Die da zurückkehrten, blieben noch ein paar Tage und Nächte. Die Blasebälge wurden wieder in Gang gesetzt, die Feuer der Burgküche flammten heller auf. Einen Ritter nach dem anderen lernte Rodeger kennen. Nur seine Dame Elisabeth sah er nicht. Unter den Bewohnern der Wartburg wie unter deren Gästen herrschte eine so zierliche, vollendete Höflichkeit, dass der irrende Ritter merklich nicht sogleich allen Gebräuchen lückenlos nachkam. Seine eigenen Umgangsformen schienen ihm den Ruinen Konstantinopels zu ähneln. Das machte ihn befangen. Er begann zu glauben, dass er auf ein Zauberschloss geraten war. Hier war zwar keine Klinge gegen ihn geschliffen worden, dessen fühlte er sich sicher. Manche Ritter hatten sich aber seine Haare kräuseln lassen und versuchten die Pracht der winzigen Locken mit duftenden Ölen für ein paar Tage zu bewahren. Sie gaben sich höchst freundlich, gingen aber herum, als hätte der Herrgott ihnen Nasen nur dazu gegeben, um sie besonders hoch zu tragen. Jedes Turnier war ausgefochten, jede Lanze zerspellt. Der Wettstreit der Sänger war verklungen, verhallt Trommel und Fiedel, Harfe und Leier, Schalmeien und Posaunen. Manch einer trug, wenn er sich im Burggarten, in den Höfen oder auf den Zinnen erging, seinen Helm, geschmückt mit einem Vogelkopf, einer Mondsichel oder mit Pfauenfedern, mit Fledermausflügeln, mit einem Vogelkäfig, mit Hörnen, den Fühlern eines Maikäfers ähnlich, oder mit einem roten Drachenkamm. Anders als die adligen Minnesänger sahen die Spielleute, nicht von Rang, ein bisschen schmierig aus, blickten bestechlich drein, buhlten grinsend um die Gunst eines Ritters, sprachen ihn gewöhnlich und derb an, lachten hinter seinem Rücken und trieben, sobald sie eine Münze eingefangen hatten, ihren Spott mit ihm. Herr Heinrich ließ seinen Gefährten lange allein. Er saß bei seiner Braut. Fast im Vorbeigehen hatte er ihm zugeraunt: Ich habe nicht zur Eile getrieben, ich habe uns sogar absichtlich bummeln lassen. Mir war bange, bei dem Wettstreit würden meine Minnelieder durchfallen; das wäre mir um meiner Braut Irmingard willen sehr peinlich gewesen, und sie hätte die Verse vielleicht durchschaut. Ihretwegen aber konnte ich nicht ganz wegbleiben. Nun ist zum Glück der Wettstreit schon vorüber.
Der Landgraf, ein mittelgroßer Mann mit fein geschnittenen Gesichtszügen und langem, prachtvoll gelocktem braunem Haar, ließ sich nur abends bei der Tafel sehen. Das lodernde Holzfeuer duftete harzig aus dem Kamin. Sein flackernder Schein erhellte die Teppiche an den Wänden mit ihren gewirkten Bildern.
Da tauchte im Saal wie eine hergezauberte Erscheinung ein Sänger auf, den man vorher selten gesehen hatte. Er nannte sich Klingsor von Ungarland und stand mit der Landgräfin auf gutem Fuß. Er sei, erklärte er, ihr Lehrer gewesen. Inzwischen weiß ich, dass alles, was ihr Herren dem Merlin zuschreibt, auf mich auch zutrifft. Ich wohne in den Wäldern wie Merlin. Ich bin wie er der Unbehauste und brauche kein Haus. Er wohnt wie ich in allem, was Natur ist. Auch ich schlich mich zu den alten heidnischen Göttern, um sie dort zu belauschen, wohin man sie verbannte, in mächtige Eichen und Ulmen, tiefe Schluchten, dunkle Seen, schroffe Felsen, tosende Wasserfälle, auf eisige Firnhöhen. Und wenn Merlin stirbt, ist er wie ich nicht tot. Er schläft nur in den Dingen dieser Welt, nimmt an ihr träumend Anteil, er verwandelt sich, um da und dort noch einmal zu erscheinen, rät uns davon ab, die Welt zu verbessern. Jetzt ist er Klingsor aus Transsilvanien, auch Siebenbürgen genannt, seit König Andreas auch Teutschen dort Land gibt, damit sie es bebauen und ihm Steuern zahlen. Ich bin gebeten worden, Euch zu bezeugen, dass ein Sängerwettstreit schon im Geburtsjahr unserer Landgräfin Frau Elisabeth stattfand. Bei diesem Fest habe ich mir die Ankündigung ihrer Geburt in den Mund legen lassen. Hört sie heute noch einmal: