Kein Leitfaden der Ehekunst
In seinem Buch „99 und eine Scheidung“ nimmt Karl Sewart ein mitunter sehr ernstes Thema ziemlich heiter
Wie geht Ehe? Wie geht eine gute Ehe? Ich weiß nicht, ob der Schriftsteller Karl Sewart, der in diesem Buch 99 Ehen und eine Scheidung beschreibt, darauf eine Antwort hat. Aber das will er wahrscheinlich auch gar nicht. Er hatte wohl auch nicht vor, einen Leitfaden der Ehe-Kunst zu verfassen. Vielmehr geht es um Beispiele für besondere Formen solcher menschlicher Zweisamkeit – heiter betrachtet. Und da findet der Autor tatsächlich jede Menge von Ehe-Verhältnissen, wie sie sind und wie sie zustande kommen (können).
Gleich auf den ersten Seiten des amüsanten Buches finden sich zum Beispiel die „Fenster-Ehe“ oder die „Eis-Ehe“, aber auch die „Bücher-Ehe“ und die „Fernglas-Ehe“. Sie wollen wissen, was eine „Fernglas-Ehe ist“?
Bitte schön, hier kommt ein kurzer Ausschnitt aus „99 Ehen und eine Scheidung“:
Eine Fernglas-Ehe
Während er, angeblich auf dem abendlichen Sicherheitsrundgang durchs Haus, sich draußen im Hof auf die Setztreppe setzt und das Spezial-Zeiss-Nachtglas, das sie ihm zu Weihnachten schenkte, aufs eigene Schlafzimmerfenster richtet, öffnet sie die Flügel desselben und beginnt, sich eines ihrer Kleidungsstücke nach dem anderen zu entledigen ...
So hat er ihre unüberwindliche Scheu, sich ihm in all ihrer Natürlichkeit zu zeigen, doch noch zu überlisten gewusst ... Und sie die seine, sie in all ihrer Natürlichkeit zu bewundern ...
Man muss sich eben zu helfen wissen, Ehe man sich schieden lässt. Und in diesem Sinne ist das Buch von Karl Sewart vielleicht doch eine Art Leitfaden der Ehe-Kunst. Zumindest eine vergnügliche Lektüre, vor und während der Ehe zu empfehlen. Und möglicherweise sogar danach.
Der inzwischen 82-jährige Autor Karl Sewart wurde 1933 in Annaberg geboren, hatte nach dem Studium der Berufspädagogik und einer Ausbildung als Kunsterzieher zunächst in Leuna und Merseburg als Lehrer gearbeitet, bevor er eine Anstellung in Großolbersdorf und Drebach bekam. Während der Merseburger Zeit kaufte sich Sewart ein Rennrad, um jedes Wochenende nach Hause in sein geliebtes Erzgebirge fahren zu können. Schon als Schüler unternahm er erste Schreibversuche und studierte von 1970 bis 1973 am Literaturinstitut in Leipzig. Seit 40 Jahren ist er freischaffender Schriftsteller und siedelt seine Bücher vorwiegend in seiner erzgebirgischen Heimat an.