Wie die Räuchermännchen in die Lehrerwohnung kamen
In seinem Buch „Christbaum und Pyramide“ erzählt Karl Sewart ganz persönlich über erzgebirgisches Weihnachten
Weihnachten. Im Erzgebirge hat dieses Fest einen ganz besonderen Klang. Nirgendwo sonst in deutschen Landen wird das Weihnachtsfest mit so vielen historisch gewachsenen Bräuchen und volkskünstlerischen Zeugnissen begangen wie im Erzgebirge. Schwibbogen und Pyramide, Nussknacker und Räuchermann, Bergmann und Lichterengel - erzgebirgische Weihnachtsfiguren - sie sind heute weltweit bekannt und beliebt.
Davon erzählt der Schriftsteller Karl Sewart in seinem Buch „Christbaum und Pyramide“ auf ganz persönliche Weise. Aus seinen eigenen Erfahrungen und Erlebnissen. Aufschlussreich geht er den Spuren dieser Bräuche nach. Ein Buch für alle, die sich für das „deutsche Weihnachtsland“ interessieren und die vielleicht wissen wollen, wie die Räuchermännchen in die Wohnungen des Lehrers gekommen sind: „Die Räuchermännchen waren nicht auf einmal in unsere Lehrerwohnung in der Großolbersdorfer Schule gekommen. Unser Vater hatte sie nach und nach angeschafft, als er, als junger Lehrer vom Annaberger Lehrerseminar ins Dorf gekommen, an schulfreien Tagen und in den Ferien noch seine ausgiebigen Wanderungen in die Umgegend gemacht hatte. Von jedem einzelnen Exemplar wusste er eine Geschichte zu erzählen, wie er es, in Annaberg oder Marienberg „oben“ oder in Wolkenstein „drüben“ oder in Lengefeld „hinten“, im Schaufenster eines Spielwaren- oder Kunstgewerbeladens hatte stehen sehen, wie er gar nicht anders gekonnt habe, als einzutreten und das Männel zu kaufen.
Auf dem Heimweg hatte er es dann immer gar nicht erwarten können, das Männel aus der Schachtel herauszunehmen, und er ist öfters einmal stehengeblieben und hat sich an dem noch nach frischer Lackfarbe riechendem Männel gefreut, und er hat ihm die Gegend gezeigt und erklärt, und das Männel hat ihm erzählt, wo es herkam, wie es oben im Kammwald in einem Baumstamm versteckt gewesen sei, wie Waldarbeiter den Baum umgemacht hätten, wie der Stamm in die Sägemühle transportiert und dort zerschnitten worden sei und wie die Stücke zu einem Holzdreher nach Seiffen gekommen seien, der es, ohne ihm im geringsten dabei wehzutun, auf seiner Drehbank aus einem der rohen Klötze herausgedrechselt habe ...
Daheim angelangt, wies der Vater dem neuen Männel seinen Platz auf Fensterbrett oder Schrank an und machte es auf dem Oberboden mit seinen schon anwesenden Brüdern bekannt, um es zum Advent herunterholen und ihm sein erstes Pfeifel anzünden zu können.“
Und noch viele andere Geschichten wusste der Vater zu erzählen. Und wie der Vater so weiß auch Karl Sewart viele Geschichten über das erzgebirgische Weihnachten zu erzählen, dieses besonders Fest. Man muss ihnen nur zuhören …
Der inzwischen 82-jährige Autor Karl Sewart wurde 1933 in Annaberg geboren, hatte nach dem Studium der Berufspädagogik und einer Ausbildung als Kunsterzieher zunächst in Leuna und Merseburg als Lehrer gearbeitet, bevor er eine Anstellung in Großolbersdorf und Drebach bekam. Während der Merseburger Zeit kaufte sich Sewart ein Rennrad, um jedes Wochenende nach Hause in sein geliebtes Erzgebirge fahren zu können. Schon als Schüler unternahm er erste Schreibversuche und studierte von 1970 bis 1973 am Literaturinstitut in Leipzig. Seit 40 Jahren ist er freischaffender Schriftsteller und siedelt seine Bücher vorwiegend in seiner erzgebirgischen Heimat an.