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Abschied von der Lindenstraße von Siegfried Maaß
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
12.12.2014
ISBN:
978-3-95655-205-2 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 287 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Liebesroman/Erwachsenwerden, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Familienleben, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
Kindstod, Einbruch, Bewährung, Junge Familie, Freundschaft, Liebe, Eltern-Kind-Konflikt
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„Behinderte? Disco für Behinderte? Vielleicht Rollstuhlfahrer?“ Cornelia sieht ihn zweifelnd an. „Die können doch nur zuhören.“

„Glaubst du!“ Stuck lächelt. Genauso hatte er auch einmal gedacht. Aber dann kam dieses Mädchen Karen, die Vera seit der Schulzeit kennt, und hat ihn für den Behindertenklub geworben, den sie leitet, obwohl sie gesund ist. Aber ihr Freund ist querschnittsgelähmt.

Stuck versucht, ihr seine Eindrücke und Erlebnisse von und mit den Behinderten zu schildern. Währenddessen erreichen sie das Krankenhaus, und plötzlich spürt Stuck sein Herz heftig schlagen. Gut, dass das Mädchen ihn so lange abgelenkt und auf andere Gedanken gebracht hat.

Im langen Gang, in dem er am Vormittag Vera angetroffen hat, versucht sich Stuck zu beruhigen. Das ist Angst, sagt er sich, pure Angst, und ich hab sie bisher überhaupt nicht gekannt, nicht einmal vorm Härtetest, der anderen schon Bauchschmerzen und Übelkeit bereitete, ehe er begann.

Es ist dieses Mal eine andere Schwester, die nach seinem zaghaften Läuten die Stationstür öffnet; auch sie kennt ihn schon, erschrickt bei seinem Anblick und sagt hastig: „Einen Augenblick, bitte! Ich hole Frau Doktor!“

Stuck kann jetzt nicht denken, nur warten. Alles, was er genau weiß, ist: Er muss warten.

Die Stationsärztin, eine zierliche Frau mit kurz geschnittenem Haar, die einen Gehfehler hat und darum nicht lautlos auftreten kann, ist zur Tür gekommen und bittet Stuck und Cornelia in den Stationsflur, wo ein kleiner runder Tisch und einige Stühle mit Armlehnen stehen. Was hat ihm die Frau zu sagen? Wie geht es Thomas? Soll sie doch anfangen, endlich anfangen ...

„... schon ein Telegramm geschickt, vor einer halben Stunde vielleicht, Herr Stuckmann, Sie können es also noch nicht erhalten haben ...“ Sie breitet ratlos ihre Hände aus. „Wir konnten leider nichts mehr machen. Herr Stuckmann. Der kleine Körper war zu sehr geschwächt. Es kam nun noch eine Rippenfellentzündung hinzu ...“

Ohne die Armlehnen, glaubt Stuck, wäre er jetzt vom Stuhl gerutscht. Aber so kann er sich festklammern. Seine Fingergelenke schmerzen. Gut, der Schmerz!

Konnten nichts mehr machen.

Rippenfellentzündung dazugekommen.

Schon ein Telegramm geschickt.

Mit anderen Worten: Thomas ist tot.

Tot.

Aus ...

Stucks Blick irrt von der Ärztin zu Cornelia. Das Mädchen weint, reibt mit dem Handrücken über ihr Gesicht. Weinen ist gut. Warum weint er denn nicht?

Thomas ... An Lungenentzündung stirbt man doch nicht. Heute nicht mehr.

Nicht?

Kein Leben mehr in ihm. Nicht mehr da.

„Wann?“, fragt er und sucht die Augen der Frau, die sie von ihm abwendet und auf irgendeinen Punkt hinter ihm richtet.

„Vor einer Stunde. Er hat sich aber nicht gequält, keine Schmerzen gespürt. Es ist kein Trost für Sie, ich weiß, wollte es Ihnen aber trotzdem sagen. Möchten Sie ihn sehen?“

Möchte er das?

„Mach’s nicht, Stuck! Mach’s nicht!“ Cornelia fasst seinen Arm und zieht ihn weg, heraus aus dieser Station, in der ein Stück seines Lebens unwiederbringlich zurückbleiben muss.

Er folgt dem Willen des Mädchens, hält aber an der Tür inne, sieht zu der Ärztin, die noch immer an dem Tisch sitzt. „Vielleicht komme ich noch einmal mit meiner Frau“, sagt er. Dann schließt er geräuschlos die Tür.

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