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Fiete Schulze – Ein Name, ein Kampf von Erich Weinert
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Preis E-Book:
2.99 €
Veröffentl.:
11.06.2025
ISBN:
978-3-68912-519-6 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 123 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik, Belletristik/Kurzgeschichten
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Kriegsromane: Zweiter Weltkrieg, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
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So vergingen sechseinhalb Jahre, dass ich meinen Vater nicht sah.

Eines Nachts, es war im Herbst 1932, kam ein Genosse zu uns, der sagte mir: „Dein Vater ist da. Du sollst sofort zu ihm kommen!“ Fiete war zur illegalen Arbeit nach Hamburg gekommen. Der Faschismus drohte; da hielt es ihn drüben nicht mehr.

Ich fand ihn in dieser Nacht in einem streng illegalen Quartier in Hamburg. Er hatte sofort unter anderem Namen seine politische Tätigkeit aufgenommen. Wieder war die Freude groß. Fiete war noch immer der alte: heiter, elastisch, energisch, optimistisch.

Wie strahlten seine Augen, als ich ihm erzählte, dass ich schon seit meinem dreizehnten Jahre – ich war ja inzwischen sechzehn Jahre alt geworden – eine Funktion im Kommunistischen Jugendverband bekleide. Er bat mich, jetzt immer bei ihm zu sein, sooft es seine Zeit erlaubte; denn nun sollte ich mich bei ihm ernstlich politisch schulen und ihm sogar bei seiner Arbeit behilflich sein.

Ich ging fast jeden Tag zu ihm, immer unter Beobachtung großer Vorsicht. Er schickte mich in die Marxistische Arbeiterschule und unterrichtete mich in jeder freien Minute in gesellschaftswissenschaftlichen Dingen.

Sehr groß war sein Interesse und seine Besorgtheit für die Jugend. Ich musste ihm stets genau Bericht erstatten über alles, auch das unbedeutendste und privateste, was in unserem Verband vorging.

Sehr ungehalten war er, als er erfuhr, dass unter den Jungens hie und da als Reaktion auf die Mordaktionen der Nazis die Neigung zum Ausdruck kam, mit individuellen Aktionen zu antworten, und dann gar noch gegenüber proletarischen Elementen bei den Faschisten.

Seine Parole war: Nicht schlagen, überzeugen!

Wie oft hat er sich Jugendgenossen selbst vorgenommen und sie auf den rechten Weg gebracht; wie oft auch, und mit Erfolg, haltlose Jungens, die der Sturm dieser Zeit aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, zur Besinnung gebracht. Fiete war ein großartiger Erzieher.

Einmal sagte er zu uns: „Meint ihr, das wäre schon ein Klassenfeind, weil er die SA-Jacke angezogen hat? Nein, Genossen, in diesem Jungen kann ein prachtvoller, ehrlicher Revolutionär stecken. Er weiß nur nichts von der Welt. Man hat ihn auf einen falschen Weg gelockt. Ihr aber wisst Bescheid! Bringt ihn auf den richtigen! Das ist Heldentum. Schießen ist keins.“

Ich habe in diesen Monaten bei meinem Vater viel gelernt. Ich war damals im Textilbetrieb und musste ihm immer alles erzählen, was sich in der Fabrik ereignete. Aus allem lehrte er mich, die Lehren zu ziehen. Damals arbeitete er mit mir theoretische Schriften durch. Ich musste stenografieren lernen; Fiete meinte, das könnte ich einmal sehr gut gebrauchen.

Ich weiß nicht, woher mein Vater die Zeit nahm, um neben seiner politischen Arbeit sich noch um tausend andere Dinge zu kümmern. Dabei musste er noch jeden Schritt vorher überlegen; denn jede Fahrlässigkeit konnte zu seiner Entdeckung führen. Ich brauche nicht zu betonen, dass die Faschisten die Anwesenheit und Wirksamkeit Fietes in Hamburg spürten, dass sie alle Schnüffler auf seine Spur setzten, um ihn auszuliefern. Es geschah mehrere Male, dass er plötzlich ins Zimmer stürzte und sagte: „Jetzt haben sie mich doch beinahe gehabt. Ich bin gerade noch so durchgekommen.“ Dann lachte er wie über einen lustigen Streich.

Fiete Schulze – Ein Name, ein Kampf von Erich Weinert: TextAuszug