Weniger ermüdend war das Hüten der Gänse. Doch von morgens elf bis abends acht Uhr, in den Schulferien den ganzen Tag, manchmal in eintönigem Regen oder bei brüllenden Gewittern, die Füße wund, die Kleider nass, ohne wärmendes Feuer: In dieser grauen und grausamen Einsamkeit vergehen die Stunden um ein vielfaches langsamer. Bald ging über mich das Gespräch im Dorf: Der Hirten-Adam spinnt!
Auch Vater und Mutter glaubten es. An einem sonnigen Sommertag waren Ausflügler auf den Anger gekommen. Ich hatte für die Gänse meiner Eltern Kornähren gesammelt und ließ sie aus meinem Hut fressen. Der Hund lag daneben, auch Mutter stand dabei; sie war auf dem Weg von der Kirche nach Hause. Die Ausflügler wollten Gänse, Hirtenjungen und Hund fotografieren. Ich war aufgesprungen und davongelaufen.
In Ottohausen war Kirchweih. Dort wohnte ein Onkel. Die Eltern konnten nicht zur Kirchweih gehen und schickten mich. Die Erwachsenen waren so stark mit sich beschäftigt, dass ich kaum beachtet wurde. Ich war grußlos wieder fortgegangen.
In der Stube des Kachlerbauern hing ein großes Bild. Ein Schloss, ein Teich davor, darauf schwammen Schwäne, ringsum Bäume und Blumen, die Besitzer und Gäste promenierten in schönen Kleidern. Über dem Bild stand: Pfingstmorgen.
Dös gfällt dir gwiss?, fragte mich die Bäuerin. Es war an einem Sonntag, kurz vor dem Austreiben.
Su a Lebn, dös hält ma scho aus!, sagte ich, noch ganz in Gedanken, und ließ die Bäuerin dann stehen.
Drei Gemeinden waren mit Gänseherden und -jungen auf dem Anger vertreten. Auch wenn die Sonne heiß vom Himmel brannte, die Bienen und Hummeln honigsuchend dahinsummten, die Frösche haufenweise neben- und aufeinander aus den Karpfenteichen quakten, Grillen und Vögel mit in das Konzert einstimmten, wurde die Langeweile zur Qual. Dann wurden trockene Kuhfladen auf in der Erde steckende Stöcke gespießt und angezündet. Reihenweise standen sie neben- und hintereinander, glimmten und rauchten und stanken mit dem Wind fort. Oder es wurden Grillen mit Grashalmen aus ihren Löchern gekitzelt, in Sandlöcher mit glatten Wänden gesperrt, wo sie dressiert wurden. Sie mussten auf Holzstäbchen herumklettern. Die ihre Sache nicht gut machten, wurden zum Tode verurteilt. Sie wurden in einen Ameisenhaufen geworfen. Scharenweise fielen die Ameisen über sie her. In einigen Sekunden waren sie tot. Am raschesten verlor das Angeln von Fröschen seinen Reiz. Die hüpften dutzendweise zu gleicher Zeit nach der Angel. Doch die Froschschenkel, im Feuer gebraten, schmeckten nicht. Ein anderer Zeitvertreib musste her: Die Frösche wurden geprellt! Über einen Stein oder Baumstumpf ein Brett, auf der einen Seite der Frosch, auf die andere Seite wurde mit einem Knüppel geschlagen. Wer so stark zuschlagen konnte, dass der Frosch nicht nur sehr hoch flog, sondern platzte, war ein Held. Als der Hirtenjunge von Bäumelsberg auch daran keinen Gefallen mehr fand und er und ein anderer Junge aus dem Dorf damit begannen, den Gänserichen mit glühend gemachten Eisen ihren Liebeseifer auszubrennen, meldete ich dies den Bauern. Nun war ich der sich nicht an den grausamen Spielen beteiligte von einem Spinner zum Verräter geworden. Ich hatte nur einen Freund. Von diesem will ich hier berichten.