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Friederike und ihr Kind von Christa Grasmeyer
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
24.08.2014
ISBN:
978-3-95655-031-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 262 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Erwachsenwerden, Belletristik/Familienleben, Kinder-und Jugendbuch/Familie/Eltern, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Schwangerschaft, Kinder-und Jugendbuch/Soziale Fragen/Partnersuche und Sex, Kinder-und Jugendbuch/Schule und Bildung
Kinder/Jugendliche: Familienromane, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Familie, Kinder/Jugendliche: Schulromane, Kinder/Jugendliche: Liebesromane, Freundschaftsromane, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Sexualität und Partnerschaft, Kinder/Jugendliche: Gegenwartsliteratur, Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen: Teenager-Schwangerschaft, Familienleben, Liebesromane
Schwangerschaft, Entbindung, Baby, Schüler, SChwerin, Sitzenbleiber, Russenliebchen
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Friederike ist die Erste im Wartezimmer. Sie geht mit Domenico auf und ab, bis Schwester Edeltraut sie einlässt und der Arzt, beschwingt und sportlich wie immer, zur Sprechstunde erscheint.

„Kleine Mutter“, sagt er sofort, „Sie haben in dieser Nacht nicht geschlafen.“

„Weil mein Kind schreit.“

„Ja, unüberhörbar. Seit wann?“

Sie erzählt es ihm und zwischendurch, während seine geübten Hände mit Domenico hantieren, gibt er Schwester Edeltraut über die Schulter hinweg Auskünfte. Er verhandelt mit einem aus hinteren Räumlichkeiten eingetretenen Kollegen über Gewerkschaftsbeiträge, er diktiert der Sekretärin etwas in die Maschine, er unterschreibt Rezepte.

Als er ans Telefon gerufen wird, teilt er Friederike im Vorbeigehen mit: „Ihr Kind hat eine Mittelohrentzündung, schmerzhaft natürlich, deshalb schreit es.“

Dann ist er wieder da und fragt: „Kleine Mutter, wo ist eigentlich die große Mutter, die Großmutter?“

Sie erzählt ihm auch das, und er hört mit jenem lebhaften Interesse zu, das er ihren Familienangelegenheiten von Anfang an entgegengebracht hat.

„Wissen Sie was“, sagt er plötzlich, als sei ihm ein höchst erfreulicher Vorschlag eingefallen, „diesmal geben wir das Kind in die Klinik, okay?“

Es klingt so selbstverständlich, dass Friederike beinah aufatmet, dankbar, dass ihr eine zweite Nacht wie die vergangene erspart bleiben soll. Aber sie verachtet sich dafür und senkt den Blick. „Warum denn?“, murmelt sie.

„Zu Ihrer Entlastung. Sie sind ziemlich weit runter, stimmt’s?“

Sie antwortet nicht. Erschrocken fragt sie sich, ob der Arzt ahnt, wie garstig sie in der Nacht einen Moment lang zu ihrem Kind gewesen ist.

„Keine Bange“, fährt er fort, „Ihr Kind ist bald wieder gesund und puppenlustig, schneller als Sie, kleine Mutter.“

„Ich bin nicht krank. Domenico ist jetzt tagsüber in der Krippe. Das geht ganz gut.“

„Ja, solange nichts dazwischenkommt. Krippenkinder werden nun mal öfter krank, damit müssen Sie rechnen. Sie haben keine Reserven, keinen Spielraum. Kaum hat Ihr Kind einen Infekt, fehlen Sie in der Schule, zwangsläufig. Wissen Sie was?“, sagt er wieder in dem Ton, als sei ihm eine blendende Idee gekommen. „Sie sollten mit der Schule aussetzen. Warum fangen Sie nicht im September die neunte Klasse einfach von vorne an?“

Friederike braucht einige Sekunden, um zu begreifen, dass er dies tatsächlich ernst meint. „Sitzenbleiben? Sie finden, ich sollte sitzenbleiben? O nein! Ich bin sowieso zu alt, nicht den Jahren nach, aber sonst. Mit meiner dreiundzwanzigjährigen Schwägerin versteh ich mich besser als mit den Mädchen in meiner Klasse, und da wollen Sie mich zu denen schicken, die jetzt Jugendweihe haben?“

„Ich schicke Sie nicht. Ich sage nur, was ich an Ihrer Stelle tun würde.“

Friederike und ihr Kind von Christa Grasmeyer: TextAuszug