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Schloss Karnitten. Der Weg der Väter von Manfred Kubowsky
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Preis E-Book:
9.99 €
Veröffentl.:
07.10.2009
ISBN:
978-3-931646-85-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 584 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/Allgemein, Belletristik/Politik
Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historische Liebesromane, Kriegsromane, Familienleben
Genealogie, Russland, Polen, Brandenburg, Karnitty, Karnitten, Mecklenburg
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Petja döst in dem über die holprige Sandstraße rumpelnden Wagen. Ach, waren das Zeiten gewesen, als sie noch so jung waren, so verwegen, so tatendurstig. Gewiss, der Vater hatte harte Arbeit auch von ihm verlangt, von wegen Allüren als Gutsherrensöhnchen, wegen der zweihundert Seelen, die ihnen gehörten, das hatte der Alte ihm frühzeitig ausgetrieben. Da hieß es, mitzuschuften von früh an, oft bis in den späten Abend hinein; Ställe auskehren, zur Ernte auf die Felder fahren, Kühe treiben, die Pferde striegeln, aber doch hatte er auch seine Spielräume. Nicht selten ritt er mit Gawrilo wie der Teufel über die Felder, von einer ungeheuren Staubwolke eingehüllt, da gab es kein Halten, kaum ein Hindernis.

Einmal waren sie auf dem Rückweg nach Dobrovo, an einem Junitage, gegen Abend, die Sonne hatte sich schon dem Waldsaum genähert und mit ihrem Gold die ganze Landschaft rings übergossen, da kam ihnen eine Reiterschar entgegen, eine Eskorte offenbar, denn ihr folgte eine mit sechs Rappen bespannte, große und prächtige Kutsche. Sie wichen zum Feldrand aus und blieben stehen, und kurz bevor die Kutsche sie erreicht hatte, hörten sie einen scharfen Befehl und der ganze Tross kam sofort zum Stillstand. Aus dem Kutschenfenster beugte sich ein Herr in feiner Kleidung. Er trug das Haar ungewöhnlich kurz geschoren und dazu einen kecken Schnurrbart. Petja erkannte ihn sofort: heilige Mutter Gottes, der Zar, Väterchen Zar, Peter, der Große, wie er allenthalben genannt wurde! Er raunte Gawrilo die Neuigkeit zu, schnell sprangen sie von ihren Pferden, verneigten sich tief, fast bis zum staubigen Boden, vor Seiner Heiligen Majestät.

Peter winkte kurz, herrisch, mit der linken Hand und sprach sie an:

„He, ihr jungen Dachse, wer seid Ihr, was treibt Euch so spät noch in diese elende Wildnis?“

„Halten zu Gnaden, Euer Majestät“, sprach Petja,

„Petrus Dobrovskij, Gutsbesitzerssohn, und das ist mein guter Freund Gawrilo. Wir sind noch ein wenig ausgeritten, um die Pferde immer gut in Form zu halten, sollen doch keine Schlafmützen werden, halten zu Gnaden, Euer Majestät...“

„Petrus? Guter Name, gilt er mir oder dem Heiligen? Sagt nichts, er gilt uns beiden nicht wahr? Parbleu! Das kann nicht Euch gelten! Wenn hier einer heilig ist, dann bin ich das, versteht Ihr?“

„Wie Ihr befehlt, Euer heiliger Petrus Majestät!“

Worauf der Zar in ein dröhnendes Lachen ausbrach und in die Hände klatschte, „das ist gut, das ist prächtig, nicht wahr, Seldowsky, ha, ha, heiliger Petrus Majestät...“

Der Kaiser krümmte sich vor Lachen.

„Ach Söhnchen, Petrus Dobrovskij, war´s nicht der Name, Dobrovskij? Vom Gut Dobrovo? Wartet, kenne doch Euren Vater, war früher Offizier und in Petersburg stationiert. Warum seid Ihr, junger Mann, nicht beim Militär? Nein, antwortet nicht, Ihr Söhnchen, muss auch prächtige Gutsleute geben, florierende Landwirtschaft; was hätten wir sonst in unseren silbernen Schüsseln, gäb’s unsere tüchtigen Landleute nicht, ist es nicht so, Seldowskij“, wandte er sich lachend an den neben ihm sitzenden Herrn, der im Gegensatz zu ihm eine gewaltige, lockige und ziemlich albern wirkende Allongeperücke trug.

„Par exzellence, Euer Majestät, klug gedacht, sehr klug, eminent klug, wie immer, Herr...“

„Ach, hört auf, klug, klug, klug, Ihr redet wie ein Uhu, Seldowskij, das ist nicht klug, das ist selbstverständlich; die Landleute mit ihrer Arbeit, darauf steht unser Reich, Landarbeit und emsige Handwerksarbeit machen uns reich, reich und stark, versteht Ihr?“

Der Zar lachte nun den Jungen zu, tausend lustige Fältchen durchzogen plötzlich sein Gesicht, und die Spitzen des schwarzen Schnurrbartes, angetrieben von dem Gelächter, zitterten und schwangen wie Grasspitzen im Wind.

„Sorgt, dass das Land gut bebaut wird, dass prächtige Ernte wird, pflegt mir die Tiere, macht dass auch viele kleine kommen...“, er schmunzelte jetzt schelmisch, „und die Pferde, haltet Eure Pferde gut, kann sein, ich bräuchte Euch mal für Dienste zu Pferde. Reiten könnt ihr ja wie die Teufel. Nun, grüßt Euren Vater, Petja, Söhnchen – fahr zu, Kutscher!“

Der Tross setzte sich augenblicklich in Bewegung und war nach kurzer Zeit in einer Wegbiege verschwunden.

„Ein Traum“, flüsterte Gawrilo, „war das ein Traum?“

„He, Gawruschka, wach auf! Der Zar hat uns gerade begrüßt, kein Gespenst, unser Väterchen Zar. Mutter Gottes, wenn wir das den Unseren berichten, los Gawri, auf nach Dobrovo!“

Schloss Karnitten. Der Weg der Väter von Manfred Kubowsky: TextAuszug