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Gelebtes Leben. Ein Geschichten-Kaleidoskop von Walter Kaufmann
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
27.12.2013
ISBN:
978-3-86394-575-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 144 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Biografisch, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Jüdisch, Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Politik, Belletristik/Krieg & Militär
Abenteuerromane, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Kriegsromane, Biografischer Roman, Familienleben, Bezug zu Juden und jüdischen Gruppen
Seefahrt, Juden, Australien, Holocaust, Duisburg, Klein Machnow, Tierliebe
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Der Silberstift des Mr. Markowitz

In seinem Buch „Gelebtes Leben“ lässt Walter Kaufmann durch ein Geschichten-Kaleidoskop blicken

Immer sind sein eigenes Erleben und seine Geschichten bei dem Schriftsteller Walter Kaufmann eng miteinander verwoben. Das gilt für die vielfältigen Schauplätze und für die vielfältigen Menschen, von denen in seinen Büchern die Rede ist. Genau das gilt auch für sein erstmals im Jahre 2000 in der edition reiher im Karl Dietz Verlag Berlin erschienenes Buch „Gelebtes Leben“, in dem der Autor wieder viel unterwegs ist – durch sein Leben. Das ist eine spannende Vorlage für spannende Geschichten.

Und wer andere Bücher dieses sehr produktiven Schriftstellers kennt, der erkennt in diesem Geschichten-Kaleidoskop die eine oder andere Geschichte aus anderen Büchern von Walter Kaufmann wieder. Das gilt zum Beispiel gleich für die erste Geschichte, die überschrieben ist „Mit dem Silberstift“ und die 1948 in Melbourne spielt. Der besagte Silberstift, der gehört einem gewissen Mr. Markowitz und dem Erzähler fällt bei Mr. Markowitz etwas Ungewöhnliches auf: „Donnerstags, nach Ladenschluss, schrieb Mr. Markowitz die Lohnabrechnungen säuberlich mit hartem Silberstift, dass auch die für uns bestimmten Durchschläge gut lesbar waren, und weder Bert, der dienstälteste Hochzeitsfotograf, ein hochaufgeschossener schlaksiger Mann, noch Alfons, der wegen seines Buckels - Bucklige bringen Glück - bei vielen Jungvermählten gut ankam, bezweifelten, was der Chef da zusammenrechnete. Seine makellos aufgereihten Ziffern wirkten unumstößlich. „You can’t fault them“, sagte Bert.

Jüngst dazugekommen und noch auf Probe, wunderte ich mich nicht wenig, dass ich am Zahltag kaum schlechter abschnitt als die ausschließlich auf Bestellung, on request, arbeitenden Kollegen, während ich auf gut Glück zu Hochzeiten geschickt wurde, die Mr. Markowitz den Vorankündigungen in Zeitungen entnommen hatte. Anders als bei mir, gab es bei Bert und Alfons einen gewissen Kaufzwang - hätten sie mir da nicht weit mehr als nur ein paar Schillinge voraus sein müssen? Nun, schlafende Hunde soll man nicht wecken, und auch ohne dass der Chef mir jedes Mal zuraunte: „Behalt’s für dich, sag’s keinem“, hätte ich sicher kein Wort zu den beiden gesagt.

Das ging so bis hinein in den Sommer und Herbst. Bert und Alfons vertrauten ihrem good old Abe, wie Mr. Markowitz sich leutselig nennen ließ, nach wie vor, zumal auch für sie ein Wochenverdienst von rund zwanzig Pfund (der Durchschnittslohn lag in jener Zeit bei der Hälfte dieser Summe) beachtlich war. Keiner der beiden rechnete auf, wie oft sie eingesetzt gewesen waren. Nur ich tat das: Hatte mich mein Verdienst während der Probezeit verwundert, jetzt, da ich weit mehr Hochzeiten als zu Anfang fotografierte, verwunderte mich, dass meine Einnahmen nicht stiegen. Wirklich stutzig aber wurde ich erst nach jenem Samstag im Spätherbst, als mich der Chef zu der Trauung einer verflossenen Freundin von mir schickte - was er wohl vermieden hätte, wäre ihm die Verbindung bekannt gewesen. Auch ich war ahnungslos, und es war schon ein merkwürdiges Gefühl, als ich nicht irgendeine Frischvermählte, sondern Yvonne zu den Orgelklängen aus der Kirche schreiten sah, strahlende Braut, stolzer Bräutigam, und dass ich die Fassung bewahrte und mir meine Aufnahmen gut gelangen, war unter den Umständen bemerkenswert. Tage später allerdings geriet ich dann doch außer Fassung. Nämlich als mich ein Brief von Yvonne erreichte, in dem sie mir für die „really lovely photos“ dankte und meinte, dass mich die Bestellung von über hundertundvierzig Pfund, „die mein Papa spendiert hat“, sicher freuen würde. Ich rechnete meinen jüngsten Verdienst durch - und wurde zornig. War mir nicht von allen Einnahmen ein zwanzigprozentiger Anteil zugesagt gewesen, und war ich nicht auch diesmal wieder mit nur zwanzig Pfund bedacht worden: „Behalt’s für dich, sag’s keinem!“

Und, erinnern Sie sich bei dieser Geschichte vielleicht auch an einen gewissen Richard Hamilton?

 

Walter Kaufmann, der eigentlich Jizchak Schmeidler heißt und am 19. Januar 1924 in Berlin geboren wurde, ist ein deutsch-australischer Schriftsteller. Der in Duisburg aufgewachsene Adoptivsohn eines jüdischen Anwaltsehepaars hatte als 14-Jähriger mit einem Kindertransport über die Niederlande nach Großbritannien fliehen können und wurde so vom Schicksal seiner im KZ Auschwitz ermordeten Adoptiveltern verschont. Mit 15 als „feindlicher Ausländer“ nach Australien deportiert, musste er sich dort ganz auf sich allein gestellt seinen Lebensunterhalt verdienen – als Obstpflücker, Landarbeiter, Straßenfotograf, Werftarbeiter sowie als Arbeiter im Schlachthof, als Freiwilliger in der Australischen Armee und als Seemann. 1953 erschien in Melbourne sein erster Roman „Voices in the storm“. Ihm folgten seit seiner Übersiedlung in die DDR 1957 mehr als 30 Bücher. Deren Mehrzahl hat Kaufmann, der noch immer die australische Staatsbürgerschaft besitzt, in englischer Sprache geschrieben, anschließend selbst übersetzt oder übersetzen lassen. Sein bewegtes Leben als jüdischer Emigrant, seine Reisen als Seemann, sein Leben in Australien und die Ereignisse im faschistischen Deutschland thematisierte der Autor in vielen seiner Romane, Erzählungen in der Tradition der amerikanischen Short Story und Reportagen.

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Gelebtes Leben. Ein Geschichten-Kaleidoskop von Walter Kaufmann: Rezension