Der Rote Pfeil war die Sensation des Tages. Obwohl Jochen mit dem Bus fahren sollte wegen seiner Atembeschwerden, war er an der Chaussee hinter Martin auf das Tandem gestiegen.
Wir haben bestimmt sechzig Sachen haben wir drauf!, schrie er und schwitzte, als sie die Teerstraße entlangpreschten.
Mindestens achtzig!, schrie Martin zurück und trampelte kraftvoll, obwohl ihm vom Fahrtwind die Augen tränten. Ihm war, als flöge er, und berauscht von einem ungeheuren Glücksgefühl kurvte er als Abschluss einmal um den Schulhof. Sie sollten ihn alle sehen, ihn und sein feuerrotes Tandem! Und sie sahen ihn alle und kamen gerannt, schrien durcheinander, bewundernd, staunend oder auch ein bisschen neidisch. Frau Bloch drohte nur kurz mit dem Zeigefinger und blickte dann schnell woandershin.
Einwandfrei!
Klasse!
Lass uns mal!
Haste das allein gebaut?
Plötzlich ruderte Äffi durch das Gedrängel. Super, super, dein Straßenhobel! Universell einsetzbar. Kannst n Freund mitnehmen oder ne flotte Biene ...
Oder deine Oma zum Zahnarzt kutschieren!, piepste irgendein Knirps dazwischen. Und alle brüllten vor Lachen.
Später in der Pause beschlossen die Jungen der 6 a, mehrere Tandems zu bauen. Die wollten sie dann während der geplanten Klassenfahrt im Mai benutzen, jeder mit einem Mädchen aus der Klasse als Beifahrer auf dem Ladysitz. Kichernd gaben die Mädchen ihr Einverständnis.
Und zur nächsten Altstoffsammlung mit Hänger hinten dran!, bestimmte Udo Zack-zack. Dann schlagen wir alle. Aber dichthalten! Klassengeheimnis!
Ehrensache!
Und Martin genoss die Bewunderung und war glücklich und vergaß die hässlichen Szenen, die sich am Wochenende zu Hause abgespielt hatten.
Nach dem Unterricht radelte Martin mit dem Roten Pfeil gemächlich zur Bushaltestelle und wartete auf Jochen. Es verging eine halbe Stunde, doch Jochen kam nicht. War der vielleicht doch mit dem Bus nach Kiekebusch gefahren? Noch zehn Minuten, dachte Martin, dann zisch ich ab. Und Vater werde ich beweisen, dass er unrecht hat. Ich werde in den Museumskeller gehen und die Teile der Zentrifuge entrosten, ganz allein.
Martin schloss die Augen. Und wieder sah er den Vater vor sich stehen, hochrot im Gesicht, wütend. Soso, der Herr Sohn kommt also, wann es ihm passt. Mama kann ja mit dem Essen warten. Wo warst du so lange?