"Nur Mut!", erreichte ihn noch ein blubberndes Geräusch, dann stand Halbhorn erschreckt und ratlos im weichen Sand und ließ den Bumskopf hängen. Seine dünnen Beinchen sanken tief in den Dünensand. Mühselig und mit großer Kraftanstrengung zog er ein Bein heraus, setzte es vorwärts und zerrte dann das andere aus dem heimtückisch saugenden Sand. Jeder Schritt wurde zur Quäl. Halbhorn wollte verzagen in diesem fremden Element.
Keiner kann mir helfen, wurde ihm klar. Doch riss und ruckte er verbissen Schritt für Schritt vorwärts. Vor Anstrengung begann er zu schielen. Er sah hinter sich. Heimatlich war der Anblick des Meeres. Sollte er umkehren? Vor? Oder zurück? Er musste entscheiden.
Mutig will ich sein. Er dachte an den Klabautermann. Ich gehe vor! entschied er, und wieder gelang ihm ein winziger Schritt. Und noch einer, und noch einer. Aber es ging entsetzlich langsam. Verzweifelt schaute er nach vorn. Da sah er, gar nicht weit entfernt, etwas Rundes, Glänzendes.
Das war der kleine, verschwiegene See, der, leise von Schilf und Binsen umrauscht, im Mondschein lag, bewohnt von Nixe, Wassermann und Kröte. Atemlos und taumelnd erreichte Halbhorn ihn. Still war es hier. Nur ein Wasservogel fiepte verschlafen im Traum, und in der Ferne rauschte das Meer.
Halbhorn, dem alles fremd und rätselhaft erschien, stand mit schmerzenden Beinen am Ufer. Unschlüssig griff er nach seinem Stummelhörnchen. Als er es wieder armselig klein und verkrüppelt in seiner Hand spürte, rief Halbhorn plötzlich, so laut es sein feines Stimmchen vermochte: "Kröte! Kröte!" Das klang wie: Hilfe! Hilfe!
Drohend tauchte aus der Mitte des Sees der feuchte Wassermann herauf. Halbhorn warf sich in den Sand.
Der aber begann zu wanken und zu schwanken. Zwei quellende Augen kamen daraus hervor und ein breites Maul. Die Kröte befreite sich vom Ufersand. Gelassen glotzte sie ihn an. In ihrem Leben hatte sie soviel Seltsames gesehen, dass sie sich über ein rotes Seeteufelchen mit schrägstehenden smaragdgrünen Augen nicht wunderte.
"Du willst zu mir?", quakte sie ihn an.
"Ja", hauchte Halbhorn und ängstigte sich sehr. Zaghaft tippte er an sein halbes Hörnchen und sagte tonlos: "Weil es nicht wächst, bin ich den furchtbaren Weg durch den Sand zu dir gegangen. Du kannst doch zaubern?"
Dabei starrte er sie unentwegt an. Er hatte so ein hässliches Tier noch nie gesehen. Und wo trug die Kröte ihre Ohren? Es war ihm nicht klar, ob sie ihn überhaupt hörte.
"Ich verstehe", quakte die Kröte, "du brauchst ein Horn."
Eifrig nickte Halbhorn ihr zu. "Am liebsten hätte ich zwei", getraute er sich zu erwidern.
"Du hättest früher kommen müssen", quakte die Kröte, "jetzt bin ich alt und aus der Übung. Ich habe alles vergessen."
Das Seeteufelchen trafen diese Worte wie eine brechende Welle in den Rücken. Im höchsten Diskant piepsend, sprang er auf die Kröte zu. Die wusste nicht, wie ihr geschah. Sie fühlte sich erbarmungslos gerüttelt und geschüttelt, sah flammendes Rot vor ihren Augen, fühlte ihre Ohren vibrieren, in die ein aufgebrachtes, schrilles Stimmchen drang.
"Hörner brauche ich! Ich muss sie haben! Ich verlange sie von dir! Der fürchterliche Landgang darf nicht umsonst gewesen sein! Kröte! Erinnere dich doch!"
Durch dieses unerwartet heftige Gerüttel und Geschüttel geschah im Kopf der Kröte etwas Sonderbares. Längst verloren geglaubte Worte lösten sich aus der Vergessenheit und fielen zurück in ihr Gedächtnis. "Ach", quakte sie mit heimlicher Freude, "ich erinnere mich... Stecke den Kopf in den Sand. Zusehen darfst du mir nicht, wenn ich noch einmal versuche zu zaubern."