Sturz vom galoppierenden Zirkuspferd
EDITION digital erinnert zum 90. Geburtstag an Herbert Otto
GODERN bei Schwerin Mexikanische Bohnen aus dem Beutel. So lautet der geheimnisvolle dritte Satz zu Beginn des letzten Buches von Herbert Otto, der am Ende dieser Woche 90 Jahre alt geworden wäre. Das Hundeohr erzählt vom weit gereisten Artisten Edgar Deutschmann, der während eines Zirkusauftritts in Montevideo vom galoppierenden Pferd stürzt mit bizarren Folgen. Dank eines angenähten Hundeohres kann er mehr hören als alle anderen selbst sprachgeformte Gedanken. Mit dem ebenso rätselhaften wie entlarvenden Hunderohr hatte sich Otto, der mit Büchern wie Zeit der Störche (1966, DEFA-Film 1971 ) und Zum Beispiel Josef (1970, DEFA-Film 1974) sowie Die Sache mit Maria (1976, Verfilmung 1980 abgebrochen) und Der Traum vom Elch (1983, DEFA-Film 1986) zu den bekanntesten DDR-Schriftstellern gehörte, nach längerem Schweigen nach der Wende 1997 eindrucksvoll im literarischen Leben zurückgemeldet. Sein letzter Roman gehört wie weitere elf Titel zu einer jetzt von der EDITION digital aus Godern bei Schwerin veröffentlichten Herbert-Otto-Kollektion. Neben seinen bekannteren Romanen enthält sie auch das Filmszenarium Septemberliebe, die Novelle Griechische Hochzeit und das unmittelbar nach der Kubanischen Revolution geschriebene und mit Fotos des Autors versehene Kuba-Buch Republik der Leidenschaft. Auf der Karibikinsel war Otto damals nicht nur Lehrerinnen und Hafenarbeitern, Milizionärinnen und Zeitungsverkäufern begegnet, sondern auch dem jungen Fidel Castro und Hemingway Hemingway zumindest fast. Alle Bücher sind unter www.ddrautoren.de, bei Weltbild, Apple, Google und Amazon als E-Books zu haben.
Als Sohn eines Arbeiters und einer Näherin wurde Herbert Otto am 15. März 1925 in Breslau geboren, absolvierte nach dem Besuch der Volksschule eine Lehre als Bankkaufmann und arbeitete danach als Angestellter bei einer Bank. Von 1943 bis 1944 war er Soldat und geriet zunächst in rumänische, danach in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1948 entlassen wurde. Nach einem Studium der Ästhetik und Philosophie in Moskau kehrte er 1949 nach Deutschland zurück und wirkte in der DDR zunächst als Dramaturg sowie als Lektor im Verlag Kultur und Fortschritt. Seit 1956 lebte er als freischaffender Autor in Kleinmachnow, später in Potsdam und an der Ostseeküste in Ahrenshoop. Ab 1987 gehörte er dem PEN-Zentrum der DDR an, später dem ostdeutschen und schließlich dem PEN-Zentrum Deutschland. Otto, der am 24. August 2003 in Ahrenshoop starb, wurde vielfach ausgezeichnet, so 1956 und 1961 mit dem Theodor-Fontane-Preis, 1971 mit dem Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste, 1977 mit dem Vaterländischen Verdienstorden, 1978 mit dem DDR-Nationalpreis sowie 1975 und 1985 mit dem Kunstpreis der Gewerkschaften.
Die vor nunmehr 20 Jahren von Gisela und Sören Pekrul gegründete EDITION digital hat sich seit 2011 verstärkt dem E-Book verschrieben. Wie Verlagschefin Gisela Pekrul erläuterte, bestehe der Vorteil der E-Books vor allem darin, dass man immer ausreichend Lektüre bei sich habe, die Schrift vergrößern und sich mit manchen Geräten die Bücher sogar vorlesen lassen könne. Außerdem seien digitale Bücher oft preiswerter als gedruckte. Als sein erstes digitales Erzeugnis hatte der Verlag 1994 die CD-ROM Mecklenburg-Vorpommern digital herausgebracht. Als erstes tatsächliches E-Book erschien zur Leipziger Buchmesse 2011 Schloss Karnitten von Manfred Kubowsky. Heute umfasst das E-Book-Programm mehr als 620 Titel (Stand März 2015) von 100 DDR-Autoren, wie Wolfgang Held, Klaus Möckel, Wolfgang Schreyer und Erik Neutsch sowie den Sience-Fiction-Autoren Carlos Rasch und Karsten Kruschel. Nachzulesen ist das Gesamtprogramm unter www.ddrautoren.de. Jährlich erscheinen rund 200 E-Books neu, so als Nächstes neun vorwiegend historische Romane des Stralsunder Schriftstellers Heinz-Jürgen Zierke, darunter Sieben Rebellen, Sie nannten mich Nettelbeck und Ich war Ferdinand von Schill.
Titelbilder können Sie unter http://www.ddrautoren.de/presse.htm herunterladen. Weitere Informationen unter http://www.ddrautoren.de/Otto/otto.htm