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Die Erschaffung des Richard Hamilton. Storys von Walter Kaufmann
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
27.12.2013
ISBN:
978-3-86394-564-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 266 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Geschichten vom Meer, Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Jüdisch
Abenteuerromane, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Kriegsromane, Biografischer Roman, Familienleben
Brasilien, Seefahrt, Rassendiskriminierung, Australien, Kuba, Gewerkschaft, Solidarität
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„Ein Heizer für die ,Gold Nugget’!“

Etwa fünfzig Seeleute warteten vor dem Drahtzaun außerhalb des Hofs, aber noch meldete sich keiner. So konnte Brennan sein Anliegen vorbringen, bevor der Job zum zweiten Mal aufgerufen wurde.

„Hört mal, Kumpel“, sagte er, „hier ist ein Mann, der sich gestern selbst um seinen Job gebracht hat. Nun sitzt er in der Klemme. Er hat sein Geld auf den Kopf gehaun und will den Job zurückhaben.“

Währenddessen wartete Plonko mit seinem struppigen, zwei Tage alten Bart in einiger Entfernung, als gehöre er nicht dazu.

„Ich bin Obmann auf der ‚Nugget'“, fuhr Brennan fort, „und wir haben seinetwegen eine Versammlung einberufen.“

„Warum wollte er denn weg“?, fragte einer. Brennan suchte nach Worten, um kurz das Wesentliche zu berichten.

„Da hat er sich aber genau den richtigen Hafen ausgesucht“, sagten sie, „wo Perth doch gerade um die Ecke liegt.“

„Ich wollte auf meinem Rad nach Hause fahren“, legte Plonko plötzlich los, „aber die Polypen haben es beschlagnahmt.“

Er hätte nichts Besseres zu seiner Verteidigung sagen können: Der Aufruf für ein anderes Schiff ging im Gelächter unter. Der Gewerkschaftsvertreter musste aus vollem Halse schreien, um überhaupt gehört zu werden.

„Du solltest beim Bendigo-Radrennen mitmachen“, rieten sie Plonko, „statt auf Dampfern Kohle zu schaufeln.“

Plonko sagte nichts, er stand nur am Rand des Bürgersteigs, einige Schritte von dem Haufen entfernt.

„Gebt ihm 'ne Chance!“, sagte Keith Brennan.

Als der Job erneut aufgerufen wurde, riefen sie Plonko zu: „Los, geh vor! Ohne dich schaffen die das nie.“

Plonko zögerte einen Augenblick und schlurfte dann durch das Tor in den Hof. Als Sam Burns, der das Maschinenpersonal für die „Nugget“ anheuert, Plonko erblickte, blinzelte er ihn an, als sehe er ein Gespenst. „Sie nehme ich nicht!“ Aber ein Chor von der Straße ließ Burns wissen, dass er niemand anders bekommen würde. „Ich warte noch den dritten Aufruf ab“, erklärte er dem Gewerkschaftsvertreter, der nur die Achseln zuckte.

Plonko ging auf die Straße zurück und setzte sich auf die Bordschwelle, den Kopf auf die Fäuste gestützt. „Hat doch alles keinen Zweck“, meinte er. Ohne Brennans Zureden hätte er sich wohl kaum erhoben, als der Job gegen elf Uhr zum letzten Mal aufgerufen wurde.

„Er hat keine Wahl, Plonko“, sagte Brennan immer wieder, „geh rein zu ihm!“

„Mann, Sie haben vielleicht Nerven“, sagte Sam Burns zu Plonko, als er ihn wieder im Hof stehen sah. „Was glauben Sie, was das hier ist - ein Zirkus?“

„Argumentieren Sie nicht, Mister“, rief einer der übrig gebliebenen Seeleute vor dem Zaun. „Was macht's Ihnen schon aus!“

Plonko sah Burns nicht an. Er kratzte sich die haarige Brust unter seinem zerknautschten Hemd und fingerte dann an seinen Knöpfen herum, bis er den letzten zugeknöpft hatte.

„Entschließen Sie sich, Mister!“, sagte der Gewerkschaftsvertreter und blickte auf seine Uhr.

Inzwischen hatte sich Plonko zu einer stoischen Haltung durchgerungen. Er hob den Kopf und blickte auf einen entfernten Punkt: Es war deutlich, dass seine Gedanken ganz woanders waren. „Also gut, kommen Sie mit!“, gab der Zweite schließlich nach und berührte Plonkos Schulter.

Plonko fuhr zusammen. „Ich komme“, antwortete er, machte einen Schritt vorwärts und blieb dann stehen. „Aber das eine möcht ich doch wissen: Wird sie je nach Perth kommen?“

„Was?“

„Wird die ‚Nugget' je nach Perth kommen?“, wiederholte Plonko. „Ich hab 'ne Frau da unten, die hab ich schon ein Jahr lang nicht zu sehn gekriegt.“

„Wollen Sie nun den Job zurück oder nicht?“, fragte der Zweite gereizt. Er hatte es satt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.

„Das ist keine Antwort auf meine Frage“, beharrte Plonko.

„Herrgott, ich weiß es nicht“, sagte der Zweite. „Auf Schiffen ist alles möglich.“ Damit überquerte er den Hof und verschwand im Heuerbüro.

Plonko folgte ihm. Eine Stunde später trug er seinen Koffer, den er und Brennan aus der Kneipe geholt hatten, das Fallreep der „Nugget“ hinauf. Er sagte nicht viel zu uns, wir fragten ihn auch nicht. Kurz nach zwölf gellte die Pfeife, und ohne viel Verzögerung dampften wir ab nach Brisbane.

 

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