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Augenoperation - Schattenrisse. Roman von Jurij Koch
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
14.09.2012
ISBN:
978-3-86394-814-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 235 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Polizeiprozesse, Belletristik/Medizin, Belletristik/Politik
Belletristik: allgemein und literarisch, Kriminalromane und Mystery: Polizeiarbeit, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
DDR, Opposition, Ehrlichkeit, Querulant, Schrottdiebstahl, Mordversuch, Liebe
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Es war kurz vor eins, als ich mich erhob und anfing zu schreiben. Alles noch mal. Wie's Vater verlangte. Aber ganz anders. Ich schrieb einen langen Brief an die Kommission, die über mich befinden sollte. Ob ich ein geeigneter Mann für sie war. Für den Beruf des Montageschlossers. Ich schrieb schnell und ohne Überlegung, das heißt, ohne mir ein einziges Mal zu überlegen, was die Mitteilung, die ich machte, für mich einbringen könnte. Ich pinselte. Frei von der Leber weg. Oder von der Milz. Ich schrieb auf, was ich von mir dachte. Wie's um mich stand, dass ich eigentlich mehr Sinn für Holz aufbringen kann als für Eisen. Aber wegen der Harzallergie kein Tischler werden kann. Obwohl ich gern hobeln und fräsen würde. dass auch die anderen Berufe, über die ich meine Überlegungen angestellt habe, sich nicht als anstrebenswert erwiesen haben. Vor allem die, in denen ein mathematischer Kopf benötigt wird, weil ich kein schneller Rechner bin. Dass die Schlosserei übrig geblieben ist. Nach langen Debatten am Familientisch ist das Wort Montageschlosser gefallen. Vater hat es ausgesprochen und gesagt, dass er für mich eine Lehrstelle finden will. Was er auch getan hat. Bevor ich mir richtig klar war, was ich eigentlich lernen wollte. Ich schrieb, wie's wahr war. Dass ich als Kind mit Stabilbaukästen wenig im Sinn gehabt habe, dass ich zwar eine Menge Eisengebilde zusammengeschraubt hab, an denen sich aber nie etwas bewegt hat, was, viel Fantasie vorausgesetzt, auf eine Maschine hätte deuten können. Ein beigelegter kleiner Lötkolben ist noch unter der Folie. Bis heute nicht rausgenommen. Dass ich mich zwar bemühe, vor allem, seit beschlossen ist, was ich werde, eine Beziehung zu dem Beruf aufzubauen, dass es aber noch nicht gelungen ist. Ich schrieb über meinen Onkel, der eine kleine Schmiede betreibt. Beziehungsweise sie betreibt ihn! In einem Steinbruch der Oberlausitz. Dem letzten in privater Hand. Wie er dort seine Keile für die Presslufthämmer spitzt. Und den Blasebalg pfeifen lässt. Und für die Bevölkerung nebenbei Töpfe lötet und Zäune schweißt und Pferde beschlägt. Dass er bei jedem Besuch seit Jahren schwört, die Schmiede anzubrennen. Sie ist aus Holz. Wohl die einzige hölzerne Schmiede auf der Welt. Dass sie schon einmal gebrannt hat, aber nicht abgebrannt ist, weil die Feuerwehr schneller gewesen ist als bei jeder Übung. Dass mir mein Onkel Schmied in seiner Jämmerlichkeit alle Berufe, die mit Eisen zu tun haben, vergrault hat. Dass ich aber trotz allem vor manchen Leistungen der Eisenkonstrukteure Ehrfurcht aufzubringen in der Lage bin. Zum Beispiel dem Eiffelturm in Paris oder der Firth-of-Forth-Brücke in Schottland oder dem Gasometer in der Amselgasse, der aus dem Jahre 1913 ist und gesprengt werden soll. Ich schrieb, dass mir der Gasometer gefällt, woran vielleicht die Hoffnung geknüpft werden könnte, dass ich für den Beruf doch noch geeignet bin. Dass ich kein besonders strebsamer Typ bin, eher faul, weil ich alles auf den letzten Pfiff erledige. dass ich gern lese und schon einmal daran gedacht habe, Gedichte zu schreiben. Nichts Gereimtes. Was man so denkt. Ohne Übergang teilte ich mit, dass mich mein Vater geschlagen hat. Und ich zurückgeschlagen habe. Dass ich so ein Verlangen verspüre zurückzuschlagen. Der Lüge ins Gesicht. Wobei ich die Lüge mit gesellschaftlicher Wirkung im Auge habe. Ich versicherte, nicht verrückt zu sein. Und bat um eine Chance.

 

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