DDR-Autoren
DDR, CSSR, Sowjetunion, Polen ... E-Books, Bücher, Hörbücher, Filme
Sie sind hier: Nasenflöte von Maria Seidemann: TextAuszug
Nasenflöte von Maria Seidemann
Format:

Klicken Sie auf das gewünschte Format, um den Titel in den Warenkorb zu legen.

Preis E-Book:
6.99 €
Veröffentl.:
08.11.2014
ISBN:
978-3-95655-157-4 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 167 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Liebesroman/Geschichte/20. Jahrhundert, Belletristik/Kurzgeschichten, Belletristik/Älterwerden, Belletristik/Geschichte, Belletristik/Politik
Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories, Kriegsromane, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Heranwachsen, Liebesromane, 20. Jahrhundert (1900 bis 1999 n. Chr.)
Neulehrer, KZ, 2. Weltkrieg, Ukraine, Töpfern, Nonne, Termiten, Kreißsaal, 20. Jahrhundert, Familienbeziehungen, Frauen, Geschichte, Historisch, Holocaust, Krieg, Militär, Liebe, Kurzgeschichten, Politik, Spannung, Tod und Sterben
Zahlungspflichtig bestellen

Eine Frau reißt die Haustür auf und fragt mit scharfer Stimme, was die Fremden da suchen. Paul starrt sie an. Halina. Sie ist überhaupt nicht verändert. Sie erkennt ihn aber nicht.

Petko ist da und sagt ein paar Worte, wo Paul herkommt, doch worum es sich eigentlich handelt, das ahnt Petko nicht. Paul hat Zeit, sich zu fassen. Natürlich ist das nicht Halina, sondern eine Tochter von Halina, der Mutter gleich in Gestalt und Gesicht.

„Ich habe dieses Haus gebaut“, sagt Paul, „zusammen mit deiner Mutter.“

Die Frau ruft ins Haus: „Mama, dein Deutscher ist gekommen.“

Im Zimmer sieht Paul eine Greisin zu Bett liegen, ein Schlaganfall hatte ihr das Gesicht schief gezogen, sie blickt ihn an ohne ein Zeichen. Paul ist bestürzt. Warum sind alle so alt geworden. Die Frau im Bett erinnert ihn an seine Alte zu Hause mit ihren Zottelhaaren. Und wie ihr der Hals aus dem Nachthemd quillt.

Die junge Frau bringt Tee, sie sagt, dass sie Marja heißt und dass ihr Mann gleich von der Arbeit kommt.

Paul fragt nach Marjas Vater. Er ist neugierig auf Halinas Mann. Ganz nebenher sagt Marja, sie hätte nie einen Vater gehabt, sie sagt ihm auch ihr Geburtsdatum. Petko, der stumm dabeisitzt, sieht, dass Paul blass und rot wird, er reimt sich einiges zusammen.

Paul wurde mit ein paar anderen lazarettentlassenen Gefangenen dem Dorf Sladkoje zugeteilt zu Aufbauarbeiten. Paul setzte mit Halina das ausgebrannte Haus instand. Halina war allein aus der Evakuierung zurückgekehrt, die Verwandten blieben in Sibirien. Noch immer hoffte sie, dass der Vater oder der Bruder heimkäme, der Weg von Berlin bis nach Sladkoje ist weit. Einen Bräutigam hatte Halina nicht, denn als sie heranwuchs, gab es in den Dörfern schon keine Männer mehr. Paul mauerte den Schornstein hoch und setzte die Dachbalken. Das Haus ist geblieben, wie es damals war. Es ist Pauls Zuhause gewesen.

„Halina, erinnerst du dich, wie wir deine sechs Kirschbäume gesetzt haben?“

Die alte Frau murmelte etwas.

Paul denkt auch daran, wie sie den neuen Wald angepflanzt haben, alle Männer und Frauen des Dorfes und die vier Deutschen. Am selben Abend erfuhren sie von der bevorstehenden Entlassung, der Heimreise. Halina hat geweint in der letzten Nacht. Sie wollte nichts mehr wissen von ihrem feindseligen Schweigen in den ersten Monaten, und Paul grübelte verzweifelt, wo er sich verstecken könnte.

Was sollte Paul in Deutschland? Er versprach Halina zurückzukommen. Es gab einen neuen deutschen Staat, mit dem die Sowjetunion schon diplomatische Beziehungen aufgenommen hatte, und der Krieg war seit fünf Jahren vorbei. Paul hoffte auf die neuen Zeiten. Aber er durfte nicht zurück. Sein Antrag wurde nicht bearbeitet. Man riet ihm dringend, die Angelegenheit zu vergessen und ein guter DDR-Bürger zu werden. Paul versuchte zu vergessen. Er baute sich eine Existenz zurecht mit Haus und Frau und Sohn und Brigade. Nun ist er wieder hier und hat eine Tochter, die ihn mit harten Augen anschaut. Sie haben es schwer gehabt ohne Mann und Vater.

Nasenflöte von Maria Seidemann: TextAuszug