Kassio erwachte, als die Triebwerke des Nurflüglers angelassen wurden. Gebückt eilte er zu den Fenstern. In der Tat: man traf Startvorbereitungen. Das Transportband war abgestellt. Beladene Wagen standen abseits. Aus mehreren Richtungen eilten einige Menschen - auch vom Empfangsgebäude her - zu der Maschine und erklommen die Stufen. Von den Gefährten keine Spur. Dann wurde die Einstiegsluke geschlossen und die Gangway hinweggefahren. Der Triebwerksradau stieg an, die Maschine rollte vorwärts, nahm Fahrt auf, verharrte vor der Startbahn, noch einmal steigerte sich der Lärm, und das Flugzeug raste los, startete - der übliche Vorgang.
Von Kassio im Augenblick wahrnehmbar, blieben lediglich zwei der Grünbekleideten auf dem Flugfeld zurück: Jener, der vordem die Treppe bedient hatte und ein anderer, der sich phlegmatisch an einem Kistenstapel zu schaffen machte.
Ein düsterer Wolkenvorhang schob sich vor den noch wenig lichten Himmelsabschnitt. Es wurde rasch dunkel an diesem Tag. Ungeduldig und nervös wartete Kassio ab, bis es so finster war, dass er meinte, es wagen zu können, den Transitraum zu verlassen, ohne gesehen zu werden. Nach rechts vom Ausgang zum Flugfeld waren die Gefährten seinem Blick entschwunden.
Noch einmal begab sich der Mann zu den Fenstern. Es herrschte bereits tiefe Dunkelheit, nicht ein einziges Licht glimmte.
Mehr ertastet als gesehen, erreichte Kassio den Ausgang zum Flugsteig, ließ sich am Handlauf die Treppe hinab geleiten. Draußen, auf dem Betonfeld, verharrte er, lauschte. Außer dem Pochen seines Pulses hörte er nichts. Doch dann rief fern ein Kauz. Unwillkürlich musste Kassio lächeln. >Wie ein Krimiklischee<, dachte er.
Ein leichtes Geräusch von einem der Kistenstapel her ließ ihn aufhorchen. >Ein Tier ... vielleicht. Hier, in diesem normalerweise menschenleeren Gebiet, fühlen sich die Viecher sicher wohl, vermehren sich ungemein.< Aber die Laute kamen aus der Richtung der Kistenstapel, dorther, wo Kassio zuletzt den zweiten Menschen gesehen hatte. >Allerdings, was sollte der ohne jegliche Leuchte wohl ausrichten?<
Überraschend projizierte der Mond eine helle Fläche auf die ihn verdeckende Wolkendecke. Schemenhaft hoben sich Transportkarren und Kisten aus der Finsternis heraus.
Gebückt und geräuschlos eilte Kassio an einen der Stapel heran, umging ihn vorsichtig, lugte auf die andere Seite. Er benötigte eine kleine Weile, um das zu verifizieren, was er im Düsteren auszumachen glaubte: Auf einer Unterlage, einer Plane vielleicht, lag ein Mensch, ein Wächter offenbar: denn er hielt wie liebevoll ein kurzläufiges Lasergewehr im Arm.
Der Mensch schlief! Kassio verharrte und beobachtete lange Minuten. In ihm stieg Erregung an. Er spürte, wie er in Entscheidungsnot geriet. Weiter nach den Gefährten suchen, mit diesem Mann, dieser Waffe im Rücken? Er dachte an die zwei Männer, die Omar so rüde abgeführt hatten. >Also ist Schonung nicht angebracht. Sie würde wohl keineswegs auf Gegenseitigkeit beruhen. Aber was ...?< Kassio sah sich um. Nichts war auszumachen, das ihm in dieser Situation hätte helfen können. Er blickte zum Himmel. Der Mondfleck würde noch eine Weile dürftiges Licht spenden. Kassio entschloss sich schnell: Er eilte zurück zum Gebäude, stieß sich im finsteren Treppenhaus. Der Transitraum wurde von draußen ein Weniges erhellt; er durchquerte ihn, weil er in seinem dort abgelegten Gepäck für sein Vorhaben nichts Brauchbares wusste. Kassio rannte, so gut es die Düsternis zuließ, durch die Empfangshalle, die Treppe hinab ins Freie. Er atmete erleichtert aus, als er den Wagen dort vorfand, wo sie ihn verlassen hatten. >Ein Fehler, ihr Kidnapper<, dachte er mit Genugtuung, belud sich mit der Dynamolampe, dem Stößel für den Hydraulikheber, einer Rolle dünnen Kabels, dem Schweißstrahler und einem Messer - bis auf Letzteres und die Kabel, alles Gegenstände, die auf Anraten Omars mühsam beschafft worden waren, falls in Brüssel Zugänge nur mit Gewalt zu erzwingen wären.