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Hoffnung unter Glas von Walter Kaufmann
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Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
10.12.2020
ISBN:
978-3-96521-296-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 186 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Afroamerikaner/Allgemein, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Soziales, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Tod, Trauer, Verlust, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Seelenleben, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Vereinigte Staaten von Amerika, USA, Erste Hälfte 20. Jahrhundert (1900 bis 1950 n. Chr.)
USA, Kapitalismus, Rassismus, Afroamerikaner, Ausbeutung, Mord, Gefängnis, Gewalt, Angst, Armut, Not
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„Sie stolperte, und die Sachen fielen aus ihrer Handtasche. Ich hab ihr nur geholfen, den ganzen Kram wieder aufzuheben.“

„Zu Ihrem Pech war die Polizei da, bevor Sie alles einstecken konnten. Der nächste!“

„Mich haben sie geschnappt, als ich mit dem Feuerstuhl durch den Central Park sauste, das ist alles, Richter.“

„Natürlich wusste der Besitzer, dass sie sein Motorrad benutzten?“

„Da noch nicht, da wusste er es nicht.“

„Das ist natürlich kein Diebstahl, nur ein Anfall von Gedächtnisschwund. Schuldig. Der nächste!“

„Ich hab bloß die Kerze ins Fenster gestellt, damit der Hauswirt merkt, dass ich zu Hause bin.“

„Und warum war er immer noch nicht da, als die Feuerwehr anrückte?“

„Aber Richter – er musste den Brand doch bei der Versicherung anmelden!“

„Brandstiftung. Schuldig. Der nächste!“

 

(Was tue ich hier, wenn ich eigentlich in der Carnegie Hall sitzen und Swjatoslaw Richter in einem Beethoven-Konzert hören sollte – was führt mich statt dessen in das Nachtgericht im unteren Manhattan, wo ich das gleiche erlebe wie in New Orleans: das gleiche Karussell, die gleiche Parade menschlichen Strandguts, das der Polizei ins Netz gegangen ist und aus dem Dschungel der Großstadt vor einen Richter gezerrt wurde, der, wie Richter Babylon, das alles schon mal gehört hatte, der dagegen abgehärtet ist, viel abgehärteter wahrscheinlich, denn er hebt kaum die Augen von den vor ihm liegenden Akten, und seine Antworten sind schärfer, seine Amtshandlungen kürzer – das ist auch notwendig, denn auf ihn warten so viele Gefangene, wie die Stunde Minuten hat. Und immer mehr kommen durch die Tür links vom Richterstuhl, mehr und mehr, deren Schuld oder Unschuld festgestellt werden muss, bevor gegen sie verhandelt werden kann. Der nächste, der nächste, der nächste … WIR VERTRAUEN AUF GOTT, der Richter ist in Zeitnot. Was tue ich hier? frage ich mich. Warum stecke ich sensationslüstern meine Nase in diese fremde Unterwelt, wenn ich in der Carnegie Hall erwartet werde – Beethoven in Manhattan!)

 

„Als was arbeiten Sie?“

„Ich bediene einen Fahrstuhl.“

„Sie meinen, Sie lassen die Leute herein und betrügen sie dann. Was haben Sie mit der Uhr gemacht, die Sie für den Kläger reparieren wollten?“

„Irgend so ein Gauner hat sie mir auf der Rennbahn gestohlen.“

„Natürlich! Natürlich! Bleiben Sie getrost bei der Aussage, wenn ich Ihren Fall verhandle, dann werden Sie sehen, wo Sie landen! Der Nächste!“

„Zugegeben, ich bin schuldig, Richter, ich hab den Kerl angegriffen, weil er mich beschimpft hat. Aber die eingeschlagene Nase hab ich, nicht er!“

„Klage abgewiesen. Der Nächste!“

„Ich hab mir bloß eine windstille Ecke gesucht, um eine Zigarette anzuzünden, weiter nichts, Richter.“

„Sie meinen, Sie haben sich in einem dunklen Hausflur versteckt, als Sie das Polizeiauto kommen sahen. Wozu hatten Sie den Klebestreifen bei sich?“

„Ich wollte ein kaputtes Radio reparieren.“

„Und Sie trugen Gummihandschuhe, damit niemand hätte feststellen können, wer die Reparatur ausgeführt hat.“

„Nein, Richter. Die Handschuhe isolieren gegen den elektrischen Strom.“

„Erzählen Sie das einem Dromedar, und es spuckt Ihnen ins Gesicht. Der Nächste.“

„Ist das der Mantel, den Sie aus dem Geschäft mitgehen ließen?“

„Ich wollte ihn bezahlen, Richter.“

„Aber Sie waren an der Tür, bevor Sie Gelegenheit dazu hatten.“

„Nein, Sir. Ich hab die Kasse gesucht.“

„Schuldig. Abführen. Er hat nicht einmal genug Verstand, einen Mantel zu stehlen, der ihm auch passt! Der Nächste!“

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