Nach Kosmetika steht Captain Harald und mir nicht der Sinn. Da naturgemäß Männerinteressen und Fraueninteressen in Kaufhäusern ohnehin kaum unter einen Hut zu bringen sind, gehen wir beide über kurz oder lang eigene Wege. Da Harald auch ein Bücherfreund ist, verweilen wir bei einem Stand, der Nachschlagewerke anbietet. Selbstverständlich in Englischer Sprache: The New Enzyclopaedia Britanica in 15. Auflage nach 1768 ist das U.S.-Pendant zum Brockhaus. Ein Gespräch mit dem Buchhändler-Ehepaar scheint zu belegen, dass sieben von hundert Einwohnern in San Francisco deutschstämmig sind. Zumindest kam die Frau einst aus Karlsruhe. Freundlich verabschiedet mit einem großformatigen Kinderbuch für unsere Enkeltochter, ziehe ich den Captain jetzt in eine ganz bestimmte Richtung.
Der 30. April steht unmittelbar bevor - dreizehnter Hochzeitstag - und ich habe mir für Dörte etwas Besonderes ausgedacht: Ein Armband aus Gold soll es sein - breit genug, um das Wort California samt Datum eingravieren zu lassen. Über ein halbes Dutzend Juweliere bieten in der Mall ihren Schmuck an. Wir finden schnell einen, der uns zusagt. Oder besser - eine Verkäuferin, mit der sich über meinen Wunsch parlieren lässt. Bei Milens also wandern diverse güldene Armbänder über den Verkaufstresen zu Harald und von ihm etwas tiefer zu mir in den Rolli. Ist es schlimm, wenn ich sage, dass das, was mir gefällt, oft auch das Teuerste ist?
Plötzlich stehen 600 Dollar zur Disposition. Scheinbar kein Problem für den, der mit Master Card Gold auf Du und Du lebt - wie die Werbung einem weismachen will. Und wie ich noch zaudere - da lächelt Madam mich Goldsucher an und deutet auf ein Schild: SALE heißt das Zauberwort für drei Tage. Zu Hause würde es Schnäppchen heißen - im angegebenen Zeitraum kostet bei Milens jeder Schmuck nur die Hälfte. Das Geschäft wird getätigt. Mit allem Drum und Dran. Pünktlich zum bewussten Termin halten meine steifen Finger ein Schleifenpäckchen in unaufdringlichem Grün mit dem goldgeprägten Milens. Im Geschenkkarton nochmals ein gleichfarbiges Etui mit meiner Hochzeitstags-Gabe: vornehm - aber schön - geht die Welt zugrunde. Der letzte Satz wäre wirklich das Letzte. Daher will ich mich also nur für eine letzte Aussage zum Hochzeitstag verbürgen: Dank Milens sind die beiden, die es unmittelbar angeht, very happy ...
Eine Mall ist keine Mall. Bei Gelegenheit fahren Renate und Harald mit uns nach Livermore. Akademikern in der ganzen Welt ist dieser Ort ein Begriff. Hier lebt und arbeitet ein unvorstellbares Maß an hochleistungsfähigen Grauen Zellen miteinander. Das moderne Wort lautet: Brain Trust. Tausende forschen in den Livermore Laboratories auf den verschiedensten Wissenschaftsgebieten. Und was machen wir unbedarften Durchschnittsbürger an solch einem Nobelpreisträger verdächtigen Ort? Vielleicht nicht ganz untypisch für den gelebten Ostdeutschen - wir vergleichen die Mall vom Konzern Nordstrom mit der, die wir am Tag zuvor besucht haben. Was uns sofort auffällt, das ist die gewaltige Zahl an Autostellplätzen: jeder Zentimeter gepflegt und insgesamt eine parkähnliche Begrünung. Betonierte Einfassungen für die Baumscheiben haben Wasseranschluss - Bewässerung nach elektronischer Schaltuhr.
Typisch wohl auch für uns, dass wir sofort den gehobenen Stand derer von Stamme Nordstrom erkennen: die angebotenen Waren sind von ausgesuchter Qualität und vor allem auch die Preise erschrecken uns durch einen gewissen Höhenflug. Alles zusammengenommen scheint das das absolute Muss zu sein für eine sehr gut verdienende geistige Elite in den kalifornischen Forschungsstätten der Rüstungsindustrie, die seit eh und je als gut zahlender Arbeitgeber firmiert.