesuchten Rhetorikers und Verfassers der „Kontroversen“, hatte aber auch selbst schon einige Prozesse gewonnen. Er kannte sich aus in den Gerichtshallen. Unter Tiberius war er Prätor geworden; unter Caligula verzichtete er darauf, sich um ein Amt zu bewerben. Sogar mit Klagen gegen die Staatskasse war er schon durchgekommen, wo sie Nachlässe beschlagnahmte, weil der Erblasser dem Kaiser nichts vermacht hatte. Zwar standen am Ende Kompromisse – die Erben erhielten ihren Teil, wenn sie die Säumigkeit des Verstorbenen durch eine großzügige Spende an den Fiskus wiedergutmachten –, aber die Raffgier der kaiserlichen Finanzbeamten stieß an Grenzen.

„Ich bin ein aufrechter Römer“, gab Seneca, geschmeichelt durch beifällige Begrüßung bei Agrippina bekannt. „Ich finde es löblich, wenn gewisse Gesetze einen Teil der großen Vermögen in die Staatskasse ableiten, und das, obwohl ich selbst nicht gerade arm zu nennen bin. Was der Staatskasse zufließt, könnte dem Wohl aller dienen, befände sie sich nicht in den Händen von Versagern.“

„Das Grundübel scheint mir“, bestätigte der Getreidepräfekt Valerius Asiaticus, „dass die Kasse des Kaisers noch immer nicht von der Staatskasse getrennt worden ist. Caligula kann mit unseren Geldern machen, was er will. Er ist ein Fass ohne Boden. Sonst hätte er nicht jene Versteigerung palatinischen Besitzes veranstaltet, bei der ein Geschäftsmann, als er einnickte, unversehens einen Trupp abgetakelter Gladiatoren erwarb! Er schickt uns Rechnungen über Schiffe, mit denen er nach Britannien übersetzen will. Wir haben aber Nachricht, dass er im Heerlager nur Besäufnisse feiert. Er schickt uns gefangene Germanen, aber die Germanen der Palastwache verstehen ihr Kauderwelsch nicht, und es stellt sich heraus, es sind Sklaven aus den verschiedensten Provinzen mit künstlich gebleichten Haaren!“

Der Gardepräfekt Aemilius Lepidus nickte. „Ich finde, Rom bewahrt Ruhe und Ordnung auch ohne den Ersten.“

So ging es an mehreren Abenden. Man wurde sich nur nicht einig, ob man Caligula, während er am Rhein lag, einfach absetzen oder auf seine Rückkehr warten sollte, um ihn zu ermorden.

Titus, anfangs geduldet, weil sich jeder seine Wut auf den Vormund ausmalte, erhielt bald Aufgaben als Meldegänger. Auch die Listen seines Sklaven Harpocrates wusste der Kreis zu schätzen. Agrippina versprach ihm: „Für deine Dienste sollst du, sobald das Ungeheuer gestürzt ist, dein ganzes Vermögen wiederbekommen.“ Sie vertraute ihm aber an, dass sie die Verschwörer noch hinhielt wie andere zuvor, weil sie ihnen nichts zutraute. „Auch sie sind Fässer ohne Boden! Sie sind verschuldet, das ist ihr ganzer Unmut. Bei der nächsten Gelegenheit lassen sie sich kaufen. Seneca ist die Ausnahme. Aber gerade er will lieber vermitteln als zuschlagen.“ Ein andermal verriet sie ihm, dass niemand anders als sie am Abend seines Bartfestes die Schergen nach der Durchsuchung seines Zimmers zu sich gerufen und ihnen, eigentlich auf Schlüpfriges aus, das „Lied von der entschwundenen Lockenpracht“ abgekauft hatte, um es unter die Leute zu bringen. „Leider“, beklagte sie sich, „ist das Volk feige und vergesslich und auch ein Fass ohne Boden.“

Livilla war gegen die Ermordung ihres Bruders. Sie warb dafür, ihn nur abzusetzen, und erklärte sich bereit, mit ihm in die Verbannung zu gehen. Tigellinus verzog spöttisch das Gesicht. „Ich komme mit.“

„Absetzung in Abwesenheit bedeutet Bürgerkrieg!“, entschied Lepidus, den Agrippina als Haupt der Verschwörung behandelte. „Ich wette, mit unserem Geld wirft er seine Truppen gegen Rom. Zu gern wäre Gajus Caesar einmal ein Caesarlein! Wenn wir ihn aber herlocken, wird nur sein Blut fließen.“

„Wenn er nicht noch so jung wäre!“, stöhnte Valerius Asiaticus. „Man sollte nur alte Männer als Herrscher zulassen. Die hat man nicht so lange am Hals.“

„Tiberius, so alt er war, hatten wir lange genug am Hals“, bemerkte Seneca.

„So oder so: Wir müssten dem Volk einen neuen Kaiser empfehlen“, gab Agrippina zu bedenken. „Und das schleunigst.“

„Ich würde meine Prätorianer schon überzeugen“, sagte Lepidus. Er rieb den Zeigefinger am Daumen. „Wen sie ausrufen, der ist es.“

„Du verteilst schon die Rollen“, sagte Livilla. „Du siehst am liebsten dich selbst als Imperator. Aber das gibt es nicht.“

Tigellinus pflichtete ihr bei.

„Der Erste“, entschied Agrippina, „hat ein Verwandter des Göttlichen Augustus zu sein. Einen Verwandten seines Feindes würde das Volk niemals anerkennen.“ Sie spielte auf jenen Lepidus an, der mit Octavianus Augustus und Marcus Antonius zeitweilig ein Triumvirat gebildet hatte.

 

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