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Generale unter sich von Theodor Plivier
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Preis E-Book:
4.99 €
Veröffentl.:
01.01.2026
ISBN:
978-3-68912-625-4 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 112 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Kriegsromane: Zweiter Weltkrieg, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Stalingrad, Zweiter Weltkrieg, Generäle, Militärführung, Schuldfrage, Machtmissbrauch, Kriegsverbrechen, Zusammenbruch, Untergang, Moral, Gewissen, Totaler Krieg, Elitenkritik, Verantwortung, Kriegstrauma, Frontalltag, Niederlage, Zeitgeschichte, Antimilitarismus, Dokumentarprosa
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Und es ist ein hochtouriges Vehikel und läuft auf Vollgas – Bäume, Telegrafenpfosten, Hausstümpfe, blutende Torsos, Männer mit verbundenen Köpfen, Selbstmörderstirnen, Frauenhände vor das weinende Gesicht geschlagen, wie wesenloser Rauchstreif stürmt es vorbei – wir fahren und wissen nicht, wohin wir fahren, worüber wir fahren, was unter unsern Felgen so laut heult. Der Führer sitzt am Lenkrad und sieht nichts, kann nichts sehen, die Windschutzscheibe ist blind von aufgeschleudertem Schnee, von Dreck, von Knochen, vom klebenden Blut aufheulender zerfahrener Kolonnen. Der Führer und du, General, und ich General, wir wissen nichts, wir sehen nichts, wir sind nur die rollende und Mensch und Pferd und Eisen zermalmende Felge.

Das ist kein Angsttraum, das ist die Wirklichkeit.

Das war der Blitz, der Vilshofen durchfuhr.

Aufblickend fand er sich im Keller. Am Tisch eine Gesellschaft fahler Köpfe. Eine magere mit einem Trauring geschmückte Hand, die mit einem großen bunten Taschentuch den Hinterkopf und auch den Nacken abwischte. Ein langes todernstes Gesicht und fast schon eine stille Maske. Ein Gnomenkopf, zerknittert und durchfurcht und mit großen hochgeröteten Ohren. Noch ein Gesicht, etwas massig, etwas gekränkt und mit dem Ausdruck: Mir langt es jetzt aber! Zarte Züge mit dem Ausdruck einer migränekranken Frau und dabei besorgt und teilnahmsvoll an einem ruhelos auf und ab Wandernden haftend. Dann war da noch ein graues, noch ein zweites, noch ein drittes graues ausdrucksloses Gesicht. Das war der Keller, das waren die Gesichter, das war der trübe Brei, in den Vilshofen zurückfiel. „Aber, meine Herren!“

„Aber, mein General …“

Vilshofen hatte denselben General im ersten Weltkrieg als Hauptmann erlebt, wie er schon zerschleißende Soldatennerven wieder zusammenbrachte, wie er aus dem Graben herauskletterte, in aufspritzendem Artilleriefeuer einherstelzte, sich Feuer für eine Zigarette reichen ließ, sein „Danke“ schnarrte und so sein junges Leben beispielshalber aufs Spiel setzte; und sein altes Leben, das war zu sehen, war ihm nichts mehr wert, und nicht um seines Lebens willen hatte er sein Wort gesprochen, es war ihm nicht die Wand, sich dahinter zu verkriechen. Aber da hatte er sich wieder niedergelassen, und da saß er wieder auf der Bank des Schweigens, ein sehr weiß gewordener, ein sehr alter Mann. Man kann doch aber nicht so ein Wort aussprechen und sich damit ins Privatleben zurückziehen! Und da gibt es keinen alten und auch keinen steinalten Mann, noch dazu auf Stalingrader Boden, wo man Leichen fechten lässt.

„Für den nicht. Ich denke nicht daran. Nein!“, sagte der General noch einmal und wurde wieder zu einem Stein.

„Meine Herren, es ist natürlich klar, ,der’ ist nichts ohne die ihm geliehenen Generalsarme. Und was not tut, ist die volle Kehrtwendung, und da heißt es nicht nur: Kehrt, sondern: Kehrt, marsch! Jawohl: Spielleute an den rechten Flügel! Sprung auf, marsch, marsch, Hurra!“

Generale unter sich von Theodor Plivier: TextAuszug