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Alle Abenteuer des Uwe Reuss von Wolfgang Schreyer
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Preis E-Book:
18.99 €
Veröffentl.:
11.05.2021
ISBN:
978-3-96521-449-1 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 1270 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Familienleben, Belletristik/Geschichten vom Meer, Belletristik/Liebesroman/Aktion & Abenteuer, Belletristik/Moderne Frauen
Abenteuerromane, Familienleben, Kriminalromane und Mystery, Liebesromane
Karibik, Rauschgiftschmuggel, Mafia, Waffenschmuggel, USA, CIA, Entführung, Mord, Spionage, Liebe, Drogen, Guerillas, Piraten, Eltern-Kind-Konflikt, Unabhängigkeit, Schatzsuche, Schatzinsel, Korruption
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Als Reuss eintrat, setzte Gina sich im Bett auf. Sie hatte noch nicht geschlafen, sondern wohl den rotbraunen Koffer mit dem Rest ihres Geldes bewacht. Das Telefonbuch lag neben ihr auf dem Nachttisch. Es war erstaunlich dünn. Auf South Caicos gab es knapp hundert Anschlüsse und auf Grand Turk, wo die automatische Vermittlung stand, bloß zweihundert mehr. Für die kleine Schar von Teilnehmern reichte ja solch ein Buch. Die übrigen Inseln des Archipels, Ferienparadiese in spe, entbehrten noch des Telefons, des fließenden Wassers und der Elektrizität. Reuss war bestens unterrichtet. Wer so im Bilde war wie er, der würde das Kind schon schaukeln.

„Was rät uns dein Sergio?“, fragte er behutsam.

„Tut mir leid, ich hab ihn nicht erreicht.“

„Kein Anschluss unter dieser Nummer?“

Gina, von seinem Atem berührt, verzog das Gesicht. „Doch. Nur Sergio selber ging nicht ran.“

„Vielleicht sitzt er wieder? Unser letzter Strohhalm! Lass mich mal versuchen.“

Da der Fußboden zu schwanken schien, setzte Reuss sich auf die Bettkante und griff nach Ginas Zettel. Es fiel ihm schwer, sich all die Ziffern einzuprägen, sie verwischten irgendwie, auch die Wählscheibe verschwamm, kaum dass er anfing, sie zu drehen. Bei der Vorwahl von Kingston, Jamaica, erhob sich ein Rattern, als stehe die Vermittlung auf Grand Turk unter Beschuss. Das Gefecht endete mit einem metallischen Seufzer, jemand hob ab. „Simmons. Wer spricht?“

„Jerry, bist du's?“ Der rothaarige schlampige Maat von der „Magic Xanthippe“ und der „Port of Spain“, den sie in Mexico geschnappt hatten. „Hier ist Uwe. Gib mir Sergio!“

„In welcher Angelegenheit?“ Simmons zierte sich wie eine Vorzimmerdame.

„O Mann, das fragst du? Wir sind völlig abgebrannt...“ Reuss stockte, ihm fehlten die Worte, sein Kopf war bestürzend leer. Wenn jemand in der Telefonzentrale des Hotels mithörte, klang „abgebrannt“ durchaus verräterisch.

„Ihr seid was?“

„Wir haben vierzigtausend Dollar verloren.“ Endlich die passende Umschreibung des Malheurs.

„Das muss aber ein dickes Portemonnaie gewesen sein.“

„Mehr sagst du nicht dazu? Wo finden wir euch?“

„Ruft noch mal an, Leute. Ich bin nicht befugt, euch seine Adresse zu geben.“

Dieser Hund. Während Reuss nach Worten suchte, klickte es in der Leitung. Das hörte er, doch es dauerte Sekunden, ehe ihm aufging, dass Simmons das Gespräch beendet hatte. Eine komplette Abfuhr. Nebel wallte, die billige Zimmereinrichtung versank, Reuss sah nur noch Gina, ihre schreckhaft geweiteten Augen und das künstliche Lächeln, mit dem sie sich gegen ihn wehrte. „Feine Freunde haben wir“, stieß er heraus. „Alles ist hin, durch sie...“ Die Früchte, wollte er hinzufügen, elf Jahre Schufterei auf Bohrinseln, doch er spürte, es würde ihm misslingen, den Satz sinnvoll zu beenden, sich überhaupt verständlich zu machen. Aber fühlte sie denn nicht auch so, wie ihm zumute war?

„Schlaf erst mal deinen Rausch aus“, sagte sie.

Er saß regungslos da, umfächelt vom Hauch der Klimaanlage, und Wut stieg in ihm hoch. „Ach, ich bin schuld, wie? Frag lieber mal dich, wo der Fehler liegt... Ihm um den Hals fallen, das hast du gekonnt. Hinter meinem Rücken Briefe schreiben. Mich zwingen, den Kerl, den er erledigt hat, mit ihm ins Meer zu schmeißen und ihm obendrein das Boot zu geben! Du hast mich zu seinem Komplizen gemacht. Und das, wo wir jetzt sind, ist die Quittung dafür.“

„Ist das alles?“, fragte sie. „Bist du fertig?“

„Noch lange nicht. Willst du mehr hören?“

„Ja, ehe du daran erstickst!“

Reuss fuhr zusammen, etwas bewegte sich am Rande seines Blickfelds, ein Nachtvogel am Fenster, eine Fledermaus oder der Pelikan, das elende Wappentier. „Na gut, Gina“, sagte er. „Du tust mir leid. Im Grunde bist du ein Playgirl, das nie erwachsen wird. Du hast keine Freunde, wie sich zeigt, bloß Spielgefährten. Dir hat es immer an Substanz gefehlt. Du hast einfach keinen Kern. Du bist ein verwöhntes Kind, Tochter eines Professors, die jeden Willen gekriegt hat. Die ihr Studium schmeißt und mit dem erstbesten Mann wegrennt. Erst Walter Lersch, dieser Windhund. Dann der große Sergio, der Lersch von Bord jagt und kaltblütig ertrinken lässt. Stets auf Seiten des Siegers! Sag mir, mit wem du schläfst, und ich sage dir, wer du bist.“

„In letzter Zeit mit dir!“

„Ja, mit mir, der ich zufällig zur Hand war und den Hampelmann spielen darf, bis der andere wieder zur Stelle ist... Wie würdest du das nennen? Es gibt ein Wort dafür.“

Alle Abenteuer des Uwe Reuss von Wolfgang Schreyer: TextAuszug