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Die Geschichte der Maria Bersch. Der Lebensweg einer wolgadeutschen Bauernmagd von Friedrich Wolf
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Preis E-Book:
0.99 €
Veröffentl.:
01.08.2024
ISBN:
978-3-68912-062-7 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 17 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Krieg & Militär, Belletristik/Politik
Historischer Roman, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Soziales, Belletristik: Erzählungen, Kurzgeschichten, Short Stories
Agrarwirtschaft, Analphabetismus, Bauernmagd, Dorfrat, Frauenaktivistin, Frauenorganisation, Frauenrechte, Getreidebeschaffung, Kinderarbeit, Klassenkampf, Kollektivierung, Kommunistin, Kulaken, Landaufteilung, Politische Bildung, Revolution, Rote Armee, Sowjetunion, Widerstand, Wolgadeutsche
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Jetzt begann mein Kampf. Ich war fest entschlossen, Schluss zu machen mit allem Vergangenen, mit der Feigheit und mit der Lüge. 1922 bis 1924 war ich Köchin im Kinderheim Mariental an der Wolga. Ich wurde gleich ins ,Komitee für gegenseitige Hilfe‘ gewählt, ins Frauenaktiv und als Delegierte für Frauenarbeit. Das war 1922. Jede Woche hatten wir Versammlung. Wir wurden angeknüpft an den Dorfrat, die Kreditgenossenschaft, das Volksgericht, das Kantonvollzugskomitee; wir mussten feste praktisch arbeiten. Ich selbst als Köchin wurde gleich die erste dortige Frauenorganisatorin. Im gleichen Jahr wählte man mich in den Dorfrat.

1923 begannen die Klassenkämpfe im Dorf. Ich wurde nicht mehr gewählt. Die Kulaken begannen zu wühlen. Unter eintausendsechshundertsechzig Bauernhöfen bei uns – darunter Hunderte von Kulakenhöfen – wurde bloß zweien das Stimmrecht entzogen. Die Kulaken hetzten gegen mich. Ich hieß überall die ,Kommunistenmarie‘.

1924 wurde ich Aufräumerin in einer Bauernjugendschule. Dort war ich etwas freier. In den Abendkursen liquidierte ich mein Analphabetentum. Ich saß da manche Nacht über meinen Büchern und Schreibheften. Ich war vierunddreißig Jahre. Im Frühjahr 1925 organisierte ich das erste Frauenartel. Lauter Witweiber waren wir, zwanzig Witwen, ich war der Organisator. Wir säten fünfzehn Hektar, davon gruben wir sieben Hektar mit der Hand; die übrigen Hektar ackerte für uns das ,Komitee für gegenseitige Hilfe'; wir hackten ihm dafür die Hackfrüchte. Die Kulaken hetzten wie wild gegen uns. Man verspottete und verhöhnte uns. Aber wir zwanzig armen Witwen arbeiteten und hatten eine gute Ernte. In diesem Jahr trat ich in die Partei ein. 1926 säte unser Witwenartel schon zwanzig Hektar. Und wieder hatten wir einen guten Erfolg. Keine Kulakenhilfe hatten wir in diesen Jahren benutzt, keine. Jetzt kamen noch drei Frauen unseres Artels zur Partei. 1926 bis 1927 war ich kommandiert zur Räteparteischule. Ich beendete alle Kurse mit Erfolg. Ich heiratete zum zweiten Mal, den Parteigenossen und ehemaligen Armbauern Jacob Bersch. 1928 wurde ich im Nachojer Rayon stellvertretende Vorsitzende der Molkereigenossenschaft, zugleich hatte ich als Parteiarbeit die Frauenorganisation von fünf Dörfern. Dort herrschte ein sehr starker Klassenkampf. Oft wurde abends auf uns geschossen. Wir organisierten die erste Kinderkrippe. Ich gründete die erste Geflügelfarm in diesem Rayon. Wir kämpften gegen die Spekulanten, gegen das Kulakentum, gegen das Lumpenproletariat, gegen Diebstahl, Spekulation, Sabotage, gegen Schmutz und Krankheit, gegen Schwäche und Verhetzung. Wir gingen mit der ersten Selbstbesteuerung voran. Langsam, nur langsam begann das Misstrauen gegen uns zu weichen.

 

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