Aber angefangen ist angefangen! Kurbel macht sich da nichts vor, er kann nicht betrunkene Riesen bezwingen, Wein trinken, Geschichten entgegennehmen und sich hier drücken. Was sollen die Leute von ihm halten? Er wird doch wohl mit dem bisschen Gras fertig werden!
Weg sind alle Träume, Kurbel ist ganz wach. Ihm fällt auch gleich was ein. Die Sense hängt er an der alten Siedekammer unter die Dachtraufe, dort hat sie ihren Platz, dann trabt er ums Haus in den Hof, hinter dem Rücken der immer noch Brotbrocken streuenden und mit den Hühnern hadernden Oma Slabke in die Küche. Die Streichhölzer! Sie liegen auf dem Ofenrand, wo sie immer liegen, ein Griff genügt, und sie sind in Kurbels Tasche.
Alles andere ist ein Kinderspiel. Kurbel muss nur wieder zurückrennen, hinters Haus also, ein Häufchen dieser trocknen Halme zusammenscharren, ein Hölzchen zünden und das Gras anstecken. Zuerst knistert und qualmt es eine Weile, dann lodert eine gelbe Flamme auf, gefräßig leckt sie nach rechts und links, ergreift im Nu die ganze Wiesenbreite und arbeitet sich langsam, getrieben von einem leichten Wind, voran. Kurbel muss nur mal hierhin, mal dorthin rennen, um eine allzu gefräßige Flamme auszutreten, die über das Trockengras hinweg nach dem grünen Kleefutter leckt. Wirklich ein Kinderspiel, das Ganze, eine runde Sache für den Kurbel, der nicht nur wie der Juro Kraft, sondern auch Köpfchen hat.
Aber nun der Wind. Der stoppelte die ganze Zeit wie ein müder Gaul hinter dem Babenberg herum, wandte sich mal in diese, mal in jene Richtung, fing sich Blütenduft und Mistgestank, mischte alles und hatte im Grunde gar keine Lust zu wehen. Nun aber riecht er Feuer. Das macht ihn wach, mit einem Sprung ist er über den Kamm des Babenberges hinweg im Dorf, noch einmal verweilt er für eine Minute, bläht seine Nüstern, rast dann fauchend los, um die Häuser, auf die Wiesen. Kurbel rennt. Die Sache macht ihm Spaß, so mit dem Wind um die Wette zu laufen, gleichzeitig hier und dort zu sein, zu verhindern, dass sich der kühle Hauch zu innig mit der Glut verbindet, ein richtiger Kampf ist das.
Dann aber wird es mit einem Male ernst, der Wind gerät wohl in Wut, er will sich nicht befehlen lassen, er hat seinen eigenen Kopf, und der steckt voller Heimtücke. Der Hof Oma Slabkes liegt wie alle Höfe des Dorfes Kattuhn nahe am Wald, ein Steinwurf schon hinter dem Zaun beginnt die prasseldürre Heide, noch keine ganz fertige, mehr so eine dichte, sperrige Schonung aus lauter nadelbepelzten Kiefernkindern - aber dahinter erhebt sich gleich der Hochwald: Stämme mit rissiger Rinde und zerfransten Kronen. ln dieser Richtung bewegt sich die Feuerwalze. Kurbel wirft sich ihr entgegen, er kämpft schon lange nicht am Rande gegen die übergreifenden Flammen, nein, jetzt steht er mitten im Qualmmeer, schlägt wild um sich, tritt hierhin und dorthin, keucht und hustet, stampft mit den Füßen, kneift die Augen zusammen, reißt sie gleich wieder auf, springt in einen plötzlich neu aufflackernden Brandherd, mitten hinein, fühlt die Hitzewoge, die ihm entgegenschlägt, weicht zurück. Das ist nun schon lange kein Spaß mehr.
Wer wird hier siegen? Der Feuerwind oder Kurbel?
Ehe es Kurbel begreift, ist es schon entschieden. Die unersättliche Glut rast an ihm vorbei, sie lässt sich nicht aufhalten, schon die kleine Streichholzflamme hatte mehr Kraft, als Kurbel je besaß. Doch der kämpft weiter, er hustet und spuckt, wo er einen Funken austritt, dort schießen gleich zehn neue Flammen auf. Ein richtiges Feuer ist das, ein Brand, der in den nächsten Minuten die Schonung überfallen wird, und hat er die erst einmal, dann hat er auch den Hochwald. Tausend und aber tausend Hektar, Millionen Stämme, nicht zu schätzende Festmeter Holz. Endlich begreift das Kurbel. Nein,schreit er laut, nein! Aber der Wind ist jetzt auch hierin Sieger, er deckt den Schrei mit Geprassel und Gefauche zu, erstickt ihn in dichtem Rauchnebel, rast triumphierend weiter. - Wo ist Hilfe?