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Nabou. Utopischer Roman von Günther Krupkat
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
22.07.2019
ISBN:
978-3-96521-149-0 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 405 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Science Fiction /Action und Abenteuer, Belletristik/Science Fiction /Kontakt mit Außerirdischen, Belletristik/Science Fiction /Weltraumoper
Science-Fiction: Außerirdische/UFOs, Science-Fiction: Weltraumforschung, Science-Fiction: Weltraumoper, Space Opera
Steinterrasse, Baalbek, Libanon, Weltwunder, Antike, Sumer, Meeresgrund, Bodenschätze, Roboter, Biomat, Außerirdische, Vulkan
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Kurz nach dreizehn Uhr zeigten die Sonden Veränderungen an. Es waren Schatten von beträchtlichem Ausmaß. Ich ließ den Antrieb stoppen.

„Was ist los?“, rief Hayl vom Kommandostand.

„Große Aushöhlung.“

„Wir können doch ausweichen. Oder?“

„Freilich. Es sind noch zweihundert Meter bis dahin. Aber man sollte das untersuchen.“

„Vulkanische Aktivität?“

„Nein, stagniert.“

„Hm.“

Nabou schaltete sich ein. Er sprach nicht mit mir, sondern mit Khoram.

Gleich darauf hallte der Bordfunk durch das Schiff: „Alle Mitarbeiter zur Beratung in die Messe, bitte!“ Wollte Nabou auf meinen Vorschlag eingehen? Es war ein heikles Unterfangen. Ich sah mir das Echobild noch einmal an. Das Schiff stand vor der Sohle eines gewaltigen Gewölbes. Bei einer weiteren Neigung des Vortriebs um wenige Grad wäre das Hindernis zu unterfahren.

In der Messe forderte mich Nabou auf, genaue Erläuterungen zu geben.

Natürlich vermochte ich nur zu sagen, was die Instrumente andeuteten. „Eine so große Höhle – sie ist etliche Kilometer lang – ohne Verbindung mit einem vulkanischen Herd dürfte für diese Tiefe ungewöhnlich sein.“

„Sind Sie sicher, dass kein Vulkanismus wirksam ist, Will?“, fragte Maktabi.

„Es müssten schon alle Geräte versagt haben.“

„Untersuchen wir die Höhle!“, forderte Yamina.

„Wenn wir uns auf der Höhe der Sohle befinden, brauchten wir ja nur hineinzufahren“, meinte Hayl.

Maktabi war entschieden dagegen. „Das Schiff riskieren? Auf keinen Fall! Wir werden uns den Rückweg offenhalten und notfalls das Gebiet umgehen.“

Ich stimmte Maktabi zu. „In diesen Regionen muss jeder Schritt genau bedacht sein.“

„Wie wollen Sie sonst in die Höhle gelangen?“, fragte Shelder.

„Zu Fuß“, sagte Nabou einfach.

„Was, Sie wollen …?“

„Wir haben Spezialskaphander.“

„Trotzdem erscheint mir das zu abenteuerlich. Auch als Arzt habe ich Bedenken.“

„Die Skaphander sind zuverlässig.“ Nabou sah in die Runde. „Wer ist für die Exkursion?“ Er hob als erster die Hand. Yamina, Hayl und ich waren dafür. Shelder sprach sich dagegen aus. Maktabi schwankte, er enthielt sich der Stimme. Nabous Blick fiel auf mich. „Wir dringen mit dem Schiff so weit vor, dass wir einen Durchgang herausschmelzen können. Dann machen wir uns auf den Weg, zuerst ich. Besteht keine Gefahr, folgen Yamina, Hayl und Sie.“

„Yamina sollte an Bord bleiben“, riet ich.

Sie sah mich herausfordernd an. „Weshalb? Ich möchte dabeisein!“

„Dann bereiten Sie sich vor“, sagte Nabou. „Maktabi, Sie übernehmen das Schiff, solange wir unterwegs sind.“ Die Sindhbad arbeitete sich an die Höhlung heran. Sie wurde erneut gestoppt. Die Strahler schmolzen das Gestein, bis sich ein dunkles Loch auftat.

Wir mussten einige Zeit warten, um die Temperatur absinken zu lassen. Inzwischen legten wir die Skaphander an. Es war nicht einfach, in die ungefügen Rüstungen zu schlüpfen.

Shelder half uns dabei. „Ich komme mir ziemlich überflüssig vor“, klagte er.

„Schließen Sie sich uns an!“, rief Yamina aus dem durchsichtigen Panzer heraus. Sie ruderte auf drollige Weise mit den krallenartigen Greifern.

„Besser, wenn Sie hier in Reserve sind“, sagte Hayl zu Shelder. „Vielleicht werden Sie noch benötigt.“

„Unken Sie wieder?“, schimpfte ich.

„Wo ist Nabou?“

„Schon in der Schleuse.“

„Dann los!“

Die Bugschleuse lag unter dem Kommandostand. Nabou hatte sie bereits verlassen. Auf dem Bildschirm sahen wir ihn unmittelbar vor dem Schiff stehen.

„Hallo, Nabou! Wie ist’s?“

„Alles in Ordnung.“

„Und die Verständigung?“

„Gut.“

„Kein Telefonkabel nötig?“

„Nein.“

Wir hatten befürchtet, dass hier vielleicht irgendein Medium den Sprechfunk der Skaphander stören könnte. Das war nicht der Fall.

Nabou stapfte nun mit schweren Schritten auf den Durchbruch zu. Es waren bis dahin etwa siebzig Meter. Er ging, als sei es die natürlichste Sache der Welt. Ich konnte nicht umhin, im Stillen seinen Mut zu bewundern. Jetzt verschwand er in dem Loch. Es klaffte wie ein gieriger Rachen. Dünne, graue Schwaden drangen daraus hervor.

„Nabou!“

„Warten Sie!“

Wir lauschten angestrengt an den Kopfhörern. Minutenlanges Schweigen.

„Nabou!“, rief Yamina ängstlich.

Auch ich wurde nervös. Warum meldete er sich nicht? Was bedeuteten diese Nebelfetzen, die immer noch aus dem Loch quollen?

„Er wird sich erst mal umsehen“, brummte Hayl. „Kein Grund zur Aufregung.“

Endlich rief uns Nabou.

Wir schleusten uns aus. Ich wandte mich zum Schiff um. Ein seltsamer Anblick, dieses blitzende Ungetüm im Stollen. Die Augen mit dem Arm gegen das Scheinwerferlicht schützend, erkannte ich hinter der Sichtscheibe des Kommandostands Maktabi, um ihn die übrige Besatzung.

Khorams Stimme gellte mir in den Ohren. „Bleiben Sie auf Empfang!“

Das Gehen war anstrengend. Ich spürte mein Gewicht doppelt. Yamina erging es natürlich ebenso. Durch die Scheibe des Schutzhelms sah ich ihr Gesicht, es war vor Anstrengung gerötet.

„Regulieren Sie die Temperatur auf fünfzehn Grad, sonst halten Sie es nicht durch“, riet ich.

Hayl war bereits an der Höhlenöffnung. Er leuchtete mit der Handlampe in die Finsternis hinein. „Hm“, hörte ich ihn knurren.

Vorsichtig stiegen wir über den scharfgratigen Schmelzfluss. Geblendet noch vom grellen Schein im Stollen, erkannten wir zunächst keine Einzelheiten. Auch die Schwaden, die um unsere Köpfe strichen, behinderten die Sicht.

Allmählich gewöhnten sich die Augen an das Dunkel, und nun sahen wir im Licht der starken Lampen eine Welt vor uns, wie ich mir immer den Hades vorgestellt hatte.

Über uns schwebten schwere, graue Wolken. Die wahre Höhe des Gewölbes war nicht zu erkennen. Die „Landschaft“ bestand aus flachen Buckeln und Senken. Keine markanten Formen, kein Fels, kein Staub. Nur eine indifferente Masse, die metallisch schimmerte, sobald sie ein Lichtstrahl traf.

In Yaminas Augen stand Grauen. Sie trat näher zu mir.

Ich schaute auf das Thermometer am Handgelenk. Dreihundert Grad!

„Ziemlich unschöne Gegend“, murmelte Hayl.

„Ein riesiger Blasenraum.“

„Und das da oben?“

„Vermutlich Methandämpfe.“

„Dort ist Nabou!“, sagte Yamina.

Weit hinten zeigte sich ein Lichtpünktchen.

„Hallo, Nabou! Was gefunden?“

„Kommen Sie her!“

Zwischen ihm und uns lagen etwa fünfhundert Meter. Wir marschierten los.

Der helle Schimmer im Durchgangsloch wurde kleiner, Nabous Licht wuchs. Unterwegs schlug ich aus dem Boden ein paar Handstücke für die Analyse heraus. Es war ungemein schwierig, das Material wies eine ungewöhnliche Dichte auf. Ich reichte Yamina einen Brocken. Sie staunte, wie schwer er war.

„Dass wir uns hier überhaupt noch bewegen können“, keuchte sie.

„Mühsam genug ist’s ja“, sagte Hayl. „Bloß nicht den Stollen aus den Augen verlieren, sonst ist’s aus. In diesem wüsten Einerlei haben wir uns schnell verirrt.“

Hayls Besorgnis war berechtigt. Orientierungsmerkmale außerhalb des Lichtkreises unserer Lampen gab es nicht, und die Rufe der Sindhbad wurden mit jedem Schritt schwächer.

„Nabou, zum Kuckuck, warum sind Sie so weit hineingerannt. Was gibt’s denn dort?“

„Kommen Sie!“, wiederholte Nabou.

Er stand auf einem kleinen Hügel und zeigte hinab, als wir ihn endlich erreicht hatten.

Vor uns lag ein See. Nein, es musste ein Meer sein. Glatt wie ein Spiegel, aber von stumpfem Grau, verlor es sich in der Ferne, wo sich die Methanwolken bis auf seine Oberfläche senkten.

„Ist das Wasser?“, fragte Yamina.

„Offenbar“, sagte Nabou. „Temperatur auch dreihundert Grad.“

„Es kocht nicht einmal.“

„Der Siedepunkt liegt bei dem Druck, der hier herrscht, wesentlich höher.“

Aus der Wasserfläche stiegen ab und an Blasen träge hoch.

„Vielleicht ein Rest des Urozeans, seit Milliarden von Jahren im Erdinnern eingeschlossen“, vermutete ich. „Wundern würde es mich schon nicht mehr, wenn ein Ichthyosaurier seinen Kopf aus dieser Brühe stecken würde.“ Yamina schüttelte sich.

„Unsinn!“, sagte Hayl. „Bedenken Sie die Wassertemperatur. Meinetwegen Urmeer, aber ohne Leben. Noch nicht mal Koazervatstadium.“

Ich widersprach ihm. „So rasch möchte ich nicht urteilen, Oswin.“

Yamina blickte sich scheu um. „Was sagen Sie dazu, Nabou?“

„Hier ist Leben!“ Er ließ den Lichtstrahl seiner Lampe auf eine bestimmte Stelle des Bodens fallen.

Eine feuchte, dunkle Schleifspur!

„Schlangen?“

„Nein, eher Schnecken, Riesenschnecken.“

„In diesem heißen Wasser? Unmöglich!“

„Hier die gleiche Spur! Und dort auch.“

„Ja, überall. Um uns herum“, sagte Nabou. „Bleiben Sie stehen. Nicht das Licht löschen!“

Er schritt zum Ufer hinüber, stieg in das Wasser hinein. Nach ein paar Schritten war er untergetaucht.

„Wie können Sie das zulassen?“, rief Yamina aufgeregt. Unschlüssig schaute ich Hayl an. „Was sollen wir tun?“

„Abwarten!“

Eine Minute verstrich, zwei, drei Minuten.

„Ich gehe ihm nach“, sagte ich.

Davon wollte Yamina nichts wissen. „Dann alle!“

„Sind Sie verrückt?“, tobte Hayl. „Wenn schon, dann Will allein.“

Er hieb mir mit dem Greifer gegen die Brust. „Kommen Sie sofort zurück, hören Sie! Was da auch los ist, wir müssen uns zuerst beraten. Sie sehen ja, Funkverbindung gibt’s von dort unten her nicht.“

Das Wasser schwappte über mir zusammen. Es war trübe. Keinen Meter weit drang das Lampenlicht durch. „Hallo, Nabou!“

„Hierher!“

Ich atmete auf, stemmte mich gegen das Wasser, ging seinem Ruf nach. Der Boden war schlüpfrig und fiel allmählich ab. Bisweilen schaukelte eine Blase hoch. Durch ständige Zurufe fand ich Nabou. Ich schätzte die Tiefe auf zehn Meter. Immerfort ließ er den Lichtkegel spielen. „Nirgends ein Lebewesen“, sagte ich. „Das mit den Schnecken muss ein Irrtum gewesen sein.“

Nabou. Utopischer Roman von Günther Krupkat: TextAuszug