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Härtetest. von Wolfgang Held
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Preis E-Book:
7.99 €
Preis:
9.99 € (Film)
Veröffentl.:
20.02.2013
ISBN:
978-3-86394-948-8 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 321 Seiten, Film: 72 Min., 1 DVD
Kategorien:
Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Politik, Belletristik/Action und Abenteuer
Abenteuerromane, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Kriegsromane, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
NVA, Unteroffizierslaufbahn, Schwangerschaftsunterbrechung, Nichtschwimmer, 25-Kilometermarsch, Wehrpflicht, Kameradschaft
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«Er ist nach Hause gekommen und hat in der Küche herumrumort», berichtete Egon seinem Bruder. «Besoffen. Wir sind alle munter geworden. Mama ist aufgestanden und wollte ihn ins Bett bringen, da hat er sie hier reingezerrt und abgeriegelt.»

Sie hörten ihre Mutter im Wohnzimmer wimmern. Ein Stuhl polterte auf den Fußboden. Die heisere Stimme des Vaters drang durch die Tür. «Hände weg, sag ich! Das bring ich dir bei, du Miststück, pass mal auf! Parieren, kapierst du ... Aufs Wort! Los, komm sofort her!»

«Nein, Werner. - Bitte! Nicht den Gürtel ... Bitte, Werner!» Ein erstickter Aufschrei.

Karl-Heinz Brettschneider trat ein paar Schritte zurück. Er warf sich mit der Schulter gegen die Tür. Auf der Treppe, die nach oben führte, erschienen Sabine und Waltraud. Egon eilte zu ihnen.

«Verschwindet!», stieß der Älteste hervor. «Weg doch!»

Die Geschwister standen wie angewurzelt. Er nahm erneut Anlauf. Das Schloss riss aus der Halterung. Er taumelte ins Zimmer. Seine Mutter lag zusammengekrümmt auf dem Teppich, in ihren verkrampften Händen die Reste eines Flanellnachthemdes. Der Vater lehnte breitbeinig am Schrank und stierte seinen Ältesten verblüfft an. Der Alkohol entstellte das kantige, gebräunte Gesicht. Das Hemd hing ihm über die Hose. In der Rechten hielt er den zur Schlaufe gelegten Gürtel.

«Raus!», fuhr er seinen Sohn an. Er drückte sich von dem Schrank ab. Sein Kopf schaukelte. «Raus, sag' ich!»

Karl-Heinz Brettschneider trat an seinen Vater heran und packte ihn mit beiden Händen an der Hemdbrust. «Jetzt ist Schluss», sagte er, und in seiner Stimme war nichts von der Erregung, die ihm fast die Schläfen sprengte. «Das war das letzte Mal!»

Er schob den Vater langsam zur Tür. Hinter ihm richtete sich die Mutter auf und presste das zerfetzte Hemd vor ihre flachen Brüste. Ihre Lippen waren geschwollen, Blut sickerte aus einem Mundwinkel. «Sei vernünftig, Kalle», beschwor sie ihren Sohn. «Vergiss nicht, dass er dein Vater ist!»

«Ich ... ich schlag' dich tot!», lallte der Betrunkene und setzte sich zur Wehr. Er war stark. Doch der Alkohol machte seine Bewegungen fahrig und nahm ihnen die Härte. Der Sohn zerrte ihn hinaus in den Korridor, wo inzwischen alle anderen Geschwister zusammenstanden. Der Vater sah die Verachtung in ihren Mienen und wurde davon noch einmal zu trotzigem Widerstand angestachelt. Seine Fäuste trafen das Gesicht des Sohnes.

Karl-Heinz Brettschneider spürte, wie sein linkes Auge anschwoll. Blut floss ihm aus der Nase, aber sein Griff blieb fest. Er schleifte den Vater aus dem Haus und über den Hof zum Schuppen, wo Stroh und Heu aufbewahrt wurden. Dort schleuderte er ihn zwischen die Ballen und legte von draußen den Sperrbalken vor. Als er wieder ins Haus kam, hatte die Mutter die Geschwister zurück in die Betten geschickt. Sie stand in der Diele, die Hände in die weiten Ärmel eines Bademantels geschoben, der bis zu ihren Knöcheln reichte, und schaute ihm entgegen. Er erwartete keine Anerkennung, aber er hoffte auf irgendein Zeichen, dass sie sein Eingreifen billigte. Es kam ganz anders.

«Dazu hattest du kein Recht», sagte sie und blickte ihn an, als sei er ihr plötzlich fremd geworden. «Es ist dein Vater, und es ist sein Haus.»

«Unser Haus, Mama!»

«Deines nicht», widersprach sie. «Nicht ein Stein davon ist aus deinen Händen gekommen.»

«Er schlägt dich! Er quält dich! Er behandelt dich schlimmer als ...»

«Habe ich dich gerufen? Habe ich einen von euch gerufen?»

«Weil das Tier dich schon kaputtgemacht hat, verdammt noch mal!»

«Was weißt du schon, du Grünschnabel.» Auf ihre verquollenen Lippen zog ein mitleidiges Lächeln, bei dem sie kaum merklich zusammenzuckte, weil es schmerzte. «Und nun gehen wir beide zum Schuppen und holen ihn wieder ins Haus. Das Feuer ist ausgebrannt, du wirst sehen. Jetzt ist er friedlich. Jetzt quält ihn nicht mehr der Zorn darüber, dass alle seine Träume nur Träume geblieben sind. Kein Diplom an der Wand, kein Orden an der Brust wie sein Bruder. Nicht mal aus dem Brigadierposten ist was geworden, weil er nicht zum Lehrgang wollte, solange ich mich mit meinem dicken Bauch nach keinem Holzscheit bücken konnte. Wenn ich an unsere Verlobung denke, die ganze Welt wollte er mir zeigen: das Schwarze Meer, den Kaukasus und Leningrad ... Nicht mal bis an die Ostsee sind wir gekommen. Ab und zu braucht dein Vater eben einen Schnaps. Ganz einfach, um Kraft für sein Leben zu behalten. Aber das geht jedes Mal wieder vorbei. Du wirst sehen, mein Junge. Komm!»

«Nein!»

«Komm!»

«Er muss begreifen, dass wir keinen Vater haben wollen, der sich wie ein Vieh benimmt, Mama. Du wirst ihn dort lassen, wo er liegt, hörst du?»

«Ach», sagte sie und musterte ihn spöttisch. «Willst du jetzt das Kommando hier übernehmen? Was bildest du dir eigentlich ein, Kalle? Ist dir klar, dass es dich gar nicht gäbe ohne den Mann da draußen im Schuppen? Er hat dich nämlich nicht nur gezeugt, Junge. Er hat auch dafür gesorgt, dass du es warm gehabt hast unter der Decke, er ist drei Jahre mit demselben Anzug zur Kirmes gegangen, weil ihm ein Fahrrad für dich wichtiger war. Dieses Vieh, wie du sagst, hat in zwanzig Jahren keinen Tag Urlaub gemacht, weil ihr genauso viel Spielzeug, genauso schöne Klamotten, Schultaschen und Schuhe und was weiß ich noch haben solltet wie solche, die allein oder nur zu zweit am Tisch der Eltern sitzen. - Was meinst du, weswegen ich ihn geheiratet habe?»

Karl-Heinz Brettschneider wich dem Blick seiner Mutter aus und schwieg. Schon oft hatte er sich diese Frage gestellt und nie eine Antwort gefunden, die ihm annehmbar erschien.

«Ich liebe deinen Vater», sagte sie ruhig. «Ich liebe ihn, auch wenn er mir manchmal wehtut.»

«Er wird dich umbringen, Mama!»

«Vielleicht verstehst du mich, wenn du ein paar Jahre älter bist. Und jetzt komm. Es ist kalt drüben im Schuppen. Er hat nicht mal eine Jacke an.»

«Ich kann nicht. Ich würde ihm ins Gesicht spucken, glaube ich.»

Jäh trat sie auf ihn zu und versetzte ihm eine Ohrfeige. «Wenn du nicht wie ein Sohn mit seinem Vater unter einem Dach leben kannst, dann pack deine Sachen und scher dich zum Teufel, Junge!»

Er stand verblüfft und reglos.

 

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